[112] Hulda

Romanze


So sanft, wie das Veilchen dem Frühling entblüht;
So schön, wie die Rose im Morgengold glüht,
An Adel der Seele, an Zartgefühl reich,
War Hulda, der Charis an Lieblichkeit gleich.
Sie liebte ein Ritter voll Hochsinn und Muth,
So edel, wie Hulda, so bieder und gut;
Sie gab ihm erröthend voll Liebe die Hand:
Dann weihte ein Priester das selige Band.
Froh schwanden vier Jahre den Glücklichen hin,
Da kam es dem König der Franken in Sinn,
Zu winken Graf Robert mit huldvollem Blick
Zum Dienste des Hofes, zu glänzendem Glück.
Ihm hatte Fortuna nicht freundlich gelacht,
Drum wurde das schmerzlichste Opfer gebracht;
Schon wiegt' er zwei liebliche Knaben im Schoos;
Doch riss er vom Busen der Liebe sich los.
Kaum war er an Hilderichs Hofe bekannt,
Da wurd' er der stattlichste Ritter genannt;
Bei jedem Turniere erhielt er den Preiss,
Nach Kampfes Gesetzen, und Königs Geheiss.
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Das wurmte den Schranzen; da pflogen sie Rath,
Sie legten ihm Fallen mit Worten und That;
Sie neckten ihn bitter mit höhnendem Blick;
Er lachte der Thoren, und fühlte sein Glück.
»Was macht deine Hulda auf einsamem Schloss?«
Sprach hämisch ein Ritter aus höfischem Tross.
»Wie konntest du's wagen, so jung und so schön,
So lang' von der lieblichen Gattin zu gehn?«
»Wohl konnt' ich es wagen, von dannen zu gehn,
Mein Weib ist so keusch und so sittsam, als schön,
Sie liebt mich so innig, sie liebt mich so warm,
Als hielt' ich sie glühend im bebenden Arm!«
Des lachten die Damen, des lachten die Herrn:
»Ha, Robert!« rief einer mit blitzendem Stern,
Giebst du mir die Freiheit, dein Liebchen zu seh'n,
Dann ist's um dich wahrlich auf immer gescheh'n!
Auch setz' ich mein halbes Vermögen dafür,
Dass ich sie gewinne zum Eigenthum mir;
Nur werd' ihr von unserm Vertrage nichts kund;
Auf, lass uns verbriefen, besiegeln den Bund!«
»O warlich, auf Ehre versprech' ich es dir,
Sie höret indessen kein Wörtchen von mir;
Auch sey sie die deine, gewinnst du das Spiel:
Nun tummle den Rappen, und eile zum Ziel!«
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»Wohl habt ihr verloren den Sinn und Verstand,«
Rief zornig der König, »der Mann ist gewandt,
Ist schön, und geübt im Verführen der Frau'n,
Wie könnt ihr dem Buben wohl Hulda vertrau'n?«
»Wär' auch der Verführer so schön wie ein Gott,
Doch wäre sein eitles Bemühen mir Spott.
Ich kenne die Reine, ich wage nicht viel;
Wohl waget der Ritter ein kostbares Spiel!«
Nun eilte Graf Otto durch Wälder und Korn,
Er gab seinem fliehenden Rappen den Sporn.
Bald hielt' er am Burgthor, bei dämmernder Nacht,
Dann ward er in's Zimmer zu Hulda gebracht.
Er ahnete nimmer, was Schönes er fand;
Er fand einen Engel an Reiz und Verstand,
Mit freundlicher Milde lud ein sie den Gast
Zu häuslichem Mahle, zu nächtlicher Rast.
Berechnend, wie Höflinge, trug er so schlau,
So täuschend viel schimmernde Tugend zur Schau;
Dann rief er mit Thränen im sprechenden Blick:
»O Robert, wie kennst du so wenig dein Glück!«
Und als sie ganz Güte, ganz Frohsinn ihm schien,
Da wagt' er's voll Liebe, vor Hulda zu knie'n.
Mitleidig, dem Schein nach, hob sie ihn empor,
Und lispelte leise dem Ritter in's Ohr:
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»Komm Morgen, mein Trauter! in jenes Gemach,
Bald folg' ich auf Flügeln der Liebe dir nach.«
Dann schob sie den Riegel des Schlafgemachs zu,
Und brachte die lieblichen Knaben zur Ruh.
Es wälzt sich der Ritter im schwellenden Flaum,
Ihm tanzen die Sinne im rosigen Traum,
Früh eilt' er in jenes beschrieb'ne Gemach,
Bald hüpfte die höhnende Zofe ihm nach.
Leis' schob sie den eisernen Riegel hervor;
Dann rief sie dem schmachtenden Ritter in's Ohr:
»Gott grüss euch, Herr Ritter, den mächtigen Herrn,
Mit schimmerndem Bande und stralendem Stern,
Der mannhaft und tapfer, wie rühmlichst bekannt,
Es wagte zu trennen das glücklichste Band,
Die treuste der Frauen zu kränken mit Schmach:
Hier sollt ihr es büssen im öden Gemach;
Nur wenn ihr gehorsam und fleissig bemüht,
Die Fäden dem silbernen Flachse entzieht,
Gewinnt ihr euch Freiheit, gewinnt ihr euch Brod.
Nur ruhig, Herr Ritter! sonst grämt ihr euch todt.«
Der Abend sank nieder, der Morgen stieg auf,
Noch that sich das eiserne Gitter nicht auf,
Da nahm er die Spindel, und drehte so leis'
Viel zierliche Fäden mit künstlichem Fleiss.
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Da schob ihm die Zofe zum Imbis herein
Ein kärgliches Essen, und Wasser statt Wein;
Dies trieb sie vier Wochen, trotz Bitten und Flehn;
Dann durfte der Ritter dem Kerker entgehn.
Mit hagerem Antlitz und funkelndem Blick
Kam Otto voll Ingrimm zu Robert zurück;
Dann zahlt er, verwünschend die Weiber, das Geld,
Und eilte beladen mit Spott in die Welt.
Doch wurden im deutschen und fränkischen Land
Der Frauen ihm wenig, wie Hulda, bekannt.
Wenn allen Verführern so sollt' es ergehn,
Wie würden dann Spindeln um Spindeln sich dreh'n!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Sommer, Elise. Gedichte. Gedichte. Hulda. Hulda. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0F4D-B