Joseph Anton Stranitzky
Die Enthaubttung
deß
Weltberühmten Wohlredners Ciceronis
Mit Hanß Wurscht:
den seltsamen Jäger, lustigen Gallioten, verwirrten Briefftreger, lächerlichen Schwimmer, übl belohnten Botten etc. Daß Übrige wird die Action selbsten vorstehlen

Personen

[70] Actores.

    • Augustus, Römischer Kayser.

    • Marcus Antonius, Burgermeister.

    • Julius Antonius, sein Sohn, verliebt in Tulia.

    • Scauro Scatilio, Generalisißimus der Römischen Völcker und Vatter der Emilia.

    • Cecina, Römischer Zunfftmeister, verliebt in Tulia.

    • Lucius Scipio, ein Freundt des Julij Antonii, verliebt in die Emilia.

    • Julius Cicero, Römischer Wohlredner und Vatter der Tulia.

    • Terentia, seine Gemahlin.

    • Tulia, Tochter des Ciceronis, verliebt in Julium Antonium.

    • Emilia, verliebt in Julium Antonium, hernach in Cecina und endlich in Lucium Scipionem.

    • Hanß Wurscht, ein Bedienter des Julii Antonii,
    • Scapin, ein Bedienter des Cecina, beede verliebt in:

    • Bromiam, Kamermädchen der Tulia.

    • Riepl, mit etwelchen Bauern.

    • Römische Soldaten.

    • Raathsbediente mit Marco Antonio.

1. Akt

1. Szene
Scena Prima.
Daß Theatrum praesentirt einen Waldt, von fehrne ein Gebürg, allwo man herunter gehen kan.
Julius Antonius liget verwundet zur Erde.

JULIUS ANTONIUS.

Grimiges Verhängnus! Grausame Sterne! worzu dienet Euch, mir meine Kräffte benohmen zu haben, so, das ich von einen schaumenden Eber hab bis in den Todt müsßen verlezet werden. Ô wehe! ich mus in meinen selbsteignen Bluth vergehen, sofehrn mir niemandt zu Hilffe kombt: meine Bediente haben mich verlohren, und meine allzu schwage Stimme ist nicht fehig einiges Zeichen von sich zu geben. Ach mir! solt ich dann also müseelich mein Leben beschlüsßen? Ihr sonst unmitleidentliche Parcen, verschonet meiner und zeiget in meinen Beyspill, daß ihr auch Barmherzigkeit in Eueren Busen heget. Aber es ist vergebens, ich ringe schon mit dem Todt, meine Augen werden Glaß, meine Zunge Stein, und meine Sinnen verwihren sich; ô barmherziger Himmel, stehe bey einen müselichen! ô wehe, Tulia, ach Tulia, wo bistu? dein getreuer Julius mus dich verlasßen, ich sterbe – – – – – Fallet in die Ohnmacht.

2. Szene
Scena 2da.
Hanß Wurscht.
Komet in einen närrischen Aufzug ruckwerths mit einen Spieß gegen der Scen stosßendt, sagendt: mein lieber Bruder Beer, laß mich mit Ruhe, oder ich sag [71] dir die Brüederschafft auf. Und indeme er ruckwerts gehet, fallet er über seinen Herrn, hat ein Geschreu und Bitten, in Meinung, der Beer seye schon über ihm, stehet endlich auf und sihet seinen Herrn; sagt: was ich vor ein Narr bin, hab geglaubt, es seye ein Beer, so sihe ich wohl, daß es eine Sau etc. Das seye schön, wann man sich auf der Jagd in rotten Wein so voll ansaufft, daß man speien müsße. (Wecket seinen Herrn und hat seine lazzi mit hin und her drähen.) Sagt dabei: Herr, stehet lieber bey Zeiten auf, oder wann ich zornig werde, gib ich gleich selbst daß Waidmeßer etc. Da er aber sich nicht ermuntern will, sagt er, daß es mit ihm nicht richtig zugehen müsße. Besihet ihm allenthalben und ersihet die Wunde; saget: Potz 1000, daß ist ein Loch, daß ein Schweizerkuhe daraus sauffen kunte, das hat ihm gewis ein Eichhändl gethan etc. Fanget an zu lamentirn, indeme er glaubet, daß sein Herr todt; kniet vor seiner nieder und saget weinender: ô mein Herr, habt ihr dann nicht so lang mit Euren
Todt wartten könen, bis ihr mich bezahlet und daß Testament gemacht? ietzt werde ich nichtes von Euren Sachen bekomen etc. etc. Ruffet endlich umb Hilffe, und so fehrn beliebet, kan er mit dem Echo vexiret werden, bis er endlich überdrüsich das Arschlecken heisßet. Gleich dazu von vorne.
3. Szene
Scena 3.
Tulia und Emilia alß Amazoninen mit einen Spieß in der Handt.

TULIA.
Mit wem redestu also höfflich? Zu Hanß Wurscht.
HANSS WURSCHT.
Meinetwegen könet ihrs selber sein, wann ihr mich vor einen Narren halten wolt.
EMILIA.
Du, seye nicht so vermesßen, sage, wann haben wir mit dir etwas zu thun gehabt?
HANSS WURSCHT.
Seyd dann ihrs nicht gewest, die mich vor einen Narren gehalten?
TULIA.
Waß haben wir mit dir? Wir sind unserer Ergötzlichkeit nachgegangen.
HANSS WURSCHT.

Eß ist schon recht, aber gleichwohl soll man einen so bartenten Bieberl nicht die Narren von weiten stechen.

EMILIA.
Du bist aberwitzig. Sage mir, hastu gesehen, wie Tulia jenes Hirschenstück gefählet?
HANSS WURSCHT.
Ia, ia, ich habs gesehen, ô Jungfrau Tulia, ihr habts Rähe troffen, ich habs visitirt.
TULIA.
Und wohin mag ichs wohl getroffen haben?
HANSS WURSCHT.
Just dahin, wo ihr einmahl werd troffen werden.
EMILIA.
Grober Esel, hastu nicht mehr respect vor einen Frauenzimer? Backe dich aus unsern Augen.
[72]
HANSS WURSCHT.
Dieses kan ietzt nicht sein, dann mein Herr – – –
TULIA.
Und wo ist dann dein Herr? Ich hab ihm allenthalben gesucht.
HANSS WURSCHT.
Er ist schon forth.
TULIA.
Nach der Stadt?
HANSS WURSCHT.
Nein, sein Leib ligt da, wo aber die Seel hin wird sein, daß weis ich nicht.
EMILIA.
Wie sagstu?
HANSS WURSCHT.
Ia, ia: sterbsit, morexit et nihil dixit.
TULIA.
Dein Herr todt?
HANSS WURSCHT.
Ia, todt, und da ligt er mit Dreck und Speck. Zeichet auf ihm.
TULIA.
Ô Himmel, was erblicke ich!
EMILIA.
Ô ihr Götter, stehet uns bey! – Villeicht hastu, Schelm, ihm ermordet?
HANSS WURSCHT.

Wann ihr meinet, bringt mich ins Spill, daß ich aufgehenckt wurd. Geht hin und fragt ihm, ob ichs gethan.

TULIA.
Ô wehe, Julius todt! So verlange ich auch nicht fehrner zu leben.
HANSS WURSCHT.

Weinet nicht, Jungfrau Tulia, komet Beede, ich will Euch helffen; blaset ihm hinten wacker zu, villeicht kombt die Seel wieder hinein.

EMILIA.

Gehe, unglückseelicher Diener eines noch unglückseelicheren Herrn, gehe, und lasße uns seinen Todt beweinen.

JULIUS
rühret sich.
HANSS WURSCHT.

Potz 1000 er hat sich gerührtGehet hinzu. Herr Julius, stehet aus! Euer Mensch, die Tulia, ist da, stehet auf, oder sie legt sich zu Euch.

JULIUS.
Wie geschihet mir, bin ich todt oder lebendig?
TULIA
gehet hinbey ihm zu laben nebst Emilia.
Erhollet Euch, wertestes Leben, und erfreuet Euere betrübte Tulia.
HANSS WURSCHT.
Stehet doch auf, Herr, ihr liget da wie ein fauler Schäfferhundt.
JULIUS.
Ach! ach!
EMILIA.
(Ich fülle Pein und darff mich nicht entdecken.)
JULIUS.

Angebethene Tulia, wertgeschätztes Kleinod meines Herzens, hat mich der Himmel dannoch mit Euerer Gegenwart begnaden wollen?

[73]
TULIA.
Redet nicht zu viel, mein Leben, damit das Geblüthe nicht noch mehr beweget werde.
EMILIA.

(Ich kan mich nicht enthalten ihme einen Dienst zu thun.) Erlaubet, schöne Tulia, daß ich ihm die Wunde mit diesen Tuch verbinde.

TULIA.

Unnötige Höfflichkeit, ich bin schon selbst mit einen versehen. Erlaubet, geliebter Julius, daß ich die Wunde indessen mit diesen Tuch verbinde.

EMILIA.
(Die Eyffersucht leget mich fast in Todt.)
HANSS WURSCHT.
Schad ist es, daß ich nicht auch eine Wunden hab, nur wegen den Verbinden.
JULIUS.

Was Danck und Verpflichtung bin ich Euch nicht schuldig, schönste Göttin! Will aufstehen, falt aber wieder zur Erde. Erlaubet, daß ich Euere zartte Händte zur Dankbarkeit küsße.

TULIA.

Verbleibet, mein Abgott, spart Euere Höfflichkeit bis zur Genesßung, dann solche Bewegungen sind Euch höchst schädlich.

HANSS WURSCHT.
Heilt ihr ihm nur diese Wunden, er wird Euch schon wieder ein andere heillen.
JULIUS.
Euere Gegenwarth ist so durchdringendt, daß ich mich fast halb genesßen befinde.
EMILIA.

(Und meiner gedenket er niemahlen.) Lasset uns von hinnen gehen, umb ein baar Maulthier mit einer Sänffte heraufzuschicken, welche ihm nacherRom bringen.

HANSS WURSCHT.
Was hat es nötig, daß mau Esel holt? es seyd ja ihr starck genuch.
TULIA.
Schweige, Narr, man hat deines Rathes hier nicht nötig.
HANSS WURSCHT.

Mehr als bey Hoff, dann dort verschlagt einer den andern. – Potz 1000, schaut, schaut, wie der Herr Cecina daher laufft, als wann er gestohlen hätte.

TULIA.

Seine Ankunfft verstehe ich schon, allein er wird sich betrogen finden, so er glaubet eine Gegengunst zu gewinnen. Julius Antonius, lebet wohl, ich flihe diesen Orth, damit ich Euch nicht beleidige. Wollen abgehen.

JULIUS.
Verbleibet, ô Schöne! Was wird Cecina zu hoffen haben, so ihr mir die Treu geschworen?
TULIA.

Dieses, das Euere Ohren beleidiget; Julius lebet wohl. Tulia ist und bleibt die Eurige. Gehen gantz gemach von ihm.

[74]
JULIUS.
Der Himmel begleite Euch, schöne Tulia.
EMILIA.
(Wie erfreuet bin ich doch, daß ich von diesen Orth kome.)
4. Szene
Scena 4.
Cecina eillends.

CECINA.
Verbleibet, schöne Tulia, es gehet große Verrätherei vorbey.
TULIA.
Was redet ihr? Sich zurück wendendt.
CECINA.
Es ist nicht anders als ich gesagt.
JULIUS.
Und wer ist dann der Urheber derselben?
CECINA.
Schweige, unwürdiger Cavalier, eben du bist einer von selben.
JULIUS.
Wie, Cecina, was redestu, bistu deiner Sinnen beraubt?
CECINA.

Ô Verräther, deine Verstellung kan dir nichtes mehr nutzen, nachdem das Feuer Euerer Bosheit schon ausgebrochen.

HANSS WURSCHT.

Hört ihr, leeret Euer lose Goschen wo anders aus, und nicht allhier, oder man wird Euch den Weeg weisßen.

CECINA.
Verächtliche Creatur, was unterstehestu dich? Will den Säbel zihen.
HANSS WURSCHT.

Ich meine es weiter nicht bös, aber – (Daß mein Herr ietzo nicht aufstehen kan, dan ich hab keine gurache, sonst wolt ich dem Kerl einen Lunckenhib geben, daß ihm daß Hirrn heraushencken solte.)

TULIA.
Rede Cecina, was gehet vorbey?
CECINA.

Nachdem der hohe Rath in dem Capitolio versamblet war und Marcus Antonius Agrippa zum Todt unschuldiger Weis verurtheilt, hielte Cicero, dero Erzeuger, sein, des Agrippa, Seite und bracht es durch seine Beredsambkeit dahin, das iedermann Agripam vor unschuldig erkhlärte. Weillen aber dis den naßewitzigen Verräther Marcum Antonium verdrosße, schwur er, Ciceroni den Todt noch vor den Untergang der Sonnen zu befördern; ich als ein getreuer Vasal von Euch eilte alsobald, solches sowohl dem Kayser als auch Ciceroni zu entdecken und glaube, daß die Sache wird vereitlet werden; doch weillen die Rache bey [75] dem hochmütigen Burgermeister allzu gros, ist ein Unglück zu befürchten, darumb eillet, schöne Tulia, nacherRom, damit ihr nicht auch in Unglück komen möget.

TULIA.
Was höre ich! Den Julius ansehendt. AchJulius!
EMILIA.

(Dieser Zufahl machet meine Liebe hoffen.)Cecina, es ist ein Grosßes, was ihr uns hinterbracht, hietet Euch, damit es nicht die Unwarheit seye.

CECINA.
Ich schwöre bey der Allmacht des Himmels, daß es dem also sey.
JULIUS.
(Ich bin gantz auser mir und vermag nicht zu andwortten.)
HANSS WURSCHT.
(Da heißt es wohl Hui und Pfui; auf einmahl mein Schatz, auf einmahl du Schelm.)
TULIA.

Cecina, habet Danck vor Euere Bemühung. (Ach Julius du stürzest mich in den Todt, da ich dich liebe, und anjetzo hasßen mus.) Emilia komet, wir wollen von jenen Orth eillen, allwo unter einen Blumenfeld gifftige Schlangen verborgen.

JULIUS.

Ach verbleibet, meine Seele! Cecina, du klagest mich einer Müsßethat an, von der mir nichts bewust. Schöne Tulia, höret mich, und sofehrne ich werde meine Unschuld dargethan haben, schließet, was Euch beliebet.

TULIA.
Und was werdestu wohl vorbringen zu deiner Unschuld, da das Laster khlar ist?
JULIUS.

Das ich Euch als meine Seele liebe, und das mir von allen diesen, was Cecina sagt, [nichts] iemahls in Sinn gekomen, dann mein Vatter war iederzeit in größter Freundschafft mit Euch verbunden, ihme ist unsere Liebe bekant, und hat nichts mehrers alß unsere Eheverbindnuß gewunschen, und wie solt ich nunmehro glauben, daß er sich in so weith verlohren? Ô dieses kan nichts anders als eine List von einen Nebenbuhler sein, derowegen stellet Eueren Zorn in etwas ein, erwartet der Zeit, bis daß ihr volkomentlich vergwisßet seyd; ist es, daß mein Vatter ein so unerhörte Müsßethat begangen, so vergebet dem Sohn, als welcher ehe zu sterben verlanget, als Euch nur in den Gedancken zu beleidigen.

TULIA.
Ich habe dich verstanden, lebe wohl. Ab.
[76]
EMILIA.
(Diese Verwirung dienet mir zur Freude.)Ab.
CECINA.
Nun hastu, Unwürdiger, die letzte Gegengunst von Tulia genosßen. Ab.
JULIUS.
Gehe das du den Hals zerbrichst.
HANSS WURSCHT.

Und gestuzt werdest, als wie des Mülner Esel. – Ihr habt iezt eine schöne Hundsfiterey angefangen, aber daß Euer Vatter ein so thumes Hirn ist! ihr habt mir niemahls glauben [wollen], was ich auch Tag und Nacht gebrediget. Euer Vatter hat offt gesagt: Bieberl, Bieberl las mir die Tulia mit Fried, ihr Vatter wird gwis einmahl ohne Kopf davon lauffen müsßen; wir seind so gutte Freundt als wie 2 Hund an einen Pein. Jezt glaub ichs gar gern, daß er diese Schelmerey angefangen. Wenn man ihm nur aufhencken thäte, ich wolt ihm selbst beyn Füsßen zihen, damit er bald todt wäre.

JULIUS.
Schweige Hundt. – Ach unglückseelicherJulius! ach Tulia! ach Vatter!
HANSS WURSCHT.

Erzürnet Euch nicht, Herr Julius, es möchte sonst der Brandt zur Wunde komen, das ihr gar beschnätzlet wurdet.

JULIUS
springet auf und fahlet wieder nieder.

Hat dann sich Himmel, Höll und alle Teuffl wieder mich verschworen? Schlagen dann alle Ungewitter auf meine Scheutl? Eine Wunde wird mir verbunden und 1000 eröffnet man mir. Eh, so reisße man auch diese auf, damit mit dem Geblüth zugleich die gepeinigte Seele entweiche. Will die Wunde aufreisßen, und Hanß Wurscht haltet ihn.

HANSS WURSCHT.

Herr, seyd kein Narr, wann ihr die Wunden aufreist, müsßet ihr sterben, und weder die schöne Tulia bekomen, weder Eueren Vattern verhinderlich sein.

JULIUS.

Lasße mich, dann es ist ohne dis alles Hoffen verlohren. Ich will sterben, aber als ein Schatten will ich daß Capitolium betretten und das Recht vor Ciceroni sprechen, und der sich mir zuwider stelt, soll von dieser Faust erleget werden.

HANSS WURSCHT.

Lasßet es bleiben, Herr Julius, ihr martret Euch nur noch mehr ab; sehet lieber, wie ihr gemach aufstehen könt, damit wir nach Haus kommen.

JULIUS.

Meine Kräffte haben mich gantz und gar verlassen. Hanß Wurscht, nehme mich auf deine Schultern und trage mich nacher Rom.

[77]
HANSS WURSCHT.
Das kan ohnmöglich sein, dann ich habs verschworen, kein lebendiges Fleisch zu tragen.
JULIUS.

Wohldann, weil mich alle Welt verlast, will ich allhier sterben; adieu, geliebte Julia, Vatter, Mutter lebet wohl, ich will sterben, aber meine Rache wird dannoch leben.

HANSS WURSCHT.

Last ihrs sterben bleiben, da gibts keine Todtgreber, ihr wurdet als wie ein verreckter Hund da liegen müsßen. – Herr, Victori! dort sehe ich Bauren mit einen Karn halten, sie könen schon einen Knitl abwerffen und den anderen aufladen, so kombt ihr mit schönster reputation nacher Rom.

JULIUS.

Ach mir, ich seuffze, und niemandt bedauret mich, ich weine, und keiner ist, der sich durch meine Thränen bewegen läst; ô Julius, unglückseelicher Julius, wie wirstu verfolgt!

5. Szene
Scena 5ta.
Riepl mit etlichen Bauern.

RIEPL
in der Scena redendt.

Schieb doch hinten ein wenig an, du last mich zihen als wie einen Ochsen. NB.: diese Scene wird extemporirt, das Hanß Wurscht den Riepl anredet, er wolle seinen Herrn aufladen und in die Statt führen. Riepl sagt, er hätte genuch an seinen Holtz zu ziehen, er seye kein Narr, daß er einen faullen Kerl noch darzu lege.Hanß Wurscht sagt, er solle nicht viel machen, oder mau wird ihm am nächsten Baum aufhencken. Riepl sagt, das müsße er wohl bleiben lassen, er habe viel Kinder, die Brod haben wollen, und also müsße er daß Holtz verkauffen, damit er Geld bekome. Hanß Wurscht fragt, wie theuer daß Holtz seye. Riepl: 30 Xr. Hanß Wurscht sagt, er wolle ihm 1000 Xr geben, er solle daß Holtz abwerffen und seinen Herrn aufladen. Riepl: daß lasße er wohl bleiben, er habe sich so hart geblagt mit dem Hacken, und iezt soll er weeg werffen; er thue es nicht. etc. Hanß Wurscht stellet ihm vor, wie daß er ia mehr hätte an 1000 als an 30. Riepl will es aber nicht verstehen. Sie könen hier ihre Foperey nach Belieben machen, bis endlich Hanß Wurscht sagt, daß dieses des Burgermeisters Sohn seye, und wann er nicht ihm auflade, so werde er mit sambt seinen Kindern und Weib an Galgen gehenkt. Riepl erschrickt und bittet Hanß Wurscht, er wolle es ihm nicht sagen, das er so grob gewessen. Gehen endlich hin und laden Julius auf, und nach etlichen Fopereyen, das Hanß Wurscht auch auffsitzen will, fahren sie alle ab.

6. Szene
[78] Scena 6ta.
Daß Theatrum praesentirt ein Kayserl. Saal, allwo man von unterschiedenen Zimern herausgehen kan.
Marcus Antonius mit etlichen Rathsbedienten.

MARCUS ANTONIUS.

Eß vergehe Rom, es sterbeCicero, oder Marcus Antonius seye nicht Burgermeister. Solte ich von einen schwagen Bürger das Recht erlehrnen, da doch alle Patritii und quirites vor mir sich neigen? Rom und die gantze Welt weis es, was vor Thaten ich verrichtet; alle Glori und Sieg sind dieser Faust zuzuschreiben: ich habeRom von den Anfahl der Feinde beschützet, ich habe ihr die halbe Welt zinsbahr gemacht, und nun solte ein Cicero dasjenige verwerffen, was ich vor gutt befinde, dieses verthätigen, was ich verdame, Gesetze geben und nicht annehmen? Ô verfluchter Hundt, es kostet dein Haubt, und solt auch die gantze Welt wieder mich streitten. Es kome wer da will, diese Brust entweichet keinen. Albanien erzütert schon vor diesen Arm, Cartago hat meine Tapferkeit mit Erstaunung vernohmen und erkennet in mir ihren Überwinder, daß blose Blincken meines Schwerdtes jagt denen Fenitier und Cimbreer Furcht und Schröcken ein, und wer ists, der sich mir wiedersetzen will? Er kome herbey, aber zu seinen Todt. Ihr, meine Getreue, verlasßet mich indesßen, biß ich Eurer begehren werde. Die Rathsbediente gehen ab.


Der sich mir zuwider stelt,
Schon entseelt
Hier vor meinen Füßen liegt.
Euch das Feuer meiner Rache
Verursache,
Das ihr all bleibt unterdrückt.

Stehet in zornigen Gedancken.
7. Szene
Scena 7.
Scauro Scatilio.

SCAURO SCATILIO.
Wie so ergrimbt, Freundt, wer ists, der dich beleidiget?
[79]
MARCUS ANTONIUS.
Nehne mich nimermehr einen Freund, so du nicht in den Todt deß Ciceronis einwilligest.
SCAURO SCATILIO.

Ungebührliche Begehren! Ich solte einwilligen zur Verrätherey? zur Vergüßung unschuldigen Bluthes? wo sind deine Sinnen, Freundt, was verlangstu von einen aufrechten Römer, und zwar von den Feldherrn des gantzen Kriegesheer?

MARCUS ANTONIUS.

Was ich von dir verlanget, erfordert meine gerechte Rache. Du hast gesehen und gehört, wie der schnöde Bößwicht mir zu Trotz dem Volck weis gemacht, das Agrippa des Todtes unschuldig, wo ihm doch die Zeit, der Orth, und die Gelegenheit überwießen. Und dieses solt ich erdulten? Ô, ehe wird Rom ein anders Troja werden, als ich diesen Schimpf ertragen werde. Cicero muß sterben, oder Ich nicht Marcus Antonius sein.

SCAURO SCATILIO.

Lasße nach mit dergleichen bluthdürstigen Gedancken schwanger zu gehen, es möchte sonst eine Zeit komen, alwo du es zu spätt bereuen wurdest.

MARCUS ANTONIUS.

Lasße dir rathen, entfehrne dich, oder stimme meinen Vorhaben bey; wo nicht, werde ich bezwungen etwas zu thun, welches noch mir, noch dir wird beliebig sein.

SCAURO SCATILIO.
Und was dann?
MARCUS ANTONIUS.
Entweiche, entflihe, sag ich, meinen brenenden Zorn, oder du bist des Todtes.
SCAURO SCATILIO.

Holla, ein Burgermeister also vermesßen? Glaubestu dann, daß Rom allein auf dich gestüzet? Seye versichert, daß die Donnerkeule aus einen so Hochmütigen desto eher geworffen werden; eine Eiche, die allen Winden den Trotz biethet, wird am ersten gefählet. Du bauest allzu viel auf deinen Hochmuth, welcher dich noch in das eyserste Verderben stürzen wird.

MARCUS ANTONIUS.

Gehe nur und rathe denen Zaghafften, mir als einen Helden, dessen Tapferkeit Fama längstens über die höchste Bügl getragen und der gantzen Welt kundt gethan, darfst du solches nicht rathen.

SCAURO SCATILIO.

Du trozest sehr auf deine Tapferkeit, allein wisße, daß auch die mit Lorbeer gekrönte Haubter nicht vor den Blitz sicher stehen.

[80]
MARCUS ANTONIUS.
Das dich alles Unglück rühre! Gehe, sag [ich], oder – – –
SCAURO SCATILIO.

Rase als ein toller Hund, speie Feuer als ein Vesuvius, wütte und tobe als Leoparden und Tiger, alles dieses kan mich nicht erschröcken.

MARCUS ANTONIUS.

Und woher nehme ich die Gedult? ehe, schweige und reitze mich nicht zum Zorn, oder ich will dir ein Ewiges Stillschweigen auferlegen.

SCAURO SCATILIO.

Holla, dieses ist zu viel! Man fürchtet dich nicht so sehr, als du dir wohl einbildest; das du vil überwunden, gestehe es, aber daß du deretwegen unüberwindlich, ist keinesweeges zu glauben. Sihe, ich stehe vor deiner gantz unerschrocken, trotz, entblöse dein Gewehr, du solst erfahren, mit wem du streitest.

MARCUS ANTONIUS.

Alter Hund, kom dan! Ziehen Beede vom Leder. Weistu wohl, daß alles, was nur athmet, vor mir erzitere?

SCAURO SCATILIO.
Ich nicht. Kome nur! Sie schlagen sich.
8. Szene
Scena 8.
Augustus mit Römischen Soldaten.

AUGUSTUS.

Also vermesßen vor unsern Gemach und fast vor unsern Augen? Burgermeister! Feldherr! was sollen wir daraus schliesßen? seyd ihrer Eures Vernunffts beraubt, daß ihr nicht erkenet Eueren Irthumb?

SCAURO SCATILIO.
(Solt ich seine Verrätherey blos geben? – Nein!)
AUGUSTUS.

Warumb redet ihr nicht, seyd ihr so augenblicklich stum geworden, da ihr doch kurtz vorhero als brüllenden Lewen gehöret worden?

MARCUS ANTONIUS.
(Ich weis nicht zu reden.)NB.: auf 3 zugemacht.
AUGUSTUS.

Wir verstehen Euch, Ihr wolt durch Euer Stillschweigen zu erkennen geben, daß ihr geirret. Daran thut ihr auch recht; sehet, wie unartig es stehet, so zwey höchst bedächte Männer, und noch solche, welche andere mit ihren Beyspill vorgehen solten, sich in Zanck und Hader einlasse. Die Schamröthe hat daß Aug Euers Vernunffts eröffnet, [81] umb damit ihr eueren begangenen Fähler erkehnen soltet; ihr wisßet, daß wir Euch Beede lieben und über alles hochschätzen, Ihr seyd Beede jene Stützen, auf welchen wir zu rasten pflegen, und durch einen unbedachtsamen Zweykampf schlaget ihr Euer Leben so gering in die Schantzen, verlanget uns zu betrüben und Rom unglückselich zu machen.

SCAURO SCATILIO.
Euer May. erlauben – – –
AUGUSTUS.

Nichtes mehr! Wir verlangen, daß ihr euch vereiniget in Beysein Unserer Persohn, dann Euere Freundschafft kan uns glückseelich machen.

SCAURO SCATILIO.
Er hat mich aber – – –
MARCUS ANTONIUS.
Wir wollen Freund sein! (Aber nur mit den Mundt.)
AUGUSTUS.
Feldherr, reichet ihm die Handt!
SCAURO SCATILIO.
(Ich mus gehorchen.) Hier ist die Handt. (Aber keineswegs bejaet es daß v.)
AUGUSTUS.

Also gefählet ihr Unß. Komet Beede, lasßet Euch zum Zeichen unserer Vergnügung in unsere Arme schlüsßen. Umbfahet sie. Wir lieben Euch als unsere Seele, und Euer Wohlsein ist das Unsrige; ihr wisßet, wo ein Reich mit heimlicher Zwitracht glimet, es gar bald zerscheitert, wo aber die Einigkeit blühet, da sind die anderen Feinde schon überwunden. Wir wollen uns nun in den hohen Rath verfügen, umb den Antrag der nächst überwundenen Albanier anzuhören und zu überlegen. Beede begleitet Uns. Ab.

SCAURO SCATILIO.
Ich folge, mein Kayser. – Aber du – – Drohet ihm. Ab.
MARCUS ANTONIUS.

Ô Nichtswürdiger, drohe nur, aber glaube nur sicherlich, daß auch dieses Hertz vor dich blitzet. Du solst nebst anderen mir Gehäsigen in Kürze deine verfluchte Seel auspeien, und solte auch davor Hagl und alles Ungewitter mir zuwider sein. Ab.

9. Szene
[82] Scena 9.
Das Theatrum praesentirt eine Biblioteck nebst Tisch und Sesl, auf welchen der globus Terrae stehet.
Cicero, Terentia.

CICERO.

Setzet Euch, geliebte Gemahlin, dieser Orth soll unsere Geheimnüsße vor denen jenigen verbergen, die unseren Untergang verlangen.

TERENTIA.

Ach, wehrter Gemahl, ich hoffe durch Euch für mein; betrübtes Hertz einigen Trost. Ihr wisßet das Witten der Verräther, die boßhaffte Verfolgung des hochmütigen Burgermeisters und seines Anhangs: lasßet doch zu, daß es nach ihren Willen gehe, streitet nicht mehr vor die Unschuld, lasßet sie nach ihren Urtheil unterliegen, auf solche Arth werdet ihr mich aufs neue beleben und meiner beängstigten Seele eine Erquickung verschaffen.

CICERO.

Ach, Gemahlin, was verlanget ihr von mir? Solt ich die Unschuld verfolget und die Gerechtigkeit verbanet sehen? Verlanget ihr, daß jener Glantz, so mich bishero beleuchtet, durch ein so schändliches Stillschweigen erlösche und verdunkelt werde? Wollet ihr, daß mein weltberühmter Nahme auf Ewig begraben werde?

TERENTIA.

Daß verhütte der Himmel! Doch bitte ich nur so viel sich zu enthalten, damit ihr nemlich denen Verräthern noch ab, noch auch beyleget; es ist nicht eine so grosße Sache, zu Zeiten schweigen zu könen; es ist weltbekant, daß das Stillschweigen iederzeit mehr genutzet als vieles Reden.

CICERO.

Wie man es nehmen will: ein unützes Geschwätz ist schädlich, bekene es, aber hierzu mus nicht eine vernünfftige und wohl überlegte Rede genohmen werden; und wie wäre es möglich, daß ich zur Ungerechtigkeit schweigen solte, da man mich für den Gerechsten ausruffet? Themis würde mich in Warheit bestraffen. Derwegen soll ehe Cicero sterben, als die Gerechtigkeit beleidiget werden.

TERENTIA.
Was nutzet aber dem gemeinen Weßen Euer Todt?
CICERO.
Er nutze oder nicht, wenigstens bin ich mit Ruhm und Ehre gestorben.
[83]
TERENTIA.
Ach, Gemahl! unser gantzes Hause wurde durch Eueren Fahl zu scheiteren kommen.
CICERO.
Und dannoch wird auch von danen der hohe Nahmen Cicero hervorleuchten.
TERENTIA.
So sterbe ich dann mit Euch!
CICERO.
Nein, lebet, und zwar zum Trotz Eurer Feunde.
TERENTIA.
Ich solte leben, da derjenige von mir scheiden will, der mein Hertz besitzet? ô grausamer Ehgemahl!
CICERO.

Ach Terentia, stillet Euere Thränen; wollet ihr dann, daß ich mit Schanden leben solte und als ein Ungerechter, ia Unterdrücker der Themis in der gantzen Welt ausgeruffen werde? Ich bin es zufriden, doch sofehrne Euere Liebe tugendhafft, werdet ihr nicht mit einen Verächtlichen zu leben verlangen.

TERENTIA
stehet auf.

So verfechtet dann die Gerechtigkeit, verthätiget die Unschuld, machet Eueren Nahmen unsterblich, aber stürzet mich und Euere Tochter bevor in das kalte Grab, und da ihr über uns Beede triumphiret, folget als ein straffmäsiger Sieger unseren verblichenen Schatten nach. Indessen lebet wohl! Ab.

CICERO
ihr gantz betrübt nachsehendt.

Sie verlasßet mich gantz trostlos und will nicht erkehnen, was zur Beförderung unsers Hauses dienet; ach Terentia, unbedachtsame Gemahlin, in was für einen harten Streit hastu mich gesezet, – – – du hast überwunden, ich will leben, ia, ia, aber nur als ein Schatten, ich will die Gerechtigkeit selbst unterdrücken helffen, damit ich nur dein Hertz von den bitteren Schmertz entledige. – Aber wohin vergehestu dich, Cicero? Solte wohl eine zarte Liebe deinen hohen Ruhm verduncklen? Und solte diese Sterblichkeit dir die Unsterblichkeit entzihen? – – Nein, nein! Es sterbe Cicero, es vergehe Terentia und Tulia und blühe die Gerechtigkeit!


Es sollen alle Stahl nur diese Brust durchbohren,
Eh die Gerechtigkeit geh durch mein Lieb verlohren.
Kein Bitten, Flehen auch soll meinen Vorsatz wenden,
Wann ich mit Ruhm und Ehr mein Leben nur kan enden.
10. Szene
[84] Scena 10.
Hanß Wurscht mit einen Brieff.

HANSS WURSCHT
sagt für sich, daß die Wunde seines Herrn schon heil seye, aber die, so ihm die verteufflete Liebe gemacht, die seye so gefährlich, daß er befürchte, man werde ihm müsßen ins Narrenheisl numero 10 stecken.

Hier habe er einen Brieff an den Ehrngeachten, hochschneeweißen und wohlgestrengen Herrn Cicero, er müsße ihm solchen gantz allein geben, sonst wurde er gradatim promovirt werden, daß er letzlich hangen bleibe.

CICERO.
Holla, wer hat dir erlaubet ohne anklopfen hereinzukomen?
HANSS WURSCHT.
Ich hab mirs gleich selbst erlaubt, wann ich aber Unrecht hab, so will noch anklopfen.
CICERO.
Du bist ein Narr. Was hastu hier?
HANSS WURSCHT.
Ein Brieff; seyd ihr allein?
CICERO.
Wie du sihest, es ist niemandt als meine Gerechtigkeit bey mir.
HANSS WURSCHT.
Last die Gerechtigkeit weggehen, sonst darff ich Euch den Brieff nicht geben.
CICERO.
Ô diese wolt ich umb alle Schätze der Welt nicht von mir lassen.
HANSS WURSCHT.
Ist[s] dann so schön, daß ihrs so hoch schätzet?
CICERO.
Sie ist heller als die Sonn, reiner als der Mondt und glänzender als alle Sterne.
HANSS WURSCHT.
Der Teuffl, daß mus ein schönes Thier sein. Aber was sagt dann euer Frau darzu?
CICERO.
Diese will, daß ich sie verstoßen solte.
HANSS WURSCHT.

Das glaub ich, sie wäre eine Närrin, wan sie ihr selbst die Laus in Pöltz setzte. Herr Cicero, mein, last mirs auch ein wenig sehen.

CICERO.
Warumb verlangst dieses?
HANSS WURSCHT
lachet.
Ist daß eine artige Frag! Junge Leuth sehen allezeit gern was Schönes.
CICERO.
Hier hastu sie. Gibt ihm ein Buch.
HANSS WURSCHT.
Ists darinen?
CICERO.
Ja, hier ist sie.
HANSS WURSCHT.
Der Teuffl, so mus zimlich khlein sein.
CICERO.
Nein, sie gehet die gantze Welt aus.
HANSS WURSCHT.

Ey, ihr halt mich vor einen Narren, ich sehe ja kein so gros Weibsbild, hab auch mein Tag keins gesehen.

[85]
CICERO.
Was verstehestu dann?
HANSS WURSCHT.
Die Gerechtigkeit, euer Mensch.
CICERO.

Einfalt, sie ist kein Mensch, sondern es sind die Bücher, worinen begriffen, wie man einen ieden das Recht ertheillen soll.

HANSS WURSCHT.

Das ist ein andres! Ich hab glaubt, ihr habt ein so schönes Mensch; iezt glaub ich, daß sie khlein sey, dann in manchen Orthen gar nichts davon. Weil dann niemandt bey euch, so leset diesen Brieff, den euch mein Herr überschickt.

CICERO.
Dein Herr an mich einen Brieff? Gedulte, bis ich ihm gemessen. Lieset.

»Wehrtester Freund, folget meinen Rath und flüchtet Euch eillends auser Rom, sofehrne ihr nicht noch heute Euer rumvolles Leben beschlüsßen wollet. Dieses warnet Euch Euer iederzeit befliesener

Freundt Julius Antonius.«


Was hab ich gelessen? Was hab ich gesehen und verstanden? Grausames Verhängnus, grimiger Einflus der Sterne! Wormit hab ich dann den Himmel beleidiget, daß er also sehr mich zu verfolgen sucht? Doch ich will den Gestirnen weichen. Hanß Wurscht, empfahe dieses zur Belohnung und alldort warte eine kurtze Zeit.

HANSS WURSCHT
bedancket sich und stellet sich voran.
CICERO
schreibt in vorigen Brieff.

»Lebe wohl! Es folget deinen Rath dein getreuer Freund Cicero.« Hier, Hanß Wurscht, nehme nur wieder diesen Brieff und sage, daß ich ihm gelesßen. Lebe wohl.Ab. Hinten zu, Hanß Wurscht gehet hervor.

HANSS WURSCHT.

Was soll dann dißes sein? Ich hab ihm den Brieff geben, und er gibt mir eben wieder diesen Brieff? Ich glaub, der Mannphant[as]irt; ich hab mein Lebtag gehört, die gar gescheiden Leuth haben entweder einen Sporn zu viel oder einen zu wenig. Aber was frag ich darnach, wann ich nur daß Tringeld hab; iezt will ich den Brieff in meine Futerall stecken und abmarchirn. – – Ersihet den Marcum Antonium. Auwe, ietzt ist[s] geschehen, führt der Teuffl eben seinen Vattern her! Wann er nur den Brieff nicht suchet, ansonsten wird es ein artiges Aussehen mit mir haben.

11. Szene
[86] Scena 11.
Marcus Antonius.

MARCUS
fraget Hanß Wurscht, was er hier mache.

Hanß Wurscht: Nichtes. [Marcus:] Was er verstecket? Hanß Wurscht erschrickt, sagt durch verwirte Reden, daß er eben eine Pfeiffen Tobak rauchen wollen, weillen er aber wisße, daß es sich nicht gezimme vor den Herrn Burgermeister, habe ers eingesteckt. [Marcus:] Was er vor ein Papier habe gehabt? Hanß Wurscht: Dieses wäre geweßen, den Tobak anzuzinden. [Marcus:] Es stecke ein Schelm hinter sich. Hanß Wurscht sich unbsehendt: Er sehe niemandt als ihm. [Marcus:] Er soll sich umbwenden. Hanß Wurscht kehret sich hin und her. [Marcus:] Er solle still stehen. Hanß Wurscht sagt, es werde ihm so Angst, daß sich so gar die Lufft verändere. [Marcus:] Ob er gar nichts hätte. Hanß Wurscht: Was er dann haben solte. [Marcus:] Ob er keinen Brieff? Hanß Wurscht: Wo er den Brieff soll hernehmen? [Marcus:] Er solle bestehen, oder es koste sein Leben. Hanß Wurscht will nichts bestehen. Endlich ergreiffet ihm Marcus und nimbt ihm den Brieff von hinten weeg, sagendt: Hastu, Schelm, keinen Brieff? Hanß Wurscht sagt, er solle ihm nicht lesen, dann er schmecke nach den Fuetterill. [Marcus:] Wer ihm den Brieff gegeben? Hanß Wurscht: Sein Herr. [Marcus:] Und wem er ihm überbracht. [Hanß Wurscht:] seinen Herrn. [Marcus:] Ob ihm noch niemandt gehabt? Hanß Wurscht: nein. Marcus zeiget ihm nach etwelcher Foperey den Nahmen Cicero und fraget, wer solches geschriben. Hanß Wurscht sagt: die Feder. Marcus hat seine lazzi und Foperey mit ihm so lang, bis endlich Hanß Wurscht ihme mit Fortl entlauffet.

Mein Sohn diesen Brieff an Cicero gestellet? ihme gewarnet von dem Anfahl seiner Feinde und zum Uberflus noch die Flucht gerathen? Verfluchter Sohn! Meineidiger Böswicht, bistu meinen Vorhaben zuwider, so schwöre ich dann bey Jupiter, sofehrne mir Cicero entrinnet, daß es dein Haupt gelten soll. Stehet in Gedanken, den Brieff betrachtendt.

12. Szene
Scena 12.
Julius Antonius.

JULIUS.

(Mein Diener wird den Brieff allbereith übergeben haben. Die Liebe, die so brennende Liebe hat mich gelehret, auch wieder meines Vatters Gebott denjenigen zu schützen, von deßen Gütte ich meine holdseeliche Tulia zu bekommen hab. Nun wird sie ihre Grausamkeit in eine Sanfftmuth verkehren müsßen, weil sie meine Unschuld sattsam erkehnen wird. – Aber ô Himmel! mein Vatter allhier, und zwar vertieffet in einen Brieff.)

[87]
MARCUS.
(Ich verstehe es, allein all dein Rath und Warnung soll vergebens seyn.)
JULIUS.

(Ich will mich ihm nähern; doch was für eine Furcht beginet mich anzugreifen? Eh, es seye gewagt!) Geliebter Herr und Vatter – –.

MARCUS
siehet ihm trozig an.
JULIUS.
(Himmel! was will dieses bedeuten?) Ich kome denselben meine völlige Genesßung zu entdecken.
MARCUS.
Bistu genesßen und hast kein Hertzklopfen?
JULIUS.
(Ich verstehe dieses Rätzl nicht.) Nein, gnädiger Herr Vatter.
MARCUS.
Ungeratener Sohn!
JULIUS.
Wormit hab ich dann meinen Vattern beleidiget?
MARCUS.
Fragstu noch, und saget dir solches nicht dein selbsteignes Gewisßen?
JULIUS.
Mein Gewißen ist rein und weis von keiner Befleckung.
MARCUS.
Hintergehe mich nicht, oder es kostet dein Leben!
JULIUS.

(Solt er villeicht umb den Brieff wißen? Doch dieses glaub ich nicht.) Der Herr Vatter beliebe mir mein Verbrechen nur zu entdecken, dann ich weis mich in keinen schuldig.

MARCUS.
Böswicht! Kennestu diese Buchstaben?
JULIUS.
(Ô Himmel, ich bin verlohren!)
MARCUS.
Warumb erschröckestu? Andwortte, kennestu sie?
JULIUS.
(Ich weis nicht, was ich sagen soll.)
MARCUS.
So du rein in deinen Gewisßen, so erschröcke nicht und andwortte.
JULIUS.
Ia – – ia – – ich kenne sie.
MARCUS.
Kennestu sie, und wesßen sind sie?
JULIUS
kniet.
Ach, ich bitte umb Gnadt!
MARCUS.
Ô unverschämter Lügner, unterstehestu dich denjenigen zu wahrnen, dem ich verfolge?
JULIUS.
Die Liebe, so ich zu – – –.
MARCUS.

Schweige, ich kenne deine schändliche Liebe, so du zu Tulia tragst, ich weis aber auch, daß du mein Sohn bist. Entweder höre auf, fehrner zu lieben, oder lege ab den Nahmen meines Sohns. Heist dieses zur Aufferbeilichkeit deines Vatters gearbeithet, da du anderer Heil beförderst, lasterhafter Sohn? Deine Straffe folget dir auf den Fus,[88] es soll noch heute du und deine Liebe erkalten. Holla, Bediente! Es kommen etliche Rathsbediente. nehmet ihm alsobald und werffet ihm in ein wohlverwartes Gefängnus bis auf meinen weiteren Befehl. Aldorten soll dir daß Licht des Vernunffts zu deiner Quall aufgehen, alwo du kein Liecht sehen wirst.

JULIUS.
Ich bitte – – –
MARCUS.
Kein Wortt! Man vollzihe meinen Befehl.
JULIUS.
Hab ich dann sosehr gemüshandlet, da ich die Unschuld beschüzet?
MARCUS.

Die Unschuld, sagstu? Der mich zu vertilgen sucht, der mir zum Spott und Trotz diejenige gerechtfertigt, die ich verdame, und unschuldig sagstu? Ô verrätherischer Hund, was haltet mich, daß ich dir nicht mit eigner Handt den Hals zerbreche? Man bringe ihm aus meinen Gesicht, oder mein gerechter Zorn mus sich über ihm ergüssen.

JULIUS.
Ich entweiche deinen Zorn, aber der Himmel wird mich zu schützen wißen.
MARCUS.

Gehe nur, unbesonener Sohn, und verbleibe in den Kercker, ich aber werde mich alsobald mit meinen Getreuen verfügen, den unwürdigen Verachter meiner Gesetze aufzusuchen. Cicero soll mir nicht entrinnen, und solte er auch ein Prometeus sein, der sich in 1000 Gestalt verwandlen kan. Ich flihe, ihm allenthalben aufzusuchen. Ab.

13. Szene
Scena 13.
Das Theatrum praesentirt einen Wald, von fehrne auf der Seiten die Statt Roma.
Lucius Scipio und Cicero.

CICERO
von 2 in ein Sesel getragen.

Nun dancke ich dem Himmel, daß ich bißhero gelanget. Getreuer und tapferer Lucius, habet Danck vor Euerer Begleitung, werde nun ohne einziger Hindernus meine Flucht fortsetzen könen, weillen iederman der Meinung, daß ich noch in meiner Behausung.

LUCIUS SCIPIO.

Ihr seyd zwar schon auser Gefahr, dannoch ist [89] nicht allerdings zu trauen: es möchte seyn, daß Euere Flucht verkundschafftet worden, weillen allenthalben Auffseher gestellet, welche aus Euer Thun und Lassen genaue Obsicht haben.

CICERO.

Die Götter, welche für der Menschen Heil sorgen, werden mich beschützen, meine Unschuld ist ihnen bewust, und mein heiliger Eyffer die Gerechtigkeit zu steuren wird mich aller Gefahr entreißen. Lebet derowegen wohl, wertster Freundt, hinterbringet meinen Hinterlassnen, wo ich hinführo mich auffhalten werde, auf daß [sie] mir zu gelegner Zeit folgen könen.

LUCIUS SCIPIO.

Ich verlasße Euch dann, mein Freundt Cicero, und wünsche Euch nichts mehreres als den Schutz des Himmels. Ab.

CICERO.

Die Götter begleiten Euch, geliebter Freundt. – – Nun bin ich allein und sehe mich aus aller Gefahr, aber wie schwer mir fahlet, Rom zu verlassen, weis dieses Hertz. Grausamer Marcus Antonius, was nutzet es dich, daß du mich also verfolgest? Ich wolte durch Verbindung meiner Tochter und deines Sohn unser Freundschafftsband befestigen; so mus ich das Wiederspill erfahren. Aber genuch, mein Klagen und Seuffzen ist doch vergebens. Ihr, meine Getreue, bringet mich forth durch unbekante Weege an den bestimbten Orth, damit ich denen grimigen Klauen dieser bluthdürstigen Tiger entrinnen möge, dann eine iede Verweillung kann schedlich sein. Sie fangen an ihm weiter zu tragen. Haltet noch etwas ein und lasßet mich nochmahls mein undankbahres Vatterlandt betrachten. – – Aber ach, was betrachte ich, als meinen unglücksvollen Stand. Du hast mich vormahls mit Erstaunung gesehen, stoltzes Rom, da ich so offtermahl deinen Zwittracht gestillet, und nun lasßestu mich in Schwermuth gantz verlassen herumbwandlen; du hast mich als einen Abgott verehret, und nun verlangestu meinen Todt.


Laß nur spüren deinen Grimme,
Grausames Rom, und Raserey.
Du wilst, daß ich flichtig gehe,
Ohne Trost verlasßen stehe.
Du, ô Themis, mich annihme,
Mach mich aller Sorgen freu.
14. Szene
[90] Scena 14.
Marcus Antonius mit seinen Zusamgeschwornen vermasquerirt, und gleich Hanß Wurscht von ferne.

MARCUS.

(Ô Glück! Eben zu rechter Zeit sind wird noch anhero kommen, haltet Euch fertig den Hund zu ermorden.)

HANSS WURSCHT.

Mein Herr hat gesagt – – Potz 1000, was sind das für Kerl? Weit davon ist gutt vor den Schuf. Verstecket sich und schaut öffters heraus.

CICERO.

Bringet mich dann forth von den mißgünstigen Gräntzen der Römer, damit ich in Frieden lebe. Sie wollen ihm fort tragen.

MARCUS
springet hinzu mit seinen Verräthern.

Haltet still, noch in diesen Gräntzen solstu, Nichtswürdiger, dein verfluchtes Leben beschlüsßen! Die 2 Trager lauffen davon.

CICERO.

Ach mir, hat auch diese Einsambkeit meinen Todt geschworen? Wer seyd ihr, die ihr mein Leben fordert?

HANSS WURSCHT.
(Iezt wird der Teuffl angehen.)
MARCUS.
Was fragstu lang, genuch daß du sterben must; bereithe dich zum Todt.
CICERO.

Weil ich dann sehe, daß das Ende meines Lebens herbeygenahet, und mich vor Euerer Gewalt nicht mehr retten kan, so bin ich bereith, Eurer blutdürstigen Forderung ein Genügen zu leisten. Hier habt ihr meinen entblöseten Nacken, schlachet ab dieses graue Haubt von denen Schultern und ersättiget Euch an meinen Unschuldsbluth, doch bedencket, daß ich derjenige, welcher so offtermahl theuren Schweis vor die Wohlfarth des verwirtenRom vergosßen, bedenket, wie offt dieses Haubt nicht sanfft gelegt worden vor das Wohlsein der Bürger, bedenket doch, was Fleis und Mühe ich offtermahls vor das bedrängte Vatterlandt angewendet. Hätte nicht Giugurta die gantze Tiber mit Römischen Bluth überschwemet, so ihm dieser Mundt nicht besänfftiget? Hätte nicht Arsace Rom und all angränzende Flecken und Städte in Aschen gelegt, sofehrne meine Beredsamkeit ihme nicht abgehalten? Wären nicht 1000 und 1000 ihres Lebens beraubet worden, wann nicht diese Zung ihnen dasselbe erhalten, und nun wollet ihr Grausame mich ermordet haben?

MARCUS.

Worzu dienet dieses Geblauder? Villeicht glaubestu [91] uns durch deine Wohlredenheit auch dahin zu bewegen, daß wir dir daß Leben schenken? Ô du irrest, mache dich nur gefast zum Todt, du must und solst sterben.

CICERO.
Wohlan, so sterb ich dann von aller Welt entfehrnet.
Schlagt ab nur dieses Haubt, so Euch verdrüslich scheint,
Doch ihr Verräther all von meinen Sterben lehrnet,
Das es Euch eben so geschehen kunt noch heunt.
Der Himmel wird die Rach für meine Unschuld suchen
Und wird nach diesen Todt mein Ruhm erst breithen aus,
Die grosße Themis wird stat mir die Mordthat fluchen
Und bringen alsobald mich in der Götter Haus.
Macht fort, ich scheue nichts, der Todt kan mich nicht schröcken,
Schlagt mir das graue Haubt von meinen Schultern ab.
Weil mich dann Rom verlast, soll mich die Erd bedecken,
Lebt wohl ihr Römer all, ich eille in das Grab.
NB.
: Sie lauffen hinbey, und Cicero gibt ihnen aus den Tragsesel den Cörper zum Fenster mit dem Kopf, alwo sie ihm solchen abschlagen. Es kan [nach] eines Directors Belieben gemacht werden. Hanß Wurscht kann seine lazzi haben.
MARCUS.

So recht, nun kanstu diejenige lossprechen, die ich verdame. Werffet das Haubt in den Sesel und bringet es von hier, doch den Cörper und Haubt werffet an die Straßen nächst Rom, den Sesel aber zerschlaget, und also wird man vermeinen, daß er von Banditen überfallen worden. Gehet und verrichtet meinen Befehl, Die Masquirten tragen den Sesel weg. ich aber werde mich indessen auf mein Landgutt begeben, umb alldort zu hören, was man von [92] ihm außruffen werde. Niemandt wird glauben, daß ich der Thäter sey. Ich bin nunmehro vergnügt, weillen meine Rache vollendet. Ab.

HANSS WURSCHT
schauet hervor, und da er Niemandt sihet, gehet er hervor sagendt.

Das seind Schelmen, haben den armen Cicero ohngeacht seines Bittens den Kopf abgehauen! Der Marcus Antonius meinet, es habe es niemandt gesehen, der ihm kenet. Nicht, mein alter Schaffkopf, ich hab dich nur gar zu gutt gekenet. Iezt will ich ihnen nacheillen und sehen, daß ich den Kopf stellen kan. Da hab ich ein Diechl, dieses will ich geschwind zusamennäen und einen Sack daraus machen; was gilts, die Tulia und Terentia geben mir ein Tringeldt, daß ich auf mein Lebtag genuch hab. Ab.

2. Akt

1. Szene
Scena 1ma.
Daß Theatrum praesentirt den Saal oder Vorgemach Ciceronis.
Hanß Wurscht und Scapin umb daß Haupt streitendt.
NB.
Diese Scene wird extemporirt, daß Scapin und Hanß Wurscht den Sack haltende sich umb das Haubt Ciceronis streiten. Hanß Wurscht sagt, es gebühre ihme, solches zu überbringen, weillen er, der Action zusehend, denen Kerln nachgegangen, den Kopf aufgehebt und aus seinen Tiechl ein Sack machend darein gesteckt. Scapin sagt, er sei von seinen Herrn, den Cecina, auch nachgeschickt worden, umb außzukundschafften, ob Cicero schon forth. etc. Ein ieder wende vor, waß beliebet, werden endlich so hizig, daß sie, mit einer Hand den Sack haltend, mit anderen auf sich zuschlachen und einer den andern mit allerley Tituln belegen, bis endlich zu ihnen kombt.
2. Szene
Scena 2da.
Tulia.

TULIA.

Waß für ein Zanck und Streith ist dieses? Was für einen entsezlichen Tumult machet [ihr] vor meinen Cabinet?

HANSS WURSCHT.
Jungfrau Tulia, ich hab Euch etwas überbracht, da – – –
SCAPIN.
Schere dich forth, ich hab euchs überbracht, und nicht dieser Kerl.
HANSS WURSCHT.

Das ist erlogen, ich bin der Spur nachgangen trotz einen Wachtelhund, also hab ichs erstlich gefunden und überbracht.

SCAPIN.

Rede nicht, oder ich schlach dir das Wortt von Maul weg. Habt ihr mich nicht hinausgeschickt, daß ich Euch solchen überbringe?

[94]
TULIA.

Beede seyd Ihr Euerer Sinnen beraubet; waß habt ihr überbracht? Habt ihr etwas für mich, entdecket es, davor solt ihr belohnet werden.

HANSS WURSCHT.
Da will ichs Euch allein geben: in diesen Sack ists.
SCAPIN.
Den Sack hastu mir geschenkt, ergo gehöret auch was darinnen ist mein.
HANSS WURSCHT.
Ein Pfifferling solst haben, du Lauskerl. Hier habt ihr ihm, Jungfrau Tulia.
TULIA.

Bald solt ihr mich zum Zorn reitzen. Also bald schweiget beede! Du aber, Hanß Wurscht, sage mir, was du mir überbringest.

HANSS WURSCHT.
Sihest Flegl, daß ich die praecedenz vor deiner hab; uh, alle Zähn wolt ich dir –
TULIA.
Rede doch, was hier in den Sack.
HANSS WURSCHT.

Eröffnet nur das Loch in praesenti und gebt mir was in plusquamperfecto, so wird das futurum gleich da sein.

TULIA.
An diesen wird es nicht ermanglen, so es nur etwas Beliebtes ist.
SCAPIN.
Es ist Eures – – –
TULIA.
Schweige und backe dich alsobald aus meinen Angesicht.
SCAPIN.
Ich kan schon gehen, aber du solst gewis noch heut daß 5fingergrauth in deinen Gesichte haben. Ab.
HANSS WURSCHT.
Gehe nur, mein Kerl, du kanst mich brav in Arsch lecken, das du es weist.
TULIA.
Du garstiger Schelm! Sage nun, was in diesen Sack.
HANSS WURSCHT.

Ich wil Euch den Pfifferling gantz kurtz ins Gesicht sagen: Wie ich hinaus bin gangen, so bin ich hinausgangen, weil mich mein Herr hinaus geschickt hat, so bin ich hinausgangen, weil ich hab müssen hinausgehen etc. etc. Machet eine solche Rede nach seinen Belieben, bis endlich Tulia ungedultig wird und ihme den Sack aus den Händen reißet und das Haubt Ciceronis herauszihet. Hanß Wurscht sagt: Ja daß ist es.

TULIA.
Daß Haupt meines Vatters! Ô ihr Sterne, was ist dieses? – – – Wo hastu solches bekomen?
HANSS WURSCHT.

Gleich wo der Nachtkönig dieMedritat Fäsel auslähret, es ist lauter Dreck geweßen, ich aber habs in der Tiber abgewaschen.

TULIA.
Ist mein Erzeuger todt, so will ich auch nicht leben, – backe dich, du Ungeheuer, aus meinen Augen!
[95]
HANSS WURSCHT.
Nur das Tringeld her, nacher will ich gleich gehen.
TULIA.
Galgen und Rad soll dir das Tringeld von Hencker gegeben werden.
HANSS WURSCHT.
Davor bedancke ich mich; mein, gebt ein baar Ducaten her, es ist ia der Kopf so viel werth.
TULIA.

Du hast Recht, der Kopf ist unschätzbahr, darumb solstu auch eine Belohnung haben. Kome herbey. Hanß Wurscht gehet hinzu und sie gibt ihm ein baar Orfeigen. Nun gehe, mit diesen Tringeld kanstu lang auskommen.

HANSS WURSCHT
hat seine lazzi, sagt endlich, er glaube es gantz gern, dann dergleichen Mintzen man nirgends annimbt, und also ihm lang verbleiben werde.
Will abgehen.
TULIA.
Verbleibe, Böswicht, und sage mir, wer es gethan.
HANSS WURSCHT.
Es hat es nicht nöthig, es möchte noch mehr Tringelder absetzen.
TULIA.
Ich befihle es, verbleibe, oder ich will dir so zutrinken, daß dir Sehen und Hören vergehen soll.
HANSS WURSCHT.

Ihr seyd gar zu oblichant, ich nimb schon mit den Empfahenen verlieb; und damit ihr wist, wer es gethan: meines Herrn sein Vatter, der Marcus Antonius. Lebt wohl, JungfrauTulia. Lauffet ab.

TULIA.

Ô unerhörte Grausambkeit! BarbarischerMarcus Antonius, hastu dich nun ersättiget in den unschuldigen Bluth meines Erzeugers, warumb ersättigestu dich nicht auch in dem Bluth seiner Tochter? Weinet. Ach Vatter, höchst geliebter Vatter, du bist verblichen, und ich lebe noch! Komme doch, angenehmer Todt, vergeselschaffte mich mit denjenigen, der mir über alles in diesen Leben war; aber vergeblichs Bitten, alles verstopfet die Ohren vor meinen Klagen und will, daß ich halb todt zu meiner Ewigen Marter lebe. – Siegbrange nur, tyranischer und blutdürstiger Burgermeister, über daß Haus Ciceronis, befrolocke unsere Zähren, und sofehrne dir dieses noch zu wenig, ersättige deinen Grimm auch an meinen Bluth. – Und du, unverschämbter Lügner, du betrügerischer Julius Antonius, erfreue dich, das du ein schwages Weibesbild also hintergangen. Ist dieses deine geschworne Pflicht, heist dieses die Flucht befördert und daß Leben geschützet? Ô Verräther, ich erkehne nun deine Bosheit, aber der Himmel wird dich bestraffen! Weinet.

3. Szene
[96] Scena 3.
Julius Antonius.

JULIUS.

Schönste Sonne, was vor eine dunckle Wolcken umbneblet Euern holdseelichen Antlitz? Wischet nunmehro ab Euere zarte Thränen und befrolocket das Wohlsein Euers Herrn Vatters.

TULIA.

(Wie sich der Nichtswürdige verstehlen kan!) Ich weis alles, und die würdige Belohnung Euerer Verdiensten ist schon erkisßen.

JULIUS.

Von Lucio hab ich solches mit Vergnügung vernohmen, wischet ab die traurige Zähre von denen Purpurwangen und erlaubet, daß ich diese Handt küsße.

TULIA
entzihet ihm solche.

Sparet solches zur anderen Zeit. Der Vermeßene suchet mich zu bethören. Habt ihr meinen Erzeuger zur Flucht getreue Hilff geleistet?

JULIUS.
Mit allen Fleis, und Lucius Scipio begleitete ihm noch bis an das nächst gelegene Gehölze.
TULIA.
(Verlogner Böswicht!)
JULIUS.
(Ihre Augen geben unter der Betrübnus ein Feuer der Rache zu verstehen.)
TULIA.

(Du solst die Schuld des Vatters bezahlen.) Saget mir, was verdienet ein solcher, welcher eineDame nicht allein zu hintergehen, sondern auch umb daß Leben zu bringen suchet, welche ihm doch iniglich liebet, auch sie des liebens werth ist?

JULIUS.

Hierauf ist eine leicht Andwortt: Ein solcher verdienet mehr dann einen grausamen Todt. (Aber was will diese Frag bedeuten?)

TULIA.
Ihr habt recht geandworttet, und zum Zeichen der Warheit überreichet mir Euer Schwerdt.
JULIUS.
Mein Schwerd? und zu waß Gebrauch?
TULIA.
Ihr solt es alsobald sehen.
JULIUS
gibt ihr das Schwerdt.
Hier ists.
TULIA.

Nun, Verräther, bereithe dich zum Todt. Eben du bist derjenige, welcher mich hintergangen, welcher mich betrogen und meinen Todt zu befördern sucht.

JULIUS.

Tulia, schönste Tulia, was beginet ihr? Ich ein Verräther? [97] Ich Eueren Todt befördert? Ich Euch hintergangen? Seid ihr, ô Schöne, der Sinen beraubet?

TULIA.

Nein, Böswicht, ich bin nur bey allzu gesunder Vernnufft. Mache dich nur gefast, zur Gnade solstu von meinen Händen sterben.

JULIUS.
Entdecket mir doch, in was ich Euch beleidiget, alsdann will ich gerne sterben.
TULIA.

Rede nichts, genuch daß dich dieses, was allhier verborgen, Deutet auf den Sack. anklaget; du solst und must sterben.

JULIUS.

Wohlan dann, so sterbe Julius, damit Tulia lebe; erkülle nur in meinen Bluth deine brennende Rache, ersättige dich an meinen Todt, durchstoße diese Brust und triumpfire über meine Unschuld. Ich sterbe vergnügt, schönste Tulia, so ich von deinen Händen sterbe.

TULIA.

So sterbe dann! Lauffet hinzu und bleibet stehen, daß Gewöhr hernach wegwerffendt. (Ach vergebliches Wütten, wo die Liebe den Arm haltet!) Nehme hin dein verrätherisches Schwerdt und lebe zu deiner Quall. Doch damit du bestraffet werdest, fordere die Rache von dem Mörder dieses Entleibten, oder flihe mich auf ewig.

JULIUS.

Deine Rache zu vergnügen bin ich bereith, entdecke mir nur solchen, ich schwöre bey der Allmacht des Himmels, mein Haubt nicht ehe sanfft zu legen, bis derjenige erleget, so dich beleidiget.

TULIA.

Gehe dann hin, ermorde deinen Vatter, oder erwartte meinen Ewigen Haß! Ab und nimbt den Sack mit sich. NB. hinten zu und Thron gemacht.

JULIUS.

Gehe hin, ermorde deinen Vatter, oder erwartte meinen Ewigen Haß. – Traume oder wache ich? Ist es eine leere Einbildung oder die Warheit, was ich gehöret? Ist Cicero todt, und mein grausamer Vatter hat es gethan, und ich solte abermahl der Mörder meines Vatters seyn? Ô ihr Götter, was hab ich geschworen, was hab ich gedacht, da ich mich verpflichet solches zu thun! – – Ô Vatter! Cicero! Sohn! Liebe! ô Tulia! wie verwihret ihr mich, in was für einen Labyrinth habt ihr mich gesetzt! Die blose Erinnerung machet mir das March in den Peinen [98] zerflisßen, ia die Seele selbst will schon ihren Wohnblatz verlasßen. – Nun bin ich nicht mehr Julius Antonius, nachdem ich aufgehört, ein Sohn des Marcus Antonius zu sein. – Ach, ihr verwihrte Sinnen, schaffet Rath! Aber ist man wohl schuldig, einen Schwur zu halten, welcher auf Laster gerichtet ist? Nein, nein! – Doch ia, nein, ia, ich bin es schuldig, sofehrn ich Tulia besitzen will. Aber ô Himmel, der Sohn den Vatter wegen einer zarten Liebe willen zu ermorden? – Eh, so lebe dann der Vatter und sterbe der Sohn!Will sich ermorden. Halte ein, unglückseelicherJulius, halte ein! Was nutzet aber mein Leben ohne Ergötzlichkeit? Doch ich will leben, der Zeit erwartten und es dem güttigen Himmel anheimbstehlen.


Brecht, brecht, ihr Augen, brecht in lauter Thränengüsße,
Ia, wann es möglich ist, in bluthbesträmbte Flüsße
Und zeiget aller Welt in meinen Beyspill an,
Was doch uns Sterbliche vor Unglück treffen kan.
4. Szene
Scena 4.
Lucius Scipio und Hanß Wurscht von vorn.

LUCIUS SCIPIO.
Wie sagstu, Hanß Wurscht, Cicero ist todt?
HANSS WURSCHT.

Freillig ist er, ich wolt, daß ihm der Teuffl hätte, ich hab wegen seinen Kopf ein baarm Orfeigen bekommen, die recht gewichtig waren.

LUCIUS SCIPIO.
Und wie bistu dann zum Kopf kommen?
HANSS WURSCHT.

Ich hab alles gesehen, wie ihm die Verräther abgehauen, hernach bin ich ihnen nachgeschlichen, und wie sie ihm in Pfifferling geworffen, bin ich hingangen und hab ihm heraus genohmen und sauber abgewaschen, hernach derTulia überbracht in Meinung, ein guttes Tringeld zu bekommen; ich habs aber nachdrücklich empfunden.

LUCIUS SCIPIO.

Ô ihr Götter! Cicero todt? – aber sihe da, [99] hier ist dein Herr, und gantz traurig. Hastu ihms schon offenbahret?

HANSS WURSCHT.
Nicht ein Wörttl.
LUCIUS SCIPIO.
Freundt Julius, was betrübet Euch?
JULIUS.
Lasßet mich sterben, dann alle Hoffnung ist verlohren.
LUCIUS SCIPIO.

Ach, ich verstehe Euch schon, was ihr sagen wollet, allein lasßet die Verzweifflung noch keine Stat im Herzen finden, der Himmel wird noch alles zu Eueren Besten fügen, welcher oftermahl mit den Menschen zu spillen pfleget.

JULIUS.
Ach mir! ich bin verlohren.
HANSS WURSCHT.

Ey Herr, lasßet die Hundsfiterey heraus vom Herzen, was hilfst es Euch? DenCicero werd ihr gewis dadurch nicht mehr lebendig machen.

JULIUS
kehret sich gäch umb.

Und du bist die Ursach meines Todtes, weillen du daß Haubt derTulia gebracht; also solst auch du sterben. Hanß Wurscht bittet, und haben einige Foperey, bis endlich Lucius Scipio sich entzwischen stellet und Hanß Wurscht befreuet, welcher entflihet.

LUCIUS SCIPIO.

Betrübet Euch nicht so sehr, noch heute werdet ihr getröstet werden. Komet mit mir, auf den Tiber Flus wollen wir eine khleine Spazierfarth machen, damit die Melancholi vergehe. Habe vernohmen, daß Tulia und Emilia in dem nächst daran gelegenen Gartten auch ihre inerliche Schmerzen ausgiesßen werden, villeicht vernehmen wir etwas heimlicher Weise zu unseren Vortheil.

JULIUS.
Ich folge Euch, aber der Himmel weis, mit was Schmertzen. Beede ab.
5. Szene
Scena 5ta.
Daß Theatrum praesentirt das Capitolium. Thron und Sesel, die Soldaten halten die Bindlruthen.
Augustus, Scauro Scatilio, Cecina und Stath.

AUGUSTUS.

Euere angefihrte Klage haben wir vernohmen, und war uns längstens von den Burgermeister hinterbracht worden, als koche sein Gemüth Verrätherey. Nun, Scauro Scatilio, vernehmet mich, ihr Cecina bequemet Euch zur Gedult und ein ieder verbane alle Furcht aus seinen Herzen. [100] Nicht zu einer geringen glori dienet Unß, daß wir den Stoltz all unserer Feinde gedämpfet, und noch zu einer größten soll uns gereichen, da wir den Zwitracht und Uneinigkeit wischen denen Bürgern beylegen werden. Daß Marcus Antonius ein hochmütiger und Ehrgeitziger Mann, ist uns sattsam bekant; das Cicero durch seine Beredsamkeit großen Nutzen diesen Reich geschafft, weis iederman. Beede sind uns lieb, doch mus Cicero einen Burgermeister die Ehre lassen. Wir haben sie anhero beruffen; aus was Ursach keiner erscheinen will, verstehe ich, und ein ieder wird es begreiffen; doch damit ihre Feindschafft abnehme und die vorige Freundschafft wieder zu seinen Wachsstumb gelange, tragen wir Euch Beiden dieses Ambt auff, versuchet das Beste und erfreuet Uns nebst Rom.

SCAURO SCATILIO.

Unüberwindlichster Monarch, ich bin bereith deinen Befehl ein Genügen zu leisten, allein es wird Euer May. noch in reiffer Gedächtnus, daß wir vormahls in einen Zweykampf begriffen waren; und wollen wir uns dazumahl in Beysein Ener May. vereinigten, ware doch daß Hertz des Marcus Antonius weith von der Freundschafft entfehrnet, befürchte also, so wir zusamen komen solten, daß ein neuer Streit angefangen wurde, welcher Euer May. müssahlen wurde.

AUGUSTUS.

Schätzet ein Burgermeister unsere Gnade so gering? Sehe zu, unvorsichtiger Phaeton, damit du nicht gestürzet werdest. Verrichtet dann ihr solches, Cecina.

CECINA.

Mächtichster Kayser und Herr, mir ist von sicheren und warhafften Persohnen hinterbracht worden, als hätte Cicero die Flucht genohmen undMarcus Antonius habe ihm verfolget.

AUGUSTUS.

Wie? Hat er ihm sogar zur Flucht gezwungen und auch verfolget? Dieses ist zu viel und wir wissen nicht, was unser Gemüth uns zu verstehen will geben, wir befürchten, es seye wircklich schon eine Verrätherey vorbey gegangen. Aber was bringet Terentia so eylfertig, Himmel, mit thränenbenetzten Wangen?

6. Szene
[101] Scena 6ta.
Terentia.

TERENTIA
kniet nieder.
Rache! gerechter Kayser, Rache!
AUGUSTUS.
Wieder wem?
TERENTIA.
Wieder einen Mörder.
AUGUSTUS.
Weßen?
TERENTIA.
Meines Gemahls.
AUGUSTUS.
Wie?
TERENTIA.
Marcus Antonius. – –
AUGUSTUS.
Der Burgermeister?
TERENTIA.
Der Verräther!
AUGUSTUS.
Der sonst Preiswürdige?
TERENTIA.
Der ietzt Lasterhaffte!
AUGUSTUS.
Hat ihn ermordet?
TERENTIA.
Grausamer Weise.
AUGUSTUS.
Cicero todt?
TERENTIA.
Und sein Bluth schreuet Rache.
AUGUSTUS.
Stehet auf, unglückseeliche Terentia!
TERENTIA.
Nicht ehe, bevor ich Gerechtigkeit erlanget!
AUGUSTUS.
Schmerzhafftes Begehren!
TERENTIA.
Welches mir den Todt bringet.
AUGUSTUS.
Was ist zu thun?
TERENTIA.
Die Rache befördern!
AUGUSTUS.

Stehet auf, es soll befördert werden. Alsobald, meine Getreue, verfolget ihm auf allen Wegen, dieser hochmütige Verräther soll erfahren, wie sehr er uns beleidiget. Befridiget Euch, wehrteTerentia und gedenket, daß der Lauff seines Lebens vor der Thier gewesßen und also sich hat endten müsßen. Wir wollen Euch unter Unseren Schutz an und aufnehmen, ihr solt, gleich wäret ihr unsere Gemahlin, gehalten werden, und dieses sey Euch genuch.

TERENTIA.

Euer May. Gnade ist allzu groß, aber alles dieses schätze ich vor gering, so ich meines Ehgemahls beraubet bin. Ach Cicero, ach Gemahl, verschaffe doch, daß ich dir folge.

CECINA.

Man mus sich nicht allzu sehr in der Betrübnus vertieffen, [102] dann es kunt leicht geschehen, daß ein unverhoffter Zufahl sie auch des Lebens berauben kunte.

TERENTIA.

Eben dieses wäre mein Verlangen; es wird villeicht ohnedis meine schwage Seel ihren Wohnplatz verlasßen. Komme doch, angenehmer Schatten, und nehme mich zu dir – ach ich sterbe – – Falt in Ohnmacht.

AUGUSTUS.

Helffet, sie segnet daß Zeitliche vor unseren Augen! Müseliche Terentia, wir bedauren deinen unglückselichen Standt. Man bringe sie von hinen und gebrauche die beste Medicinen zu ihrer Genesßung, wir selbsten wollen sie in ihrer Grankheit besuchen und mehr als ein Vatter seyn. Man bringet sie weg.

CECINA.
(Ihr Unglück gehet mir also zu Hertzen, daß ich mich fast der Thränen nicht enthalten kan.)
SCAURO SCATILIO.

Daß ich doch nur die geringste Nachricht von der Flucht Ciceronis gehabt, ich selbsten wolte ihm nebst denen Meinigen begleitet haben.

AUGUSTUS.

Es ist nun geschehen, und keiner ist fehig ihn von dem Todt zu erwecken, aber der aufgeblasene Marcus Antonius soll iedermann zum Beyspill nachdrücklich abgestraffet werden. Komet und begleitet uns. Alle ab bis Cecina, welcher hervor gehet, hinten zu.

CECINA.

Nunmehro wird meinen Herzen der völlige Sieg über Tuliam verbleiben, weil Marcus Antonius ein Mörder ihres Erzeugers geworden. Ich befrolocke in beederseits Thränen meine Zufriedenheit und werde durch eines anderen Verfolgung ein vollkomener Besitzer so unvergleichlicher Schönheit. – Aber eben komen mir diese verdrüslich! daß ich sie doch nicht ansehen dörffte! Stehet in Gedancken.

7. Szene
Scena 7.
Emilia.

EMILIA.
Wie so bestürzt, mein Angebethener, was verwihret Euere Sinen?
CECINA.
(Das ich doch sagen dörffte: deine verhaste Ankunfft!)
EMILIA.

Andworttet ihr mir nicht? Ich sehe wohl, daß Euch [103] wenig an meiner Gegenwart gelegen. Lebet wohl. Will abgehen.

CECINA.
(Ich mus ihr doch schmeiglen.) SchöneEmilia!
EMILIA.
Habt ihr mich geruffen?
CECINA.
Gleich hab ich Euch gesehen und mich unterfangen, Euch anzureden.
EMILIA.
Ich stunde ia nebst Euch, und ihr habt mich noch gehört, noch gesehen.
CECINA.

Verzeihet, ô Schöne, so ich Euch mit gebührender Höfflichkeit nicht begegnet, ich ware sehr in Gedanken verdieffet.

EMILIA.
Es ist alles verzihen. (Mus doch sehen, ob die Liebe auch der Höflichkeit gleiche.) Cecina?
CECINA.
Schönste Göttin!
EMILIA.
Wolt ihr mir wohl einen Gefallen erweißen?
CECINA.
So es in meinen Vermögen, bin ich schon bereith.
EMILIA.
Es wird Euch gar ein leichtes seyn, diesen Brieff – –
CECINA.
Solt ich überbringen – –
EMILIA.
Der Tulia.
CECINA.
Der Tulia? Und von wem ist er gestehlet?
EMILIA.
Julius Antonius bittet darinen, seiner Unschuld zu verzeihen.
CECINA.
Und ich solte ihm der Tulia überbringen?
EMILIA.
Und warumb?
CECINA.

Ich solte mich zu eines Verräthers Diensten gebrauchen lassen? Dieses kann ohnmöglich sein, ansonsten begehret, was ihr wollet, so will ich Euch willfahren.

EMILIA.
Und ihr liebet mich?
CECINA.
Darumb müsßet ihr dieses Hertz befragen, ich kan Euch nicht andwortten. Ab.
EMILIA.

Ich verstehe dich, unhöfflicher Cecina, aber seye versichret, daß ich so viel bei Tulia würcken will, daß du ihrer Gegengunst nie solst zu geniesßen haben. Es gefahlen mir zwar deine hellglänzende Augen, aber mit nichten haben sie noch dieses Herz entzindet, Julius Antonius allein ist der wahre Abgott, welchen ich nunmehro desto ehe zu besitzen hoffe, weillen er von Tulia verfolget wird. Ich gehe möglichsten Fleis anzuwenden, ihne auf meine Seiten zu bringen. Ab.

8. Szene
[104] Scena 8.
Das Theatrum praesentirt von hinten den Tiber Flus, auf der Seiten hervor ein schönen Kunstgartten mit schattigen Baumen.
Julius Antonius, Lucius Scipio und Hanß Wurscht auf den Gundeln.

HANSS WURSCHT
in artigen Potzknechtauffzug.

Lustig, ihr Herren, Euere Menscher könen nicht gar weith mehr seyn. Ô wie werdet ihr die Heuschrecken auf ihrer Wißen abfangen!

JULIUS.
Du bist iederzeit fröliches Muthes, wo du doch mit mir soltest traurig sein.
HANSS WURSCHT.

Ich hoffire in die Traurigkeit; wann ich zu fresßen und sauffen hab, kan meinethalben die gantze Welt traurig sein.

LUCIUS SCIPIO.
Weistu aber nicht das Sprichwortt: mit Lustigen lustig, mit Traurigen traurig.
HANSS WURSCHT.

Ich weis es wohl, es heist sonst mit Wölffen hönnen, mit Beeren brumen, und mit Eseln ô i ô schreyen.

JULIUS.
Du bist sehr ausgelasßen, habe acht, daß es dich nicht gereue.
HANSS WURSCHT.

Ey, Herr Julius, wann man auf die Cortesie gehet, mus man nicht als wie ein alter Karngaul Schweiff, Kopf und Ohren hangen lassen.

JULIUS.
Lencke an daß Uffer, wir wollen aussteigen.
HANSS WURSCHT.
Es sind aber die Menscher noch nicht hier.
JULIUS.
Thue, was ich dir befehle!
HANSS WURSCHT
hat seine Foperey mit anlencken, und kan extemporirt werden nach Belieben, bis sie ausgestigen.
LUCIUS SCIPIO.
Allhier müsßen sie erscheinen, wie ich von Bromia bin berichtet worden.
HANSS WURSCHT.
Von der Bromia? kombt sie auch hieher?
LUCIUS SCIPIO.
Daß weis ich nicht. Warumb fragstu?
HANSS WURSCHT.
Weil sie jene Schießscheiben, auf welcher ich mein merestes Pulver schon verschosßen.
JULIUS.
Du bist ein Narr; mein, sage mir, weistu wohl, was die Liebe ist?
HANSS WURSCHT.
Ist dieses fragenswerth! mein, sagt mir auch, wer hat mehr Kinder als wir Bauren?
JULIUS.
Daraus folget dannoch nicht, daß sie gefunden, was die Liebe sey.
[105]
HANSS WURSCHT.
Ey, wann sie es nicht gefunden, so haben sie es schon zu suchen gewust.
JULIUS.
Ich mus deiner auch in meiner grösten Betrübnus lachen. Sihe, daß du nicht weist, was die Liebe.
HANSS WURSCHT.

Die Liebe ist halt die Liebe, das heist so viel, wann einer ein schönes Mensch hat, so führt ers spaziren und erzehlet ihr die histori von Plinius, daß in 3 viertl Jahren ein lebendiger Horatius Dociret.

JULIUS.
Du bist ein gar grober Liebhaber.
HANSS WURSCHT.

Ie gröber, ie lieber; die Bauernmenscher haben die Kerl nicht gehrn, die von Philocranarbeith, ein starcker Dragoner mit Stiffl und Sporn, der kan ihnen daß abc recht auffsagen.

LUCIUS SCIPIO.

Schweiget, ich sehe beede Floren anhero komen; lasßet unß verbergen und ihre Reden in geheimb anhören.

HANSS WURSCHT.

Potz 1000, mein Mensch ist auch darbey, das ist braff, iezt will ich mich auch mit Euch verstecken. Berbergen sich alle 3.

9. Szene
Scena 9.
Tulia, Emilia und Bromia von vorne.

EMILIA.

Nun sind wir allein, geliebte Tulia, entschütte dein Hertz aller Betrübnus und entdecke mir dein fehrneres Anligen; vergesße der Rache des unschuldigen Julii. (Daraus will ich ihr Hertz erforschen.)

TULIA.

Deine trostreiche Zusprechung solte mich billichermasßen erquicken, doch kan ich mich einer heimlichen Furcht und Quall nicht entschitten. (Ach Julius, du Ursach meiner Pein!)

EMILIA.
Und waß ist es dann, das dich noch verwihret?
TULIA.

(Ich will ihrs nur zu verstehen geben.) Emilia – ia, ia, an deiner Schönheit besorge ich ein Siegeszeichen – – –

EMILIA.
An meiner?
TULIA.
Ja, doch will ich ihm verschweigen, den mein Hertz vermeinet.
EMILIA.

Ô du hast dich nichtes zu besorgen, meine Schönheit wird nicht mächtig sein, ein Herz an sich zu locken, weillen ich in einen allzu unglückseelichen Stern gebohren bin.

[106]
TULIA.
(Ich will sie noch besßer erforschen.) Liebstu dann nicht den Cecina?
EMILIA.

Ich gestehe es, ihme geliebt zu haben, nachdem aber seine Kaltsinigkeit gegen mir allzu scheinbahr, hab ich ihm leicht verlasßen könen. Nun aber bin ich entschlosßen denjenigen zu lieben, den du verfolgest, und hab nicht geringe Hoffnung seine Gegenliebe zu erhalten.

TULIA.
(Ich bin des Todtes!) Du wilst den Verräther, den Lasterhaften lieben und wilst meine Freundin seyn?
EMILIA.
Also will mein Geschick, also erfordert es meine Liebe.
TULIA.

Emilia, sofehrne du in voriger Freundschafft mit mir zu leben verlangest, lasße ab den Sohn meines Vattermörders zu lieben, sondern verfolge ihm nebst mir bis in den Todt. (Also saget es der Mundt.)

JULIUS.
(Schöne Tyrannin!)
EMILIA.
Ich kan nicht.
LUCIUS SCIPIO.
(Unbarmherzige Gottheit!)
TULIA.

Du kanst nicht? So entweiche dann meinen Angesicht, welches mir gehäsiger sein wird als einBasilisk.

EMILIA.

Warumb verlangestu, daß ich jenen verfolge, der mich niemahles beleidiget? Warumb soll ich jenen nicht lieben, der mich gefeslet? Gefallet es dir, so deine Liebe beglückseelichet wird, so lasße dann zu, daß auch die meine erfreuet werde.

TULIA.
Meine Liebe ist nur allzu bitter vor ein betrübtes Herz.
EMILIA.

Wie kan es dir bitter seyn, da dir von dem Kayser selbst noch heute die geheiligten Fackl angeflammet werden; es wird für dich der Altar und das Ehbethe schon mit Rosen bestreuet und du wirst eine Brauth des Cecina sein.

JULIUS.
(Ô Schmertz! ich vergehe.)
TULIA.
(Ach Erinnerung, die du mich ertödtest!) Julius, ach Julius, was hastu gethan!
EMILIA.
Seuffzestu nach ihm, und dannoch wilst ihm verfolgen?
TULIA.

Meine ihm geschworene Treu verlanget, daß ich ihm liebe, der Mord seines Vatters aber verdamet ihm zum Todt oder Ewigen Verfolgung.

JULIUS.
(So mus ich sterben; ach grausame Liebste!)
EMILIA.
Aus deinen Reden werde ich nimermehr klug.
[107]
TULIA.
Die Zeit wird dich alles lehrnen. Genuch daß ich ihm auch als meinen Feind liebe.
LUCIUS SCIPIO.
(Gehe, Freund, bringe ihr dein sehnliches Seuffzen für, villeicht kanstu sie bewegen.)
JULIUS.

(Ich fürchte dero Zorn, doch ich will es wagen; entweder mus sie mir den Todt oder ihre Gegenliebe ertheilen – – –) Gehet hinzu. SchönsteTulia – – –

TULIA.
Ô Himmel! Julius allhier?
JULIUS.

Ja, meine schöne Verfolgerin, ich bin allhier, und zwar vor Eueren Füßen Kniet. sehet hier ein bis in den Todt betrübtes Hertz; entweder erquicket solches durch Euere Gegengunst, oder nemet dieses mein Gewöhr und vollzihet in meiner getreuen Brust Euere brennende Rache, dann viel eher will ich des Todtes seyn als ohne Euerer Wohlgewogenheit fehrner leben.

TULIA.

(Was soll ich thun? Ich kan nicht, doch ich mus.) Gehe hin, verächtlicher Mensch, wohin dich deine Mißethat verdamet, bey mir hastu noch Gnad, noch Liebe zu hoffen. Will abgehen.

JULIUS.
Verbleibe, Unbarmherzige, verbleibe Sie haltend. und erhöre doch mein Flehen!
TULIA.
Lasße mich, Schnöder, oder ich werde umb Hilff ruffen!
JULIUS.

Diese ist vergebens, vergebet meinen Fähler, daß ich also rede, nur so vil verlanget mein überdrüsiches Leben von Euch, daß ihr es wollet durch Euere Handt vollenden.

TULIA.
Dieses wird nicht geschehen, vil einen grausameren Todt hastu zu gewarten. Ab.
EMILIA.
(Seine Beschwerden machen mich auser mir komen.) Ab. NB. Hanß Wurscht haltet Bromiam.
JULIUS.

Wohlan dann, so komet, ihr Henkersknechte, und löset Stück vor Stück aus diesen Leib, ich werde mich nicht im geringsten wiedersetzen.

10. Szene
Scena 10.
Cecina, Scapin.

CECINA.

So wiedersetze dich dann mir, Verräther, so dir die [108] Henkersknechte kein Schröcken verursachen könen. Ich habe lang deiner verhasten Pralerey zugehört. Weillen du dann so senlich nach dem Todt seuffzest, so kome, er soll dir von meiner Handt ertheillet werden.

JULIUS.

Eben zu rechter Zeit bistu mir anhero kommen. Weillen du der Besitzer meiner Schönheit bist, so will ich sterben, bevor aber must auch du dein Leben schlüßen.

CECINA.

Worzu so viel Wortt gebrauchen? Ein Held redet mit dem Degen, keineswegs mit dem Mundt. Komme dann und zeige deine Tapferkeit. Ziehet vom Leder.

JULIUS.

(Dadurch beleidige ich die Tulia. Ô ihr Götter, was soll ich thun?) Gehe, gehe, Cecina, seye ein Besitzer einer so göttlichen Schönheit, ich gehe keinen Streit ein.

CECINA.

Verzagter, ich verstehe dich, du hast in Cecina einen Verächtlichen geglaubet, aber seye versichert, daß meine Faust nur zu Siegen gewohnet sey.

JULIUS.
Gehe, gehe, Tulia wurde beleidiget.
CECINA.

Was Tulia, diese verlanget deine Bosheit zu bestraffen, komme und wiedersetze dich, so du so viel Künheit hegest.

JULIUS.
Ich will nicht streiten, Cecina, gehe und verlasße mich.
CECINA.

Man betrachte nur einen Grossprecher! Pfui der Schande, daß du den Nahmen eines Römischen Bürger fürest.

JULIUS.

Holla, dieses ist zu vil! Cecina, du hast meine Ehre verletzet. Solang du von der Lieb gesagt, hab ich geschwiegen, nun aber kan ich solche nicht anderst als mit den Waffen behaubten, verfechte dich, so gutt als kanst, dein Leben ist mir sonst lieb. Sie streiten.

LUCIUS SCIPIO.

(Ich hab lang genuch zugehört.) Man enthalte sich fehrner zu streitten! Cecina, befriedige dich, oder es soll dir müslingen. FreundtJulius, worzu dienet, mit einem Zunfftmeister sich zu ernidrigen? Gehe, gehe, Cecina, und lehrne bevor, wie man lebe.

CECINA.

Wie? was redestu? Ich solte lehrnen zu leben? Ô diesen Spott wird meine Ehrliebende Brust nimermehr ertragen, ich weiche Eurer Macht, allein wir kommen schon noch zusammen. Ab.

JULIUS.

Man kennet ia deine Thaten, welche du verrichtet, keiner ist, der sich vor dir scheuet; Lucius kome, wir wollen ihm [109] nacheillen und ein ieder soll sich allein mit ihm kämpfen. Ab.

LUCIUS SCIPIO.
Ich folge dir und schwöre seinen Todt. Ab.
BROMIA.

Und wann werdest dann du mich entlasßen? Glaubst villeicht aus mir einen Braten zu machen? Ô mein Kerl, du bist nicht mehr der meine, ich habe schon einen andren.

HANSS WURSCHT.

So, so? Ich verstehe dich, du wechslest auch gern als wie die Kauffmansdiener, diesen Feuertag da, den andren dorth; absonderlich wans Gelder einzucassiren haben, da mus bevor das Mensch expedirt sein, alsdann mit einen frischen Muth zum Herrn Creditor.

SCAPIN.
Und wer hat dir Bernheuter erlaubt, mein Mensch auffzuhalten?
HANSS WURSCHT.

Halt daß Maul oder ich schlag dich mit mein Ruder zun Kopf, daß du in Saecula Saeculorum nimer lebendig wirst. Das Mensch ist ehe mein geweßen als dein.

NB.
Die Scene wird extemporirt, daß sich Beede zancken und rauffen umb die Bromia; weillen aber Bromia den Scapin liebet, so sagt sie, daß man den Hanß Wurscht ins Waßer werffen soll. Nach langer Foperey nehmen sie den Hanß Wurscht und werffen ihm in das Waßer, alwo er ein artiges Geschreu und Schwimen machet, und die Beiden spotten und lachen seiner, gehen endlich ab, sagende, anjetzo
kanstu dich mit einen Stockfisch verheurathen.

3. Akt

1. Szene
Scena 1ma.
Scauro Scatilio und Lucius Scipio.
Cortill.

SCAURO SCATILIO.

Ich habe dir meine Tochter versprochen, und dieselbe soll dir auch werden, doch befleise dich bevor selbst, ihre Gegengunst zu gewinnen, dann es ist dir bekant, daß gezwungene Lieb mehr Betrübnus alß Freude verursache.

LUCIUS SCIPIO.

Sie ist aber zu meinen Seuffzen unbeweglich, sie verschmähet meine Thränen und spottet nur meiner Quall.

SCAURO SCATILIO.

Die Liebe pfleget unter einen Schertz die Herzen zu peinigen, dannoch hat es nichts alß süße Liebespfeil verborgen.

LUCIUS SCIPIO.

So ich auf dieses meine Hoffnung grunden soll, so hab ich schon verlohren, weillen mir auch ihre ihnerste Neigung bekant ist.

SCAURO SCATILIO.
Und auf wem ist es dann gerichtet?
LUCIUS SCIPIO.
(Das ich sagen mus!) Auf Julium Antonium, so von Tulia verfolget wird.
SCAURO SCATILIO.

Auf diesen? auf einen Sohn, deßen boshaffter Erzeuger mir den Todt geschworen? Lucius, sofehrne es nur dieser ist, hast du sie schon in deinen Armen.

LUCIUS SCIPIO.
Ach vergebliche Hoffnung!
SCAURO SCATILIO.
Verlangestu noch waß mehreres?
LUCIUS SCIPIO.
Ich bin es zufrieden, allein – – –
SCAURO SCATILIO.

Rede doch freu, du bist sonst einer von Kühnen, und nun bist also verzaget. Sage, was ist dein Anliegen?

[111]
LUCIUS SCIPIO.
Ich befürchte noch grösßeren Haß, nachdem ich ihren Herzensbesitzer entdecket.
SCAURO SCATILIO.

Damit du sehest, wie sehr ich dir gewogen, will ich sie alsobald anhero beruffen, ich aber werde verborgener Eueren Discurs anhören. Ist es, daß sie deine Liebe verachtet, so will ich [sie] darzu bezwingen. Lebe wohl, mein Freundt. Ab und nach 4 reden wieder aus.

LUCIUS SCIPIO.

Der Himmel begleite dich. – Nun erwartte ich zwischen Furcht und Hoffnung den Ausprug meines Lebens oder Todtes. Du angenehmer Herzensverwunder, höre auf, mich fehrner mit Blagen umbzugeben; hastu mich verletzet, so magstu mich auch heil machen. Aber ich sehe schon meine Göttin anhero kommen.

2. Szene
Scena 2da.
Emilia.

EMILIA.

(Der Befehl meines Vatters bezwinget mich, allhier zu erscheinen, ohne daß ich die Ursach verstanden. – Aber sihe da den gehäsigen Liebhaber! Ô laße dir deine Flammen nur vergehen, die meine werden sich nicht mit den deinen vermengen.)

LUCIUS SCIPIO.

Schönste Emilia, wie lang wird noch Euer glänzender Himmel für mich die Donnerkeul führen? Habt ihr dieses Hertz noch nicht genug gegränket? Verlanget ihr dann, daß es zu Aschen verbrenne ohne den mindesten Thau Euerer Gegengunst?

EMILIA.

Ihr quället mich immer mit Euerer verdrüslichen Liebe, da ich Euch doch schon zum Öfftern gesagt, daß Emilia nicht für Lucio sey. Ihr bemühet Euch vergebens, und all Eure Hoffnung ist eitl.

LUCIUS SCIPIO.
Und wer kan mir die Hoffnung benehmen?
EMILIA.
Der, so allbereith dieses Hertz gefeslet.
LUCIUS SCIPIO.
Seinen Nahmen!
SCAURO SCATILIO.
(Waß wird [sie] andwortten?)
EMILIA.

Obwollen ich es nicht schuldig wäre Euch zu entdecken, so will Ich dannoch Eueren Fürwitz stillen. Julius [112] Antonius – – doch genuch, ihr habt mich verstanden. Will abgehen.

SCAURO SCATILIO.

Verbleibe, unverschämbte Tochter, von wem hastu erlehrnet denjenigen zu lieben, der meine Verfolgung bis in den Todt geschworen?

LUCIUS SCIPIO.
(Ich mus anjetzo zu meines Freundes Spott schweigen.)
EMILIA.
(Das ich doch nicht geredet hätte!)
SCAURO SCATILIO.
Schweigestu? Lucius, kome herbey, du aber, Emilia, reiche ihme alsobald die Ehliche Handt.
EMILIA.
(Ach Schmertz!)
SCAURO SCATILIO.
Vollzihe meinen Befehl, so lieb dir dein Leben!
EMILIA.
(Was solt ich thun?)
LUCIUS SCIPIO.
Reichet mir, ô Schöne, Eure zarte Handt, welche uns beede glückseelich machen will.
EMILIA.
(Daß dich alles Unglück rühre!) Ihm drozig ansehendt.
SCAURO SCATILIO.

Ungehorsame Tochter, ist dieses die kindliche Pflicht, hab ich dieses umb dich verdienet, daß du also hartneckig meinen Befehl dich wiedersezest? Ich sage dir zum letzten mahl, reiche ihm die Handt oder entweiche meinem Zorn.

EMILIA.
Erlaubet mir von hinen, villmehr erwölle ich den Todt als diese Vermählung. Ab.
SCAURO SCATILIO.

Gehe nur, boshafftes Kindt, aber fürchte meinen Zorn. Lucius, verzweiffle indesßen nicht, sie wird sich bequemen müsßen, oder sich nicht mein Kindt nehnen.

LUCIUS SCIPIO.

Das gantze Gebäude meiner Hoffnung ist auf dich gegründet, wünsche nichtes mehr, als das deine Sorgfalt für mich glücklich ausschlage. Ich gehe, aber mit schlechten Trost bewaffnet; lebe wohl. Ab.

SCAURO SCATILIO.

Der Himmel begleite dich. – Billich kan ich die Liebe einen Gifft vergleichen, welches sobald ihren effect machet, als es empfahen wird. Meine Tochter wiedersetzet sich ihren Gehorsam und meinen Befehl, aber ich bin noch Vatter, der sie zu bezwingen wird wisßen: Entweder soll sie Lucium erwöhlen oder sterben. Ab.

3. Szene
[113] Scena 3.
Julius Antonius und Hanß Wurscht.
NB.
Diese Scene wird extemporirt, das Hanß Wurscht seinen Herrn erzehlet, wie ihm der Scapin in daß Wasßer geworffen, waß vor ein Cameradtschafft er mit denen Stockfischen und Häringen gemacht, und wie daß er eben in ein Fischernetz gekommen und herausgezogen worden. Die Fischer hätten ihm vor ein Wunderthier gehalten und haben ihm wollen todt schlagen und dem tyrckischen Kayser überschicken, damit er ihm in seiner Schatz Cammer aufgehenket, bis er endlich angefangen zu reden und ihnen erzehlet, wer er wäre. Bittet seinen Herrn, er möchte ihm doch behilfflich sein, daß er den Scapin ermorden köne etc. Sein Herr verspricht ihm solches, gibet ihm einen Brieff an Tulia und sagt, daß hier seine gantze Nothdurfft darinen seye. Hanß Wurscht, seinen Herrn ansehendt, sagt, er solle sich schämen, es werde stincken, und er wird seine Liebste noch mehr erzürnen etc. Extemporirn pro libitu, bis Hanß Wurscht abgehet.
JULIUS.

Aus diesen Schreiben mag sie meine Pein erkennen; ich habe ihr schrifftlich meine Unschuld entdecket, weillen sie mich nicht hören will. Dir, ô barmherziger Himmel, seye es anbefohlen, flöse doch ihren Herzen nur den mindesten Funcken einer Gegenlieb ein, auf daß ich lebe. Aber sihe da, was bringet Emilia?

4. Szene
Scena 4.
Emilia.

EMILIA.

Preiswirdiger Heldt, desßen Tugendt und Tapferkeit die höchste Gipfl alles Ruhmes erstigen, Emilia neiget sich und schätzet sich glückseelich eine Dienerin von dir zu seyn.

JULIUS.

Ach Emilia, holdseliche Emilia, villmehr den Unglückselichsten unter der Sohnen nehne mich, da ich von jener verspottet lebe, die ich anbette.

EMILIA.

Ich weis deine Liebe, aber du hast dich desentwegen nicht zu betrüben, weillen eine Liebe, welche nur zu beuntreuen weis, gering zu schätzen ist.

JULIUS.
Zu beuntreuen sagstu? Auf was Weise?
EMILIA.

In wenig Stunden wirstu die Hochzeitsfackl brennen sehen in dem Tempel Apolinis für Cecina und Tulia.

JULIUS.
Ist es die Wahrheit, so du sagest, so bin ich des Todtes.
[114]
EMILIA.
Julius, gib deinen Geschicke nach, erwölle einen anderen Gegenstandt und vergesße der Meineidigen.
JULIUS.
Ich will sterben, der Todt allein kan mich vergnügen.
EMILIA.

Wegen einer Untreuen? Julius, Tulia ist nicht allein die Römische Kostbarkeit, es werden ia auch andere gezehlet, die ihr im geringsten nicht weichen.

JULIUS.
Tulia allein hat dieses Hertz verwundet, und keine andere soll mehr den Besitz deselben haben.
EMILIA.
(Ich will mich ihm entdecken.) Solte dann eine Emilia nicht auch dich anflammen könen?
JULIUS.
Hierauf kan ich nicht andwortten.
EMILIA.
Verspottest mich?
JULIUS.
Auf keine Weis.
EMILIA.
So liebe mich dann!
JULIUS.
Ich kan nicht!
EMILIA.
So ertödte mich!
JULIUS.
Dieses stehet nicht in meiner Macht.
EMILIA.
Und was bistu dann entschlosßen?
JULIUS.
Tuliam zu besitzen oder zu sterben. Will abgehen.
EMILIA.
Höre mich, Grausamer!
JULIUS.
Es höre dich, wer da will, ich flihe dich. Ab.
EMILIA.

Flihe nur, Tyran meines Herzens, aber die Marter soll dir folgen. Ihr Furien, entreisßet mich von mir selbst, ihr Quallen, ertödtet dieses so verspottete Hertz, weillen der Schnöde es nicht erkennet. Es wäre eine euserste Müselichkeit, sofehrne ich länger lebte; ia, ia ich werde sterben, aber bevor diesen gantzen Hoff in die entsetzlichste Verwihrung setzen. Wo ist Lucius, den ich vorhin so sehr gehasßet? Diesen will ich meine Handt reichen, aber nur darumb, damit ich meine Rach desto bequemer bewerckstellen möge. Eben zu rechter Zeit komet er anhero.

5. Szene
Scena 5ta.
Lucius Scipio.

LUCIUS SCIPIO.

Ich gehe herumb als eine klagende Turtltaube, als ein Schatten an der Wandt, ia als ein Mensch ohne Seele. [115] Höre doch auf, grimiges Verhängnus, dieses arme Hertz fehrner zu bestürmen oder lege mich in den Todt.

EMILIA
zu ihm gehendt.
Lebe, Lucius, und Emilia ist deine.
LUCIUS SCIPIO.
Wie?
EMILIA.
Ia, ia, ich bin die deine, und zum Zeichen der Warheit hastu hier meine Handt.
LUCIUS SCIPIO.
Also geschwind habt ihr, ô Schöne, Euere Meinung verändert?
EMILIA.

Ein gerechter Eyffer hat mich Julio Antonio entrisßen, die Treue und Liebe aber schenket mich dir, Lucius.

LUCIUS SCIPIO.
Ô angenehme Hand, in dir küsße ich eine so schöne Geschancknus.
EMILIA.

Ich bin niemahls so grausam gegen dich geweßen, als du dir wohl eingebildet, ich habe iederzeit für dich die Flammen in meiner Brust gefüllet, dein Verlangen war auch daß meinige und meine Seuffzer waren gegen dich so zart, als es meine Möglichkeit zugelassen.

LUCIUS SCIPIO.
Ô mich Glückseelichen! Und darff ich glauben, daß aus jenen Augen – – –
EMILIA.
Für dich die Liebespfeille hervorschüsßen.
LUCIUS SCIPIO.
Daß dein Herze – – –
EMILIA.
Die Liebesfackln entzindet haben.
LUCIUS SCIPIO.
Das deine schöne Brust – – –
EMILIA.
Durch den Liebesbogen seye verwundet worden.
LUCIUS SCIPIO.
Mehrers weis ich nichtes zu begehren, deine so balde Veränderung setzet mich gantz auser mir.
EMILIA.
Zweifflestu villeicht an meinen Wortten?
LUCIUS SCIPIO.
In geringsten nicht!
EMILIA.

Sofehrne du aber einen bösen Argwon geschöpfet, so schwöre ich dir bey Hymen selbst, Ewig treu zu verbleiben.

LUCIUS SCIPIO.
Erlaube, daß ich zum Zeigen meiner grosßen Liebe über deine Purpurlippen siegbrange.
EMILIA.
Ergötze nach Belieben, eille zur Freudt!
LUCIUS SCIPIO.
Zur Lust und Ergötzlichkeit!Beede ab.
6. Szene
[116] Scena 6ta.
Augustus, Tuliam bey der Handt führendt, Scauro Scatilio, Cecina, Scapin.

AUGUSTUS.

Tulia, zihe ab den Flor deiner bisherigen Traurigkeit und begleite dich mit angenehmen Blumenschmuck aller Ergötzlichkeit; wir haben uns verpflichtet, ein Vatter für dich zu sein, nachdeme auch deine Mutter daß Zeitliche gesegnet; nun wollen wir es auch in der That beweisßen. Wir wisßen zwar, daß du Julium Antonium als deine Seele geliebet, nachdem du ihm aber nunmehro als deinen ärgsten Feindt verfolgest, haben wir einen anderen auserküsßen, dessen Ruhm und Tapferkeit dem anderen nichts bevor gibt. Noch heute sollen die angenehme Hochzeitsfackl brennen. Cecina, reichet ihr die Hand zum Zeigen Ewiger Treu.

CECINA.

(Ô der Freude!) Für so unschätzbahre Gnad werde ich Euer May. lebenslang verbunden sein. – Schönste Tulia, hier empfahet meine Handt und mit selber das Hertz.

TULIA.

(Schmerzlicher Zwang!) Ich reiche Euch die Handt, weillen es mein allergnädigster Herr und Kayser also befühlet, und schätze mich glückseelich von dem Monarchen der gantzen Welt einen Ehgemahl zu überkomen haben. Doch bitte ich, in so lang das Beylager zu verschieben, bis daß Trauerjahr volkomen vollendet.

AUGUSTUS.

Es geschehe nach Eueren Verlangen. Wir werden Euch hinführo unsere Kinder nehnen und zum Zeichen vätterlicher Liebe drücken wir Euch an unsere Brust.

CECINA.
Ô unverdiente Gnadt!
TULIA.
Ô mehr dann göttlicher Monarch!
SCAURO SCATILIO.
(Das ich doch auch solche Freude an meinen Kindt geniesßen kunte!)
AUGUSTUS.

Euere Vergnügung desto vollkomener zu machen, werde alsobald Anstalt gemacht zu einen Thierkampf. Holla, Scapin, gehe und hinterbringe den Thierwartter, daß er sich bereith halte, die Lewen, Tiger, Leoparden und Beeren auf den Kampfplatz zu lasßen. Scapin ab. Euch aber,Scauro Scatilio, seye angelegen durch einen Trompetenstosß [117] dem gantzen Rom kundt zu machen, ein ieder Edler Römer erscheine bei unserer Ungnade.

SCAURO SCATILIO.
Euer May. hoher Befehl dienet mir stat eine Gesätzes.
AUGUSTUS.

Wo die angenehme Früchte des Friedens bei Potentaten gesamlet werden, müsßen die geringe Thiere die Stelle des Streites vertretten, damit die Gedächtnus einer unermüdeten Tapferkeit nicht aus den Herzen weiche.

SCAPIN
lauffet hin und wieder mit artigen und schröckenvollen Minen ohne was zu sagen.
AUGUSTUS.
Waß fället dem Narrn? He, Scapin, was ist dir?
SCAPIN.
Ach ich kan nicht reden vor lauter Schröcken.
AUGUSTUS.
Rede geschwind, was ist es?
SCAPIN
ein grosmächtiges Unglück.

NB. etemporirn, daß der Beer des Thierwarter sein Weib zerrisßen, und er in höchster Betrübnus seye. Doch hätte er ihm heimlich gesagt, er wäre froh, daß der Teuffl seine Alte gehollet, weillen er schon längst eine Junge auf der Seiten gehabt; es hätte ihm der Beer den grösten Gefahlen erwißen, daß er seinen alten Beren zerrisßen, er wolle ihm hinfihro dopelte portion geben. Augustus sagt, ob er weine. Scapin: er weine freilich, aber nur pro forma, damit ihre Freundt ihme nichts wegnehmen, weillen er kein Kind von ihr hat, und man ieziger Zeit einen Mann nicht viel lasßet, der sich nicht verstehlen kan. Augustus sagt, daß er ein Narr seye. Scapin: daß wisse er, und wann auch der Kayser sein Vatter wäre etc. etc.

AUGUSTUS.
Komet, geliebtes Brauth[paar], lasßet uns fertig machen den Streith dieser Thiere mit anzusehen.
CECINA.
Wir folgen Euer May. alß der Sonne, von welcher wir die Strahlen unseres Glückes entlähnet.
AUGUSTUS.
Man hinterbringe Julio Antonio, das er nicht ausen bleibe, so lieb ihm unsere Gnadt. Ab.
TULIA.
(Diese Erinerung hat mein Hertz durchbohret.) Ab.
CECINA.
(Das doch dieser voll dannen blibe, unmöglich werd ich vergnüget sein.) Ab.
SCAPIN.

Iezt wird es an ein Fressen und Sauffen gehen! Scapin, leere nur deinen Bauch wacker aus, damit du ihn von delicaten Speisen desto besßer füllen kanst. – Aber wie wäre es, wann ich auch mit meinen Herrn Hochzeit machte? Es ging an, wir kunten oben an sitzen, und mein Herr mit seiner Tulia von unten; es wäre beyn Teuffl nicht [118] gar übel. Ô Bromia, du allersüsßestes Hönigfas meiner vergnügten Hosßen, lasße dir nur deinen Camin heute noch auskehren, damit ich mit Stiffl und Sporn zum Herb deiner feurigen Hölle gelangen möge. Aber iezt fält mir ein, wie wird es wohl hernach stehen, wann wir khleine Scapinigen haben werden und eins da, das andere dort: Papa, Mama, Brodt! wird schreuen? So last mans halt schreyen, oder treibts auf die Weide wie die Gänse, sie werden schon etwas finden. – Was Teuffl ist dis vor ein Geschreu?

7. Szene
Scena 7.
Bromia, Hanß Wurscht.
Hanß Wurscht komet herausgelauffen, und Bromia hat ihm die Hände auf den Buckl zusamgebundener an einen Strick und briglet ihm mit einen Bösen, sagend: gedencke nur, mein lieber Scapin, dieser Schelm hat mir meine Ehre rauben wollen; Hanß Wurscht sagt, es seye nicht war, er hätte sie schon längst unter der steinernen Brucken auf dem Müst liegen sehen. Scapin nimbt sich der Bromia an, und zancken sich. Hanß Wurscht sagt, sie sollen ihm die Händt aufmachen, alsdann wolle er Beeden Satisfaction geben. Bromia sagt, dieses wird nicht mehr geschehen, sie hätte es mit einer List gethan, damit sie von ihm nicht überwältiget seye worden. Fraget den Scapin, was sie mit Hanß Wurscht anfangen wollen. Scapin sagt, er wisße nichts Besseres, als [daß] er ihm köpfe. Hanß Wurscht sagt, daß gienge ihm noch ab, wann er ohne Kopf zu seinen Hern müste gehen. Endlich nach langer Foperey und Bitten des Hanß Wurscht beschließen sie, ihm die Augen zu verbinden und den Kopf herab zu schlagen. Hanß Wurscht hat seine lazzi mit weinen, sagendt, es sollen sich die Jungen Gesellen hütten zu Menschern zu gehen, sonst möchte auch
manichen der Kopf abgestuzt werden, daß er hernach wie ein Budl Hund herumblauffen müsße etc. Endlich verbinden sie ihm die Augen und Scapin nimbt ein Tiechl, welches er zusamenrollet, und saget, nun soll er sich gefast machen, es werde der Kopf gleich da sein. Hauet mit den Diechl, und Hanß Wurscht fallet umb. Beede lachen seiner, und ab.
8. Szene
Scena 8.
Julius Antonius.

JULIUS.

Ich kan meinen Diener mit keiner Andwortt erwartten, die Ungedult lasßet mich nirgends bleiben. Aber sihe da, hier lieget der Schelm. Hanß Wurscht was magstu hier?

[119]
HANSS WURSCHT.
Last die Todten ruhen.
JULIUS.
Was todt! Stehe auf, Einfalt, wo könen dann die Todten reden?
HANSS WURSCHT.
Das redet nur der Kopf, welcher noch die Seel in sich hat, aber der Leib ligt dorth auf der Seiten.
JULIUS.
Stehe auf, Narr, dein Kopf ist noch wie vor an deinen Leib.
HANSS WURSCHT.
Ihr wolt alser todter noch einen Narren auf mir machen? Ich bin ia geköpft worden.
JULIUS.
Ich mus deiner lachen; sofehrne du nicht aufstehest, werde ich dir gleich Füsße machen.
HANSS WURSCHT.
Die Füs sein ehe noch daran, aber der Kopf ist weeg.
JULIUS
nimbt ihm beyn Schopf und zihet ihm in die Höhe.
Böswicht, wilstu mich vexiren?
HANSS WURSCHT
wischet die Augen und sihet sich allenthalben an, sagendt: Ey Herr, wie habt ihr mir dann den Kopf wieder aufsetzen könen? Julius: er seye nie vom Leib geweßen, also wäre es ein Leichtes, solches zu thun etc.

Hanß Wurscht erzehlet, was ihm der Scapin und Bromia gethan und sagt, er wolle sich noch rächen. Julius fraget, ob er den Brieff übergeben. Hanß Wurscht sagt ia, ia, und sie hätte ihm einen Ducaten geschenket, aber keine Andwortt nicht, als daß ihr noch hoffen solt. Julius erfreuet sich und schenket Hanß Wurscht einen Beutl Ducaten. Hanß Wurscht sagt, iezt seye es gutt, nun wolle er der Bromia nicht viel gutte Wortt geben, weil er so viel Ducaten habe, sondern er wolle schon andere Menscher finden. Fraget seinen Herrn, ob sie gewichtig. Julius sagt, ob er zweiffle. Hanß Wurscht sagt, sie seheten just wie die Nirnberger Tantes aus. Haben ihre Foperey nach Belieben, bis sie Trompeten und Baucken hören. Sagt Julius, daß er auf Befehl des Kaysers auch erscheinen müsße, und Hanß Wurscht solte mit ihm. Gehen Beede.

9. Szene
Scena 9.
Das Theatrum praesentirt von hinten eine Bühne, alwo die Personen zusehen, von unten die Gefängnus der Thiere, voran Kampfplatz.
Trompeten und Paucken.
Augustus, Cecina, Tulia, Scauro Scatilio, Lucius Scipio, Emilia, Julius Antonius, Hanß Wurscht, Scapin und Soldaten.

ALLE.
Eß lebe der unüberwindlichste Kayser Augustus! Trompeten und Paucken.
AUGUSTUS.

Lebet mit Uns, ihr getreue Römer und tapfere Stützen unseres Throns; man lasße zu iedermanns Vergnügung [120] die grimige Bestien kämpfen, ein ieder ergötze sich und wünsche den neuen Brauthbaar Glück und Heil.

ALLE.
Eß lebe Cecina und Tuli vergnügte Jahr!Trompeten und Paucken.
JULIUS.

(Ach Frolocken, das mir Seel und Hertz durchdringet!) NB. Die Thiere kommen heraus und fangen an zu streitten.

CECINA.

Angebethene Brauth, vergesßet nunmehro aller Traurichkeit und lasßet die süsße Lust in Eueren Herzen Platz finden.

TULIA.

Keine trübe Wolcken soll hinfihro mich umbneblen, ich liebe Euch, und zum Zeichen mei ner Liebe empfahet dieses Contrafait.

CECINA
nimbt es und last es hernach unversehens fallen.
Ô angenehmes Geschenke! aber ô Himmel, was will dies bedeuten?
TULIA.

Unhöfflicher Cavalier, schätzet ihr also gering mein Geschanknus, daß ihr es so gar wilden Thieren vorwerffet?

CECINA.
Verzeihet, erzürnete Göttin, es ist nur unversehens geschehen.
TULIA.

Dieses verthätiget Euer Verbrechen. Gehet dann und fordert solches wieder ab von den Thieren. (Dieses dienet zu meinen Vortheil.)

CECINA.
Wie? Verlanget meine Schöne, daß ich mich in Lebensgefahr begebe?
TULIA.

Dieses mus ein Tapferer und zugleich Rechtliebender wenig achten; ich, sofehrne es mir zustunde, wolte es gleich für meinen Geliebten thun.

CECINA.
Das Leben ist kostbahrer als die Liebe, und also kan ich mich nicht darein verstehen.
JULIUS
hervortrettend.

So gehe dann zurück, unwürdiger Liebhaber, ich will derjene sein, so sein Leben geringer schätzet als die Liebe. Springet hinab und kämpfet mit den Thieren. Weichet nur, ihr grimige Bestien, dann allzugering ist Euere Macht für ein recht verliebtes Hertz.

TULIA.
Ô Himmel, er wird zugrunde gehen!
AUGUSTUS.

Julius Antonius, flihet, wo ihr nicht Eueres Lebens müde seyd, geschwind, man erlege die Thiere mit Pfeil und Lantzen.

JULIUS.
Lasßet mich nur, es soll keines lebendig zurückkehren. Streitet immer forth und erleget etwelche.
[121]
CECINA.
(Dem Verräther stehet daß Glücke bey, aber ich werde schon diesen Schimpf zu rächen wisßen.)
AUGUSTUS.

Er überwindet sie alle. Ô Held, desgleichen Rom wenig hat, dein Nahme solte billich in Metall und Gold geäzet werden. Und du, Hanß Wurscht, warumb kombstu deinen Herrn nicht zu Hülffe?

HANSS WURSCHT.
Mein Herr hat meiner nicht nötig.
AUGUSTUS.
Alsobald begibe dich zu ihm, oder man wird dich hinunter wessen.
HANSS WURSCHT.
Ey, Herr Kayser, ihr werd ja kein Narr sein!
AUGUSTUS.

Forth, werfft ihm hinab! Die Soldaten und Scapin werffen ihm hinab mit einer manir. Hanß Wurscht lauffet hin und wieder und ein Thier verfolget ihm; hat seine lazzi bis zu Endt des Kampfes nach Belieben.

JULIUS.
Fürchte dich nicht, Hanß Wurscht, es soll dir nichts geschehen.
HANSS WURSCHT.

Herr, raufft ihr, so lang ihr wolt, ich will mich hinter Euch stehlen, damit mir nichts geschehen kan.

TULIA.
(Seine Tapferkeit und eyfrige Begierde haben mich aufs neue ihm gewogen gemacht.)
CECINA.

(Ich bin verspottet; dieser hat den Sieg erhalten und iederman wird mich wegen meiner Zagheit hönnen.) Geliebte Tulia, verzeihet – –

TULIA.
Anjetzo ist keine Zeit umb Verzeihung zu bitten.
AUGUSTUS.
Bey meinen Leben, alle grimige Bestien haben seiner Tapferkeit unterligen müsßen.
JULIUS.

Wer ist noch, der sich mir wiedersetzet? er kome herbey, dieser obwollen schon ermüdete Arm soll iederman zeichen, wer Julius Antonius sey.

ALLE.
Es lebe der tapfere Heldt Julius Antonius! Trompeten und Paucken.
AUGUSTUS.

Er lebe zu unseren Trost und Schröcken seiner Feinde! Du hast gezeiget, tapferer Held, daß du zum Siegen gebohren; wir lieben dich, und zum Zeichen unserer Gnadt solstu ein Beherscher über Albanien sein.

JULIUS.

Diese so unverdiente glori und Gnadt weis ich keinesweges zu ersetzen, sofehrne aber Euere May. meine Seele verlangen, will ich selbe aus ihren Wohnplatz reisßen und [122] überreichen. – Euch aber, glückseliche Tulia, überreiche das Controfait, dessen Besitzer – – ich mus schweigen.

TULIA.
Mir gebühret es nicht, es behalte es derjenige, dem es geziemet.
CECINA.
So bin ich dann der Besitzer, reiche es mir.
JULIUS.
Dein ist es am allerwenigsten, es verbleibet also demjenigen, der es erobert.
CECINA.
(Ich schweige, aber mein Säbel soll in Kürtze mit dir reden.)
AUGUSTUS.
Begleitet Uns alle, ihr aber, schöneTulia, erlaubet mir Eure Handt.
TULIA.
Ich gehorche, mein Kayser. Alle ab bis auf Julium, hinten zugemacht.
JULIUS.

Angenehmes Bildnus, was hab ich von dir zu hoffen? Du bist zwar ohne Leben, doch hab ich durch dich so viel erworben, daß mir daß Lebende nicht ungünstig scheinet. Wolte doch der Himmel, daß sich einmahl mein Leidweßen in Freuden verkerte! Cecina hat etwas Verdrüßliches hören müßen, welches mir neue Hoffnung gibet – aber was verlanget Er, daß er gleichsam geflohen kombt?

10. Szene
Scena 10.
Cecina.

CECINA.
Julius, überreiche mir das Portret.
JULIUS.
Dieses wirstu in Ewigkeit nicht erlangen.
CECINA.
Daß Portret her, oder – – –
JULIUS.

Waß oder? Meiner Tapferkeit mustu solches abfordern, ansonsten wird es dir schwerlich zu Theil werden.

CECINA.
Genuch, daß ich dies verlange, was mein ist.
JULIUS.
So es dein wäre, würde es Tulia von mir genohmen und dir überreichet haben.
CECINA.
Und hat nicht Tulia mir solches gegeben?
JULIUS.
Ich weis, warumb hastu es aber nicht besßer verwahret?
CECINA.
Die übergrosße Freude hat es mir entfahlen gemacht.
JULIUS.
So hättestu es wieder abhollen sollen.
CECINA.
Darnach hastu wenig zu fragen.
[123]
JULIUS.
Und du wenig von mir zu begehren.
CECINA.
Ich sage dir, reiche mir das portret.
JULIUS.
Fordere vielmehr mein Leben.
CECINA.
So kome dann, es wird sich zeigen, wem es gebühret. Zihet von Leder.
JULIUS.

Ich lache deiner; weistu nicht, daß sie es dem Besieger überlasßen? Sihe her, auf meiner Brust soll es hangen und der Überwinder soll damit Sieg brangen.

CECINA.
So ist es schon das meine, komme!
JULIUS.
Cecina, bistu deines Lebens müde? Ich bitte dich, gehe von dar, es wird dich allzuspatt gereuen.
CECINA.
Waß gereuen! Kome und streitte, besßer ists todt zu sein als mit Schanden gelebt.
JULIUS.

Wohlan, ich zihe mein Gewöhr, doch fordere keine Rache, so du der Überwundene bleiben werdest. Sie streiten und Cecina wird tödtlich verwundet. Fahre dan hin zur Höllen und aldorten fordere das Portret. Ab.

CECINA.

Ô wehe mir! ich bin tödtlich verwundet, helffet um des Himmels willen einen Sterbenden! Ach Tulia, liebste Tulia, ich scheide von dir, lebe wohl!

11. Szene
Scena 11.
Tulia, Scapin.

TULIA.

Wer ruffet so sehnlich meinen Nahmen? Himmel waß ist dieses? Geliebter, Cecina, Breutigamb, was ist Euch wiederfahren?

CECINA.

Ach ich mus sterben, ich fülle das meine Seele allbereith ihren Wohnblatz verlassen will. Ach Julius, unmitleidentlicher Julius, was hastu gethan?

SCAPIN.

Hat Euch der Julius ein Loch per Soecula gemacht? Daß ist ein Schelm; – Herr, wie stets mit der Besoldung, weil euere Seel auf den letzten Füßen tanzt?

TULIA.
Backe dich, tumes Gehirn, und trachte villmehr, daß der gottlose Mörder nicht entrine.
SCAPIN.

Gleich werde ich gehen, solches bey Hoff kundt machen. Herr, sterbt nicht ehe, bis ich komme, wir haben noch wegen der quadrob zu sprechen. Ab.

[124]
TULIA.

Ach, mein Geliebter, ist es dem grausamen Böswicht nicht genuch geweßen, daß mein Vatter von seinen lasterhafften Erzeuger ermordet worden, hat Er diesen Übl auch noch den Todt meines Bräutigambs hinbeysetzen müßen? Ist es möglich, daß der Himmel nicht ober deinen Haubt donnere und blitze, und hastu, Jupiter, keine Donnerkeul dieses verfluchte Haubt zu zerschmettern? Ach mir Unglückselichen! Cecina, wehrtestes Leben, ich schwöre, noch heute die Rache für Euch zu fordern.

CECINA.

Geliebte Tulia, ich sterbe und will keine Rache, sondern vergebe ihm gantz gerne, weillen ich selbsten die Ursach meines Todtes. Er als ein tapferer Held hat nicht anders könen, als sich meiner Gewalt wiedersetzen; daß ich den Kürzeren gezogen ist dem Verhängnus, nicht aber ihm zuzuschreiben. Darumen, mein Leben, sofehrne ihr noch den mindesten Funcken treuer Liebe in Eueren Busen kochet, bekräfftiget jenes mit einen Schwur, was ich von Euch fordern werde.

TULIA.
Begehret, wann auch meinen Todt, so schwöre bey den gerechten Himmel, solches zu halten.
CECINA.

Nein, mein Schatz, ihr sollet leben, aberJulio solt ihr verzeihen und die Eheliche Handt reichen, sofehrne ihr verlanget, daß ich glückselich scheiden solte.

TULIA.
Wie, Breutigamb? verlanget ihr, daß ich mich mit dem Mörder vermähle?
CECINA.
Dieses verlange ich und sodann sterbe ich vergnügt.
TULIA.
(Grosmütige Seele!) Er ist aber die Ursach unser beeden Unglück.
CECINA.

Und dannoch der würdigste unter denen Römern; wolte nur wünschen, daß ich genesete, seine Freundschafft solt mit der meinen aus Ewig verbunden sein.

TULIA.

(Was seltsames und unverhofftes Begehren, welches meine Sinnen dermasßen verwihret, daß ich nicht mehr fehig, mich genuchsam zu fassen; aber wie, Tulia, wirstu wohl könen jenen Schwur vollzihen, so du – –)

CECINA.
Tulia lebe wohl, ich scheide von dir. Stirbt.
TULIA.

Halte doch ein, unbarmherziger Himmel, meinen Geliebten abzufordern. – Ach, er ist schon verblichen, und ich lebe noch zu meinen Schmerz. Fahre wohl, mein Geliebter, in den Eliseischen Feldern werden unsere Seelen sich vereinigen, [125] weillen es uns allhier nicht vergönet war. Ach, das ich doch nicht geschworen, seine letzte Bitt zu gewehren! Sage an, grausames Geschicke, wie lang wilstu noch deine Grausambkeit an mir verüben? Ist es wohl möglich, daß ich nach so harten und unerhörten Streichen noch Athen zihe? Ach, unmitleidentliche Sterne, worzu habt ihr mich erküsßen? Flüsßet nur, ihr bittere Thränen, und benezet zur Zinsung Ewiger Treue diesen Leichnamb. Ich verlange auch nicht fehrner zu leben. Komme dann, angenehemer Todt, und trücke meine betrübte Augen zu, damit wir iederzeit vergesellschafftet bleiben. – Ach mir! wie, was will dieses sein? ihr Götter helffet, ô wehe, ich vergehe – – – ich sterbe – – – Fahlet auf Cecina in die Ohnmacht.

12. Szene
Scena 12.
Hanß Wurscht und gleich der Geist Ciceronis.

HANSS WURSCHT
sagt, er wisße nicht, was sein Herr wieder angefangen habe, er hätte gesehen, wie er von denen Häschern seye geführet worden; man habe ihm so subtile Ring an Händ und Füs gelegt, daß eines 2 Centner wege, er klepere und klinge als wie ein Schlittenroß.

Ich glaube, daß er zuletzt noch in tribus extremis sein schönes Leben lasßen wird. – – Aber Potz 1000, was ist das? Ligen dieses neue Baarl gleich auf offentlichen Hoff beysamen? Pfui Teuffl, schambt Euch ein wenig. So gehet es, wann 2 junge Narren zusamheurathen, da meinen sie, daß sie sich ernähren damit müsßen. Wie wäre es, wann ichs ein wenig visitirte, obs schöne participia hat etc. Hat seine Foperey mit antasten und greiffen, hernach die Finger abzulecken, und dergleichen etc. Indesßen kombt der Geist, welcher Hanß Wurscht bey dem Schopf erwischet und haltet. Hanß Wurscht [hat] seine forchsame lazzi, der Geist lasßet ihm endlich aus, Hanß Wurscht schleicht mit langen Schritten davon, und der Geist ihm nach, ihme winckend. Hanß Wurscht sagt: meine lieber Geist, ich hab deinen Kopf nicht mehr, deine Tochter hat ihm, die Zungen aber hat die Fulvia gestollen und selbe mit lauter Spennadl zerstochen. Der Geist winket ihm mit ia. Hanß Wurscht nach etlichen hin- und wiedergehen lauffet ab.

GEIST CICERONIS.
Erwache, Tulia, und höre mein Begehren:
Du solst des Todten hier sein letzte Bitt gewehren.
[126] Der, denn du stets verfolgst, war mir und dir getreu,
Ihm war nur meine Flucht, und nicht Verrätherey
Des Vatters kundgethan, darum schencke ihm dein Hertz,
So du vermindern wilst mein grosße Pein und Schmertz.

Ab.
TULIA.

Helfft, ach helfft! Himmel, was hab ich gesehen! Ist es ein Schattenwerck oder die Warheit? Es dunckte mich nicht anders, als sehete ich den Geist meines Vatters, welcher mir die Treue und die Vermählung des Julii zu verstehen gab. Es kan in Warheit keine Phantasie sein, da mir noch etzliche Wortt in der Gedächtnus, so er gesprochen:


»Der den du stets verfolgst, war mir und dir getreu.«

Seltsame Begebenheit, da mich so gar derjenige vermahnet, der die gröste Rache wieder ihn führen soll. Julius, du hast überwunden, und dieses Hertz, welches stets deinen Todt gesuchet aus Rache, doch auch aus Liebe verhindert, wird nunmehro dein eigen sein. Seelicher Schatten meines Vatters und meines Breutigambs, Eueren Begehren will ich ein Genügen leisten, nicht umb meine Begierden zu erfüllen, sondern euere Pein zu lindern. Es komme derowegen nur der tapfere, treue und unschuldigeJulius Antonius, ich bin schon bereithet mit ihm das Ehebeth zu betretten und den Has in Freundschafft zu verkehren. Aber eben kommt der Kayser. Mus mich noch in etwas betrübt stehlen, damit man meine Leichtsinnigkeit nicht verspüre.

13. Szene
Scena Ultima.
Augustus, Scauro Scatilio, Lucius Scipio, Emilia, Julius Antonius gefeselter nebst Hanß Wurscht, Scapin, Bromia und Soldaten.

AUGUSTUS.

Lieget der unglückseeliche Körper noch allhier? Alsobald, ihr meine Getreue, bringet ihm in den grosßen Rittersaal, [127] damit er nach Würde als unser Sohn zur Erde bestattet werde. – Du aber, lasterhafter Julius, der du vor kurzen unsere so hohe Gnadt genosßen, hast selbe so gering schätzen könen und durch einen Mord allen deinen Ruhm so schändlich verdunklen? Sage, hat dich nicht unsere Ungnade oder wenigstens die Schärffe der Straff abhalten könen?

JULIUS.

Der vor die Liebe streitet, waget alles und verlachet alle Martern. Ich habe nicht mehr gethan, als meine Tapferkeit erfordert. Hatte Cecina mich nicht schimpflich tractiret, und mit Gewalt zum Streitten gezwungen, wurde ich mich nimermehr in einen so ungewissen und nunmehro mir unglückselichen Zweykampf eingelasßen haben; allein es ist geschehen, man mache und verfahre mit mir nach Belieben, ich will alles mit Gedult ertragen.

AUGUSTUS.

Weistu aber, daß nichtes als der Todt deine Schuld bezahlen kan? Darumb bereithe dich, dein Haubt unter der Schärffe des Beuls zu verlihren.

HANSS WURSCHT.
Aber mir werdet ihr nichts thun, dann was kan der Diener für seinen Herrn?
AUGUSTUS.
Man sagt aber, daß du der Beeder Achsel Trager warest.
HANSS WURSCHT.

Das redet mir ein Schelm nach, Herr Kayser. – So kombt ein armes Bieberl an Galgen offtermahls, und weis nicht wie; ô tempora ô mores!

JULIUS.
Schweige Hanß Wurscht, du bist unschuldig, man kan dir nichts thun.
HANSS WURSCHT.

Da habt ihrs selbst gehört. Das ist ein resonabler Herr: wann er an Galgen kombt, hilfst er seinen Diener davon. Wo thäte das ein anderer!

AUGUSTUS.

Halte dein Maul, du bist ein Narr, man lasße ihm los, und backe dich alsobald aus unseren Angesicht. Wird los gelassen.

HANSS WURSCHT.
Wer wird mir das Hierstehen verbiethen? Ich bleib bey meinen Herrn bis in Todt.
JULIUS.

Worzu verzihet man so lang? Man bringe mich an jenen Orth, der mir anstat des Hochzeitsbeth dienen soll, man zinde nur auf anstatt der Freudenfackl die Todtenliechter, ich bin ohne dies meines Lebens müde, ia bin gantz willig, meinen Nacken dem geschärfften Beul darzubiethen. Desßen [128] aber ungeacht wird meine Unschuld auch in der Asche hervor leuchten und mein Edler Nahm unsterblich sein.

LUCIUS SCIPIO.
(Sein Todt machet mich vergehen.)
EMILIA.
(Ich bedauere sein zartes Leben.)
SCAURO SCATILIO.

Mache dich nicht so gros, Verräther, iederman seind die Thaten deines meineidigen Hauses bekant, ia sogar hat deine schnöde Mutter die erblichene Zunge des Cicero mit gespizten Instrumenten durchbohret, weil sie ihre Rache nicht in seinen Lebzeiten vollbringen können.

JULIUS.

Scauro, hättestu mir dieses zu einer anderen Zeit gesaget, wolte ich dir mit meinen Schwerd geandworttet haben; doch bistu ein Lügner, weillen du mich einen Verräther nehnest; was ich gethan, hab mit Recht, und nicht schelmischer Weise verrichtet.

TULIA.

(Nun kan ich nicht mehr schweigen.) Julius, du hast recht geandworttet, ich pflichte dir bey, iederzeit hab ich dich als meinen ärgsten Feindt verfolget in Meinung, daß du in der Verrätherey deines barbarischen Vatters begriffen warest; nun, da mir der Geist meines Erzeugers deine Unschuld und Treue selbsten kund gethan, ist aller Has aus meinen Herzen verschwunden; damit ich aber jenen Fähler ersetze, so erlaube mir, grosßer Kayser, daß ich den letzten Willen des sterbenden Cecina, meines gewesten Bräutigambs, vollzihe, und Julium seiner harten Fesel entbinde, entgegen aber mit denen Feseln Ewiger Treue und Liebe belege. Will ihm die Fesel losmachen.

AUGUSTUS.
Waß? haltet ein, Tulia, seyd ihr Euerer Sinnen beraubt?
TULIA.
Ich bin bey gesunder Vernunfft und schwöre bey Jupiter, daß es die Warheit sey.
JULIUS.
(Ich weis vor Erstaunung nichts zu reden.)
HANSS WURSCHT.

Herr Kayser, ich kan Euchs sagen, daß es die Warheit, dann der Geist hat mich beym Schopf gehalten, und ich hab glaubt, daß er seinen Kopf von mir begehre, die Tulia ist eben dazumahl auf dem Cecina gelegen.

TULIA.
Er redet die Warheit, dann die allzu grosße Schmerzen haben mich in eine Ohnmacht versenket.
AUGUSTUS.

Unerhörte Begebenheit! Alsobald entlasße man Julium [129] Antonium der Fesel! Wir wollen nicht darwider sein, wo die Entleibte so grosmütig für ihm gesprochen.

TULIA.

So dancke ich dann Euer May. für so hohe Gnade in Unterthänigkeit, werde auch lebenslang davor verbunden sein.

JULIUS.

Und mit was soll ich dann Euch, schöneTulia, für die Erhaltung meines Lebens bezahlen? Mein Leben stehet ohne bis in Euerer Gewalt, und alles, was ich besitze, ist daß Eurige, wüste also nichtes, wormit ich Euch zünsen kunte.

TULIA.
Nichtes verlange ich alß Euere Ewige Treue und unveränderliche Liebe.
JULIUS.
Dieses schwöre ich bey allen Göttern!
TULIA.
So bin ich doch noch vergnüget worden, ich bin die Eurige bis in den Todt.
JULIUS.
Ô Freude, dergleichen Rom noch nicht gehabt!
LUCIUS SCIPIO.
Ihre Vergnügung machet auch die unsere vollkommen; was saget ihr dazu, schönsteEmilia?
EMILIA.

Das es die Warheit; hinfihro sollen aus unsern 2 Herzen eines gemacht werden, damit die Beständigkeit iederzeit blühe.

SCAURO SCATILIO.

Nun kan ich in meinen alten Tägen mit freudenvollen Augen meine längst gewünschte Zufriedenheit ansehen.

AUGUSTUS.

Und wir haben erlernet, daß jenes, was sonst ohnmöglich scheunet, der Himmel leicht möglich machen köne. Wer hätte gedacht, daß Julius noch ein Besitzer der schönen Tulia werden solte, da dero Has und Rache so hoch gestigen, daß sie nichtes mehr als seinen Untergang gesuchet?

TULIA.
(Das Hertz hat doch zu Zeiten eine Neigung empfunden. Doch ich mus schweigen.)
NB.
: Scapin fragt Bromia, ob sie nicht Lust hätte, auch ein Baar mit ihm zu werden. Bromia ist es zufrieden. Hanß Wurscht aber protestirt, sagendt: weil sein Herr die Frau hätte, also gebühre ihm daß Mensch. Scapin solte gleichwohl zu seinen Herrn gehen und mit ihm heurathen. Bromia sagt, es wäre ihr aber Scapin lieber. Hanß Wurscht stelt sein qualificirte Persohn ihr für. Scapin thut ingleichen, und fangen an zu streitten, daß sich Augustus darein legt und dem Hanß Wurscht Bromiam übergibt, Scapin aber abschaffet. Hanß Wurscht lachet ihm aus. Scapin sagt, er wolle ihm Hörner aufsetzen, daß er nicht zum Cärntner Thor hinaus könte. Hanß Wurscht sagt, dieses wäre nichts neues, er hätte Cameraden genuch, doch seye das Beste, daß sie niemand sehe. Bromia und Hanß Wurscht nehmen einander. Lucius Scipio nihmet den Scapin in Dienst auf, welcher sagt, daß er nun ein reicher Kerl seye, indeme er Geld von seinen Herrn [130] noch übrig, und auch seine Kleider. Hanß Wurscht sagt, die Kleider wurde der Quadrober nach der Comedi schon abhollen, es werden ihm nicht ihren.
AUGUSTUS.

Genuch von eueren unnötigen Geschwätz! – Wir sind nun alle vergnüget, und dieser Tag soll billich unter die glückseelichste gezellet werden, weil sich nach so unerhörten Betrübnus alles mit Freude geendet hat.


Drum forth mit herben Schmertz, mit Blitz und Donnerkrachen,
Es müsße uns forthin die Anmuthssohnn anlachen,
Ein ieder wird belebt mit centnerschweren Freuden,
Da er sein mattes Hertz in Wollustfeld kan weiden.
JULIUS.
Wo ich schon stranden solt, wo alle Hilff verlohren,
Da wurd ich allererst zu neuer Freud gebohren.
Du jene Gottheit bist, die glindert meine Pein,
Die mein verlasßnes Schiff in Haffen gfiret ein.
TULIA.
Wann ein verliebtes Hertz sich stets der Treu befleiset,
Der khleine Bogenschütz es auch stets hoffen heisßet.
Er martert zwar und schmerzt, er machet vil Verdrus,
Doch macht er auch zulezt ein höchst beliebten Schlus.
LUCIUS SCIPIO.
Waß solt ich dann zu dir, ô schöne Göttin, sprechen?
EMILIA.
Diß, das du ewiglich dein Treu nicht wollest brechen.
LUCIUS SCIPIO.
Eh treffen mich zusam all scharffe Donnerkeul.
[131]
EMILIA.
So bleiben stets bey uns die süsße Liebespfeil.
SCAURO SCATILIO.
Nun lebet Rom beglückt und weis von keinen Leidt,
Eß weichet Has und Zanck, es weichet aller Neidt,
Der, so es hat verwihrt, nun främde Länder suchet.
ALLE.
So sey dann, der ihm folgt, von iedermann verfluchet!
HANSS WURSCHT.
Weil dann die Reih an mir, waß werden wir anfangen?
BROMIA.
Ich weis nicht, mein Hanswurscht, waß seye dein Verlangen.
HANSS WURSCHT.
Ein frisches Stroh ins Beth, daß andre weistu schon.
BROMIA.
Dies gieng mir eben ab, zeich nur fein offt ein Mann!

Ende.

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TextGrid Repository (2012). Stranitzky, Joseph Anton. Dramen. Die Enthauptung des weltberühmten Wohlredners Ciceronis. Die Enthauptung des weltberühmten Wohlredners Ciceronis. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3943-0