o.

Es war einmal eine Bauernfrau, die war reich, aber sehr geizig. Wenn die Magd in den Stall ging um zu melken, so schlich sie ihr immer nach, weil sie besorgt war, daß die Magd die Kühe nicht ordentlich ausmelke. Nun lebte in der Nähe auch eine arme Witwe mit sechs Kindern, die ging mitunter, wenn sie so recht in Not war, zu der reichen Bauernfrau und bat um eine kleine Gabe, aber sie wurde stets mit harten Worten abgewiesen. Einstmals sah die Magd, welche gerade die Schüsseln wusch, daß die arme Witwe draußen unter dem Gossensteine die Kartoffelstückchen und Brodkrumen aufsammelte, die mit dem Spülicht herausgekommen waren, da jammerte es die Magd, und sie rief der Witwe zu, sie wolle erst den Gossenstein ausspülen und ihr dann die Überbleibsel des Mittagsessens, welche sie sonst in den Schweinetrog zu schütten pflegte, durch den Gossenstein zufließen lassen. Und als die Magd den Gossenstein ausgespült hatte, hielt die arme Witwe ihr Töpfchen unter den Gossenstein. Als die Witwe wegging, rief sie dem Mädchen zu: »Gott lohn's!« aber das Mädchen erwiederte: »Der Lohn kommt meiner Herrschaft zu, von deren Tische das Essen übrig geblieben ist.« Und so geschah es fortan alle Tage, ohne daß die reiche Bauernfrau etwas davon merkte. Nach einer Weile starb die Bauernfrau und wurde begraben. Als nun die Magd am Abend nach dem Begräbnis in den Stall ging, um zu melken, trat ihr auf einmal etwas hinten auf das Kleid. Sie sah sich um, erblickte aber niemand. Ebenso ging es am folgenden Abend. Da fing die Magd an, sich zu fürchten, begab sich zu einem Geistlichen und erzählte ihm, was ihr begegnet sei. Der Geistliche aber, als er sie angehört hatte, riet ihr, sie solle beim nächsten Male sich umdrehen und fragen: »Was ist dein Begehr?« Als nun am nächsten Abend die Magd wieder in dem Stall war, um zu melken, war richtig etwas hinter ihr und zupfte an ihrem Kleide. Die Magd wendete sich um und fragte: »Was ist dein Begehr?« Da antwortete eine Stimme: »Gieb mir eins von den vielen Gottlohns der armen Witwe, dann werde ich erlöst und du wirst auch selig.« Das gute Mädchen aber erkannte wohl, daß es die Stimme ihrer verstorbenen Herrin war, und erwiederte: »Die Gottlohns gehören dir alle, denn von deinem Tische kamen die Überbleibsel, welche die arme [249] Frau erhielt.« Und von der Zeit an war das Gespenst erlöst. (Vechta. Diese Erzählung kommt mit kleinen Abweichungen in allen Gegenden des Landes vor. So heißt es von der reichen Frau: »Sie ließ das Brot lieber verschimmeln, ehe sie es den Armen reichte, ja sie hetzte die Bittenden mit Hunden vom Hofe«, von der Magd aber: »Sie hatte ein sehr weiches Herz und sammelte alle übrig gebliebenen Brocken zusammen und ging des Abends im Dorfe umher und teilte sie aus unter die Armen.« Die Wiedergängerin sagt z.B.: »Ich habe keine Gnade vor Gott, weil ich die Armen nicht gespeist habe, du aber hast Gnade die Fülle, so laß mich an deiner Gnade teilnehmen.« – Meist schließt die Erzählung damit, daß die Magd dem Geiste zum Pfande einen Schürzenzipfel hinreicht, der unter der Berührung verbrennt. Erlöst wird der Geist immer, aber einige male heißt es, daß die Magd kurze Zeit nach der Erlösung stirbt.)

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Erster Band. Erstes Buch. Fünfter Abschnitt. 182. [Wie wir gesehen haben (179) ist ein Teil der Wiedergänger der Erlösung]. o. [Es war einmal eine Bauernfrau, die war reich, aber sehr geizig.]. o. [Es war einmal eine Bauernfrau, die war reich, aber sehr geizig.]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2265-8