304.

Die Fastnachtsfeier im Saterlande lassen wir hier nach der ersten Auflage folgen. Dort bestand sie vor 100 Jahren aus vier Teilen, der Vorfeier oder dem Sammeln, dem Festeleiwend, dem Bekenseiwend und dem Almannsfesteleiwend (Eiwend = Abend).

Die Vorfeier oder das Sammeln begann schon in den letzten Tagen der Woche vor Fastnacht. Die Jünglinge jedes Dorfes scharten sich zusammen, um die benachbarten Dörfer, selbst außerhalb Saterlands, heimzusuchen und Gaben an Geld, Fleisch und Eiern für ihre Fastnacht zu sammeln. In jeder [60] Schar führte ein Anführer oder Vorsänger strengen Oberbefehl. Andere hervorragende Personen waren der Judas zum Einsäckeln des Geldes, der Eierülk (Ülk = Iltis), welcher die Eier in einem großen Bienenkorbe sorgfältig aufhob, und der Wurstberend, welcher auf seinem vielästigen Stocke die Würste zu tragen hatte. Die Kleider der ganzen Schar waren vom Kopfe bis zu den Füßen mit langen, im Winde flatternden Papierschnitzeln besteckt; an der Seite trug jeder einen Degen. So zogen die Festeleiwendfente (Fent = Jüngling) von Ort zu Ort, nicht bloß im Saterlande, sondern bis nach Ostfriesland und Emsland hinein. In jedem Hause, wo man einkehrte, wurde ein Gesang angestimmt. Der Vorsänger intonierte und der Chor fiel ein. Je höher der Anführer anstimmen konnte, desto höher stand er in Ehre und Ansehen, und desto reichlicher flossen gewöhnlich die Gaben. Es war nichts seltenes, wenn ein Bauer ein Dutzend Eier, einige Würste und noch obendrein einen halben Taler Geld gab. Die Lieder, die gesungen wurden, waren nur religiöse. Trafen zwei Sammlertrupps verschiedener Ortschaften zusammen, so entstand hergebrachter Weise ein Wettstreit im Gesange und im Ringen. Den Wettstreit im Singen machten die Vorsänger ab. War dieser nicht entscheidend, so begann der Wettstreit im Ringen, der ebenfalls ein Zweikampf war, zu dem beiderseits die Tüchtigsten ausgewählt wurden. Endschied auch dieser nicht, oder überwand einer den andern durch unehrliche Mittel, z.B. indem er ihn übers Bein fallen ließ, dann kam es zu einer allgemeinen Prügelei, wobei es oft blutige Köpfe setzte, und infolge deren die Besiegten sich wohl hüteten, den Siegern wieder in die Quere zu kommen. Wurde der Wettstreit auf hergebrachtem Wege durch den Zweikampf entschieden, so hatte der Sieger das Recht, zuerst zu sammeln, und das war nicht unbedeutend, denn wer zuerst sammelte, pflegte die besten Gaben zu empfangen. Die gesammelten Gaben waren gemeinschaftliches Eigentum der jungen Leute des Dorfes. Für das bare Geld wurde Bier angeschafft, die Eier wurden zu Eierbier oder Eierpfannkuchen verwandt, und die Würste, Schinken etc. waren eine wesentliche Zierde des an den Fastnachtstagen üblichen Kohlgerichts, wozu man den Kohl aus den ersten besten Gärten holte. Die so gemeinsam gefeierte Fastnacht hieß Mandefesteleiwend, weil die ganze Mannschaft, d.h. sämtliche Jünglinge, freie Zehrung und Zeche hatten. – Wie [61] die Jünglinge hielten auch die Schulkinder ihre Sammlungen mit Vorsänger, Judas, Eierülk und Wurstberend, mit Wettgesang und Ringzweikampf. Die Sammlungen waren in allem denen der Jünglinge nachgeahmt, nur daß sie sich nicht so weit erstreckten. Die Schulkinder waren in drei Haufen geteilt; die kleinsten durften im nächsten Dorfe, die mittleren etwas weiter, die größten im ganzen Saterlande, aber nicht weiter, sammeln.

Die eigentliche Feier begann am Fastnachtssonntag, gleich nach dem Nachmittags-Gottesdienste, und bestand in Tanzen und Singen, Essen und Trinken. Die ganze junge Welt lebte in den drei Tagen der Fastnacht in der ungebundensten Freiheit; nicht bloß die Söhne und Töchter des Hauses, sondern auch Knechte und Mägde waren in diesen Tagen aller Arbeit enthoben und gänzlich sich selbst überlassen und kamen auch oft nicht vor Aschermittwoch nach Hause. Mochten auch Hausherr oder Hausfrau manchmal ein saures Gesicht machen, weil nun die Besorgung der unabweislichen Hausgeschäfte ihnen allein oblag, so mußten sie sich doch der alten Sitte fügen. Gleich nachdem am Sonntagnachmittag das Vesperbrod verzehrt, holte jeder junge Bursche des Dorfes sein Mädchen ab, und es war Gebrauch, daß jeder sich sein Mädchen für die ganze Dauer des Festes wählte, es von Hause abholte und wieder heimbrachte. Die beiden ersten Tage gehörten den jungen Leuten ausschließlich und wurden mit Tanz und Gesang, Essen und Trinken verbracht. Mancher konnte denn auch am Dienstage vor Heiserkeit kein Wort mehr sprechen, und fast alle wankten wie Lahme und Krüppel einher.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Zweiter Band. Zweites Buch. Zweiter Abschnitt. C. Die großen Feste. 2. Von den Fasten bis Ostern. 304. [Die Fastnachtsfeier im Saterlande lassen wir hier nach der ersten]. 304. [Die Fastnachtsfeier im Saterlande lassen wir hier nach der ersten]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2DCB-E