[44] Thörichter Muthwille.

Adolph war sehr muthwillig, neckte und plagte seine Geschwister und Spielkameraden und ängstigte sie durch unzeitige Späße. Es war ihm daher Niemand gut. Einst aber, als er nach seiner Gewohnheit ein einfältiges Spiel angab, mußte er hart für seine Unarten büßen. Er beredete die Andern, sich zum Scherze einen Strick um den Hals zu thun, und sich an demselben, nur für einige Minuten, an den Zweigen eines Baumes aufzuhängen, um zu erfahren, welche Empfindung einer der sich erhängt, wohl habe. Seine Spielkameraden ließen sich bereden, und er, um ihnen begreiflich zu machen, wie sie es anfangen sollten, legte sich zuerst eine Schlinge um den Hals, und sprang von dem Aste, an welchem der Strick befestigt war, herab. Da er aber schwer war, zog sich die Schlinge fest zusammen, daß sie ihn fast erstickte und er ganz dunkelblau im Gesichte ward. Die andern Kinder, welche glaubten, er wolle sie nach seiner Gewohnheit ängstigen, kamen ihm nicht zu Hülfe, und die kleinern unter ihnen erschraken über seinen Anblick und liefen schreiend zu [45] den Eltern, um ihnen zu klagen, daß Adolph sie erschrecke. Der Vater ging sogleich in den Garten, wo er mit Entsetzen den abscheulichen Anblick sah. Er zerschnitt in Eile den Strick, trug den Unglücklichen ins Haus, wo herbeigeholte Aerzte alles anwendeten, ihn wieder zum Leben zu bringen. Nach vielen Bemühungen gelang es ihnen auch; doch mußte Adolph, durch die übermäßige Anhäufung des Blutes in seinem Kopfe, lange und viel leiden, und auch eine geraume Zeit nachher die Folgen fühlen.


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TextGrid Repository (2012). Stahl, Karoline. Thörichter Muthwille. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-15F4-F