2.

In der Hammersricht, eine halbe Stunde von Tiefenbach, lebte ein armer, aber frommer Mann.

Nun trat einmal eine rechte Theuerung ein, und dem Manne verblieben zuletzt nur mehr drey Kartoffeln, die er in den Wald mitnahm, wo er Holz zu fällen hatte.

[293] Nachdem er eine Zeitlang Holz zusammengerichtet hatte, bekam er Hunger; er zündete daher Feuer an und wollte seine drey Kartoffeln auf einem breiten Steine braten, welcher sich neben einem Brunnen, der Schönbrunnen genannt, befand. Wie er nun so beschäftiget war, kam ein Mann daher, welcher ganz ausgehungert schien, und bat, ihn mitessen zu lassen. »Du kannst schon mitessen,« meynte der Holzhauer; »laß sie nur erst braten, sie sind schon zum essen.«

Als sie gebraten waren, theilte er gewissenhaft mit dem hungrigen Mann, und nachdem sie gegessen, verrichteten sie zusammen ein Gebet. Da fing der Fremde zu nießen an, und zwar dreymal hintereinander, und jedesmal sagte der Holzhauer: Helf Gott! – das drittemal setzte er noch hinzu: »in den Himmel hinauf.«

So wie er aber dieses gesagt hatte, vermeynte er einen Engel Gottes vor sich zu sehen: so glänzend und strahlend war der Fremde geworden. Dieser begann Folgendes zu ihm zu reden: »Vergelt es dir Gott, denn du hast mich erlöst. Sieh', ich bin der Bauer gewesen, dem dieser Wald gehörte, und habe bey Lebzeiten während einer Viehseuche gelobt, über diesen Brunnen hier eine Kapelle zu bauen. Was ich versprochen, habe ich nicht gethan, obwohl ich Mittel genug hiezu besaß; denn ich hatte die Meynung, mit erbetteltem Gelde die Kapelle zu bauen. Darüber bin ich krank geworden und gestorben. Ich bitte dich nun, statt meiner das Geld bey guten Leuten zusammenzubringen und die Kapelle zu bauen. Nach dem Baue wirst du bald werden, was [294] ich bin. Dein Weib aber wird dich überleben und von Sinnen kommen – hiemit verschwand er.«

Der Mann that so wie ihm geheißen worden, und starb bald darauf, sein Weib aber verlor den Verstand.

Die Schönbrunnenkapelle wird heut zu Tage, und besonders im Sommer, stark besucht.


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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 2. [In der Hammersricht, eine halbe Stunde von Tiefenbach, lebte ein]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E108-D