105. Ein matter Blick vom ew'gen Glück

Mel.: Ich bin ja, Herr, in deiner Macht ...

1.
Bald endet sich mein Pilgerweg;
Mein mattes Herze, werd' nicht träg,
Laß dich dein's Freundes treuen Händen!
Durchseufzt ist schon so manches Jahr,
Manch saurer Tritt, Druck und Gefahr;
Gott half, Gott hilft, Gott wird's vollenden.
Ich glaub', lieb', hoff', bis mir's geschicht;
Dort find' ich's gar, das fehlet nicht.
2.
Was werden wir dann finden da
Im Reich der ew'gen Gloria? –
Nicht Sünd', nicht Furcht, nicht Müh noch Leiden;
Wer Herzens-Ach gesäet hat,
Wer Böses litt und Gutes tat,
Find't da die Ernte reif mit Freuden.
Drum sät im Glauben reichlich fort,
Nichts geht verlor'n, wir finden's dort!
[566] 3.
Wir finden da das Paradies,
Der reinen Sinne rein Genieß
In Lustrevier'n von allem Schönen.
O Garten Gottes, neue Welt,
Du unverwelklich's Blumenfeld,
Da Himmelsnachtigallen tönen!
Man ißt von Lebensbäumen frei
Das Mark der Früchte mancherlei.
4.
Wir finden Gottes Stadt da stehn,
So groß, so heilig, herrlich, schön,
Von Perlen, Gold und Edelsteinen.
Gott ist in Salem drinnen nah;
Herein, die Tor' sind offen ja!
Doch muß ich fein und rein erscheinen,
Wo Gott und Lamm sind Kirch' und Licht;
In Mesech hier gefällt mir's nicht.
5.
Wir finden da auch unsre Leut',
Die wir gekannt in Leid und Streit,
Mit allen Heil'gen triumphieren.
Das wird ein Willkommheißen sein,
Ein Freundlichtun, ein Hocherfreun,
Ein süß Gespräch, ein Jubilieren!
Man geht wie Kindlein Hand an Hand;
Ging's auch schon so im Pilgerstand!
6.
Die Engel, die uns hier bewahr'n,
Die lieben, schönen, sel'gen Schar'n,
Wir finden da vergnügt in Menge.
[567]
In unserm Glück sie sich erfreun,
Sie nehmen uns mit in den Reihn;
Hört doch ihr frohes Lobgesänge:
Ehr' sei Gott in sein'm hohen Reich,
Nun hat er Wohlgefall'n in euch!
7.
Jetzt triumphiert ein eng'lisch Chor,
Bald steigt ein andres schön empor,
Dem Fest ein'n neuen Glanz zu bringen.
Throngeister, Cherub-, Seraphim,
Wann seh ich's, wie ihr dienet ihm,
Wann hör' ich »Heilig, Heilig« singen?
Mein Gott, wann fall' ich nieder auch,
Dich betend an nach Himmelsbrauch?
8.
Noch mehr, wir finden da den Freund,
Des Liebe Gott und Mensch vereint,
Der für uns blutend ist gestorben,
Der uns erlöst und durchgeführt,
Der uns mit weißer Seide ziert,
Dies' ew'ge Wonn' und Ruh erworben.
Erkaufte Scharen, beugt die Knie
Vorm Thron des Lammes dort und hie!
9.
Du weißt, mein Jesus, wer ich war,
Doch stellst du mich untadlig dar;
Ach, ewig bin ich dir verbunden.
Dein Blut macht Höllenwürd'ge rein;
[568]
Werd' ich einst glücklich bei dir sein,
Wie will ich küssen deine Wunden!
Wie fröhlich will ich singen da,
Dir, holdes Lamm, Halleluja!
10.
Auch schauen wir von Angesicht
Den sel'gen Gott im reinsten Licht;
Dies Schauen ist ein Hochgenießen.
O Heiligtum, o Dunkelheit,
Hier lehrt die stille Ewigkeit
Anbeten, beugen und zerfließen.
Drei-Eins, Gott, Gott, oh, wunderbar!
Ach Sela! hier verstumm' ich gar.
11.
Mein Herz, kehr dich denn ganz hinein
Da, wo du ewig wünschst zu sein,
Und laß die schlechten Sachen fahren!
O Gott, dein Himmelreich ist nah,
Ich such's im Geist und warte da,
Bis du dich mir wirst offenbaren.
Du bist mein Himmel, Lohn und Zier;
Wen hab', was such' ich neben dir!

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TextGrid Repository (2012). Tersteegen, Gerhard. 105. Ein matter Blick vom ew'gen Glück. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-4C71-B