An Mathilde

1832.


Wo wirbelnd sich im Tanze
Die schlanken Kinder drehn,
Und hinter Demantglanze
Geschwellte Haare wehn;
Such' ich dich dort, Mathilde,
Wiegt dort dein Köpfchen sich,
Dem Sommers im Gefilde
Der Aehren Schimmer wich?
Nein, du bist nicht zu schauen,
Du weilst im Kämmerlein,
Fern von den schönen Frauen
Und von der Kerze Schein.
[31]
Du kämmtest alle Locken
Dir von der Stirne klar,
Und pflücktest weiche Flocken
Aus deinem Seidenhaar.
Du liefst, die gelben Schlingen,
So licht, wie Flachsgespinnst,
Zur Trödelbank zu bringen,
Nahmst klingenden Gewinnst.
Der Flucht im Ehrenrocke
Gedenk, der Polenflucht,
Trugst du zum Opferstocke
Der Demut Silberfrucht.
Nun stützest in der Kammer
Dein unbelocktes Haupt: –
Wird Alles denn zu Jammer,
Was Jugend hofft und glaubt?
Doch freut sich deiner Milde
Gewiß ein düstrer Held;
Dein Scherflein, o Mathilde,
Wirkt nicht wie kühles Geld;
Sein warmer Glanz blickt heiter
In der Verzweiflung Nacht,
Daß vor dem ernsten Streiter
Die Hoffnung plötzlich lacht:
Die goldne Lockenfülle
Bestralt ihr Angesicht;
Ihm dämmert ohne Hülle
Der Zukunft Morgenlicht.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schwab, Gustav. Gedichte. Gedichte. 1. Lieder und vermischte Gedichte. An Mathilde. An Mathilde. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0795-5