[195] 4.

In Seebarn bey Neukirchen Balbini lag eine Bäuerin am dritten Tage im Kindbette. Man hatte ihr kein Mehl vom Boden heruntergebracht; sie ging also selbst hinauf, es zu holen, und ließ das Kind im Bette zurück. Wie sie herabstieg, hörte sie in der Küche ein Kind schreyen; sie sah also durch ein Binkenloch der Thüre in die Küche und bemerkte darin auf dem Boden ein Kind liegen, in dasselbe Kissen eingemacht, wie ihr eigenes. Da dachte sie: »Ach, ich habe schon oft gehört, man soll das nicht anrühren, sondern auf die Bettstatt zugehen« – und wie sie zum Bette hinkam, lag ihr Kind unversehrt dort, wo sie es hingelegt hatte. Als sie es aber auf den Arm nahm, fing das Kind in der Küche fürchterlich zu schreyen an, und es entstand ein solches Getöse, daß sie meynte, Küche und Kintl müßten zersprengen. – Es war die Wechselbutte, welche zum Rauchfang hinausfuhr, und hätte die Bäuerin sie berührt, so wäre sie ihr statt des eigenen Kindes geblieben, zur Strafe dafür, daß sie in den Sechswochen vor die Thüre ging, ohne den Segen der Kirche zu haben.

In der Gegenwart kommt solches freylich nicht mehr vor, nachdem der Pabst in Rom derley Spuckgeister gebannt hat.


Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 4. [In Seebarn bey Neukirchen Balbini lag eine Bäuerin am dritten Tage]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E37D-A