3.

Es lag der arme kranke Knecht
Im milden Haus geborgen,
Lang sprach er irre von Mordgefecht,
Vom letzten, blutigen Morgen.
Er sah im wachen Traum die Not,
Den Schwarm der Feinde, der Raben,
Die Banner gesunken, die Edlen tot,
Den Herrn im Eis begraben.
Bis daß ein Schlummer lang und tief
Sich seiner Qual erbarmte,
Und was in ihm von Leben schlief,
In Ruhe lind erwarmte.
Jetzt hebt sein Auge leuchtend sich,
Auf springt er von dem Bette,
Es fragt der Fremdling freudiglich
Nach Pinsel und Palette.
Die Diener sprechen: »Krankheitswahn
Hat ihm den Sinn verstöret!«
Sie sehn einander fragend an,
Sie bringen, was er begehret.
»Nein Freunde,« spricht er, »es ist kein Traum!
Gönnt mir das mutige Streben!
Was ich erlebt, das war nur Schaum,
Jetzt naht das wahre Leben!«
Und auf das öde Tuch mit Macht,
Mit kühnen Pinselstrichen,
Verbreitet er der Farben Pracht,
Die heut noch nicht verblichen.
[206]
Hans Hemmling! tönt's im Hospital,
Hans Hemmling! auf den Gassen,
Mit Bürgern füllet sich der Saal,
Sie können das Glück nicht fassen.
»Das Heil will wieder mit uns sein,
Nicht alles ist verloren!
Die Ehre stellet sich wieder ein
In unsern schwarzen Thoren.«
Der Meister lächelt selig, still,
Fährt fort und fort zu malen,
Und immer größre Wonne will
Aus seinem Bilde stralen.
Von fernen Burgen führt er her
Die Könige mit Geleite,
Doch nicht mit wildem Kriegesheer
Zu unheilvollem Streite.
Sie alle treibt ein frommer Mut,
Nicht Feindschaft, die sich brüstet,
Der Kleider hohe Farbenglut
Hat nicht der Stolz gerüstet.
Die Demut wölbt den grauen Bau,
Legt in die Krippe den Knaben,
Und setzt zu ihm die selige Frau,
Und reicht ihm dar die Gaben.
Und Gottes Friede schwebet mild
Um die geweihte Stätte,
Der Meister steht vor seinem Bild
Mit dankendem Gebete.
Das ist der Herr, das ist der Held,
In dessen Dienst er lebet,
Das ist die heilige Wunderwelt,
Die stets sein Aug' umschwebet.
Es zückt die Kraft ihm durch die Hand,
Er wird in vielen Bildern
Das überirdische Vaterland,
Das höchste Leben schildern.
[207]
Und Meer und Ström' und Berg und Thal,
Was Herrlich's er gesehen,
Verklärt von seines Pinsels Stral
Wird alles auferstehen.
In tausend Zügen wird er licht
Der Menschheit Bild uns malen,
Und in Ein göttlich Angesicht
Vereinen alle Stralen.
So schafft der Meister zu Gottes Ehr',
Es leuchten seine Werke,
Wo blieb der Herzog und sein Heer?
Der Stolz, der Glanz, die Stärke?
Hinunter muß der Erde Pracht
In düstern Grabeshügel,
Das Echte rettet aus der Nacht
Die Kunst auf ewigem Flügel.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schwab, Gustav. 3. [Es lag der arme kranke Knecht]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0899-A