1004. Die Sage von der alten Burg bei Röttingen.

Mündlich.


Außerhalb des Hundheimer Thores an der Straße nach Tauberrettersheim sieht man ein Kreuz in eine Weinbergsmauer eingemauert, an [65] welchem, obwohl etwas verwittert, eine ausgehauene weibliche Figur noch erkennbar ist.

Diesem Denksteine gegenüber auf dem jenseitigen (linken) Ufer der Tauber erhebt sich eine kleine Anhöhe mit Spuren übergrasten Mauerwerks. Dort stand vor Zeiten eine Burg, welche ein Ritter mit seiner einzigen Tochter bewohnte. Trauriges Geschick hatte die Seele des Mannes mit Unmuth verdüstert, so daß es für ihn keine Freude mehr gab, als der Jagd obliegen und die Hirsche und Wildschweine zu Tode hetzen. Seine Tochter war schön von Gestalt und engelgleich an Gemüth, aber sie hatte traurige Tage, denn sie mußte alle trübe Laune und allen Unmuth des Vaters über sich ergehen lassen. Ein edler Jüngling der Nachbarschaft gewann ihre Zuneigung, allein der Vater hatte schon lange für sie beschlossen, daß sie den Schleier zu Schäftersheim nehmen sollte. Die Jungfrau fühlte keinen Beruf dazu, vielmehr erwiederte sie die Liebe des Jünglings wohl in der Hoffnung, der Vater werde schon noch seine Einwilligung geben. Aber der Alte blieb hartnäckig bei seinem Beschlusse, ja er nahm sich sogar vor, bei dem ersten Anlasse das bereits aufkeimende Liebesglück mit Gewalt zu zerstören. Eines Tages, als er von der Jagd zurückkehrte, war seine Tochter nicht zu Hause zu treffen. Vergebens ließ sie der Alte in jedem Winkel des Schlosses suchen, endlich hinterbrachte man ihm, wie das Mägdlein in traulichem Zwiegespräche mit ihrem Geliebten draußen am Ufer der Tauber lustwandle. Kaum hatte der Ritter die Botschaft vernommen, als er wüthend nach seinem Geschosse griff, hinaus vor die Burg eilte und den Jüngling noch von Weitem mit einem Pfeile durchbohrte. Seine Tochter ließ er lebendig einmauern. Er selbst aber fand auf Erden keine Ruhe. Eines Tages soll er spurlos verschwunden sein; die herrnlose Burg fiel in Schutt und Trümmer.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Dritter Band. 1004. Die Sage von der alten Burg bei Röttingen. 1004. Die Sage von der alten Burg bei Röttingen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-F582-7