[74] 10. Wer tröstet mich nu?

1.
Es hielte mich das Norden-land
wo Zyntius zu Bette gehet/
die Gegend war mir unbekand/
ihr fremder Steig mit Schnee verwehet/
da stund' ich auß Gefahr und Noht
es stritten mit mir Furcht und Tod:
der scharffe Sebel der Barbaren
ist offters um mein Haupt gefahren.
2.
Gradivus ließ mich keiner Ruh
in vielen Nächten nicht geniessen.
Du Bug und strenges Masau du
ihr werdet mir es zeugen müssen.
Doch hab' ich in so vieler Müh
Angst/ Sorg' und Furcht geklaget nie
warum? der Stern der Fröligkeiten/
Rosille leuchtte mir zur Seiten.
3.
Rosill' ist mir Gewerb und Hauß/
Freund/ Eltern/ Vaterland und alles
bey ihr halt' ich all Elend auß/
bey ihr befürcht' ich keines Falles.
Will sie: ich geh mit ihr zur See
wenn Sturm und Blizz spielt auff der Höh'/
ich wage mich in ferne Wüsten
und wohne/ wo die Schlangen nisten.
4.
Iezt hält mich ein beqweemer Ort
mich kühlt ein Zefyr auß der Gehre/
[75]
ich bin bedienet fort für fort
mir mangelt nichts an Gunst und Ehre.
Doch wird mir mein Gesichte blaß
der Augen Lauge macht mich naß
ich bin ein Schäm und Schein zunennen
und kan mich selber kaum erkennen.
5.
Der weite Weg/ der mich von ihr
in so geschwinder Zeit verstossen/
entädert meines Leibes Zier/
ich gleiche Leten Haußgenossen/
weil ich so mancher süssen Lust
des Kusses/ der beliebten Brust
auff ewig/ ach! in dieser Erden
muß mangeln und beraubet werden.
6.
Zwar bin ich schlechter Mensch nicht wehrt/
daß ihr/ der Schönen/ meinetwegen
ein einig Seuffzgen nur entfährt
sich mög' ein Trähnen-tröpfchen regen:
Doch wil ich schweren/ daß sie sich
mehr qwält und ängstigt/ weder ich/
Ach! möcht' ich doch nur bey ihr stehen
und ihr Betrübnis an- mit -sehen.
7.
Glükkseelig ist der/ welcher kan
in Gegenwart der Liebsten weinen.
Glükkseelig ist/ wer siehet an
wie ihr Herz auch nicht sey auß Steinen.
Ich weiß nicht/ was die Trähnen-saat
für stille Freuden in sich hat
wenn sie sich läßt zusammen sprengen
und treulich in einander mengen.
[76] 8.
Nun/ weil ich nicht kan um sie sein
so sind mir diese zarten Felder/
die Elis auch nichts räumen ein/
Tessaljen schwarz-vergiffte Wälder.
Führ mich dahin Südwesten-wind
wo die Rosille Blumen bindt/
ich wil mein Schiffgen allen Wellen
ganz unverzagt entgegen stellen.

Des dritten Zehens Ende.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Stieler, Kaspar. Gedichte. Die geharnschte Venus. Filidors Geharnschter Venus drittes Zehen. 10. Wer tröstet mich nu. 10. Wer tröstet mich nu. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-17AB-9