172.

Ferner spuken diejenigen, welche in Folge eigener oder fremder Missetat (Selbstmord) oder sonst auf gewaltsame Weise ums Leben gekommen sind. Sie haben, heißt es wohl von letzteren, die ihnen zum Erdenleben bestimmte Zeit noch nicht erfüllt oder schreien um Rache. Sodann die, welche bei Lebzeiten von anderen schweres Unrecht erlitten haben. – Im Jahre 1842 wurde bei Strücklingen ein Mädchen von ihrem Liebhaber ermordet und der Täter später in Friesoythe hingerichtet. Es war die letzte öffentliche Hinrichtung hierzulande. Am Abend des Mordtages kam der Pastor von Strücklingen von einem Besuche in Ramsloh zurück. Am Kolkwege sieht er plötzlich eine blutige Frauensperson vor sich mit einem Kinde auf dem Arm. Als er sich von seinem Schrecken erholt hat, ist die Erscheinung verschwunden. Zur selben Stunde war das unglückliche Mädchen (das hochschwanger war) von ihrem Verführer auf dem Kreienkamp ermordet worden. – Bei dem Gut Klampen bei Apen befindet sich ein Busch, in dem einmal ein ermordeter Mann gefunden worden ist. Seitdem wird dort nachts immer ein Schreien gehört.


Vgl. 113 b.

[200] a.

In der Nähe von Hinnenkamp, Ksp. Damme, ist ein Hohlweg; da ist vor Zeiten ein Bauer beim Holzfällen unter einem Baume zu Tode gekommen, als er gerade seinem Knechte zurief, er solle aufpassen. Seitdem geht er in jenem Hohlweg um.

b.

Ein Bauer zu Wahlde, Ksp. Holdorf, ein arger Säufer, kam spät abends betrunken nach Hause und blieb nicht weit von seinem Hause tot liegen. Seitdem geht er um. Der Schäfer hat ihn schon oft beim Sonnenuntergang gesehen, und ein Bauer von Wahlde sah ihn eines Abends eine Strecke von fünf Minuten ganz deutlich neben seinem Wagen hergehen.


Vgl. 181 b.

c.

In Erlte, Ksp. Visbek, herrschte früher die Gewohnheit, daß wenn einer eine fette Kuh schlachtete und abends der Schlachter die Kuh auseinander haute, der Schlachter und die Nachbarn, welche zum Ansehen herübergekommen waren, satt Bier erhielten. Es war dann ein solcher Abend immer ein fröhlicher, an welchem es bis in die Nacht lustig herzugehen pflegte. Als nun einst ein Bauer daselbst einen Ochsen schlachtete, hatte er des Tages vergessen, Bier holen zu lassen, und erst am Abend, als der Schlachter schon kam, fiel es ihm ein, daß er kein Bier habe. Er sagte deshalb zur Hausmagd, ob sie nicht schnell nach Visbek gehen wolle, er habe es vergessen, und Bier müsse doch da sein. Die Magd war auch gleich bereit, obwohl es schon finster war, und machte sich auf den Weg, denn sie fürchtete sich nicht. Als sie aber eine Zeit lang fort war, sagte der Knecht, er wolle hingehen und die Magd erschrecken, nahm das Ochsenfell um, so daß die Hörner ihm auf dem Kopfe standen, und begab sich auf den Weg nach Visbek, wo die Magd ihm bei der Rückkehr notwendig begegnen mußte. Als er nahe vor Visbek bei Funken Kamp war, wo eine sehr enge Straße ist, hörte er sie kommen. Er ging grades Weges auf sie zu, und als sie ihn zu sehen bekam, meinte sie nicht anders, als daß es der Teufel sei, so häßlich sah er aus. Da dachte sie bei sich: »Du hast die Bierkruke, damit sollst du ihm einen tüchtigen geben,« faßte die Kruke mit fester Hand, ging gerade auf den Knecht zu, und als sie bei ihm war, nahm sie die Kruke und schlug ihn damit an den Ochsenkopf, daß er gleich zu Boden fiel. Sie ging dann ihrer Wege. Als sie zu Hause ankam, fragte man sie, ob sie sich auch gefürchtet habe, worauf sie erzählte, der Teufel sei ihr begegnet, aber sie habe ihm mit der Kruke einen gegeben, daß [201] er zu Boden gefallen sei. Sie habe sich weiter nicht darum bekümmert und ihn liegen lassen. Als sie nun eine Zeit lang auf den Knecht gewartet hatten, und dieser gar nicht wieder kam, gingen sie zuletzt hin, um nachzusehen, und als sie bei Funken Kamp in die Straße kamen, wo die Magd glaubte, den Teufel geschlagen zu haben, lag der Knecht da und war tot. Seit dieser Zeit geht der Knecht, mit einem Ochsenfell behangen, immer in jener Straße um.

d.

In der Haie, einem Teile des Hasbruchs nahe der Försterwohnung, ist es nicht richtig. Mancher, der nachts durch den Busch gekommen, ist durch einen heiseren klagenden Laut erschreckt, der durch Mark und Bein geht und anders klingt, als alle anderen Laute. Das ist das »schreiend Ding,« und es hat damit folgende Bewandtnis. In der Haie wohnte vor Zeiten auf einem stattlichen Schlosse ein Graf oder Edelmann, man weiß es nicht mehr, aber er war sehr reich und auch Eigentümer des ganzen Hasbruchs. Seinem Sohne aber, der nach dem Genusse des Reichtums begierig war, lebte er zu lange, und dieser tötete ihn, indem er dem Schlafenden geschmolzenes Blei in die Ohren goß. Der Gemordete geht nun nachts um und stößt dasselbe schreiende Gelaut aus wie damals, als ihm sein Sohn das Blei ins Ohr goß.


Vgl. 181 c.

e.

Auf Gut Ihorst, Ksp. Holdorf, geht beim sog. Hauptmannstimpen allnächtlich ein Hauptmann in voller Uniform. Als die verbündeten Truppen im Lande waren, lag nämlich ein Hauptmann Devis oder Dewitz, ein Hannoveraner wie man sagt, auf Gut Ihorst in Quartier. Er war sehr brutal gegen seine Soldaten und ließ unter anderem einen Soldaten, der morgens zum Exerzieren etwas zu spät kam, Gassen laufen. Der Soldat wurde hierüber so erbittert, daß er den Vorsatz faßte, den Hauptmann zu töten. Er führte den Vorsatz aus, als eines Abends der Hauptmann von Burg Dinklage, wo der Höchstkommandierende, ein blinder Prinz, sein Quartier hatte, zurückkehrte, und zwar an der Stelle, wo der Hauptmann noch jetzt wiedergeht. Die Leiche wurde zuerst in der Miststätte des Brämswig zu Brokdorf, hernach in der Dinklager Wöste verscharrt, endlich aber nach dem Dinklager Kirchhofe gebracht. Der Täter wurde von den Gerichten nicht ermittelt, obwohl seine Kameraden und die gewöhnlichen Leute es recht gut wußten. Er hat später Dienste in England genommen, und soll auf der Rückreise nach seiner Heimat im Wirtshause auf [202] Gut Lethe getroffen sein. Wird auch so erzählt: Bei einer Einquartierung wurde ein Soldat von seinem Haupt mann zum Spießrutenlauf verurteilt. Der Delinquent hatte die ihm zudiktierten 25 Gänge gemacht, als der Hauptmann rief: »Nun noch einmal zu meinem Vergnügen,« und der arme Sünder mußte nochmals laufen. Nach kurzer Zeit fand man den Hauptmann ermordet in einem Pfuhle in der kleinen Wöste. Alles Forschen nach dem Täter war vergebens. Später kam ein Schreiben an den Vogt in Dinklage: »Suchet nicht weiter nach dem Mörder, die eigenen Leute haben den Hauptmann getötet.« Seit dieser Zeit meiden die Leute den Weg durch die kleine Wöste, sie glauben, den Geist des ermordeten Hauptmanns im Wasser zu sehen.


Vgl. 179 e.

f.

Im siebenjährigen Kriege mußte ein Bauer aus dem Kirchspiel Emstek, weil es zu jener Zeit überall noch schlechte Wege gab, mit vorspannen. Er war schon früh morgens bestellt und mußte die Wagen abholen, sodaß er am Abend nahe zu seiner Wohnung kam. Unterwegs fragte er aus den Soldaten, welche als Wache bei den Wagen waren, heraus, daß sich auf seinem Wagen die Kriegskasse befinde. Das brachte ihn sehr in Versuchung, und er dachte auf Mittel, wie er wohl zu dem Gelde gelangen könne. Als es am Abend dunkel war, mußten sie noch durch ein Wasser fahren. Der Bauer stieg deshalb auf den Wagen und arbeitete, ohne daß die Wache etwas davon merkte, einen schweren Packen von dem Wagen ab und ließ ihn in das Wasser fallen. Am andern Morgen in aller Frühe ging er mit seinem Knechte zu dem Wasser, holte den Packen heraus, brachte ihn nach Hause, und da sie fürchteten, daß nachgesucht werde, warfen sie ihn in den Brunnen. Auch dauerte es nicht lange, da kamen zwei Mann mit Pferden und fragten den Bauer, ob er was gefunden hätte; aber der Bauer sagte nein, er wisse von nichts. Sie ritten nun weiter, kamen aber bald zurück und fragten nochmals, ob der Bauer nichts gefunden habe; der aber wollte von nichts wissen. Da fingen die beiden ganz erbärmlich an zu weinen und baten, wenn er es habe, möge er es doch herausgeben, denn wenn sie es nicht wiederbrächten, würden sie andern Tags beide totgeschossen. Der Bauer ließ sich nicht erweichen, sondern wies sie ab, und diese beiden Soldaten, welche als Wache bei den Wagen gewesen waren, wurden am andern morgen wirklich vor ein Kriegsgericht gestellt, zum [203] Tode verurteilt und erschossen. Am Abend, nachdem dies geschehen, war auch dem Bauer, welcher davon gehört hatte, nicht ganz sonderlich zu Mute, und als er zu Bette lag, kamen die beiden Soldaten wieder und vor sein Bett und beschuldigten ihn, daß sie wegen seiner Schlechtigkeit hätten sterben müssen. Der Bauer sah sie von nun an jeden Abend, das ganze Haus wurde unsicher, und er hatte nirgends Ruhe vor den beiden. Der Bauer ließ endlich sein Haus abbrechen und auf einer ganz andern Stelle wieder aufbauen, und in das Haus sind sie nicht gekommen. Der Bauer ist nachmals sehr reich gewesen, aber seine Kinder, obwohl er jedem ein großes Vermögen mitgeben konnte, sind doch alle arm geworden und zuletzt sämtlich aus Armenmitteln unterhalten worden. (Geschichten von Leuten, die Kriegskassen gestohlen oder sich in Kriegszeiten auf nicht rechtmäßigem Wege bereichert hatten, gingen früher stark im Volke. Wer nach Feldzügen ungewöhnlich rasch in die Höhe kam, plötzlich großen Aufwand trieb usw., konnte leicht in den Verdacht kommen, eine Kriegskasse unrechtmäßiger Weise in seinen Besitz gebracht zu haben. Auch nach den Kriegen von 1866 und 1870/71 konnte man ähnliche Erzählungen hören.)


Vgl. 176 a.

g.

Geht man von Groß-Ostiem den Fahrweg nach Schortens, so liegt unweit von Schortens am Wege und zwar da, wo der Küster, wenn eine Leiche dieses Weges kommt, mit seinen Schülern zum Singen vor die Leiche tritt, ein großer Stein, Lübbensteen genannt. Vor langen Jahren kamen zwei Brüder hier in Streit und kämpften so erbittert, daß beide tot auf dem Platze blieben. Als die Anwohner die Leichen entfernen wollten, waren diese verschwunden, und der Stein lag an ihrer Stelle, die Brüder waren in Stein verwandelt. Nachts hört man an dieser Stelle oftmals Waffengeklirr, und allerhand unheimliche Dinge werden sichtbar. Daher wird der Platz in der Dunkelheit möglichst gemieden.

h.

Im Jahre 1427, am 28. Oktober, wurde zwischen Occo ten Broke und Focko Ukena auf den Wilden Äckern, einer Landfläche zwischen Tehnhusen und Upgant, eine furchtbare Schlacht geschlagen. Focko Ukena war Occo an Zahl seiner Krieger weit überlegen und besiegte ihn auch, aber erst nach langem erbitterten Kampfe; gegen 4500 Menschen sollen dort an einem Tage gefallen sein. Reisende, deren Weg sie nachts über das Schlachtfeld führte, haben oft gesehen, daß die [204] Geister der Erschlagenen noch immerfort sich bekämpfen, und es soll ein schauerlicher Anblick sein. Mit Grimm und Wut, aber lautlos, schwingen die erschlagenen Krieger in fleischlosen Händen die Waffen, umfassen sich ringend mit knöchernen Armen oder durchbohren einer den andern mit Schwert oder Spieß, bis das Morgengrauen die Spukgestalten verscheucht.

i.

In alten Zeiten soll das Neuenburger Holz bei Bockhorn durchweg Ackerland gewesen sein, worauf auch noch jetzt unter den wenigstens dreihundert Jahr alten Eichenbeständen die breiten hohen Aecker hindeuten. Die Besitzer dieses Ackerlandes waren zuletzt drei (zwei) alte Jungfern. Sie hatten dasselbe lange Zeit an die Grafen von Oldenburg verpachtet, konnten sich aber nach Ablauf der Pacht wegen der ferneren Bedingungen mit den Grafen nicht einigen. Endlich kamen sie soweit überein, daß die Grafen das Land noch mit einer Saat besäen und noch einmal das Wachsende ernten sollten. Die Grafen säeten Eicheln, und die Jungfern starben, ehe die Ernte vom Lande geholt war, was auch ja noch heute nicht geschehen ist. Wegen dieses Betruges spuken die drei Jungfern noch immer unter der Strikenrienbrücke, die in dem Bockhorner Wege im Holze liegt.

k.

Aehnliches wird vom Harmer Holz in der Gemeinde Bakum berichtet. Wo jetzt das Harmer Holz steht, befand sich früher eine Pächterei des Gutes Harme. Zuletzt lebten in dem Hause nur noch zwei alte Tanten, die die Arbeit nicht mehr verrichten konnten. Die Herrschaft kündigte deshalb und überwies den alten Frauen ein kleines Häuslein beim Schlosse. Die beiden Tanten baten um noch eine Aussaat, dann wollten sie ihr altes Heim verlassen. Im darauffolgendem Jahre sah man, daß der ganze Acker mit Eicheln besäet worden war. Die Frauen sind dann in der Folge alle Tage zu ihrer Pflanzung gegangen, haben dort gesungen und Gottes Segen auf den Eichelkamp herabgefleht. Auch nach dem Tode haben sie sich dort als Geister eingefunden und gesungen. Weil die Eichen gut gediehen, wurden dabei größere Flächen angepflanzt, und so entstand des Harmer Holz.


License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 172. [Ferner spuken diejenigen, welche in Folge eigener oder fremder]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-313D-B