106. Herzog Wallenstein vor Stralsund.

Der Friedländer, nachdem er mit seinen großen Heeren das ganze nördliche Deutschland überzogen hatte, und das Glück ihm überall günstig gewesen war, faßte, wie männiglich bekannt, in seinem Uebermuthe den Plan, sich an der Ostsee ein eignes Reich zu stiften, in welchem er, unabhängig von Kaiser und Reich, als König regieren wollte. Dazu war ihm ganz besonders daran gelegen, die mächtige und reiche Stadt Stralsund zu besitzen. Er verlangte daher zuerst hinterlistiger Weise von der Stadt, daß sie Soldaten von ihm einnehmen solle. Das verweigerten die Stralsunder, und der Herzog zog nun mit einer großen Kriegesmacht vor die Stadt, um sie mit Gewalt einzunehmen. Er schwur in seinem Zorne, daß von der Stadt Stralsund nichts übrig bleiben solle, und wenn es ihm auch hunderttausend Mann und sein eignes Leben kosten solle, und er müsse sie haben, wenn sie auch mit Ketten an den Himmel geschlossen [145] wäre. Mit solchen Schwüren kam er am 27. Juni 1628 vor der Stadt an. Er legte sein Hauptquartier in das Hainholz, und ließ noch denselben Tag Sturm laufen. Allein die Stralsunder hatten Hülfe von den Dänen und Schweden bekommen, und wehrten sich so tapfer, daß die Kaiserlichen nichts ausrichten konnten. Auf einen Tag verloren sie 500 Mann, und auf einen andern sogar 1500. Da wurde der Herzog immer zorniger, und er verschwor sich, daß er den König von Schweden mit Ruthen aus dem deutschen Reiche jagen wolle, und wenn er die Stadt bekomme, so wolle er des Kindes im Mutterleibe nicht schonen.

In solchen Schwüren saß er eines Tages in seinem Gezelte, welches im Hainholze unter einer Eiche errichtet war. Um ihn saßen seine Generale und Offiziere, und er hatte gerade ein Glas mit Wein in der Hand, und wollte dasselbe zum Munde führen; da kam auf einmal eine Paßkugel aus der Stadt, die das Glas traf, und es ihm vor dem Munde in tausend Stücke zerschlug. Das ist ihm ein Zeichen gewesen, daß er hier solle zu Schanden werden, und daß er gegen Stralsund seine Drohungen nicht ausführen könne. Er brach daher sein Lager straks auf, und zog nach Mecklenburg zurück, nachdem er 12,000 Mann vor der Stadt verloren hatte.

Die Eiche, unter welcher das Zelt des Herzogs gestanden, und unter welchem ihm Jenes passirt, steht noch, und es liegt jetzt zum Andenken der Begebenheit ein Stein an der Stelle. Auf diesem wird alljährlich am 24. Julius, als an welchem Tage der Friedländer abzog, und die Stralsunder das Wallensteinsfest feiern, lustig und fröhlich von den jungen Bürgern und Jungfrauen der Stadt getanzt.

K. Lappe, Pommerbuch, S. 39 bis 41, und mündlich.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Temme, Jodocus Deodatus Hubertus. Sagen. Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Die Volkssagen von Pommern und Rügen. 106. Herzog Wallenstein vor Stralsund. 106. Herzog Wallenstein vor Stralsund. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3AE6-7