[157] Am 6ten April 1816

So scheid' ich denn mit stiller Klage
Von meiner Wünsche süßem Ziel;
Und scheid' ich auch auf wenig Tage,
Ach, wenig Tage sind zu viel!
Die Liebe zählet nicht nach Stunden
Und nicht nach Jahren ihre Zeit;
Der Tag, der einsam ihr entschwunden,
Ist ihr ein langes, ew'ges Leid.
Denn köstlich sind die Augenblicke,
Die nur ein Gott uns nimmt und giebt;
Oft führt die kurze Zeit zum Glücke,
Und nur die kurze den, der liebt.
[158]
Dem Zufall ist der Gott gewogen,
Auf Flügeln naht sich der Gewinn;
Doch wenn die rasche Gunst entflogen,
Ist auch die lange Müh dahin.
Wie manches wollt' ich heut ihr sagen!
Wie war das Glück mir hold und treu!
Wie manches durft' ich flehn und wagen!
Und dennoch stand ich blöd' und scheu.
Drum scheid' ich auch mit schwerem Herzen
Von diesem vielgeliebten Ort,
Und nehme alle meine Schmerzen
Und keine Freude mit mir fort.

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TextGrid Repository (2012). Schulze, Ernst. Gedichte. Poetisches Tagebuch. Zwey Augenblicke. Am 6ten April 1816. Am 6ten April 1816. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-03F6-9