[32] Epistel an Herrn Falk

Zum Frieden Handschlag, lieber Falk!
Du wirst mich, glaub' ich, schwerlich kennen,
Sollt' ich mich dir auch drey Mahl nennen;
Doch thut das nichts. Man sagt, du seyst ein Schalk,
Der, setzt er sich auf seinen Stecken,
Ganz rüstig ist, die halbe Welt zu necken.
Ich las nun deiner Büchlein drey,
In welchen du den Satyr treibest,
Und fand, daß deine Schreiberey,
Mit der du scharf dem Narrn die Kappe reibest.
Ächt lucianisch swiftisch sey.
Das freuet mich: denn wenn von Ruthen
Die Narren und die Schurken bluthen,
So darf man hoffen, daß die Herden
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Am Gängelbande strenger Zucht,
Wenn sie den Stachel nun genug versucht,
Doch nach und nach geringer werden.
Doch, Freund, dein Amt ist voll Beschwerden.
Mit Wahrheit ist man überall der Welt,
Sowohl den Bösen als den Frommen,
Beym ersten Augenblick nicht sehr willkommen;
Denn niemand will, daß ihm die Kappe schellt.
Und denkst du gar an Lohn und Dank
Für deinen Züchtigungsgesang,
So hast du höchlich dich betrogen,
Hast ganz die Rechnung ohne Wirth gezogen,
Und sitzest auf der lahmen Bank.
Ein kleines Häufchen kauft mit seinen Dreyern
Das neue Lied voll Pfeffer, und
Thuts fröhlich rings dem schlauen Nachbar kund,
Und liest und lacht und läßt dich weiter leyern;
Die Menge wirft den Bann auf das Gedicht:
Doch dieses alles schadet nicht.
Wenn aber dir vom großen Schleicherorden
Ein Tropf, der tief getroffen worden,
Mit einem schönen Pfingstgesicht
Enkomien und Weihrauch spricht;
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Dann, Freund, denkt er mit seinen süßen Worten
Dein Glück in seinem Keim zu morden:
Und diesen flieh, flieh mehr als Pest und Gicht.
Er suchet dir in seiner Klike
Mit überzuckerter Intrike
Sein fein gekochtes Gift zu mischen,
Und heimlich lugend dir zum Dank
In einem goldnen Labetrank
Die schöne Mischung aufzutischen.
Du hast gewiß den Lohn gewußt,
Als du der Thorheit und der Laster Hyder,
Entschlossen, muthig, frey und bieder,
Entgegen warfst die offne Brust.
Die Männer, die mit eignen Augen sehen,
Und ohne Stelzen überall
Beym Kirmißbier und auf dem Maskenball
Auf ihren eignen Füßen gehen,
Die wissen dir gewiß es Dank,
Wenn in melodischem Gesang
Durch deiner Gräber runde Stanzen
Die Imans bunt und kraus gemischt,
Zu herrlichen Porträten aufgefrischt,
Mit zierlichen Marotten tanzen.
Der Hahn kräht brav, und Danischmende spricht
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Sarkastisch Bauchgrimm für die Schranzen,
Und für die Guten Morgenlicht.
Und mancher bessern Seele wehte
Der Geist der ruhigsten Religion
In ihres Lebens Region
Aus deinem Wirrwarr der Gebethe.
Der Vater Franke würde lauschen,
Und fast, wenn du die Zauberruthe rührst,
Und deinen Menschen auf die Bühne führst,
Für deinen seinen eignen tauschen.
Das schöne Stückchen ist so voll,
Mit allem Firlefanz behangen,
So närrisch weise, so vernünftig toll;
Und alle unsre Pfauenfedern prangen
An Nikkel List und Alexander,
Kartusch, Oktav und Käsebier,
Wie in der Welt, im herrlichsten Gewirr
Der schönsten Ordnung durch einander.
Ich danke, Freund, dir manche Stunde,
Wo ich an deiner Muse Hand
Mich labyrinthisch durch die Runde
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Der Thorheit unsrer Brüder wand,
Und lachend oft auch meine eigne fand.
Du sprichst mit Ernst, und deine Sprache,
Die Feindinn jeder Narrenzunft,
Spricht für die Sache der Vernunft,
Die heiligste, die größte Sache.
Die Sprache darfst du also nie entweihen, –
Dein Vater selbst, der strenge Boileau,
Befiehlt mit gutem Grund es so, –
Zu niedern Alltagslitaneyen.
Du thast, ich meine, wohl nicht gut,
Daß du, ein Mann, mit Knabenmuth,
Im Jucken deiner Federspule,
Die Männerschaft der ernsten Schule
Im Schnurrenton aufs Tabernakel trugst.
Und kühn vor deinem Richterstuhle
Sie mit der Fliegenklatsche schlugst.
Du hast nicht einen todt geschlagen,
Und billig nur von manchem Biedermann,
Der dich vorher sehr lieb gewann,
Dir selbst den Tadel heimgetragen.
Die bunten Schülersschaften Kants
Sind, trotz den dunkeln Labyrinthen,
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In denen sie mit eignen neuen Sünden
Oft die Vernunft in Zauber winden,
Doch wahrlich nicht für einen Drachenschwanz.
Gesetzt, die Schule hätte sich
An deinem Satyr schwer versündigt,
Daß du mit Recht ihr feyerlich
Längst offne Fehde rechtlich angekündigt;
So spricht des Stückes ganzer Ton
Zu sehr dem Gegenstande Hohn;
Und edeln feingestimmten Herzen
Wird trotz des Witzes um sie her,
Mit dem du sprichst, es billig schwer,
In diesem Punct auf diese Art zu scherzen.
Hat je der Matador der Spötter,
Des Witzes Fürst, der Vater Lucian,
Der Schreck der Menschen und der Götter,
In seinem Zorn wohl so etwas gethan?
Vielleicht nur Aristophanes
Warf seinen Streich mit solcher Miene
Aus seinem Rettigmagazine
Nach Euripid und Sokrates.
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Verzeih mir, Lieber, meinen Tadel!
Ich nehm' ihn jeden Augenblick
Von deinem bessern Selbst zurück;
Die Muse gab dir Kraft und Muth und Adel.
Laß du die kleinen Hummeln summen,
Und rede, weil auf dir Apollo ruht,
Mit deiner Suade Heldenmuth,
Wo andere verzagt verstummen.
Wenn Bonzen Rauch und Nebel streuen,
Und uns dem Schooß der alten Nacht,
Wenn jugendlich die Morgenröthe lacht.
Nonsensikalisch wollen weihen;
Dann schlage du mit deinem Blitz,
Der ringenden Vernunft zum Wohle,
Die mitternächtlichen Idole
Zum Erebus zurück auf ihren Sitz.
Wenn zähnefletschend stolze Bassen,
Mit Feuerschlinden rund umpflanzt,
Mit Pergament und Stahl umschanzt,
Das letzte Mark der Hintersassen
Bey ihrem Blutmahl schmelzen lassen;
Dann rede du mit Ungewittern,
Daß unter deinem Ungestüm
Der Unterdrückung Ungethüm
Vor Furcht die letzten Nerven zittern.
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Wenn rechtliche Harpyen schwelgen,
Wenn, glänzend von gestohlnem Gold,
Der Räuber Lips im neuen Wagen rollt,
Brich du ihm seiner Räder Felgen,
Und reiß dem feilen Bösewichte
Die Larve kühn vom Molochsangesichte.
Wenn Laster Tugend unterjocht,
Und Bosheit kühn auf Macht und Ansehn pocht;
Wenn sie mit neuem Gift den Geifer
In hohem heißem Satanseifer
Zu siebenfachem Menschenelend kocht;
Dann wirf mit allen Flammen drein,
Und sublimire deine Reitze;
Dann, lieber guter Falk, dann beitze
Mit Vitriol und Höllenstein.
Hat man dich einst beleidigt, lache;
Die Männerchen, die ehmahls dich geneckt,
Sind durch Vergessenheit gedeckt,
Und nun zu klein für deine Rache.
Die Menschheit ist nun deine Sache.
Weih diesem göttlichen Geschäfte –
Denn groß und herrlich ist der Ruf,
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Zu welchem dich das Feuer Gottes schuf –
In deiner Laufbahn deine Kräfte.
Die Menschheit dankt dann einst noch deinem Nahmen,
Und setzt zu dem Palladium
Als Wächter einst dich in ihr Heiligthum;
Und alle Guten sagen Amen.
Der Nachwelt reiner warmer Dank
Ist überall der schönste Grabgesang.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Seume, Johann Gottfried. Gedichte. Gedichte. Epistel an Herrn Falk. Epistel an Herrn Falk. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0A40-F