[11] 5.

Liebchen, du schwebst jetzt fröhlich dahin im glänzenden Saale;
Leicht im flüchtigen Tanz regst du den zierlichen Leib;
Höheres Roth durchrieselt die Wang', und es hebt der Begeistrung
Ueppiger Rausch hochauf wogend die glühende Brust.
Doch dein Freund, fern trauert er jetzt im stillen Gemache,
Wild um den brütenden Geist tobt ihm der Sorgen Gewühl.
Ach wohl denkst du nicht mehr des Liebenden, welcher von dir nur
Lernte die Lust, von dir, Einziggeliebte, den Schmerz;
Längst wohl schwand im bethörenden Rausch des frohen Getümmels
Sein hindämmerndes Bild ganz aus der Seele dir fort!
Amor spannet so gern im Tanz die verstohlenen Netze,
Reichliche Beute belohnt immer den listigen Gott.
Lieblich bist du, wie nimmer ein anderes Mädchen der Erde;
Wer dir nahete, bleibt gern in der Fessel zurück:
Doch du bist flüchtig und leicht, wie die hüpfende Woge des Meeres,
Neues allein nur reizt immer den gaukelnden Sinn.
Wie mit Bällen das Kind, so spielst du mit Herzen; gelobst gern
Jeglichem, doch kein Gott, wähnst du, bestrafe den Trug.
Oft schon nannt' ich dich falsch, und auf ewig wollt' ich dich meiden,
Aber die zögernde Flucht brachte mir neue Gefahr;
Eifersüchtig schaltest du mich mit Lachen und thöricht,
[12]
Und ein glühender Kuß machte von Sünden dich rein.
Ach, jetzt windet ein Anderer wohl, aufwallend in Sehnsucht,
Rings um den zierlichen Leib leise den zitternden Arm,
Lispelt mit kosendem Flüstern im Sturm des wogenden Tanzes
Manches verstohlene Wort liebeverlangend dir zu!
Hör' ihn nicht, er betrügt dich nur, falsch ist der Verräther!
Ach, sein flatternder Sinn gleichet dem deinen, entflieh!
Reicht er nicht jetzt dir die Hand? O hinweg mit ihr, sie ist giftig!
Und Basiliskengewalt wohnt ihm im schmeichelnden Blick!
O, verhüllte dich doch ein undurchdringlicher Schleier,
Könnte nur ich allein sicher die Reizende sehn,
Wär' es doch mir allein nur vergönnt an der Brust dir zu ruhen,
Dürfte nur ich allein küssen den rosigen Mund!
Aber ich selber erschuf mir die quälende Sorg' in dem Herzen,
Und mein eignes Vergehn raubte mir heute die Ruh.
Wehe, Warum auch zürnet' ich gleich, als den ersten der Tänze
Du mir geweigert, warum schwur ich zu meiden das Fest!
Trage nun selbst, o Thor, des eisernen Sinnes Bestrafung!
Wenn sie dich morgen nicht küßt, denke du hast es verdient.

License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schulze, Ernst. 5. [Liebchen, du schwebst jetzt fröhlich dahin im glänzenden Saale]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-042C-B