§. 8. Todverkündende Gespenster-Wesen.

Neben diesen Anzeichen haben aber auch gewissegespensterhafte Wesen, meistens in Thieresgestalt, das Amt, in einem Hause den nahen Todfall anzusagen. Wehklagend richten sie ihre Botschaft aus. Merkwürdig ist das Spinnwebengesicht der Klagemutter, welches auch sonst Geister an sich tragen, die doppelte Farbe weiß und schwarz der äusseren Umhüllung; sie ist die alte Todenfarbe, aber auch Zeichen der Erlösungsfähigkeit. Ein wahrer Todenvogel ist daher die Hätze oder Dohle, und der Kohlweissling. Die grösseren Thiergestalten gehören zu den Gottheiten des Todes. – Wenn auch für sich von geringerer Bedeutung, sind diese Erscheinungen gleichwohl wichtig im Zusammenhang mit anderen; sie erlauben in ihrer Verbindung begründete Schlüsse auf frühere Verehrung gewisser Götter an gewissen Orten.

1. Klagmutter.

Sie kommt unter den verschiedensten Gestalten vor.

An manchen Orten erscheint sie als kleine alte Frau, in schwarzen Kleidern mit einem weissen Halstuche; sie geht nur bis an die Häuser, nie hinein, und klagt; ihr Klagen deutet auf Tod in dem Hause, und zwar in kurzer Zeit. Warmensteinach.

[266] In Steinach führt sie auch den Namen Holzweibl; zu Neukirchen heißt sie Klagweibl, ist klein von Gestalt, ein dreygespitztes Hütchen über das mit Spinnenweben behangene Gesicht, kleine Schlerfeln an den Füßchen und den Leuten nachgehend, um den Sterbfall anzuzeigen; dort gilt sie auch als Gespenst und kann erlöst werden.

Wer sie sieht, dem thut sie nichts zu leide; er verspürt nichts als frostigen Schauer. Neunburg.

Um Tiefenbach klagt, jammert und winselt die Klagmutter oder das Klagweibl bey Nacht, ohne daß man ein Wort deutlich hört; es ist ein wuzelig Ding, mit kleinwinzigen Füßchen, so daß es nur so daher kugelt; einen Kopf bemerkt man nicht, weil der ganze obere Theil der kleinen Gestalt mit einem weissen Tuche, Regentuche, verhüllt ist. Sie zeigt sich auf der Strasse, oder in Häusern unter dem Dache.

Wer sie verfolgt, wird angeblasen wie von einem lauen sanften Winde, und bekommt ein geschwollenes Gesicht, oder es fahren ihm Blattern auf.

Dagegen um Rötz geht sie als kleines, mageres, altes Weiblein, schwarz gekleidet, den Kopf verhängt, in alten Schlerfeln mit einem Stecken in der Hand, weinend vor den Fenstern vorbey, und wer sie sieht, dem läßt sie eine »Letz«.

Meistens aber geht sie unter der Gestalt einesThieres; so ist sie bey Roding gleich einemHunde mit langen schwarzen Haaren, der an dem Hause, aus welchem bald eine Leiche getragen werden soll, hart am Gemäuer, herumstreicht und jämmerlich heult.

[267] Um Bärnau erscheint sie als weisse Gans, und sitzt wimmernd an den Ecken der Häuser, in deren Nachbarschaft ein Todfall oder sonst ein Unglück eintreten soll. Manchmal läuft sie den Leuten nach, daß diese vor Schreck krank werden.

Wieder schaut sie aus, wie eine ganz großeKatze, grau, den Kopf in ein großes Tuch gewickelt, und weint ein paar Tage wie ein Mensch vor dem Hause, wenn eines daraus sterben soll. Hambach.

Oder wie ein Schaf mit drey Beinen, zwey vorne, eines hinten, gleich einer Halmbank, und zeigt sich um Gebetläuten während der Sitzweile in der Nähe des bedrohten Hauses, weinend wie ein kleines Kind; beym Ausstossen der Klagetöne wandelt sie sich aber in ein fortrollendes »Wiglwerk«, Amberg; – oder sitzt als Taube heulend in der Dachrinne des Hauses. Altdorf.

Um Velburg hat man sie zwar nicht gesehen, und weiß also nicht, wie sie aussieht, doch hört man sie an den Häusern hinwetzen und greinen und jammern; ihr Laut ist U – U – U.

Wer an dem Heulen und Weinen erschrickt, auch ohne sie zu sehen, wird von einer Nervenkrankheit befallen. Falkenstein.

In Amberg hörte einer die Klagemutter am Fenster, welches mit großen Gittern versehen war; da trieb ihn die Neugierde, er war ein Schneider seines Zeichens, daß er den Kopf durch die Eisenstangen steckte, um zu sehen, was es wäre; er wurde aber angeblasen und hatte augenblicklich einen so dicken Kopf, daß er ihn nur mit [268] genauer Noth durch das Gitter zurückziehen konnte; und gesehen hat er doch nichts.

Dort sitzt auch, wenn ein Schulkind stirbt, die Klagemutter auf den steinernen Staffeln vor dem Schulhause, und wer sie sieht, wird krank.

Unfern von Amberg, in der Vils am Drathhammer ertrank einst ein Metzger beym Baden; die Stelle ist sehr tief; seitdem sieht man um Mitternacht ein goldenes Rad im Flusse sich umdrehen, und am Ufer sitzt die Klagemutter als weisses Schaf, und klagt um den Metzger; wenn zeitweise Leute des Weges gehen, schreitet sie an ihnen querüber.

Die Klagemutter meldet sich meistens auf dem Lande, in den Städten hat theilweise der Todenvogel das Amt des Todansagens übernommen.

Unzweifelhaft hängt der Klagemutter ein mythischer Charakter an; die Mutter droht den bösen Kindern mit der schwarzen Klagemutter, welche sie mitnehmen wird; sie ist der weibliche Klaubauf. Lixentöfering.

Gans und Katze weisen auf die TodesgöttinFreyja, Schaf oder Bock wahrscheinlich auf denDonar – den Todesgott für die niedrige Menschenklasse. Die Farbe weiß und schwarz ist Leibfarbe derHel, Göttin der Unterwelt.

Um Spalt hat die Klagemutter eine andere Bedeutung, nämlich der Hebamme, wenn durch deren Schuld die Kinder bey der Geburt verunglücken, oder wenn sie selber den Kindern Stecknadeln in das Köpfchen steckt, um sie zu ermorden. Zur Strafe muß sie die Kleinen, deren Tod sie verschuldet, als Geist beklagen.

[269] 2. Todenvogel.

Auch Toden-Eulerl, Grauvogel, Sterbvogel genannt, ein kleiner grauer Vogel, ruft gewöhnlich Abends unter Gebetläuten von einem Baume oder dem Dache herab und setzt sich dann ans Fenster; sein schneller Ruf ist: »mit, mit, mit«, und wo er ertönt, stirbt Jemand.

Er ist verschieden gezeichnet; bey Falkenstein ist es ein weisser Vogel, an Gestalt gleich der Lerche, doch etwas kleiner, und setzt sich vor das Fenster des Kranken; dagegen um Rötz von schwarzer Farbe, mit einem Schweife gleich einer Bachstelze, der sich auf das Dach setzt, oder wenn Bäume vor dem Hause stehen, auf diese; in Treffelstein ist er graulich und kleiner als eine Taube; ehe er seinen Ruf ausschreyt, pfeift er wie ein Mann; dabey sitzt er auf dem Fensterbrette; bey Waldmünchen führt er ein weisses Band um den grauen Hals; bey Neustadt ein schwarzes Kreuz auf dem Rücken; anderwärts wie in Bärnau, hat er einen Todenkopf auf den Flügeln; in Velburg trägt er ein weisses Kreuz auf dem schwarzen Gefieder und schreyt wie ein Ferkel; bey Spalt schaut er aus wie eine Hatz, Hätze, mit einem Eulenkopfe und auf dem Rücken die Zeichnung einer Todentruhe.

An anderen Orten endlich wie Hambach, ward er noch gar nicht gesehen, man kennt dort nur sein: »Mit, mit, mit.«

Um Roding gilt der Todenfalter, Schmetterling mit der Zeichnung eines Todenkopfes auf dem Rücken, für den Todenvogel, wenn er Nachts bey offenem Fenster [270] in das Zimmer des Kranken kommt; zu Tänesberg heißt der bekannte weisse Schmetterling, Müllamola, Kohlweißling, der Leichenvogel; an wen er im Fluge anprallt, dem hat er den Tod verkündet.

Der Bauer und sein Knecht von Berg bey Windisch-Eschenbach, einer Einöde, gingen ins Holz; sie schlugen einen Baum; da lockte der Todenvogel: »Mit, mit, mit!« Der Bauer hörte es und sagte zum Knechte: »Horch, der Todenvogel ruft; stirbt eins aus der Freundschaft!« der Knecht aber hatte nichts gehört. Sie sägten nun den zweyten Baum um; im Fallen erschlug er den Knecht.

3. Erdhammerl.

Auch Erdschmid, Todenhammerl, Hammerschmid, Todenuhr genannt, klopft ganz leise wie eine Sackuhr in den Häusern vom Keller herauf oder in den Wänden, bey Tag wie bey Nacht, und so schnell, wie es kein Mensch vermöchte.

Horcht man an die Wand, so hört es zu schnäpperln auf.

Drey Tage zuvor meldet er den Todfall an; dieser trifft jedoch nicht den, welcher ihn hört, sondern Jemanden im Hause oder aus der Freundschaft.

Dieser Glaube geht unverändert durch die ganze Pfalz, besonders längs des Böhmerwaldes. Doch hat man ihn nie gesehen. In Gefrees hält man ihn für einen schwarzen Käfer, so groß wie eine Grille, der mit dem spitzen Rüssel pickt.

[271] Im Landgerichtsgebäude zu Sulzbach, dem ehemaligen Kloster der Salesianerinen, traf es immer ein, daß wenn es hämmerte, Jemand darin verstarb, und zwar zur selben Stunde, wo es geklopft hatte.

Zu Hambach unterscheidet man aber das Erdhammerl vom Erdschmid; man hört nämlich zu gewissen Zeiten in der Wand ihrer Zwey arbeiten auf dem Amboß; sie schlagen wechselweise, der eine um den andern; es geht sehr laut und deutet auf Glück.

4. Erdhennl.

Ein anderer Todesbote, hält sich unter dem Herde, wovon es auch Herdhennl heißt, unter der Erde, dem Stubenboden, dem Ofen, der Bettlade auf und zirpt, zwuitzt, quuitzt, wuiserlt, kräht wie ein junges Huhn, ein Küchlein, das aus dem Ey springt, und zwar nur Nachts. Man hat es nie gesehen. Sein Lautgeben meldet den Tod des Kranken an, oder sonst ein Unglück; es ruft nur dreymal.


License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 8. Todverkündende Gespenster-Wesen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E4FA-8