Johann Elias Schlegel
Der geschäfftige Müssiggänger
Ein Lustspiel

Personen

[217] Personen des Lustspiels.

    • Fortunat, ein Advocat.

    • Sylvester, dessen Stiefvater.

    • Frau Sylvesterinn, Fortunats Mutter.

    • Fiekchen, Sylvesters Tochter.

    • Frau Richardinn.

    • Lieschen, der Frau Richardinn Tochter.

    • Strom, ein Kaufmann, Fortunats Client.

    • Sorger, der Sylvesterinn Bruder.

    • Renner, ein andrer Advocat.

    • Friedrich, Fortunats Diener.

    • Cathrine, der Frau Sylvesterinn Magd.

    • Ein Goldschmidtsjunge.

    • Ein Tabletkrämer.

    • Ein Lackey.

    • Ein Materialistenjunge.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Sylvester. Fortunat.

SYLVESTER.

Mein Sohn, die Stube hier, die ich euch indessen eingegeben habe, ist meine und meiner lieben Frau ihre Putzstube! Und ihr wißt, daß wir und ihr, heute einen Besuch kriegen werden, der zu eurem Besten abgesehen ist. Ich weis nicht, warum ihr beständig so viel Sachen hier habt, die zu eurer Advocaterey doch gewiß nicht gehören können. Da sind Pistolen; da sind große Reitstiefel; da sind Spornen; hier steht ja gar Malerzeug: dort stellt eine Laute. Bücher [217] sehe ich nun wohl eben nicht hier. Aber, ich dächte doch, wenn ihr ja viel hereintrügt: so solltet ihr noch am ersten Bücher haben. Schafft mir ja die Sachen hinaus!

FORTUNAT.

Warum denn aber? Wenn Jungfer Lieschen weds, daß ich so vielerley kann, daß ich schön reite, daß ich schön zeichne, daß ich schön die Laute spiele, und was noch alles mehr ist: so wird sie mich desto lieber haben.

SYLVESTER.

Ey! ihr müßt sie wohl recht kennen! Hört, Fortunat, glaubt ihr eurem Stiefvater, Sylvestern. Der kennt sie besser! Das sage ich euch. Ich weis gar nicht, was ihr für ein Mensch seyd. Es ist wahr: ihr könnt vielerley. Aber ich denke doch immer, was ihr können sollt, das könnet ihr nicht. Ihr bekümmert euch um alles: aber um eure Juristerey, die euch ernähren soll, habt ihr euch mein Tage noch nicht viel bekümmert. Ihr thut den ganzen geschlagenen Tag, als wenn ihr der geschäftigste Mensch von der Welt wäret. Aber ich habe noch nicht gesehen, das ihr was gethan hättet, das ihr gesollt habt; oder daß ihr es gethan hättet, wenn ihr gesollt habt.

FORTUNAT.
Herr Vater, ich thue ja niemals was Unrechtes.
SYLVESTER.

Je! was unnütze ist, das ist unrecht Ich bin ein alter Mann geworden, und habe manchen Groschen erworben. Aber ich kann euch auf mein Leben versichern, ich kann nichts mehr, als einerley. Ich handle mit Pelzen, und kenne meine Pelze und zwar recht; aber sonst nichts auf der ganzen Gotteswelt: insonderheit aber die Fuchspelze; und der soll noch gebohren werden, der mich betrügen wird!

FORTUNAT.

Nichts, als Pelze? Ich wüßte nicht! Ich stürbe doch vor langer Weile, wenn ich mit nichts, als mit Pelzen zu thun haben sollte. Ich male sehr gerne: aber wenn ich nichts als malen könnte, und hätte sonst nichts lernen sollen; so glaube ich doch, ich hätte aus Verdruß das Corpus Juris gelesen, so langweilig als es immer ist. Und wenn ich allein reiten, oder allein auf der Laute spielen sollte; so hätte ich meine Stiefeln und meine Laute lange ins Feuer geworfen.

SYLVESTER.
Für einen so lebhaften Menschen, als ihr seyd, ist freylich wohl einerley nicht genug.
FORTUNAT.

Es mag ihr Ernst seyn, oder nicht, Herr Vater: so ist es doch wahr. Ich wundre mich nur selber über meine Geduld. Heute den ganzen Morgen habe ich getuscht. Und wenn der Herr Vater nicht gleich nach Tische mitgegangen wäre: so glaube ich, ich säße schon wieder da.

SYLVESTER.
Getuscht? was ist das?
FORTUNAT.
Getuscht? was das ist? Je! getuscht, ist getuscht, oder mit Tusche gezeichnet.
SYLVESTER.
Was ist denn nun das wieder? Gezeichnet?
[218]
FORTUNAT.
Ja, wenn sie das nicht wissen!
SYLVESTER.

Ich habe es gesagt, daß ich nichts weis, als von Pelzen. Ihr meynt doch nicht etwan, wie die Felle gezeichnet sind. Denn, was machten die Juristen mit den Fellen?

FORTUNAT.
Da will ich es ihnen nur weisen, Herr Vater: sehen sie doch die Zeichnung an!
SYLVESTER.

Ja, wenn ihr mir gesagt hättet, daß das ein Bild wäre: so hätte ich es zur Noth auch gewußt. Denn da ich ein kleiner Junge war; so hatte ich auch gern kleine Bilderchen. Aber getuscht und gezeichnet, das verstehe ich nicht.

FORTUNAT.

Wer wird denn sprechen? Ich habe ein Bild gemacht. Nicht wahr? so hätte ich sagen sollen? aber so hätten mich alle ehrliche Maler ausgelacht.

SYLVESTER.

Wenn ihr aber mit mir redet: so redet ihr mit keinem Maler; sondern mit Herrn Sylvestern, einem Rauchhändler. Aber, mein Sohn, darüber habt ihr nun den ganzen Morgen zugebracht! Müssen denn die Advocaten auch malen?

FORTUNAT.

Herr Vater! Klagen und Läuterungen werden sie freylich nicht malen. Ich will ja nicht eben ein Advocat seyn: das ist es nur, womit ich mein Brodt verdienen, und auch noch eine Frau ernähren will; wenn es nicht anders angeht. Aber das übrige ist zu meinem Vergnügen.

SYLVESTER.

Wenn es nur zu eurem Vergnügen ist; so hättet ihr es, dächte ich, wohl heute seyn lassen sollen. Ihr wißts wohl! Es ist heute viel für euch zu thun. Itzt ists über ein Uhr. Um zwey Uhr sollt ihr zum Minister kommen, und da könnt ihr vielleicht eine Bestallung kriegen, daß ihr zeitlebens versorgt seyd. Um drey Uhr hat sich die Frau Richardinn und ihre Tochter Lieschen melden lassen: da wißt ihr auch, weswegen es geschieht. Und wenn ich recht denke, so hat mir ja eure Mutter gesagt, daß ihr mit unserm Vätter auf dem Rathhause vorstehen und ihm helfen solltet. Das ist nun sehr viel in sehr weniger Zeit!

FORTUNAT.
Ach! das ist Zeit genug für mich, Herr Vater. Nein! sehn sie doch die Trauben und den Fuchs.
SYLVESTER.
Wozu soll es aber?
FORTUNAT.
Ich will das ganze Zimmer mit solchen Zeichnungen auszieren.
SYLVESTER.
Warum denn das? habt ihr denn Zeit darzu?
FORTUNAT.
Ich will mir sie schon nehmen.
SYLVESTER.
Woher wollt ihr sie denn nehmen?
FORTUNAT.
Daher, woher ich die Zeit genommen habe, das Stück zu zeichnen.
[219]
SYLVESTER.
Ihr müßt doch die Zeit stehlen; oder wo ihr sie sonst hernehmt.
FORTUNAT.
Ich werde über vier Stunden nicht mehr brauchen. Nein! sehn sie doch die Trauben und den Fuchs.
SYLVESTER.
Ihr habt ja selber nicht Zeit.
FORTUNAT.

Warum denn nicht? Es ist noch lange nicht zwey Uhr. Sehen sie, Herr Vater. Das ist ein Fuchs, der die Weintrauben nicht erlangen kann, und davon geht, und spricht: ich mag sie nicht. Es sind der sauern!

SYLVESTER.
Welches ist der Fuchs?
FORTUNAT.
Dieser hier. Sie kennen ja die Füchse so gut.
SYLVESTER.
Das ist ein weißlicher Fuchs. Die sind rar.
FORTUNAT.

Darum bekümmre ich mich nicht, ob er weißlich ist, oder grau oder gelb. Was getuscht ist: ist alles weißlich und schwärzlich.

SYLVESTER.
Warum denn? Wenn ihr mich also tuschtet: so wäre ich auch weißlich?
FORTUNAT.

Ja! Herr Vater. Ach! es ist gut, daß sie mir das sagen. Ich will sie abzeichnen, wie sie leben. Setzen sie sich nur: es währt nicht lange.

SYLVESTER.

Behüte Gott, nein! das Ding kostet euch Zeit, und kostet euch Geld! Nein! nein! ich will nicht getuscht seyn. Macht, daß ihr bald zum Minister kommt. Es ist besser zu zeitig, als zu spät.

FORTUNAT.

Ach! was wird es viel Zeit und Geld kosten? Ich will sie abzeichnen. Herr Vater, gewiß! wenn sie es haben wollen; so will ich sie in einem Laden voll Fuchspelze zeichnen, und wohl zehn Käufer um sie herum. Es ist nur um ein paar Tage Zeit: so ist es geschehen. Setzen sie sich, Herr Vater. Ich will anfangen.

SYLVESTER.

Ein paar Tage Zeit! Nicht wahr? ich setze mich daher zu euch, und versäumte die wirklichen Käufer, euren gemalten Käufern zu gefallen, die ihr um mich herum setzen wollt? Es ist itzo gar nicht Zeit. Ich muß nun nach Tische wieder an mein Geschaffte. Der Besuch wird mir ohnedem Zeit genug nehmen. Macht ja, daß ihr heute den Nachmittag nichts versäumet. An diesem Nachmittage ist euch in eurem ganzen Leben gelegen.

2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Fortunat. Cathrine.

CATHRINE.
Nun fort, fort! Eingepackt! Herr Fortunat. Sie kriegen Besuch. Es muß hübsch ordentlich aussehen.
FORTUNAT.
Warum nicht gar eingepackt? itzo will ich erst recht auspacken.
[220]
CATHRINE.
Ach! sie können mit ihrem Krame da nur einlegen: ich werde mich nicht nach ihnen richten.
FORTUNAT.

Cathrine, und wenn ihr euch hiengt: so räume ich euch doch noch nicht auf! Erst muß ich noch malen. Hernach muß ich mich noch, vom Fuß auf, anders anziehen.

CATHRINE.

Ich glaube doch, sie ziehn sich für die lange Weile, den Tag über immer wechselsweise an und aus. Was wollen sie denn noch anziehen? Ich dächte, sie machten lieber, daß sie ein Bißchen unangezogener wären: denn sie sehn mir gar zu angezogen aus. Und das schickt sich für einen Advocaten nicht.

FORTUNAT.
Nicht wahr? euch zu gefallen soll ich so flüchtig gehen, wie Renner etwan?
CATHRINE.

Ach! was fehlt denn Rennern? wenn er gleich beständig thut, als wenn er es versäumen wollte: so ist er doch besser, als sie.

FORTUNAT.

Das glaube ich! Insonderheit, wenn wir alle beyde Bothenläufer wären: so wäre er einen großen Theil besser als ich.

CATHRINE.
Wir werdens schon noch sehen, wer besser ist. Ist es nicht wahr? der will auch Secretär werden?
FORTUNAT.
Freylich. Ich fürchte mich schon, daß er mir nicht zuvorkömmt.
CATHRINE.
Und sie denken, weil Jungfer Lieschen zu ihnen kömmt, und zu Rennern nicht: so haben sie sie schon.
FORTUNAT.
O! nein doch. Sie wird wohl noch zweifeln, ob sie mich oder Rennern haben will.
CATHRINE.
Herr Fortunat! wie wollte ich sie doch auslachen, wenn er ihnen den Rang abliefe.
FORTUNAT.
Närrinn! Kommt für euer Plaudern her, und kehret mich aus. Ich habe mich garstig gemacht.
CATHRINE.

Ist ihnen nicht einmal wieder ein Pfund Puder vom Kopfe auf die Kleider gefallen? Nun so kommen sie her! Es ist doch wohl wahr: sie haben das Kleid garstig gemacht. Aber ihr Kopf sieht noch viel garstiger aus.

FORTUNAT.
Ist es wahr? geschwind. Ich muß in den Spiegel sehen. Wo ist denn was?
CATHRINE.
Je! sehen sie denn nicht?
FORTUNAT.
Nein! sagt mirs bald, Cathrine.
CATHRINE.

Sie sagen ja, sie haben das Kleid garstig gemacht, weil Puder drauf liegt: so muß der Kopf wohl noch viel garstiger seyn, denn da liegt noch viel mehr Puder.

FORTUNAT.
Laßt mich mit euren Possen ungehudelt; und kehret mich aus.
[221]
CATHRINE.

Nun! so lassen sie mich nur geschwind machen. Von rechtswegen soll ich itzo die Stube anputzen und nicht sie.

FORTUNAT.
Ihr höret ja, daß es itzo nicht angeht.
CATHRINE.
Das wäre auch was Neues!
FORTUNAT.
Ich muß mich itzund hersetzen und malen.
CATHRINE.
Der Henker wird sie doch nicht reiten. Je! weswegen sprechen sie denn, ich soll sie auskehren?
FORTUNAT.
Weswegen wollt ihr denn die Stube aufräumen?
CATHRINE.
Weil sie allen Bettel herein schleppen, der nicht herein gehört.
FORTUNAT.

Und ich wollte mein Kleid ausgekehret haben, weil mir Puder darauf gefallen war, der auch nicht drauf gehört.

CATHRINE.

Ja! damit sie in einem reinen und wohlausgekehrten Kleide sich hersetzen und malen möchten, und damit hernach Jungfer Lieschen ihnen und ihrer Mama in einer unreinen und ungeputzten Stube ihren Besuch abstatten möchte.

FORTUNAT.
Cathrine, kommt her, reibt mir Tusche.
CATHRINE.

Ich könnte daher treten! Bilden sie sich nur nicht ein, daß ich nun aufräumen will. Ich gehe meiner Wege: mögen sie doch gleich ewig malen.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Friedrich. Fortunat.

FRIEDRICH.
Herr Fortunat, Herr Strom ist wieder da.
FORTUNAT.
Geschwind. Komm her. Reib Tusche ein. Ich muß noch was zeichnen.
FRIEDRICH.
Herr Strom ist – – –
FORTUNAT.
Nun reib doch, reib, was trödelst du?
FRIEDRICH.
Ich sage, Herr Strom ist wieder da, und will zu ihnen.
FORTUNAT.
Ich muß itzt zeichnen. Währt denn das ewig, daß der Herr Strom zu mir will?
FRIEDRICH.
Er sagt: es wäre recht nothwendig.
FORTUNAT.
Ich habe nicht Zeit, du siehst, daß ich zu thun habe, wenn ich fertig werden will.
FRIEDRICH.
Er wird aber darüber verdrießlich werden.
FORTUNAT.
Ich kann mir nicht helfen.
FRIEDRICH.
Er wird schmählen.
FORTUNAT.
Immerhin!
FRIEDRICH.
Er wird fluchen.
FORTUNAT.
Wenn es nichts mehr ist!
FRIEDRICH.
Er wird Feuer speyen.
[222]
FORTUNAT.
Sprich: er soll wiederkommen.
FRIEDRICH.
Das habe ich ihm heute schon dreymal gesagt.
FORTUNAT.
Er soll warten.
FRIEDRICH.
Wenn sie wüßten, wie gern er wartete.
FORTUNAT.
Ich will nur das einzige Weinblatt fertig zeichnen.
FRIEDRICH.
Unterdessen läuft er zehnmal davon.
FORTUNAT.
So laß ihn laufen. Ich kann nicht augenblicklich dem Herrn aufwarten.
FRIEDRICH.
Aber denken sie doch: ihr erster Client! an dem sie die Probe machen sollen!
FORTUNAT.
Hast du Tusche gerieben?
FRIEDRICH.
Ja! hier ist sie.
FORTUNAT.
Das Blatt wird gleich fertig seyn: sage nur unterdessen, daß er herein kommen soll.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Frau Sylvesterinn. Fortunat.

FRAU SYLVESTERINN.

Glaube ich doch wohl, Fortunat! du bist gar fleißig? Du solltest mir ein Bißchen auf der Laute spielen. Aber es ist gut: ich will dich nicht stören.

FORTUNAT.

Kommen sie doch, Mama; ich bitte sie recht sehr. Kommen sie doch, und sehen sie her. Wenn sie mir gute Worte geben: so will ich ihnen das ganze Zimmer mit solchen Zeichnungen aushängen, wie die ist.

FRAU SYLVESTERINN.

Das Zimmer nur? Ich hätte lange gerne in alle meine Stuben Bilder gehabt. Es wohnt sich so hübsch in solchen Stuben. Wenn man den ganzen Tag nichts zu thun hat: so darf man nur die Bilder ansehen, so wird einem schon die Zeit nicht lang.

FORTUNAT.

Warum haben sie mir das nicht lange gesagt, Mama, daß sie die Bilder so lieb haben? Ich hätte manche überleye Stunde daran wenden können. Ich will aber schon sehen, wie ich es ende. Sie sollen bunte Bilder haben, Mama. Nicht wahr, die sind ihnen lieber? Bunte Bilder will ich ihnen malen. Ich will noch heute Farben dazu anschaffen. In einer Stube will ich ihnen Schäfereyen, in der andern Jagdstücke, in der dritten Prospecte, in der vierten Schlachten malen. Und in ihre Schlafkammer sollen lauter Nachtstücke kommen. Ich will schon sehen, wie ich fertig werde. Man kann in einem Jahre viel malen.

FRAU SYLVESTERINN.
Ich dachte, du solltest mir was auf der Laute vorspielen.
[223]
FORTUNAT.

Ach! hören sie doch, Mama; ich muß ihnen was vorsagen. Ich muß ihnen Verse vorsagen, und zwar die ich heute über Tische in ihrer aller Gegenwart gemacht habe.

FRAU SYLVESTERINN.
Heute über Tische? das ist unmöglich.
FORTUNAT.

Ja, ja. Sie wundern sich darüber? es ist aber nicht anders. Der Herr Vater redte gleich von Füchsen: unterdessen machte ich Verse.

FRAU SYLVESTERINN.
Du hast mir ja was auf der Laute vorspielen sollen.
FORTUNAT.
Es ist ja gleich viel. Die Poeten spielen auch auf der Laute, wenn sie Verse machen.
FRAU SYLVESTERINN.

Ja, ich weis nicht, was das für eine Laute seyn muß. Es müßte stille Musik seyn: denn du bist allezeit ein rechter Stock, wenn du Verse im Kopfe hast.

FORTUNAT.

Es schadet nichts: sehen sie nur, Mama: das ist der Unterscheid. Wenn man auf der rechten Laute spielt: so klingt es gleich, wenn man sie schlägt; und auf der poetischen klingt es erst, wenn man fertig ist.

FRAU SYLVESTERINN.
Ja freylich, klingt es hernach lange genug hinter drein, und ich muß es hören.
FORTUNAT.
Sie werden ja Verse hören wollen, Mama? Sie haben ja einen guten Geschmack.
FRAU SYLVESTERINN.
Nun! so sage mir sie nur her, damit ich sie los werde.
FORTUNAT.

Oben drüber setze ich: Als er sich entschloß zu lieben. Oder: Er entschließt sich zu lieben. Welches ist denn besser?

FRAU SYLVESTERINN.

Als er sich entschloß zu lieben, oder, er entschließt sich zu lieben. Bey meiner Treu, Fortunat, da sehe ich keinen Unterscheid.

FORTUNAT.

Ich kann aber doch wohl nicht alles beydes setzen. Und wenn ich eins setze: so muß ich das beste setzen.

FRAU SYLVESTERINN.

Ja, Fortunat. Wenn daran so viel gelegen ist, so mußt du jemanden fragen, der verständiger ist, als ich. So tief geht meine Einsicht nicht.

FORTUNAT.
So will ich ihnen unterdessen doch die Verse selber sagen. Die heißen so:

So ist der Schluß gemachet,
Daß ich nun lieben will.
Dem Glücke, das mir lachet
Halt ich in allem still.
Ich hab es fest beschlossen,
Und sag es mit Bedacht:
[224] Wenns gleich den Neid verdrossen;
Ist doch der Schluß gemacht.

Ihr Leute sollt es wissen,
Daß ich verliebet bin:
Ich muß die Freyheit missen,
Mein Herz ist ganz dahin.
Ein Narr, wer sein Begehren
Aus Furchtsamkeit verheelt:
Denn Lieben und entbehren
Ist was, das heimlich quält.
FRAU SYLVESTERINN.

Wenn das die Verse sind, die du über Tische gemacht: so wundert michs nicht mehr. Ich dächte, die Verse hättest du auch zur Noth in einer Mühle mit zwanzig Gängen machen können.

FORTUNAT.
Ich glaube doch, Mama: die Verse gefallen ihnen nicht?
FRAU SYLVESTERINN.

Warum gefielen sie mir denn nicht? Die Verse sind schön, Fortunat. Spiele du mir nur nun auch auf der Laute.

FORTUNAT.

Sie verstehen sich doch recht gut darauf, Mama. Es wundert mich nur, wo sie so viele Einsicht hernehmen. Sie wissen den Augenblick, was schön ist. Habe ich nicht recht viel gesagt?

FRAU SYLVESTERINN.

Gewiß recht viel. Denn es steht doch in dem ganzen Dinge nichts mehr, als daß du lieben willst: und du hast so viel gesagt, daß gleichwohl nicht wenig Zeilen davon voll geworden sind. Ich dächte, weil du so viel darinnen gesagt hast: so könntest du wohl alles beydes oben darüber setzen: Als er sich entschloß zu lieben; und, er entschließt sich zu lieben. Denn es steht oft genug in den Versen drinnen, daß du es schon zweymal oben drüber setzen kannst.

FORTUNAT.
Ich glaube, sie höhnen mich gar, Mama? Sagen sie mir es im Ernste. Gefallen ihnen die Verse nicht?
FRAU SYLVESTERINN.
Es könnte wohl seyn.
FORTUNAT.
Ach! Mama, sie verstehn es nicht. Ich wüßte nicht, was den Versen fehlte.
FRAU SYLVESTERINN.

Freylich wohl, versteh ichs nicht. Wenn ich deine Verse lobe, da versteh ichs wohl: aber, wenn ich sie nicht lobe, da versteh ichs nicht.

FORTUNAT.

Sollte denn das nicht viel gesagt seyn? Hören sie nur: Denn lieben und entbehren, ist was, das heimlich quält.

FRAU SYLVESTERINN.

Hast du die Verse gemacht? Ich habe gedacht, der Poet, daraus du mir neulich vorlasest, hätte die Verse allein gemacht So hast du sie auch gemacht? So sind die Verse zweymal gemachet worden? und du bist der andre Verfertiger dazu?

[225]
FORTUNAT.
In der That, Mama: ich weis nicht, was ihnen heute fehlt. Sie meynen etwa die Verse:

Etwas lieben und entbehren
Ist ein Schmerz, der heimlich quält.

Aber sind denn das eben die Verse? Hören sie nur:

Denn lieben und entbehren
Ist was, das heimlich quält.
FRAU SYLVESTERINN.

Ich könnte doch wohl unrecht haben, Fortunat Du mußt mirs zu Gute halten: ich verstehe es ohnedem nicht Sie sind eben so von einander unterschieden, wie deine beyden Ueberschriften: Als er sich entschloß zu lieben; und, er entschließt sich zu lieben.

FORTUNAT.

Wenn es auch einerley Verse wären, was schadete es denn? Sie hören immer gern von juristischen Sachen reden. Ich will ihnen ein Exempel geben. Wenn ich Sammet an einen Rock nähte, und der Sammet gehörte mir gleich nicht: so würde er doch mein. Und also, wenn gleich Günther die Verse gemacht hätte: so hätte ich sie doch auch gemacht, weil ich sie an meine Verse angehangen habe.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Friedrich. Die Vorigen.

FRIEDRICH.

Herr Fortunat! Ich treffe Herrn Stromen im ganzen Hause nicht an. Ich bin an die Hausthüre gelaufen, ob er etwa noch auf der Gasse gewesen wäre? Aber ich habe keinen Herrn Stromen gesehen. Er ist über alle Berge.

FORTUNAT.

Da ist der ungezogene stürmische Mann gleich davon gelaufen. Mama! die dienten werden mich noch zu tode quälen. Ich habe zur Zeit nur einen: aber er ist ganz unerträglich. Ich zweifle, ob ich jemals mehr, als einen auf einmal werde annehmen können: denn sie machen es einem Menschen gar zu sauer. Denken sie doch, das ist das viertemal, daß er heute da gewesen ist. Und da ich mit ihm reden will, so läuft er davon. Ueber den verwünschten Termin! als wenn er ihn gleich versäumen würde.

FRAU SYLVESTERINN.
Was will er denn? bist du denn noch nicht auf dem Rathhause mit ihm gewesen?
FORTUNAT.
Behüte Gott! wenn wollte ich oben gewesen seyn? Wenn hätte ich denn das große Stück gemahlt?
[226]
FRAU SYLVESTERINN.
Du versäumst es ja aber, Fortunat!
FORTUNAT.
Was werde ichs versäumen? ich habe noch vier Stunden.
FRAU SYLVESTERINN.

Ich bitte dich drum: geh doch ja mit ihm hinauf. Friedrich, geht holt Herrn Stromen wieder. Er soll geschwind kommen.

FRIEDRICH.
Das verdammte Tuschereiben kostet mich auch noch einen Weg.
FORTUNAT.
Was sagst du?
FRIEDRICH.
Ich meyne nur, die Tusche reibt man mit den Händen, und mir werden die Beine davon müde werden.
FRAU SYLVESTERINN.
Nun geht! geht!
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Frau Sylvesterinn. Fortunat.

FORTUNAT.
Wenn er aber nun tausendmal kömmt: so kann ich doch nichts mit ihm anfangen.
FRAU SYLVESTERINN.
Warum denn nicht?
FORTUNAT.
Ich kann nichts anfangen, weil ich nicht weis, was ich anfangen soll.
SYLVESTERINN.
Warum weist du denn nicht, was du anfangen sollst?
FORTUNAT.
Fragen sie doch nicht so: ich weis es nicht, weil ich es nicht weis.
SYLVESTERINN.

Ums Himmels willen! Ich habe nun den Mann gebethen, daß er dich zum Advocaten annehmen soll, und du weist nicht, was du anfangen sollst. Gott sey mir gnädig, wenn du den Mann in Schaden bringst!

FORTUNAT.
Lassen sie mich doch sorgen! Ich will es schon erfahren.
SYLVESTERINN.
Je! wie denn?
FORTUNAT.
Ich will jemanden fragen.
SYLVESTERINN.
Ach! frage doch ja! du lieber Sohn; der Herr Strom bringt mich sonst um.
FORTUNAT.

Ich habe aber den ganzen Bettel vergessen. Werde ich mich wohl darauf besinnen können? Es war ja von Tüchern.

SYLVESTERINN.
Nein! es war von Zeugen.
FORTUNAT.

Nun lassen sie es seyn. Ich denke ja nicht, daß wegen der Zeuge eine andere Proceßordnung seyn wird, als wegen der Tücher.

SYLVESTERINN.
Zeuge oder Tücher waren es gewiß. Was war es aber mit den Zeugen oder Tüchern?
FORTUNAT.
Einer von beyden hatte sie gekauft. Ich weis aber nicht, ob der Kläger oder der Beklagte.
[227]
SYLVESTERINN.
Wie war es doch? Ich glaube, es war der Kläger? Nein! nein! es war Strom.
FORTUNAT.
Es könnte wohl seyn!
SYLVESTERINN.
Nicht doch: es war der Kläger.
FORTUNAT.
Das könnte auch seyn.
SYLVESTERINN.
Ach! wie ist mir denn? Ich merke auch gar nichts. Es war der Beklagte: der Beklagte? Nicht wahr?
FORTUNAT.
Ja mich fragen sie nicht. Ich denke, sie wissen das Zeug. Ich habe mehr zu denken.
SYLVESTERINN.

Mit einem Worte. Nein! ich will darauf sterben. Es war der Kläger und kein andrer Mensch. Der hat eine, zwey, drey, viere, nein drey Kisten Tücher von Stromen gehandelt, die von Görlitz kommen sollten. Nicht wahr? Und hernach kommen ihrer viere. Nicht wahr? Und da will der Kläger die vierte auch so wohlfeil haben, und Strom will nicht? Nicht wahr? Darüber haben sie einander verklagt.

FORTUNAT.

Ich dächte ja, es müßte so gewesen seyn. Nicht wahr? Mama. Ja, es war so. Nicht wahr? Ach! sie sind auch gülden mit ihrem Gedächtnisse. Ich hätte mich auf das verwirrte Zeug nimmermehr besonnen. So wars. Gewiß, so wars. Nun will ich geschwind gehen, und jemanden fragen.

SYLVESTERINN.
Kind, itzund wird es zwey schlagen. Du versäumst den Minister.
FORTUNAT.

Ach nein! Mama. Den Minister versäume ich gewiß nicht. Es ist mir gar zu viel daran gelegen, kein Advocat zu seyn.

SYLVESTERINN.
Hernach möchtest du auch wohl gerne was anders seyn, damit du kein Secretär seyn dürftest.
FORTUNAT.
Es ist wahr, Mama. Für mich ist beydes ein Uebel. Aber man muß doch wohl das kleinste nehmen.
SYLVESTERINN.
Aber eben darum, damit du Secretär wirst, sollst du nicht weggehen.
FORTUNAT.

Sorgen sie doch nicht so. Ich bin ja den Augenblick wieder da. Wenn ich von einem Ende der Stadt bis zum andern laufen müßte; so wollte ich wieder da seyn. Sie sind gar zu sorgsam.

SYLVESTERINN.
Und Strom kömmt unterdessen; und wenn du nicht da bist: so mag ihn der Henker halten, und nicht ich.
FORTUNAT.
Ich komme ja gleich wieder, Mama. Den Augenblick komme ich wieder.
SYLVESTERINN.

Nein! ich lasse dich nicht gehen. Hernach habe ich tausend Noth. Ist denn gar kein Mittel? Du lieber Himmel! weist du denn gar nicht, was du machen sollst?

FORTUNAT.
Ich soll den Krieg Rechtens befestigen.
[228]
SYLVESTERINN.

Ey! das habe ich in dem deutschen Buche gesehen, daß ich da draußen unter deinem Bette hervornahm und aufhub. Das Ding klingt artig. Es gefiel mir gleich, da ich es las. Den Krieg Rechtens befestigen! Fortunat, siehst du. Da weist du ja nun, was du machen sollst.

FORTUNAT.
Ja! daß ich ihn befestigen soll, das weis ich wohl, aber nur nicht, wie ich ihn befestigen soll.
SYLVESTERINN.
Je nun! lieber Fortunat: so sieh doch nur in das Buch.
FORTUNAT.

Ey! der Henker müßte mich reiten, daß ich in das alte verdrießliche Buch sehen sollte. Ich wollte lieber tausendmal durch die Stadt laufen. Lassen sie mich nur gehen, Mama.

SYLVESTERINN.

Aber komme doch ja bald wieder, Fortunat. Ich will selber unterdessen gehen, und in das Buch sehen. Wenn ich nur die Bücher für dich lesen könnte! du solltest ein Advocat werden, der gleichen weit und breit nicht ist.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Frau Sylvesterinn. Strom.

SYLVESTERINN.

Kommen sie nur herein, Hr. Strom, und verziehen sie ein wenig bey mir. Mein Sohn wird gleich wiederkommen.

STROM.

Ist er nicht zu Hause? Wie? er läßt mich holen, und ist nicht zu Hause? Was soll ich denn, zum Teufel! hier machen?

SYLVESTERINN.
Sie sollen nur ein klein wenig verziehen.
STROM.
So? so hat er mich holen lassen, damit ich hier ein klein wenig verziehen soll?
FRAU SYLVESTERINN.
Er ist in ihren Angelegenheiten ausgegangen.
STROM.

Er mag in meinen, oder in des Henkers seinen Angelegenheiten ausgegangen seyn: was soll ich denn, wenn er nicht zu Hause ist?

FRAU SYLVESTERINN.

Geben sie sich doch zufrieden. Er hat mir versprochen, daß er vor zwey Uhr wieder da seyn will: und er muß da seyn, denn es hat schon zwey geschlagen.

STROM.
Wenn er da seyn müßte: so wäre er da!
FRAU SYLVESTERINN.
Ach! lieber Herr Strom, allerliebster Herr Vätter, ängsten sie mich doch nicht so.
STROM.

Ja, das sage ich ihnen, Frau Muhme: ihres Sohns dienten werden das Podagra gar nicht kriegen; denn er läßt einem die Füsse [229] nicht leicht faul werden. Aber die Gelbsucht, und die Schwindsucht, und alle übrige Suchten dazu, werden sie vor Aergerniß kriegen.

FRAU SYLVESTERINN.
Sie ärgern sich auch gar zu leicht, Herr Strom.
STROM.

Wenn das sich leicht ärgern heißt: so möchte ich doch wissen, wie schwer sie sich ärgerten? Das ist ja, zum Henker, das viertemal, daß ich heute hier bin, und ich habe ihn noch mit keinem Auge zu sehen gekriegt. Sagen sie mir doch, wo er steckt, und wo er herum läuft?

FRAU SYLVESTERINN.
Ist es denn so gar nöthig, daß sie ihn sehen?
STROM.

Frau Muhme, sie werden mich doch nicht für einen Narren haben? Wenn es nicht nöthig ist, warum lassen sie mich denn holen?

FRAU SYLVESTERINN.
Je, Herr Strom, weil wir dachten, daß sie nöthig mit ihm zu reden hätten.
STROM.
Ich werde wohl nicht nöthig mit ihm zu reden haben? aufs Rathhaus soll er mit mir gehen!
FRAU SYLVESTERINN.
Wie lange hat es denn noch Zeit?
STROM.

Wenn wir um 5 Uhr aufs höchste nicht oben gewesen sind: so ist der ganze Proceß zum Henker, er mag so schlecht und recht seyn, als er will.

FRAU SYLVESTERINN.

Nun sehen sie! Da haben sie ja Zeit. Haben sie doch nur Geduld. Der arme Mensch ist heute gar zu geplagt. Um zwey Uhr hat er zum Minister kommen sollen. Er ist ihrer Sache wegen ausgegangen, und wenn er darüber den Minister versäumte: so grämte ich mich zu tode. Denn im Vertrauen: er wird wohl Secretär bey einem Collegio werden. Um drey kömmt die Frau Richardinn und ihre Tochter zu uns. Und da sähe ich gerne, wenn er ihrer Tochter gefiele.

STROM.
Zum Teufel! ist nicht etwa um vier Uhr auch noch was? Ach! mein Proceß, der ist hin!
FRAU SYLVESTERINN.

Er ist nicht hin, Herr Strom. Mein Sohn ist ein guter ehrlicher Mensch: mit Willen thut er niemanden nichts.

STROM.

Schlimm genug für mich! Wenn er niemanden nichts thut: so wird er meinem Kläger auch nichts thun. Der hat doch einen Advocaten, der ein Advocat ist! Herr Renner, das ist ein Mann, dergleichen sonst nicht ist. Der rennt seinen Clienten die Thüre bald ein, wie ich meinem Advocaten. Sagen sie aber nur, Frau Muhme, warum er nicht früh gegangen ist?

FRAU SYLVESTERINN.

Ich glaube nicht anders, als daß er zehen Bücher ihrer Sache wegen nachgelesen haben muß. Er ist mein Tage so still nicht gewesen. Er ist nicht aus der Stube gegangen. Herr Vätter, ich glaube, daß er sich eingeschlossen hat. Ja, daß wir nicht eins ins andre reden: Herr Strom, seyn sie doch so gut, und erzählen sie [230] mir die Sache noch einmal. Wir konnten uns vorhin nicht recht darauf besinnen.

STROM.
Nun! so wollte ich auch, daß der Henker alle meine Feinde zu dem Advocaten führen müßte.
FRAU SYLVESTERINN.
Ach! wenn sie nur kämen! Ich wollte das Haus nicht zuschließen.
STROM.
Er hat ja nachgelesen, wegen meiner Sache?
FRAU SYLVESTERINN.
Ich denke.
STROM.
Wohl zehen Bücher?
FRAU SYLVESTERINN.
Ich glaube es.
STROM.
Er ist sein Tage so still nicht gewesen?
FRAU SYLVESTERINN.
Das ist gewiß.
STROM.
Er ist nicht aus der Stube gegangen?
FRAU SYLVESTERINN.
Das will ich beschwören.
STROM.
Er hat sich gar eingeschlossen?
FRAU SYLVESTERINN.
Das könnte wohl seyn.
STROM.
Und kann sich auf die Sache nicht besinnen?
FRAU SYLVESTERINN.
So hören sie doch. Besinnen konnte er sich wohl: aber nur nicht recht.
STROM.
So wird er sich wohl unrecht besonnen haben.
FRAU SYLVESTERINN.
Nein! er weis die Sache. Ich habe ihm drauf geholfen.
STROM.
Nun! wenn er sie weis, was soll ich sie denn erzählen?
FRAU SYLVESTERINN.

War es nicht so? Ihr Kläger hatte Zeuge von ihnen erhandelt, die mit der und der Gelegenheit von Görlitz kommen sollten, und das drey Kisten?

STROM.
Nicht doch! Vier Kisten. Sonst war es recht.
FRAU SYLVESTERINN.

Ja, viere. Nun sehn sie, daß er es weis. Und war es nicht weiter so? Hernacher kommen fünf Kisten, und da will der Kläger die fünfte eben so wohlfeil haben, als die andern. Und sie wollen sie ihm nicht geben.

STROM.

So mag der Henker ihrem Sohne was zu thun geben, und nicht ich? Lassen sie mich gehen; ich will einen andern Advocaten suchen.

FRAU SYLVESTERINN.

Herr Vätter, allerliebster Herr Vätter! sie werden uns doch nicht den Schimpf anthun, und aus der Familie gehn.

STROM.

Was? Familie! Familie! Wenn ich einen guten Advocaten habe! so frage ich den Henker darnach, ob er mein Vätter ist oder nicht.

FRAU SYLVESTERINN.
Er wird schon werden, Herr Vätter. Er fängt erst an.
STROM.

Wenn er anfängt, und will nicht besser an fangen: so mag er, [231] wie die andern Advocaten, bey den verunglückten Weibspersonen anfangen, ihnen zu helfen, und bey mir nicht. Ich will einen Advocaten haben, der schon ist wie er seyn soll; und nicht einen, der es erst werden soll, und zumal, wenn ers auf ihr Versprechen erst werden wird.

SYLVESTERINN.
Was ist es denn aber? habe ich denn die Sache nicht recht innen?
STROM.
Sie haben ihm darauf geholfen, wers weis?
SYLVESTERINN.
Hat denn ihr Kläger nicht Zeuge von ihnen erhandelt?
STROM.
Das weis ich, daß er sie erhandelt hat.
SYLVESTERINN.
Nicht vier Kisten?
STROM.
Das habe ich ihnen gesagt.
SYLVESTERINN.
Und sind ihrer nicht hernach fünfe gekommen?
STROM.
Warum nicht zwanzig? Drey kamen ihrer. Drey, sage ich: Hören sies?
SYLVESTERINN.
Das ist ja weniger, als er gehandelt hat?
STROM.
Das ist es eben!
SYLVESTERINN.
Und was will er denn also haben?
STROM.

Die vierte will er haben. Ich denke, es kommen ihrer viere: und die viere, die mit der Gelegenheit kommen werden, verhandle ich. Nun kommen nur ihrer dreye. Ich habe ihm die verkauft, die kommen werden, und nicht die, die nicht kommen wer den. Nun soll ich ihm die vierte schaffen, und die Zeuge sind gestiegen: so will ich nicht.

SYLVESTERINN.

So? Nun weis ichs erst. Hören sie, Herr Strom: sie müssen mich nicht auslachen. Ich dächte, sie hätten ja den Proceß ersparen können. Sie hätten die drey Kisten in viere packen dürfen.

STROM.

Da haben wirs. Nicht wahr, Frau Sylvesterinn? Ich bin ein rechter Narr, daß ich sie nicht zum Advocaten annehme: ich dürfte gewiß nicht aus der Familie gehen. Frau Muhme, mit einem Worte. Ich frage sie, ob ihr Sohn kommen wird, oder nicht?

SYLVESTERINN.

Herr Strom, es ist mir gewiß mehr angst, als ihnen, daß er nicht kömmt. Daß Gott erbarme! der Mensch versäumt den Minister. Da wird er nicht Secretär. Ach! was werd ich noch anfangen?

STROM.

Secretär hin, Secretär her! wenn er nur ehrliche Leute nicht auch versäumte, die sich auf ihn verlassen.

SYLVESTERINN.

Herr Strom, er soll gewiß zu ihnen kommen, aufs wenigste vor vieren. Ich verspreche es ihnen, ich will ihn hintragen lassen. Er soll sich vor meinen Augen in die Sänfte setzen, damit ich gewiß weis, daß er hinkömmt.

STROM.

Er mag aber ja nicht angestochen kommen, daß er die [232] Sänfte auch mit bezahlt haben wollte. Keine Sänfte habe ich meinen Advocaten noch nicht bezahlt.

SYLVESTERINN.
Nun! das bedeutet nichts. Verlassen sie sich darauf. Mein Sohn kömmt gewiß zu ihnen.
STROM.

Frau Muhme, ich habe ihren Sohn zum Advocaten genommen, weil sie mir nicht eher vom Halse gegangen sind. Nehmen sie sich in acht mit ihm. Denn, wenn er mich in Schaden bringt, hernacher hilft nichts: sie mögen schreyen, daß ich aus der Familie gehe, wie sie wollen. Und der erste Advocat, den ich hernach außer der Familie nehme, soll der seyn, der mir sie und ihren Sohn verklagen hilft. Gott behüte sie, Frau Muhme.

SYLVESTERINN.
Ich empfehle mich ihnen, Herr Vätter. Gehn sie nur nicht aus der Familie!
2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Frau Sylvesterinn. Fiekchen.

FIEKCHEN.

Mamachen, sehen sie doch. Ich bin schon ganz und gar fertig angezogen. Ich glaube, der Seiger gehet gar zu langsam.

SYLVESTERINN.

Ach! laß mich gehen, Fiekchen. Wenn doch nur Fortunat wieder da wäre! Habe ich nicht seinetwegen ausgestanden? Hat der Strom nicht geschrieen und gestürmet! Ich bin in rechter Todesangst gewesen. Und nun ist er noch nicht da. Er hat nicht einen Augenblick mehr überley! Was fienge ich denn an, wenn der Mensch nicht zu rechter Zeit zum Minister käme? Er bleibt ja ewig außen!

FIEKCHEN.

Mamachen, man siehts wohl, daß ich und Fortunat nicht leibliche Geschwister sind. Fortunat, denke ich, nimmt immer gar zu viel vor. Ich habe den ganzen Tag immer mit einerley genug zu thun, und werde doch wohl nicht fertig. Wir mögen Besuch geben oder kriegen: so habe ich gewiß vom frühen Morgen an zu thun, und muß hernach doch wohl noch alles überhin machen, damit ich mich nicht vor den Leuten halb angezogen darf sehen lassen. Aber Mamachen, soll denn Fortunat auch da seyn, wenn Jungfer Lieschen herkömmt?

SYLVESTERINN.
Freylich soll er da seyn.
FIEKCHEN.
Und soll erst noch wiederkommen? und auch erst noch weggehen? und noch einmal wiederkommen?
SYLVESTERINN.
Das ist es eben, was mir solche Angst macht.
FIEKCHEN.

Ich dächte, Mama, das wäre unmöglich. Einer von beyden Personen, dächte ich, müßte er es wohl abschlagen lassen, dem Minister oder Lieschen. Wer von beyden ist denn wohl mehr? Doch[233] wohl Lieschen. So wird er nun wohl zum Minister schicken müssen, daß es ihm heute nicht gelegen wäre.

SYLVESTERINN.
Sey doch nicht so närrisch. Lieschen wird mehr seyn, als der Minister!
FIEKCHEN.

Je nun, Mamachen. Wenn ich närrisch bin: so müßte es Fortunat auch seyn. Der spricht immer: das Frauenzimmer wäre allezeit mehr, als die Mannspersonen; und der Minister ist ja eine Mannsperson.

SYLVESTERINN.

Es wird schon angehen, daß er bey Lieschen auch noch zurechte kömmt; wenn er wieder vom Minister gekommen ist.

FIEKCHEN.

Aber Mamachen, ich weis nicht, warum Jungfer Lieschen niemals lange bleibt? Sie muß doch gerne was zu thun haben. Ich bleibe allezeit recht gerne bey fremden Leuten. Zu Hause hat man doch immer zu thun und zu laufen. Aber wenn man zum Besuche ist, so kann man doch fein ein Weilchen stille sitzen, und die Hände in den Schooß legen.

SYLVESTERINN.

Ach! der böse Fortunat! der kömmt nun noch nicht! Da warte ich auf ihn, und kann mir nicht helfen. Wenn ich gleich nach ihm schickte: wo will ich ihn suchen? Ach! ich weis auch nicht, was mir gefehlet hat, daß ich ihn nicht gefraget habe, wo er hingienge: so könnte ich ihn doch holen lassen. Gebe doch nur der Himmel, daß der Minister unterdessen zu thun hat, und niemanden vor sich lassen kann, bis mein Fortunat wieder da ist, und hingehet. Fiekchen, laß den Caffee brennen: der Besuch möchte bald kommen.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Die Vorigen. Ein Goldschmidtsjunge.

FIEKCHEN.
Es ist jemand da, Mama, Immer herein, guter Freund.
GOLDSCHMIDTSJUNGE.

Frau Sylvesterinn, ihr Herr Sohn ist in unserm Laden gewesen. Er läßt sich ihnen schön empfehlen, und sie sollten doch so gut seyn, und sollten ihm die silbernen Schuhschnallen kaufen. Er wollte sie einmachen, wenn er zum Minister gienge.

SYLVESTERINN.
Höre doch, Fiekchen, er ist im Laden: aber, da kann er doch niemanden um Rath fragen?
GOLDSCHMIDTSJUNGE.

Es könnte doch wohl seyn. Er redte eine gute Weile mit meinem Herrn. Ob er ihn nun um Rath gefragt hat, das weis ich nicht. Er besah silberne Degengefäße.

SYLVESTERINN.

Daß doch ja dem Menschen nicht einfällt, daß er auch noch einen silbernen Degen fertig haben will, ehe er zum Minister geht!

[234]
FIEKCHEN.
Wollte er denn gleich wieder hieher gehen?
GOLDSCHMIDTSJUNGE.
Das weis ich nicht. Er ist schon ziemlich lange im Laden.
SYLVESTERINN.

Laßt nur die Schnallen da. Ich will mit eurem Herrn schon selbst handeln. Ich muß erst mit meinem Sohne reden. Wenn er noch im Laden ist: so sprecht, er soll geschwinde zurückkommen.

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Fiekchen. Frau Sylvesterinn.

SYLVESTERINN.
Nein! Fiekchen, sage nur, wie ich den Sohn nach Hause kriege.
FIEKCHEN.

Er wird ja nun kommen! Weil er schon lange im Laden gewesen ist: so wird er nicht mehr lange da seyn.

SYLVESTERINN.

Das ist eben, als wenn ich zu dir spräche: wenn du schon lange getrödelt hättest; so würdest du nicht mehr lange trödlen.

FIEKCHEN.
Mamachen, schweigen sie doch davon nur heute still. Ich habe mich ja so bald angezogen.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Friedrich. Die Vorigen.

FRIEDRICH.
Frau Sylvesterinn, Herr Sylvester läßt fragen, ob mein Herr zum Minister wäre?
SYLVESTERINN.

Was lasse ich nun sagen? Lasse ich nun sagen: er ist noch nicht zu ihm; so kriegen er und ich harte Worte. Und lasse ich sagen: er ist fort; so muß ich um des verzweifelten Menschen willen meinem Manne vorlügen.

FIEKCHEN.

Ich dächte, Mama, sie ließen sagen, er wäre fort. Denn er ist ja auch gewiß fort. Das ist es eben, was ihnen so viel Sorge macht.

SYLVESTERINN.
Ach! schweig still. Friedrich, sagt ihr gar nichts, sondern lauft, was ihr könnt.
FRIEDRICH.

Das ist wahr. Der Herr bringt mit seinem Laufen meine Beine immer auch in den Lauf. Wohin soll ich denn laufen?

SYLVESTERINN.
Ueberall hin, wo ihr nur denkt, daß er seyn könnte.
FRIEDRICH.

So werde ich lange laufen, und der Minister wird lange warten müssen. Denn ich denke, er könnte überall seyn.

SYLVESTERINN.
Erst seht, ob er noch hier bey dem nächsten Goldschmiede ist.
[235]
FRIEDRICH.
Das will ich wünschen, daß er da ist; aber nicht hoffen: denn an einem Orte bleibt er nicht lange.
SYLVESTERINN.

Und wo ihr ihn antrefft: so sprecht, er soll den Augenblick zum Minister gehen, ohne erst wieder hieher zu kommen. Ich lasse es ihm befehlen; und eher geht nicht von ihm, bis er fort ist.

FIEKCHEN.

Ich denke wohl, der Minister wird ja nicht so gleich Zeit haben, ihn vor sich zu lassen: denn die Herren haben viel zu thun: und unser eins hat wenig zu thun, und doch immer nicht Zeit.

SYLVESTERINN.

Eben deswegen wird er ihn gleich vor sich lassen, weil er mehr zu thun hat. Nun, Friedrich, lauft! Du stehst noch immer, Fiekchen? Du hast sollen den Caffee brennen lassen.

FIEKCHEN.
Ja, ja, Mamachen.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Fiekchen. Frau Sylvesterinn. Ein Tabletkrämer.

FIEKCHEN.
Mama. Da ist schon wieder jemand. Schickt ihn Fortunat etwa auch her? Immer herein.
TABLETKRÄMER.

Meine Frau. Hier stand jemand oben an der Ecke mit noch jemanden, der sagte, ich sollte zu ihnen gehen. Sie sollten einen hübschen Fächer auslesen. Sie würden schon wissen, für wen.

SYLVESTERINN.
Wer wars denn? Wer hat euch denn hergeschicket?
TABLETKRÄMER.
Ich weis nicht anders, als Jemanden, der sagte, daß sie einen hübschen Fächer auslesen sollten.
SYLVESTERINN.

Ich brauche keinen Fächer. Sagt ihr nur dem Jemand, der euch hergeschickt hat, ich hätte Fächer genug.

FIEKCHEN.

Mamachen, ich denke es wird wohl für mich seyn, daß sie einen auslesen sollen. Fortunat hat mir immer versprochen, daß er mir was schenken will; weil er mir nichts mitgebracht hat, da er nach Hause kam. Behalte sie doch immer einen Fächer.

SYLVESTERINN.
Ich kann keinen Fächer auslesen, wenn ich nicht weis, für wen er seyn soll.
TABLETKRÄMER.
Meine Frau! lassen sie mich doch nicht umsonst hiehergekommen seyn.
SYLVESTERINN.
Mit einem Worte, ich brauche nichts.
TABLETKRÄMER.
Die Leute sind nicht gut, die nichts brauchen: denn die kann ich auch wieder nicht brauchen.
SYLVESTERINN.
Je, Fiekchen! du sollst den Caffee brennen lassen.
FIEKCHEN.
Ja doch! ja!
7. Auftritt
[236] Siebenter Auftritt.
Fiekchen. Frau Sylvesterinn. Ein Lackey.

FIEKCHEN.
Mama! schon wieder jemand. Ein Herrendiener.
SYLVESTERINN.
Laß ihn herein kommen.
LACKEY.

Ihr Herr Sohn läßt sich ihnen schönstens empfehlen, und ob sie nicht so gütig seyn, und ihm seine Stiefeln schicken wollten? Er wollte ein Pferd versuchen, das mein Herr kaufen will.

SYLVESTERINN.
Wo ist denn mein Sohn? Ich warte mit rechter Angst auf ihn.
LACKEY.
Er ist meinem Herrn auf der Gasse begegnet, und sie wollten mit einander zum Roßhändler gehen.
SYLVESTERINN.
Du lieber Himmel, Fiekchen, was fange ich an?
FIEKCHEN.

Wenn er die Stiefeln an und wieder ausziehen soll: so kömmt er ja wohl in vielen Stunden nicht wieder. Denn das Ding braucht Zeit.

SYLVESTERINN.

Sagt, ich ließe ihn grüßen, und er sollte lieber zu den Stiefeln kommen, als daß er die Stiefeln zu sich kommen ließe. Ach! Fiekchen. Den Caffee laß machen. Laß dir es doch nicht so oft sagen!

FIEKCHEN.
Mamachen, die vielen Leute lassen mich nicht dazu kommen.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Fiekchen. Frau Sylvesterinn. Ein Materialistenjunge.

FIEKCHEN.
Wirklich, Mama. Sie müssen das Haus zuschließen. Hier kömmt noch jemand.
SYLVESTERINN.
Ach! ich möchte in Ohnmacht fallen, das ist gewiß wieder von meinem Sohne!
MATERIALISTENJUNGE.
Es hat jemand in unserm Laden die Farben gekauft, und hat mir befohlen, sie herzutragen.
SYLVESTERINN.

Wenn heute jemand kömmt, und mir von Jemanden redet: so darf ich nur denken, daß es von Fortunaten ist. Ist er denn noch im Laden?

MATERIALISTENJUNGE.
Nein.
SYLVESTERINN.
Es ist gut!
FIEKCHEN.
Ich dächte mit den Farben könnte Fortunat die ganze Stube malen. Wozu sollen denn die Farben?
9. Auftritt
[237] Neunter Auftritt.
Fiekchen. Frau Sylvesterinn.

SYLVESTERINN.

Ach! rede mir itzund nicht von den Farben vor. Die verwünschten Schuhschnallen! Der verdammte Fächer! Die verfluchten Stiefeln und das Pferd dazu! Die vermaledeyten Farben! Muß er denn zehnerley vornehmen? Ach! warum habe ich denn den Menschen ausgehen lassen? Daheim hätte ich ihn behalten sollen! Das Haus hätte ich ihm zuschließen sollen! Den Hut, den Degen, die Kleider vom Leibe hätte ich ihm verstecken sollen. Bis um zwey Uhr hätte ich ihn hüten sollen, daß er nicht von der Stelle gekonnt hätte. Ach! nun werde ich ihn nimmermehr versorgen können. Die Stunde, zwey Uhr, zwey Uhr! das war meine ganze Hoffnung. Itzund könnte ich Glückwünsche annehmen, wenn er da gewesen wäre.

10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Friedrich. Die Vorigen.

FRIEDRICH.

Frau Sylvesterinn. Ich habe meinen Herrn auf der Gasse gehen sehen: ich konnte ihn aber nicht einholen. Er ist ganz gewiß zum Minister gegangen. Er gieng um die Ecke herum, und ich wüßte nicht, wo er sonst hingekommen wäre, als zum Minister. Denn er war gleich weg aus meinen Augen.

SYLVESTERINN.

Ist er zum Minister? Friedrich, kann ich mich drauf verlassen? Und ihr habt ihm nichts gesagt? Und er ist selber so klug gewesen? Fiekchen, glaube nur, dein Bruder wird noch der ordentlichste Mensch von der Welt werden. Je! das ist ja vortrefflich. So ist er gleich hingegangen? Was hat er aber mit den Schnallen gewollt? Ich dürfte sie nun bald wieder zum Goldschmiede schicken. Nein! nein! ich will sie ihm schenken, weil er doch gleich zum Minister gegangen ist. Ach! nun fange ich wieder an zu leben. Der Minister wird ein paar Viertelstunden nicht so genau nehmen. Es ist noch lange nicht drey Uhr. Aber, Friedrich, räumt geschwinde meines Sohnes seine Sachen aus der Stube.

FRIEDRICH.
Ja, ja. Es soll gleich aufgeräumet wer den.
SYLVESTERINN.
Warum gehet ihr denn fort? Wo wollet ihr denn hin?
FRIEDRICH.
Ja. Ich will geschwind Cathrinen holen, daß sie es thun soll.
SYLVESTERINN.
Unterdessen daß ihr hingeht, habt ihr es ja selber gethan.
FRIEDRICH.

Behüte Gott! Frau Sylvesterinn, ich würde ihrer Magd nicht den Schimpf anthun, und ihr ins Amt greifen. Was würde sie dazu sagen? Ich will sie gleich holen.

[238]
SYLVESTERINN.
Warum wollt ihr denn nicht aufräumen. Es könnte ja schon geschehen seyn.
FRIEDRICH.

Wenn ich nun an Cathrinen ihrer Stelle waschen und platten wollte: so würden sie es nicht zugeben. Das Aufräumen gehöret eben so wenig unter die Pflichten eines männlichen Bedienten, als das Waschen und Platten. Cathrine soll gleich da seyn, Frau Sylvesterinn.

11. Auftritt
Eilfter Auftritt.
Frau Sylvesterinn. Fiekchen.

SYLVESTERINN.
Ist der Friedrich nicht ein Narr? Aber Fiekchen, du läßt den Caffee noch nicht machen?
FIEKCHEN.
Nun, das habe ich auch vergessen!
SYLVESTERINN.
Siehst du? du wärst ungeheißen, gewiß nicht zum Minister gegangen.
FIEKCHEN.
Mamachen, es fällt mir was ein. Ich möchte mich gern noch zurechte machen.
SYLVESTERINN.
Schäme dich! Ich dachte du wärst fertig?
FIEKCHEN.

Ja! ich habe aber was vergessen. Sie sehen, daß ich den Kopf vorn gepudert habe und hinten nicht. Ich habe aber sehen wollen, wie es steht, wenn ich ihn hinten puderte, und vorne nicht.

SYLVESTERINN.
Du närrisches Kind, was wirst du noch angeben? Du wirst dich doch nicht auslachen lassen wollen?
FIEKCHEN.

Wer wird mich denn auslachen? Wenn man mich nicht auslachet, wenn ich vorne gepudert, und hinten ungepudert bin: so kann man auch nicht lachen, wenn ich hinten gepudert, und vorne ungepudert bin. Denn es sind einmal so gut zweyerley Haare, als das anderemal.

SYLVESTERINN.

Wer wird nun so denken? Weil ein Mannskleid vorne Taschen hat und hinten keine: so kann es auch hinten welche haben, und vorne keine!

FIEKCHEN.
Nun, so will ich mich hinten auch pudern: so weis ich gewiß, daß es recht ist.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Die Vorigen. Friedrich. Cathrine.

CATHRINE.

Frau Sylvesterinn, ist es denn wahr, daß es auch mit zu meinem Amte gehöret, Herr Fortunaten nachzuräumen?

SYLVESTERINN.
Es wird wohl zu meinem Amte gehören. Ich werde es wohl selbst thun müssen.
[239]
CATHRINE.

Aber wahrhaftig, Frau Sylvesterinn, da ich zu ihnen gezogen bin: haben sie mich nicht mit angewiesen, ihres Sohnes seine Aufräumerinn zu seyn. Ich habe es vorhin thun wollen, und thäte es auch wohl noch; wenn nur Friedrich nicht spräche, es gehörte zu meinem Amte.

SYLVESTERINN.
Was verschlägt dir es nun? wenn du es einmal thust, ob es zu deinem Amte gehöret, oder nicht?
CATHRINE.

Das verschlägt mir! Wenn es nicht zu meinem Amte gehört: so muß Herr Fortunat sprechen: Cathrine, ich bedanke mich, daß ihr mir lüderlichen und unordentlichen Menschen nachgeräumet habt. Und hernach kömmt es auf mich an, ob ich sprechen will: zu dienen; es ist meine Schuldigkeit gewesen. Friedrich, komm her, du mußt mir helfen. Du mußt wenigstens die halbe Unordnung deines Herrn tragen.

SYLVESTERINN.

So mache bald, Fiekchen, und komm, wenn du dich noch anders zurechte machen willst. Ich will unterdessen den Caffee selber besorgen. Räumt ihr alles weg, nur die Laute laßt hier, damit man sie vorsetzt.

13. Auftritt
Dreyzehnter Auftritt.
Cathrine. Friedrich.

FRIEDRICH.

Cathrine, wenn ich dir einmal in deinem Amte helfen soll: so muß ich dir überall helfen, wo mirs gelegen ist, und so muß ich dir auch mit kochen helfen.

CATHRINE.
Es ist gut; herzlich gern: du sollst Wasser tragen und scheuern. Das übrige will ich thun.
FRIEDRICH.

Nicht doch! das wäre artig getheilt. Nein! so wollen wir nicht wetten, sondern so: du sollst das Essen machen, und ich will es kosten.

CATHRINE.
Großen Dank! So behalte ich mein Amt allein.
FRIEDRICH.
So helfe ich dir itzo nicht.
CATHRINE.

Es ist noch die Frage, ob du mir hilfst, oder ich dir? Denn es ist deines Herrn seine Unordnung, und nicht meines Herrn seine.

FRIEDRICH.
Nun, so greife doch auch an! Ich will die Stiefel nehmen.
CATHRINE.
Nein! die will ich nehmen.
FRIEDRICH.
Du sollst nicht. Ich will sie nehmen.
CATHRINE.
Nun, so wollen wir jeglicher einen nehmen.
FRIEDRICH.
Ey! komm doch her, Cathrine. Siehst du, wie mein Herr malt.
CATHRINE.

Ey! es wird was kluges seyn. Pfuy. Es ist ja alles schwarz und weiß, als wenn es halbe Trauer wäre. Nein! wenn ich malen [240] könnte: so wollte ich besser malen. Es sollte alles so schön sehen, wie der liebe Regenbogen.

FRIEDRICH.
Ach! du verstehst es nicht.
CATHRINE.
Nun! Und was ist es denn? Was malt er denn?
FRIEDRICH.
Je! siehst du denn nicht? Einen Fuchs.
CATHRINE.

Wenn er einmal malen wollte: so dächte ich auch, er könnte was klügers malen. Wenn er noch etwa mich malte.

FRIEDRICH.

Es ist auch wahr. Es würde viel klüger seyn, wenn er eine Meerkatze malte, als wenn er einen Fuchs malte.

CATHRINE.
Und die Meerkatze würde hernach ihr Bildniß einem Affen schenken, der solltest du seyn.
FRIEDRICH.
Ach ja! schenke du mir es nur. Ich könnte was damit erwerben. Ich wollte es fürs Geld sehen lassen.
CATHRINE.
Nun! wenn ich aufräumen soll: so komm, und mache fort!
FRIEDRICH.

Es ist gut, wenn du die Stiefel nehmen willst: so nimm die Spornen auch dazu. Ich will das Malerzeug nehmen.

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Frau Sylvesterinn. Fortunat.

SYLVESTERINN.
Bist du denn wieder da, Fortunat? Nun! bist du denn Secretär?
FORTUNAT.
Ist es wahr, Mama? Bin ichs.
SYLVESTERINN.
Ich glaube gar, du fragest mich erst. Weist du denn noch nicht, ob du es bist?
FORTUNAT.

Nun! wenn ichs bin; so ist es gut. Behüte Gott, wo wollte ich es wissen? Bey dem Goldschmiede habe ich nichts davon gehört. Mama, haben sie die Schnallen?

SYLVESTERINN.
Ja. Wenn du mir nur nicht so viel Angst gemacht hättest! Ich bin unterdessen bald gestorben.
FORTUNAT.

Worüber haben sie sich den geängstiget? Ich gieng bey dem Goldschmiede vorbey: so fiel mirs ein, und auf den Augenblick könnt ich ja leichtlich zu ihm gehen. Bey dem Herrn, dessen seinen Lackey ich herschickte, habe ich auch nichts gehört, ob ich Secretär bin. Aber warum schickten sie mir die Stiefel nicht?

SYLVESTERINN.
Ey! ich hätte dir die Stiefel schicken können! daß du mir den Minister verritten hättest!
[241]
FORTUNAT.
Haben sie einen Fächer ausgelesen? Mama? Ich wollte ihn Jungfer Lieschen schenken.
SYLVESTERINN.

Bist du der Jemand gewesen, der mir den Mann über den Hals geschicket hat? Warum hast du es nicht besser ausrichten lassen? Ich wußte viel, für wen er seyn sollte.

FORTUNAT.

Es ist gut, Mama. Ich habe mich unterweges anders besonnen. Ich will selber einen malen. Es läßt verbindlicher, wenn er von meiner eignen Hand gemalet ist. In dem Laden habe ich auch nichts gehöret, wo ich die Farben kaufte. Sie haben doch die Farben?

SYLVESTERINN.
Ja, die habe ich. Hast du Stroms seiner Sache wegen jemanden um Rath gefragt?
FORTUNAT.

Der Henker hole mich, Mama! Das habe ich vergessen. Auf dem Rückwege dachte ich wohl dran, da ich bald zu Hause war. Aber da war mir es zu verdrießlich, noch zu jemanden zu gehen, und ich war müde. Ich habe aber selber nachgedacht. Und ich will dem Kläger schon Ausflüchte genug machen. Exceptionem fori, exceptionem non praestitae cautionis, exceptionem inepte formati libelli, exceptionem illegitimationis, inhabilitatis, non competentis actionis: ein ganz Register vollexceptiones dilatorias will ich ihm entgegen setzen.

SYLVESTERINN.
Was war das? Wie hieß esexcex – – – –
FORTUNAT.
Exceptiones dilatorias.
SYLVESTERINN.
Was sind denn das für Sachen?
FORTUNAT.
Das sind Ausflüchte, die die Sache verschieben, aber nicht gewinnen.
SYLVESTERINN.
Ey! Strom wird dich führen, wenn du ihm die Sache verschieben, aber nicht gewinnen willst.
FORTUNAT.

Das ist auch nur ein Bißchen zum Behelfe. Wir Advocaten nehmen alles mit, wenn es gleich nicht viel hilft.

SYLVESTERINN.
Wir Advocaten! Zumal dich mitgerechnet.
FORTUNAT.

Aber das ist noch nicht die Hauptsache, Mama. Verlassen sie sich auf mich. Der Proceß ist gewonnen. Ich sage es ihnen, daß er gewonnen ist. Es ist mir eingefallen: ich habe auch exceptionem plus petitionis.

SYLVESTERINN.
Du weist ja, daß ich kein Lateinisch verstehe. Du mußt mir es erklären.
FORTUNAT.

Mama, sie wollen auch gar zu viel wissen. Sie hätten mich nicht examiniren dürfen: ich wüßte nicht, wie ich bestanden wäre.

SYLVESTERINN.

Je nun! lieber Fortunat. Ich habe meine Freude dran, wenn ich sehe, daß du was weist, das ich nicht weis.

FORTUNAT.

Ich will es ihnen sagen, Mama, was es deutsch heißt. Es [242] will zwar nicht recht klappen: Exceptio plus petitionis heißt ungefähr, die Ausflucht des Mehrbittens.

SYLVESTERINN.
Ja, du gutes Kind, wenn das deutsch ist, so bin ich keine Deutsche.
FORTUNAT.

Nun, Mama. Ich will mein äußerstes thun; ich will es ihnen erklären. Strom wendet gegen seinen Kläger ein, daß der Kläger mehr von ihm haben will, als er ihm versprochen hat, und zu geben schuldig ist.

SYLVESTERINN.

Höre, Fortunat. Wenn du dich nur darauf besonnen hättest: so hättest du nicht weglaufen, und deiner Mutter so viel Angst machen dürfen.

FORTUNAT.

Ja, freylich. Wenn ich mich darauf besonnen hätte. Aber man kann sich ja nicht eher worauf besinnen, als bis es einem einfällt.

SYLVESTERINN.
Warum ist dir es aber nicht vorhin eingefallen?
FORTUNAT.
Weil ich nicht daran gedacht habe.
SYLVESTERINN.
Aber, warum hast du nicht dran gedacht?
FORTUNAT.
Kann man denn an was sogleich denken, wenn man will?
SYLVESTERINN.

Nun, es ist wohl wahr, du lieber Fortunat Aber höre, du hast die Sache auch nicht recht gewußt Strom sagte, es wäre falsch.

FORTUNAT.
Sie haben mir es ja gesagt, Mama.
SYLVESTERINN.
Das weis ich wohl.
FORTUNAT.
Warum haben sie sich aber nicht vorhin besonnen?
SYLVESTERINN.

Je nun! es war mir nicht recht eingefallen. Du sprichst ja: man könnte nicht gleich an was denken, wenn man wollte. Ich will dir sagen, wie es war. Es waren vier Kisten, die der Kläger gehandelt hatte. Hernach sind ihrer nur drey gekommen. Und der Kläger will sie alle viere haben.

FORTUNAT.

Ja so! So ist der Proceß noch nicht gewonnen, Mama. Ach! hätten sie sich doch vorhin besonnen. So hätte ich mich auch nun besonnen, was ich machen sollte.

SYLVESTERINN.
Wer hat es denn merken sollen? Ich, oder du?
FORTUNAT.
Wenn ich alles merkte, was ich nicht merke: so müßte ich viel merken.
SYLVESTERINN.
Was werden wir denn nun mit deiner Ausflucht des Mehrbittens machen?
FORTUNAT.

Nun! hören sie nur! Wenn der Kläger vier Kisten haben will, und Strom will ihm nur drey geben: so denkt ja Strom auch, jener will mehr haben, als er ihm geben darf. Weil ich nun Stroms sein Advocat bin: so muß ich denken wie Strom, also behalte ich meine Ausflucht des Mehrbittens; es mag werden, wie es will.

[243]
SYLVESTERINN.

Höre, mein Sohn, wenn Strom und du das denken: so dächte ich, ihr dächtet alle beyde nicht recht. Denn, wenn der Kläger vier Kisten gehandelt hat, und fordert auch die; so fordert er ja, was ihm Strom versprochen hat, und was er ihm schuldig ist: und also fordert er nicht mehr.

FORTUNAT.

Das läßt sich hören, Mama: das sage ich ihnen. Ich habe einmal ein Bißchen davon gehört, daß die Frauenspersonen deswegen keinen Schaden litten, wenn sie gleich von Rechtssachen nichts wüßten. Aber ich schwöre es ihnen; wenn ich einmal Gesetze geben sollte: so sollten ihnen zu Ehren die Frauenspersonen doppelt gestraft werden, wenn sie was von dergleichen Sachen nicht wüßten.

SYLVESTERINN.
Gott behüte mich! Du gottloses böses Kind: wolltest du deine Mutter doppelt strafen?
FORTUNAT.
Das wäre ja ihnen zu Ehren, Mama. Das wäre ein Zeichen, daß sie doppelt klug wären.
SYLVESTERINN.

Ja, Fortunat. Du hast mir ja noch nichts vom Minister gesagt. Wie war er denn? Was sagte er denn? Wie that er denn gegen dich?

FORTUNAT.

Sie fragen auch noch immer, was der Minister vor vier Wochen gesagt hat? Ich habe es ihnen doch alle Tage erzählen müssen.

SYLVESTERINN.
Ich will wissen, was er heute gesagt hat.
FORTUNAT.
Heute? Noch kein Wort. Wenn hätte ich denn heute mit ihm geredet?
SYLVESTERINN.
Nach zweyen, da du hingegangen bist.
FORTUNAT.
Wenn wäre ich denn hingegangen?
SYLVESTERINN.

Ach! der lüderliche Mensch ist noch nicht bey dem Minister gewesen. Ach! nun wirst du nicht Secretär! Nun kriegest du Jungfer Lieschen nicht! Nun muß ich dich dein Lebtage ernähren! Fiekchen, Fiekchen, ungrisch Wasser! Ach! du nachläßiges, sorgenloses, leichtfertiges Kind! Geschwinde geh zum Minister! Geh, geh! es ist schon versäumt!

FORTUNAT.
Nun, Mama. So geben sie mir nur die silbernen Schuhschnallen, daß ich sie einmachen kann.
SYLVESTERINN.
So geh doch! und laß dich nicht wieder sehen, wenn du nicht bey ihm gewesen bist.
FORTUNAT.
Geben sie mir nur die schönen silbernen Schnallen.
SYLVESTERINN.
Der Minister giebt Achtung, ob du zu rechter Zeit kömmst, und nicht, ob du schöne Schnallen trägst.
FORTUNAT.
Wenn ich so lange gewartet habe: so kann ich die Minute auch noch warten.
SYLVESTERINN.
Nein! ich gebe dir nicht einen Augenblick Zeit.
[244]
FORTUNAT.
So will ich mich nur auskämmen.
SYLVESTERINN.
Du sollst gar nicht warten.
FORTUNAT.
Ich sehe aber zu lüderlich.
SYLVESTERINN.
Geh fort!
FORTUNAT.
Ich habe zu Pferde gesessen. Ich muß mich wieder zu rechte machen.
SYLVESTERINN.
Du sollst gehen, sage ich; oder ich will dich in meinem Leben nicht wieder sehen! Geh doch, geh!
FORTUNAT.

Nun! wenn sie es so haben wollen: so mag ich aussehen wie ich will. Ich will gehen; ich gehe ja schon.

2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Fiekchen. Frau Sylvesterinn.

FIEKCHEN.

Mamachen, sie wollten ja ungrisch Wasser haben. Hier ist welches. Ich habe mich ganz aus dem Othem gelaufen.

SYLVESTERINN.

Du magst sehr gelaufen seyn: ich hätte unterdessen sechsmal in Ohnmacht fallen, und sechsmal mich wieder erholen können.

FIEKCHEN.
Fehlt ihnen denn was? Mamachen!
SYLVESTERINN.

Ich dachte, ich sollte auf der Stelle umfallen. Der böse Fortunat ist noch nicht beym Minister gewesen.

FIEKCHEN.

Da sehen sies, Mama. Ich nehme nicht so vielerley vor, als jener, und sie sprechen immer, ich trödelte gar. Aber ich weis gewiß, ich wäre lange hin, wenn ich hingehen sollte. Fortunat malt immer, Mama. Seyn sie doch so gut, und bitten sie einmal für mich, er soll mir die Fabel vom Adler und der Schnecke malen.

SYLVESTERINN.
Was ist denn das für eine Fabel?
FIEKCHEN.

Ich habe sie einmal gelernt. Sehn sie nur, Mamachen. Es hat ein Adler mit einer Schnecke gewettet, wer am ersten an den und den Ort kommen würde. Der Adler denkt, ich komme schon noch zu rechte, und fliegt indessen weit weit weg. Die Schnecke schleicht gerade zu; so gut sie kann, und kömmt doch eher.

SYLVESTERINN.

Fiekchen, Fiekchen, ich sehe schon was du willst. Laß du mir Fortunaten gehen. Ich möchte doch wissen, wenn du eher, als Fortunat, kämst.

FIEKCHEN.

Nun, Mamachen, es fiel mir nur so ein. Fürs Eherkommen wäre mir nun wohl nicht leid. Sie haben mich noch wohl oft genug eine Schnecke geheißen, Mama. Aber Fortunat, dächte ich doch, wäre noch lange kein Adler.

SYLVESTERINN.

Mädchen, komm du mir nicht etwan mit solchen Reden angezogen, wenn die Richardinn und ihre Tochter da ist. Ich [245] will dir was sagen: du mußt dirs aber nicht merken lassen. Jungfer Lieschen soll deine Frau Schwägerinn werden. Ihre Frau Mutter hat auch Lust dazu, und Fortunat auch. Er soll nur erst machen, daß er ihr gefällt. Du mußt Fortunaten loben, so sehr als du kannst.

FIEKCHEN.
Fortunaten loben? Mamachen, das können sie ja besser, als ich.
SYLVESTERINN.
Du sollst ihn aber loben.
FIEKCHEN.

Nun! wenns nicht anders ist. Den Willen habe ich wohl: aber, wenn ich nur wüßte, was ich loben sollte. Das müssen sie mir sagen.

SYLVESTERINN.

Du wirst wohl allein nicht wissen, was an Fortunaten zu loben ist! Siehst du nicht? Er ist beständig hübsch reinlich, hübsch gekleidet, hübsch gezogen.

FIEKCHEN.
Allerliebstes Mainachen: ich will sonst alles gerne sagen; aber nur das nicht.
SYLVESTERINN.
Nun, warum aber nicht? Denkst du denn etwan, es ist nicht wahr?
FIEKCHEN.
Ach! freylich, ist es mehr, als zu wahr: aber ich kann es unmöglich sagen.
SYLVESTERINN.
Kannst du denn nicht sagen, warum? Was fehlt denn dem wunderlichen Mädchen?
FIEKCHEN.

Mama, wenn sie mich todt quälten: so kann ich es nicht sagen; und kann auch nicht sagen, warum ich es nicht sagen kann.

SYLVESTERINN.

Ach! ich werde es schon errathen haben. Dir werden es aber die Leute am ersten glauben, wenn du ihn deswegen lobst. Denn du hast keinen Vortheil dabey, solche Leute sehr zu loben. Nun! so sprich, daß er schön tanzet, schön zeichnet, schön die Laute spielt, schön zu Pferde sitzt, schön französisch spricht, schöne Verse macht.

FIEKCHEN.

Aber der Papa spricht immer, das sollte er alles nicht können. Wenn ich ihn loben will, so dächte ich, ich müßte ihn dessentwegen loben, was er können sollte.

SYLVESTERINN.

Nicht doch. Dessentwegen lobt man die Leute nicht, weil sie was können, das sie können sollen; denn das ist ihre Schuldigkeit: sondern, wenn sie was können, das sie nicht können sollen.

FIEKCHEN.
Sie loben mich aber niemals, Mama, wenn ich was thue, das ich eben nicht thun sollte.
SYLVESTERINN.

Wenn du nur thätest, was du thun solltest. Du denkst gerne nicht dran, etwas zu thun, das du nicht sollst! Weswegen lobt denn unsre Nachbarinn den jungen Candidaten, der immer ins Haus kömmt.

FIEKCHEN.
Weil er das Waldhorn gut bläst.
[246]
SYLVESTERINN.
Weswegen denn den Doctor?
FIEKCHEN.
Weil er die ganze Nätherey versteht, von der Kreuznath an, bis zum Hexenstiche.
SYLVESTERINN.
Weswegen denn den Amtmann?
FIEKCHEN.
Weil er den ganzen Morgen über den Haaren zubringt.
SYLVESTERINN.
Weswegen denn den Officier?
FIEKCHEN.
Weil er die Schminkpflästerchen so schön anzubringen und aufzulegen weis.
SYLVESTERINN.
Sollen sie denn das können? oder nicht?
FIEKCHEN.

Ja, ja, sie haben recht, Mamachen. Es ist mir desto lieber. Ich verstehe es zwar nicht. Aber wenn ich an ihm loben wollte, was er können sollte: so müßte ich doch wohl ein Bißchen lügen.

SYLVESTERINN.
Itzo schlägts drey.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Friedrich. Die Vorigen.

FRIEDRICH.
Frau Sylvesterinn, die Frau Richardinn kömmt. Sie ist schon auf der Treppe.
SYLVESTERINN.
Komm doch, Fiekchen. Wir müssen ihr entgegen gehen.
FIEKCHEN.
Mama, Mama, meine Ankeschante geht auf.
SYLVESTERINN.
Was das wieder für ein Trödeln ist! Ich will dir sie geschwind zubinden.
FIEKCHEN.
Je! sie sind schon an der Thüre.
SYLVESTERINN.
So geh unterdessen weg, und mache dich zurechte. Friedrich, setzt Stühle, bringt Caffee.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Frau Richardinn. Lieschen. Frau Sylvesterinn.

RICHARDINN.
Ich werde folgen.
LIESCHEN.
Ich werde folgen.
SYLVESTERINN.
Nein! ich werde folgen, und niemand anders.
RICHARDINN.
Sie nicht aufzuhalten, will ich gehen.
LIESCHEN.
Ihnen zu gehorchen, will ich es thun.
SYLVESTERINN.
Sie belieben sich zu setzen.
RICHARDINN.
Wir erwarten Exempel.
SYLVESTERINN.
Und sie sollten das Exempel geben.
LIESCHEN.
Ich dächte, wir entschlössen uns, das Exempel alle drey zu geben.
[247]
SYLVESTERINN.

Bey dem Vergnügen, das ich habe, sie bey mir zu sehen, bedaure ich nur meinen Sohn. Er hat um zwey Uhr einem Minister aufwarten sollen, und ist noch itzo nicht wieder zurück.

LIESCHEN.

Um zwey Uhr? So dächte ich, er hätte etwas zu spät kommen müssen. Sie wissen ja, Mama, daß ich ihn um zwey Uhr und zwey Minuten auf der Gasse habe gehen sehen.

RICHARDINN.

Wenn der Herr Sohn so ein nöthiges Geschaffte hat: so würde er sehr unrecht gethan haben, wenn er es unsertwegen versäumt hätte.

SYLVESTERINN.

Ich zweifle, ob er es Jungfer Lieschen zu gefallen nicht würde gethan haben: wenn ich mir nicht schmäuchelte, sie zu kennen, und ihm gesagt hätte, daß sie es ihm zu gute halten würden.

LIESCHEN.
Sie sagen zu wenig: ich muß ihn deswegen loben.
RICHARDINN.

Ich muß meiner Tochter nachsagen, daß ihr die Ordnung fast lieber ist; als sie sich selber ist: ob das gleich viel gesagt ist.

LIESCHEN.

Ich würde nicht zu trösten seyn, wenn jemand meinetwegen was versäumet hätte. Aus einer kleinen Versäumniß folgt immer noch eine größere: und man kann auf diese Art vielerley Unordnung in der Welt stiften.

SYLVESTERINN.
Ich stehe ihnen doch nicht dafür, daß sie nicht zuweilen eine Unordnung stiften sollten.
LIESCHEN.
Mit Willen gewiß nicht, meine Frau Sylvesterinn.
SYLVESTERINN.

Ich glaube auch in der That, liebes Jungfer Lieschen, da sie die Ordnung so lieb haben: sie würden denenjenigen Leuten wieder aus der Unordnung helfen, die durch sie in Unordnung gekommen wären.

LIESCHEN.

Es scheinet ganz billig zu seyn: aber ich habe ein gutes Gewissen. Ich weis, daß ich nichts gestiftet habe.

RICHARDINN.
Lieschen, man ergreift manchmal die Leute bey ihren Worten, ehe sie sichs versehen.
LIESCHEN.
Es ist auch nur so zu verstehen, wenn ich selber nicht dabey in Unordnung käme.
SYLVESTERINN.

Wenn sie bey jemanden in meinem Hause Unordnung gestiftet hätten; so weis ich gewiß, sie hülfen der Unordnung wieder ab. Und ich wollte ihnen dafür stehen, daß sie in keine andre Unordnung darüber kommen sollten; es wäre denn, daß sie ein wenig roth würden.

LIESCHEN.

Die Unordnung, daß ich roth würde, würden sie gewiß bey mir schon verursacht haben: wenn ich nicht überzeugt wäre, daß ich keine Unordnung in ihrem Hause gestiftet haben könnte.

5. Auftritt
[248] Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Fiekchen.

SYLVESTERINN.
Komm doch, Fiekchen. Wir reden von der Ordnung.
FIEKCHEN.
So, Mamachen. Je, seyn sie doch beyderseits schön willkommen. Ist Fortunat noch nicht wieder da?
RICHARDINN.
Ihre Dienerinn, Jungfer Fiekchen.
LIESCHEN.
Ich glaube, daß die Jungfer Tochter uns Regeln von der Ordnung geben könnte.
SYLVESTERINN.
Wenigstens Exempel, wenn man sagen wollte, was die Ordnung nicht wäre.
LIESCHEN.

Ach! mein liebes Jungfer Fiekchen. Nehmen sie mir es nicht ungütig: sie haben ihr Halstuch ein kleines, kleines Bißchen schief gestecket.

FIEKCHEN.
Ein kleines, kleines Bißchen wird so viel ja nicht bedeuten.
LIESCHEN.
Erlauben sie, daß ich es ihnen zurechte mache.
SYLVESTERINN.

Sehen sie, liebstes Jungfer Lieschen. Wenn sie einer Unordnung bey den Meinigen abhelfen, die sie nicht gestiftet haben: wie vielmehr werden sie nicht einer abhelfen, die sie gestiftet haben.

LIESCHEN.

Habe ich Unordnung gestiftet? Ach! vergeben sie. Wollen sie so gütig seyn, und mir es sagen? Ach! verzeihen sie. Gewiß nun sehe ichs: ich habe einen Fleck ins Caffeetuch gemacht Oder Mama, sie sind es gewesen?

RICHARDINN.
Lieschen, du wirst es nicht auf mich schieben.
LIESCHEN.
Nein, gewiß, ich kann es nur noch nicht über mich nehmen: ich müßte mich gar zu sehr schämen.
SYLVESTERINN.

Nein! nein! eine solche Unordnung meyne ich ganz und gar nicht. Das ist eine Unordnung, die in wenig Augenblicken verschwinden wird.

LIESCHEN.

Vergeben sie. Wenn bey mir ein solcher Fleck gemachet wird: so wasche ich sie alle mit Mandelseife wieder aus; und jeglicher Fleck kostet mich zwanzig Minuten.

SYLVESTERINN.
Zwanzig Minuten? Sie rechnen die Zeit auch sehr genau.
RICHARDINN.
Das weis ich gewiß, daß keine Minute vorbey geht, die meine Tochter nicht gezählet hat.
FIEKCHEN.

Mein Bruder zählt die Zeit gewiß auch sehr genau. Er zählt sie zwar nicht nach Minuten: er hat mir aber gesagt, daß er im Tanzen nach Sechzentheilen rechnete, in welcher Stellung die Füsse stehen sollten.

[249]
SYLVESTERINN.

Und gewiß! Er ist im Tanzen niemals aus der Cadanz gekommen. Denn wenn eine Unordnung vorgegangen ist: so hat er allezeit gesagt, daß die Musikanten Ursache daran gewesen wären.

RICHARDINN.
Meine Tochter quält mich immer, daß sie eine Uhr mit Secunden haben will.
SYLVESTERINN.

Mein Sohn martert mich fast zu tode, daß er zween große Spiegel haben will, damit er sich hinten und forne besehen kann, und damit er recht davor tanzen kann.

RICHARDINN.
Meine Tochter weis in der ganzen Stadt am besten, um welche Zeit es ist.
SYLVESTERINN.
Mein Sohn weis in der ganzen Stadt am besten, welches die neuesten Arien sind.
RICHARDINN.
Meine Tochter hat nachgerechnet, daß sie zwanzig Stiche mit der Nähnadel in einer Minute thut.
SYLVESTERINN.
Ich glaube, daß mein Sohn in einer Minute viel hundert Noten auf der Laute spielt.
RICHARDINN.
Meine Tochter läßt in allen meinen Stuben kein Fleckchen auf den Dielen.
SYLVESTERINN.
Meines Sohns sein Kleid sieht allezeit so neu, als wenn es vom Schneider käme.
RICHARDINN.
Die Magd muß allezeit dreymal nach einander auskehren, ehe ihr die Stuben rein genug vorkommen.
SYLVESTERINN.
Seine Kleider müssen allezeit sechsmal ausgeklopfet seyn, ehe sie ihm recht sind.
RICHARDINN.
Und hernach muß die Magd den Staub noch mit dem Munde von den Dielen wegblasen.
SYLVESTERINN.
Und hernach liest er selbst das geringste Fäschen, das darauf ist, mit den Händen herunter.
RICHARDINN.
Meiner Tochter ihr Kopfputz kostet sie nicht viel Zeit, und ist doch schön.
SYLVESTERINN.
Meines Sohnes Haare kosten viel Zeit. Aber sie sind auch außerordentlich.
RICHARDINN.
Die Locken liegen alle so gerade, als wenn man Leinwand zusammen rollte.
SYLVESTERINN.
Die Frisur ist auf beyden Seiten so überein, als wenn sie mit dem Zirkel abgezeichnet wäre.
RICHARDINN.
Meine Tochter nähet Blumen, man möchte flugs dran riechen.
SYLVESTERINN.
Mein Sohn malt alles, als wenn es da stünde.
RICHARDINN.
Sie will mir einen Rock und auch eine Adrienne nähen.
SYLVESTERINN.
Er will mir alle Stuben mit Bildern von seiner Hand aussetzen.
[250]
RICHARDINN.
Meine Tochter führt die Rechnung über alle Pfennige.
SYLVESTERINN.
Mein Sohn – – mein Sohn – – mein Sohn hat einen Calender, da er alle Termine hinein schreiben soll.
RICHARDINN.
Je! Meine Tochter schreibt alle Visiten in den Calender besser, als die Advocaten die Termine.
SYLVESTERINN.
Mein Sohn merkt im Kopfe sehr genau, wen er von seinen Freunden besuchen soll.
RICHARDINN.

Meine Tochter weis sehr schönes Essen zu machen. Und sie rührte nichts mit den Fingern an, und wenn es verderben sollte; alles mit der Gabel!

SYLVESTERINN.
Mein Sohn kann Torten backen, die unvergleichlich sind.
RICHARDINN.
Meine Tochter schreibt alle meine Briefe, und da darf kein Pünctchen unrecht seyn.
SYLVESTERINN.
Mein Sohn macht wohl für dreyßig Leute Verse, und da darf kein Wort unrecht stehen.
RICHARDINN.
Meine Tochter nimmt alle meine Sachen in acht, und ich darf für gar nichts sorgen.
FIEKCHEN.

Und die Mama sorgt für alle meines Bruders Sachen: so gar die Bücher hebt sie ihm auf. Und für meine Sachen sorgt sie noch dazu!

RICHARDINN.

Ich habe geglaubt, daß ich ordentlich bin. Aber die Frau Sylvesterinn sind noch ordentlicher. Denn ich lasse jemanden anders für meine Sachen sorgen, und sie sorgen selber für andrer ihre.

LIESCHEN.

Mama, ich weis, daß ich in meinem Leben so roth nicht gesehen habe, als itzo. Daß Gott! loben sie mich doch nicht so. Was wird denn die Frau Sylvesterinn denken, wenn sie hört, daß mich meine eigene Mama so heraus streicht?

SYLVESTERINN.
Sie wird denken, daß es andrer Leute ihre Schuldigkeit ist, es noch vielmehr zu thun.
RICHARDINN.

Die Frau Sylvesterinn kann, ihres Herrn Sohnes wegen, den Zeugnissen nicht zuwider seyn, die man von seinen Kindern ableget.

SYLVESTERINN.
Wie? gefällt ihnen denn mein Sohn, Jungfer Lieschen?
RICHARDINN.
Daran ist nicht zu zweifeln. Sie erzählen so viel Gutes von ihm.
LIESCHEN.

Es ist mir nicht erlaubt, daß mir die Mannspersonen gefallen. Aber wenn in seinem Kopfe so viel Ordnung ist, als an seinem Kopfe: so wird man sich schwerlich enthalten können, ihn zu loben.

SYLVESTERINN.

Von seinem Kopfe will ich nicht reden. Was aber sein [251] Herz betrifft: so muß ich ihnen von einer Unordnung sagen, die eben diejenige ist, von der ich vorhin gesagt habe, daß sie sie gestiftet haben.

6. Auftritt
Sechster Auftritt
Sylvester. Die Vorigen.

RICHARDINN.
Je! da ist ja Herr Sylvester. Gehorsame Dienerinn.
LIESCHEN.
Unterthänige Dienerinn, Herr Sylvester.
SYLVESTER.

Bleiben sie doch sitzen, Frau Richardinn, Jungfer Lieschen. Wozu dient denn das Aufstehen, als daß man sich hernach einmal zu viel wieder niedersetzet? Gott grüße sie allerseits. Lieber Schatz, ist denn der Sohn nicht da?

SYLVESTERINN.
Der Minister muß doch recht viel mit ihm reden, weil er so lange bleibt.
SYLVESTER.
Seit welcher Zeit ist er denn bey ihm?
SYLVESTERINN.

Seit welcher Zeit er bey ihm ist, weis ich nicht. Denn ich weis nicht, wie lange er hat warten müssen.

SYLVESTER.

Was zupfest du mich denn, mein Schatz? Sind mir etwan Haare von Pelzen am Kleide hängen geblieben? Ich habe gleich Pelze verkauft.

SYLVESTERINN.
Ja wohl, mein Kind.
SYLVESTER.
Aber sage mir noch einmal. Wer hat warten müssen? Er auf den Minister, oder der Minister auf ihn?
SYLVESTERINN.
Der Minister wird auf ihn nicht warten.
SYLVESTER.

Zupfst du mich denn immer noch? Ich denke, ich bin recht gut daran, daß ich nicht mehr, als einerley vorhabe. Aber es hat doch seine Ungelegenheit. Wie muß es nicht seyn, wenn man vielerley vorhat? Bin ich denn immer noch voller Haare?

SYLVESTERINN.
Ja wohl, mein Kind.
SYLVESTER.

Aber ist er auch gewiß um zwey Uhr hingegangen? Du zupfest auch gar zu sehr. Die verzweifelten Haare!

SYLVESTERINN.
Was hast du denn für Pelze verkauft?
SYLVESTER.
Zu einem Pelzmantel.
FIEKCHEN.
Doch zu keinem solchen, Papa, wovor ich mich fürchte?
SYLVESTER.

Was meynst du, Fiekchen? Die sind die besten. Die Mode ist ganz hübsch, die Pelze haussen zu tragen, wie sie es itzo machen. Ich wollte nur, daß man anfienge, die alte und neue Mode zusammen zu schmelzen, und inwendig und auswendig Pelz trüge. Das würde warm seyn, und da wäre auch was zu lösen. Nun! was machen sie denn Gutes, Frau Richardinn und Jungfer Lieschen? Wollen sie denn keinen Caffee mehr trinken? Schenke doch ein, Schatz. Oder, ich will nur selber einschenken.

[252]
LIESCHEN.
Machen sie sich keine Mühe. Ich habe zwey Schälchen getrunken, und trinke nicht einen Löffel mehr.
SYLVESTER.
Je, Jungfer Lieschen, trinken sie doch; trinken sie doch: es ist ja da!
LIESCHEN.
Ich will sterben, wenn ich noch einen Tropfen trinke.
SYLVESTER.
Es ist ja schon eingeschenkt. Lassen sie doch das liebe Gut nicht verderben!
LIESCHEN.
Wenn ich es tränke: so würde ich mich verderben.
SYLVESTER.
Was hat denn das arme Schälchen gethan, daß es so verachtet wird?
LIESCHEN.
Herr Sylvester, wollen sie haben, daß ich schwören soll, daß ich nicht mehr trinke.
SYLVESTER.

Behüte Gott! nein. Wenn sie schwören wollen, so will ich sie gerne verschonen. Fiekchen, trink du. Du schwörst nicht, daß du nicht trinken willst.

SYLVESTERINN.
Sie wird nicht nein sagen: geschweige denn schwören.
FIEKCHEN.
Mamachen, ich soll ja nicht immer nein sagen.
SYLVESTER.
Spricht denn Jungfer Lieschen auch fleißig: Nein?
SYLVESTERINN.
Ich wollte wünschen, daß Jungfer Lieschen gar nicht nein sprechen könnte.
SYLVESTER.

Jungfer Lieschen, ich will ihnen doch was sagen. Sie werden doch auch einmal einen Mann nehmen wollen? Ich habe allezeit recht viel auf sie gehalten. Sie sind ein feines, hübsches, ordentliches Mädchen. Ich wollte ihnen gern einen Mann zuführen. Freylich, so ordentlich ist er nicht, wie sie. Er ist auch wohl, wie ich es heiße, ein Bißchen unordentlich. Je, mein Schatz, habe ich denn schon wieder Haare am Kleide? Aber man kriegt doch auch die Männer nicht allezeit gemalt.

FIEKCHEN.
Papa, Jungfer Lieschen darf es nur meinem Bruder sagen. Der malt Männer.
SYLVESTER.

Du sollst itzo nicht reden. Ja, Jungfer Lieschen, so dächte ich nun, sie nähmen meinen Stiefsohn. Wollen sie ihn haben? Sagen sie mir es aufrichtig. Schwören sie aber nicht etwan, wie sie vorhin beym Caffee thun wollen. Antworten sie doch. Sagen sie ja, oder nein!

LIESCHEN.
Herr Sylvester, können sie denn die Leute auch zum besten haben?
SYLVESTER.
Behüte Gott! nein. Antworten sie doch: ja? oder nein?
RICHARDINN.
Das ist eine Sache, auf die man bey der ersten Frage nicht gleich eine Antwort kriegt.
SYLVESTERINN.
Mein Sohn ist gewiß auch nicht unordentlich.
SYLVESTER.

Wenn ich die Hasenfelle für Fuchspelze verkaufte: so [253] sprächen die Leute, ich wäre ein Betrüger. Und wenn ich sagte, mein Stiefsohn wäre so ordentlich, als Jungfer Lieschen: so sollten sie sprechen, ich wäre ein Lügner.

SYLVESTERINN.

Jungfer Lieschen hat meinen Sohn ja schon mehr als einmal gesehen. Er geht ja beständig knapp gekleidet. Es ist ein ordentlicher Mensch: ein recht sehr ordentlicher Mensch ist er!

SYLVESTER.

Höre, mein Schatz, ich will dir was sagen; es mag dir so wunderlich klingen als es will. Wenn er nicht so ordentlich wäre, wäre er vielleicht nicht so unordentlich. Verstehst du das?

SYLVESTERINN.
Ist denn ein Mensch unordentlich, wenn er ordentlich in Kleidern ist?
SYLVESTER.

Höre nur an. Wenn ich von einem Menschen rede: so rede ich ja nicht von seinen Kleidern. Wenn du mich nicht hättest, und hättest nur meine Kleider: so hättest du keinen Mann, der Sylvester hieße. Ist es nicht wahr, Jungfer Lieschen? Ordentliche Kleider sind kein ordentlicher Mann.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Renner. Die Vorigen.

RENNER.

Ihr Diener! Nehmen sie es nicht übel. Wo ist denn der Herr Sohn? Wo ist er denn? Geschwind! Ich bitte sehr. Geschwind!

SYLVESTERINN.

Wie habe ich denn die Ehre, sie bey mir zu sehen? Herr Renner, seyn sie doch so gütig, bey mir zu verziehen.

RENNER.
Nun! wo ist der Herr Sohn?
LIESCHEN.
Es ist mir ein großes Vergnügen, daß ich die Ehre haben soll, sie hier zu sprechen.
RENNER.
Frau Sylvesterinn, Herr Sylvester, wo ist denn ihr Fortunat?
RICHARDINN.

Das Glück kömmt einem ja zuweilen recht unverhofft. Herr Renner, nimmermehr hätte ich gedacht, daß wir hier mit ihnen zusammen kommen sollten.

RENNER.
Ums Himmels willen! machen sie geschwind, und sagen sie mir, wo Herr Fortunat ist.
SYLVESTER.

Herr Renner, es ist mir doch lieb, daß ich sie sehe: aber mein Stiefsohn ist nicht zu Hause. Lassen sie sich unterdessen den Weg nicht reuen.

RENNER.
So empfehle ich mich ihnen. Ich muß eilen.
SYLVESTER.

Nicht doch! kommen sie, setzen sie sich zu uns. Wir sind so eine hübsche Gesellschaft zusammen: es wird dem Frauenzimmer so die Zeit zu lang, wenn niemand bey ihnen ist, als ein Mann, [254] wie ich. Sie sollen meines Sohns Stelle vertreten. Er wird gleich wieder da seyn.

RENNER.
Wo ist er denn?
SYLVESTER.
Warten sie doch auf ihn: er ist bey dem Minister. Sie kennen den Minister ja auch, bey dem er ist.
RENNER.
Nein! da ist er nicht. Ich empfehle mich ihnen.
SYLVESTER.
Er ist gewiß bey ihm!
RENNER.
Das müßte ich auch wissen. Ich empfehle mich ihnen.
SYLVESTERINN.
Nicht doch! bleiben sie bey uns. So wäre mein Sohn nicht bey dem Minister?
RENNER.

Ich habe nicht Zeit mit ihnen zu reden. Ich muß eilen; recht sehr muß ich eilen! Ich komme den Augenblick vom Minister. Ich empfehle mich ihnen.

SYLVESTERINN.

Herr Renner, ich lasse sie gewiß nicht fort. Sagen sie mir wenigstens, woher sie wissen, daß mein Sohn nicht bey dem Minister ist.

RENNER.
Ach! ich bitte sie recht sehr. Lassen sie mich doch gehen!
SYLVESTERINN.
Nur das Wörtchen sagen sie mir!
RENNER.

Da ich dem Minister dankte, habe ich ihn weder im Zimmer noch im Vorzimmer gesehen. Ich empfehle mich ihnen.

RICHARDINN.

Nur einen Augenblick verziehen sie, Herr Renner. Sie sollen mich und meine Tochter auf einen Spazierweg begleiten.

RENNER.

Tausendmal für einmal, wenn ich Müsse habe; aber itzo nicht: und wenn mir ihre Jungfer Tochter sagte, daß sie mich lieb hätte.

LIESCHEN.
Fürchten sie sich nicht. In die Versuchung will ich sie nicht führen.
FIEKCHEN.
Bleiben sie doch da, Herr Renner: ich will sagen, daß ich sie lieb habe.
RENNER.
Ich empfehle mich; ich muß eilen.
SYLVESTERINN.

Ums Himmels willen. Sagen sie mir erst, was sie bey meinem Sohne gewollt haben? Ich will es ihm sagen, wenn er wiederkömmt.

RENNER.
Es ist ihm nun nichts nutze, es zu wissen.
SYLVESTERINN.
Sagen sie es doch mir.
RENNER.
Compromittiren wollte ich.
SYLVESTER.
Was ist denn das?
RENNER.

Ich habe nicht Zeit es zu sagen: Nun geht es doch nicht an. Lassen sie mich doch von ihnen! Sie wollen mein Unglück: sie wollen, daß ich alles in der Welt versäume! Ihr Diener.

8. Auftritt
[255] Achter Auftritt.
Sylvester. Frau Sylvesterinn. Frau Richardinn. Lieschen. Fiekchen.

SYLVESTER.
Wenn Herr Renner auf die Märkte gienge; so versäumte er gewiß keinen.
RICHARDINN.
Es kann nicht anders seyn. Er muß eilen! Wer weis, welchen Termin er hat, oder was sonst nöthig ist?
LIESCHEN.

Es würde mir eine Schande seyn, wenn ich bey meinem Besuche zu spät käme, und ihm, wenn er einen Termin versäumte.

SYLVESTER.
Sie haben recht, Jungfer Lieschen. Die Besuche sind, wie die Termine. Es muß beydes ordentlich seyn.
SYLVESTERINN.

Er hat mit meinem Sohne einen Termin. Compromittiren wollte er. Ich habe einmal einen Proceß gehabt, da mein Advocat auch sagte, es wäre am besten, wenn wir compromittirten: und da erschienen die Parteyen auf dem Termine alle beyde nicht Das wird es wohl seyn.

SYLVESTER.

Und nun ist der nachläßige Mensch nicht da, und bey dem Minister ist er auch nicht. Jungfer Lieschen, ich bin recht böse auf ihn. Er hätte sich ihren Besuch besser zu Nutze machen sollen.

SYLVESTERINN.

Laß doch nur meinen Sohn zufrieden. Renner kann zehnmal zum Minister hin und wieder laufen, ehe er einmal über die Gasse geht. Die gezogenen Leute gehen so. Die Schulpferde gehen auch langsam durch die Stadt.

SYLVESTER.

Ach! was habe ich mit einem Schulpferde zu thun? Ein Advocat ist kein Schulpferd. Sieh doch Herrn Renner an. Der malt nicht, wenn er aufs Rathhaus gehen soll; der putzt sich nicht drey Stunden. Der geht nicht an zehn Orte, und vergißt den, wo er hingehen soll; der würde nicht herumlaufen, wenn er wüßte, daß er die Ehre haben sollte, Jungfer Lieschen zu sprechen.

LIESCHEN.
Mama, es ist schon eine halbe Minute über die Zeit, die wir haben verziehen wollen.
SYLVESTER.

Sie werden doch wohl gar gehen wollen, Jungfer Lieschen? Nein! nein! sie müssen da bleiben. Mein Sohn muß noch mit ihnen sprechen.

LIESCHEN.
Es ist gewiß unmöglich. Denn wir haben einen kleinen Spazierweg vor.
SYLVESTERINN.
Einen kleinen Spazierweg werden sie uns allen ja aufopfern.
LIESCHEN.

Ich habe einigen von meinen guten Freundinnen gesagt, daß sie mich antreffen würden: und sie werden mich ja nicht zur Lügnerinn machen wollen?

[256]
SYLVESTER.

Je! ja doch, Jungfer Lieschen. Ich nehme nicht gerne eine Lügen auf mich: aber die will ich auf mein Gewissen nehmen.

LIESCHEN.

Ich dürfte mich doch vor Scham nicht mehr sehen lassen, wenn ich mir in meinem Leben vorwerfen könnte: daß ich nur eine Minute später wohin gekommen wäre, als ich mir vorgesetzet hätte.

SYLVESTERINN.
So wollen sie denn gehen?
RICHARDINN.
Nicht anders.
SYLVESTERINN.
Sie verziehen doch gar nicht lange!
LIESCHEN.
Ein langer Besuch ist mir was verhaßtes: er macht so viel Versäumniß.
SYLVESTERINN.
Und sie wollen meinen Sohn nicht sehen, Jungfer Lieschen?
LIESCHEN.
Die Schuld ist nicht mein.
SYLVESTERINN.

Ach! er wird sich nicht zufrieden geben, wenn sie weg sind. Er hat ihnen tausend schöne Dinge sagen wollen: warten sie doch!

LIESCHEN.
Sie wissen, was uns treibt.
RICHARDINN.
Erlauben sie uns doch in unsrer Ordnung zu bleiben.
SYLVESTERINN.

So muß ich es geschehen lassen. Wenn ich nur wüßte, wie ich meinen Sohn hernach zufrieden spräche. Komm mit, Fiekchen: wir müssen unsern Besuch begleiten.

4. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Sylvester. Frau Sylvesterinn.

SYLVESTER.

Nun gieb mir den Augenblick alle deines Sohns seine Zeitverderber her. Seine Laute will ich mit den Füssen zertreten; seine Bilder will ich zerreißen; seine Farben will ich ins Wasser werfen; seine Pinsel will ich in den Koth schmeißen; seine Stiefel will ich ins Feuer werfen, und seine Verse, die verwünschten Verse, will ich zum Krämer schicken.

SYLVESTERINN.

O! die Verse kriegt der Krämer noch nicht; die müssen erst gedruckt werden: und ums andre kannst du dich unbekümmert lassen.

SYLVESTER.

Mit einem Worte, es muß alles fort! Ich leide das Zeug nicht eine Stunde mehr bey ihm! Ich wollte, daß ich ihm die Beine dazu könnte lahmen lassen, damit er nicht mehr tanzen und nicht mehr herum laufen könnte.

[257]
SYLVESTERINN.

Wie? du willst mich und meinen Sohn in so viel Thaler Schaden bringen? Du willst mein Kind zum Krüppel machen. – Ach! ich möchte Blut weinen! Was das für ein boshafter Mann ist! Warum denn? Was hat er denn gethan? Du fährst ihm ja mit! wenn er gleich gestohlen hätte, du könntest es nicht ärger machen.

SYLVESTER.
Wenn er gleich gestohlen hätte? Sich selber bestiehlt er!
SYLVESTERINN.

Was soll das nun heißen – sich selber bestiehlt er? Darum ist mein Tage noch niemand gehangen worden, weil er sich selber bestohlen hat.

SYLVESTER.
Hängen will ich ihn auch nicht.
SYLVESTERINN.
Aber die Beine willst du ihm lahmen: das möchte einen Stein in der Erde erbarmen!
SYLVESTER.
Nein! ich will ihm nur die verwünschten Sachen nehmen.
SYLVESTERINN.
Nun! warum denn aber?
SYLVESTER.

Du fragst noch warum? Nun ist ja alles gestört, was wir vorhatten. Nun hat ers! Darum will ich ihm das alles nehmen, weil er nicht nach Hause kömmt!

SYLVESTERINN.
Was das geredt ist? Machen denn die Sachen, daß er nicht nach Hause kömmt?
SYLVESTER.
Ja, die Sachen machen es, und du darzu.
SYLVESTERINN.

Willst du mich nicht etwan auch mit den Füssen zertreten, oder zerreißen? oder ins Wasser werfen? oder in den Koth schmeißen? oder ins Feuer legen? oder zum Krämer schicken?

SYLVESTER.
Zum Krämer gewiß nicht: lieber zum Schachtelmanne.
SYLVESTERINN.
Oder, willst du mich etwan auch lähmen?
SYLVESTER.
Schweig still. Gieb mir deines Fortunats seinen Plunder alle heraus. Da, da ist die Laute.
SYLVESTERINN.

Wie? die Laute? Ums Himmels willen. Nur die nicht! Ich höre sie so gerne. Sage nur, ob du nicht gescheid bist? Die Laute, die wird wohl machen, daß er nicht nach Hause kömmt?

SYLVESTER.
Ja, die Laute, und die Malereyen, und die Stiefel, die machens! das sage ich.
SYLVESTERINN.

So sage mir doch nur, wie die es machen können? Lieber Mann, daran will ich sehen, ob du noch gescheid bist.

SYLVESTER.

Du willst sehen, ob ich gescheid bin? Du bist wohl die rechte Seherinn, ob die Leute gescheid sind? So würdest du ja sehen, daß dein Sohn nicht gescheid wäre. Ich will dirs aber sagen, wie der Plunder machen kann, daß er nicht nach Hause kömmt. Ist es nicht wahr? Sein Malen, sein Tanzen, und alle das Zeug (man möchte ein besonders Register drüber haben, daß mans merken könnte) das Zeug alles macht, daß er immer was anders vorhat, als er sollte. [258] Und daß er immer was anders vorhat, das macht, daß er mein Tage nicht das rechte vorhat. Und daß er mein Tage nicht das rechte vorhat, das macht, daß er niemals ist, wo er seyn soll. Und daß er nicht ist, wo er seyn soll, das macht, daß er nicht da gewesen ist, als Jungfer Lieschen da war. He! bin ich nun bald gescheid? willst du mir bald deines Sohns seine Sachen hergeben?

SYLVESTERINN.

Nimmermehr sollst du sie kriegen! und eher du die Laute mit Füssen trittst; eher sollst du mir alle Gedärme aus dem Leibe treten, bis ich so hohl bin, wie die Laute.

SYLVESTER.
Schatz, thu doch nicht so thöricht! Es ist zu deinem und deines Sohns besten.
SYLVESTERINN.

Zu seinem besten sollte es seyn, wenn du ihm hundert Thaler Schaden thust? Wenn ich dir nun für hundert Thaler Pelze nähme: wäre das zu deinem besten? Und zu meinem besten würde es vollends seyn! Ich müßte ihm andre Sachen kaufen. Und das wäre mein bestes!

SYLVESTER.

Freylich ist es sein bestes. Die Sachen haben ihn zum Narren gemacht, und zum Bettler und zum Landläufer werden sie ihn noch machen.

SYLVESTERINN.

Was? zum Narren? zum Landläufer und zum Bettler? Ich habe dir es ja hundertmal gesagt. Er ist natürlich, wie sein Vater: der leibhaftige Vater ist er! Und du sprichst, er wäre ein Narr, und werde zum Landläufer und zum Bettler werden? So wäre mein seliger Mann ein Narr gewesen? So wäre er itzund ein Bettler und Landläufer, wenn er nicht gestorben wäre?

SYLVESTER.

Ja, der natürliche Vater! der leibhaftige Vater! Wenn dein Sohn zween oder drey Fehler hat, die der Vater auch hat: hernach ist er der natürliche, der leibhaftige Vater. Und wenn es nur heißt: er ist der natürliche, der leibhaftige Vater: hernach ist er ein braver Mann.

SYLVESTERINN.

Was? wäre mein seliger Mann kein braver Mann gewesen? Ach! der liebe Mann! wenn er das in der Erde wüßte. Er käme doch wieder, und kratzte dir die Augen aus! Wenn ich nur wüßte, wer heute etwan stürbe; ich schwöre dirs zu, ich ließe es ihm sagen. Noch heute Abends sollte er wiederkommen.

SYLVESTER.

Des Tages wollt ihr Weiber immer todte Männer haben. Denn sie keifen fein nicht. Aber wenn er des Nachts käme: so würdest du wohl zusammen kriechen, und Gott danken, wenn du ihn wieder vom Halse los wärst.

SYLVESTERINN.

Ja! ich wollte nur, daß ich ihn den Nachmittag wieder gehabt hätte. Jungfer Lieschen hätte gewiß als Braut, und anders nicht aus meinem Hause gehen sollen. Wenn du wissen willst, [259] wer es macht, wenn unser Vorsatz zurücke geht: du machest es, und nicht mein Sohn; nicht die Laute, nicht die Farben, nicht die Pinsel, nicht die Stiefel, nicht die Verse, nicht das Tanzen! Auch ich nicht! Du, du machsts, und kein andrer Mensch auf der Welt Gottes.

SYLVESTER.
Höre doch ein Mensch an! Nun mache ichs!
SYLVESTERINN.

Sprich nur mehr, was man mit Füssen treten, was man zerreißen, was man ins Wasser werfen, was man in den Koth schmeißen, was man zum Krämer schicken soll.

SYLVESTER.

Mich gewiß? Nicht wahr? Nun will ich auch sehen, ob du gescheid bist? Sage mir geschwind, wie es seyn kann, daß ich es gemacht habe?

SYLVESTERINN.
Sprich du nur mehr, wem du die Fasse lahmen willst.
SYLVESTER.
Willst du mir sie etwan lahmen?
SYLVESTERINN.

Nein! nein! lieber Schatz. Aber so lieb als ich dich habe, die Zunge hätte ich doch wohl gewünscht, daß ich sie dir auf eine Viertelstunde ein Bißchen lahmen könnte. Die verzweifelte Zunge! Hätte ich doch nicht gedacht, daß sie meinen armen Sohn so herunter machen könnte, wie du gegen Lieschen gethan hast.

SYLVESTER.
So! so! nun weis ich, warum ich Haare auf dem Kleide hatte.
SYLVESTERINN.

Ach! freylich, du Angstmann! wenn mein Sohn unordentlich wäre: solltest du es denn sagen? Ist mein Sohn unordentlich? Höre!

SYLVESTER.

Was sprech ich nun? Spreche ich ja: so wirst du böse, Schatz. Und ich habe mich schon aus dem Athem gezankt. Er ist ordentlich; und ist auch nicht ordentlich.

SYLVESTERINN.
Was heißt denn das? Er ist zugleich ordentlich; und auch nicht ordentlich?
SYLVESTER.

Sieh nur an! mein Schatz. Darüber können wir uns wohl vergleichen. Du heißest die Leute ordentlich, wenn sie ordentliche Kleider haben; und galant, wenn sie galante Kleider haben; und reich, wenn sie reiche Kleider haben; und schön, wenn sie schöne Kleider haben.

SYLVESTERINN.
Das letzte nun wohl eben nicht. Für das übrige will ich aber nicht stehen.
SYLVESTER.

Also heißest du ordentlich, was ich nicht so heiße. Und dein Sohn ist ordentlich, wie du es meynst, und nicht ordentlich, wie ich es meyne. Bin ich nun bald gescheid? Höre!

SYLVESTERINN.

Je! ja doch. Wenn du nur gesagt hättest, er wäre ordentlich. Hättest du es doch meynen mögen, wie du gewollt hättest. Hättest du es nur gemeynt, wie ich es meyne! Aber siehst du?[260] meines Sohnes seine Sachen, die du ihm nehmen willst, haben nicht mehr Schuld, als du, wenn er Jungfer Lieschen nicht kriegt. Und wenn du mir seine Sachen nimmst: so schwöre ich dir es zu: du mußt auch gestraft seyn, und wenn ich deine Pelze nehmen sollte.

SYLVESTER.
Nun! was soll ich nun mit dir machen? Meine Pelze sollst du mir wohl ungenommen lassen.
SYLVESTERINN.
Und meines Sohns seine Sachen sollst du mir gewiß auch ungenommen lassen.
SYLVESTER.

Nun! es ist gut! es ist gut! Gieb dich nur zufrieden, ich mag den Bettel nicht haben, wenn es mich meine Pelze kosten soll.

SYLVESTERINN.

Und meinen Sohn sollst du auch zufrieden lassen. Es ist meine Zucht. Wenn du mit mir zufrieden seyn kannst: so kannst du mit meinem Sohne auch zufrieden seyn.

SYLVESTER.
Ach ja! es fehlt nicht viel, daß ich mit deinem Sohne nicht so gut zufrieden bin, als mit dir.
SYLVESTERINN.

Siehst du. Ach! du bist mit mir nicht zufrieden! Du hast mich gar nicht lieb! Wenn doch mein seliger Mann nimmermehr gestorben wäre!

SYLVESTER.

Ich glaube, du weinst, mein Herzchen. Nein! nein! ich will lieber mit dir zufrieden seyn, und mit deinem Sohne auch. Laß nur deinen seligen Mann nicht wieder holen.

2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Fortunat. Die Vorigen.

SYLVESTERINN.

Je! da kömmt ja mein Fortunat. Nun! da ist er ja. Je! mein Fortunat, bist du nun Secretär? Ja, ja, ich sehe dir es an. Du siehst nun noch einmal so vornehm, als vorher. Je! Herr Secretär, Herr Secretär, Herr Secretär!

FORTUNAT.
Nun! wenn ichs wäre: so müßte ich es ja auch wissen.
SYLVESTERINN.

Je! ja doch. Du willst es nur nicht sagen. Nicht wahr? Was sagte denn der Minister? Hast du dich denn recht höflich bey ihm bedankt?

FORTUNAT.
Ach! ja.
SYLVESTERINN.
War er denn sehr gnädig?
FORTUNAT.
Ach! ja.
SYLVESTERINN.
Je! was sagte er denn? der liebe Herr.
FORTUNAT.

Wenn ich eine halbe Stunde eher bey ihm gewesen wäre: so könnte er mich versichern, daß er meiner im besten gedacht haben würde. Aber nun hätte jemand anders sein Wort.

SYLVESTERINN.
Ach! ums Himmels willen! so hast du nichts?
[261]
FORTUNAT.

Ich habe noch alles, was ich gehabt habe, ehe ich zu ihm gegangen bin. So gar die Hoffnung habe ich noch.

SYLVESTERINN.
So bist du nicht Secretär?
FORTUNAT.
Was ich nicht bin, das kann ich noch werden.
SYLVESTERINN.
Wofür hast du dich denn bedankt?
FORTUNAT.

Da ist nicht zu fragen? Wenn man was kriegt, bedankt man sich. Und wenn man nichts kriegt: so bedanket man sich auch!

SYLVESTERINN.
Ach! du böses Kind, warum bist du nicht um zwey zu ihm gegangen?
SYLVESTER.
Seyd ihr nicht um zwey zu ihm gegangen?
SYLVESTERINN.
Ach nein! nun will ich alles sagen. Du verdienst gar nicht, daß man dich vertheidiget, Fortunat.
SYLVESTER.
Ja! nun sage, was du willst. Du verdienst gar nicht, daß ich dir helfe.
SYLVESTERINN.
Es ist nicht auszustehen, was mir der Mensch für Angst macht.
SYLVESTER.
Wenn ich mit dir zufrieden seyn kann: so kann ich mit deinem Sohne auch zufrieden seyn.
SYLVESTERINN.
Nein! sage ihm nur immer die Wahrheit: ich will zuhören.
SYLVESTER.

Ich will sie dir sagen. Sage du sie deinem Sohne wieder. Dein Sohn ist ein Mensch, der viel thut, und doch nichts: und du bist Ursache daran; denn du hast ihn verzogen. Das ist die Wahrheit, die ich dir zu sagen habe. Du kannst sie deinem Sohne auch sagen. Ich will wieder zu meinen Pelzen gehen.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Frau Sylvesterinn. Fortunat.

SYLVESTERINN.

Siehst du, Fortunat? so viel Noth machst du mir. Ich muß allezeit für dich leiden. Mein Mann spricht, ich habe Schuld, wenn du nichts zu rechter Zeit thust. Ach! wenn du nur da gewesen wärst! und gesehen hättest, was ich deinetwegen ausgestanden habe: du würdest noch heute anders, Fortunat. Ich wette darauf, heute würdest du anders! Das hast du nun gemacht, Fortunat, und zwar mit deinem Herumstreichen. Nun bist du nicht Secretär, und hast in Ewigkeit keine Hoffnung dazu.

FORTUNAT.
Ach! wie können sie sich so quälen, Mama. Hoffnung? so viel Hoffnung, als vorher.
SYLVESTERINN.
Ach! schade was für deine Hoffnung, wenn sie allezeit so ausschlägt, wie heute.
[262]
FORTUNAT.
Nun! Mama, das Glück machts. Das ist die Ursache: auf mich schieben sie die Schuld nicht.
SYLVESTERINN.
Nein! nicht das Glück: sondern die silbernen Schuhschnallen.
FORTUNAT.
Die habe ich einmachen wollen, und will sie auch noch einmachen, sobald ich zum Minister gehe.
SYLVESTERINN.
Rede nur nicht mehr vom Minister. Nun laß dir die Gedanken immer vergehen.
FORTUNAT.

Warum denn? Er sagte, er hätte mich dessentwegen nicht vergessen. Er wollte schon an mich denken. Ja, er war so gnädig, und sagte, es könnte zu meinem Besten seyn.

SYLVESTERINN.

Wie? zu deinem Besten? lieber Fortunat! Ach! du Herzens-Fortunat! Ach! das ist ja schön. Nun mag immer das Glück die Schuld haben, wenn du nur den Minister zu deinem Besten versäumt hast.

FORTUNAT.

Was werfen sie mit aber vor, Mama? Jungfer Lieschen, die sie immer ihrer Ordnung wegen loben, säumt gewiß noch länger zu uns zu kommen, als ich gesäumt habe, zum Minister zu gehen.

SYLVESTERINN.

Ich dachte, was dir fehlte! Wenn du gleich auch ein Minister wärst! Und deswegen hättest du ihr doch nichts vorzuwerfen. Sie könnte noch einmal wiederkommen?

FORTUNAT.
Mama, sie haben mich zum besten. Sie wird nicht schon da gewesen seyn?
SYLVESTERINN.
Ich werde dir wohl vorlügen!
FORTUNAT.
Nein, Mama, sie wollen mich nur ein Bißchen quälen.
SYLVESTERINN.

Ja. Ich habe dich wohl in meinem Leben nicht gequält! Es ist nicht anders, Fortunat: sie ist schon fort: und wir sind in unsrer Sache nicht gar weit gekommen.

FORTUNAT.
Ich muß sie wiederholen, Mama. Es muß seyn: es mag mich so viel Mühe kosten, als es will.
SYLVESTERINN.

Was willst du? Willst du nicht auch etwan den Termin versäumen? Um halbweg viere hast du bey Stromen seyn sollen; und es ist schon um viere. Ich will dich gleich zu Stromen tragen lassen. Ich habe es ihm versprochen. Friedrich! Friedrich!

FORTUNAT.

Ich glaube, sie rufen nach einer Sänfte. Das wäre doch ein artig Mittel, mich hinzubringen. Es ist doch Schade, daß sie keinen Pedell haben; sie könnten ihn neben her gehen lassen: so wäre der Arrest vollkommen.

SYLVESTERINN.
Du sollst dich hintragen lassen! Ich will es haben.
FORTUNAT.
Lassen sie mich meine Liebste wiederholen. Ich bitte sie!
SYLVESTERINN.
Und ich bitte dich, mache, daß du zu Stromen kömmst.
FORTUNAT.
Strom ist nicht meine Liebste.
[263]
SYLVESTERINN.
Ach! ums Himmels willen! Willst du denn den Proceß verlieren?
FORTUNAT.
Es ist besser, ich verliere den Proceß, als Jungfer Lieschen.
SYLVESTERINN.
Sie ist ja noch nicht verloren: du hast noch so viel Hoffnung, als vorher.
FORTUNAT.

Wenn ich spreche, ich habe noch so viel Hoffnung, als vorher, Secretär zu werden: so sind sie ungeduldig. Und wenn sie sprechen, ich habe noch so viel Hoffnung, als vorher, daß Jungfer Lieschen meine Liebste wird: so bin ich es noch zehnmal mehr.

SYLVESTERINN.
Lieber Fortunat, geh zu Stromen! Ich will dich auf den Knieen bitten: thu es nur.
FORTUNAT.
Ich will zu Jungfer Lieschen gehen, und zu keinem andern Menschen.
SYLVESTERINN.
Du triffst sie nicht an.
FORTUNAT.
Ich will sie antreffen, und wenn ich von Hause zu Hause fragen sollte, wo sie wäre.
SYLVESTERINN.
Ja, da wirst du sie antreffen!
FORTUNAT.

Und ich will sie auf den Abend zu Tische bitten, und Musik kommen lassen, und tanzen: Das sage ich ihnen, Mama! denn ich muß den Verlust von ihrer Gesellschaft wieder einbringen.

SYLVESTERINN.
Du willst deine Mutter lieb haben, und willst mir nicht folgen?
FORTUNAT.

Ich habe sie lieb. Aber, wenn sie mich lieb haben: so thun sie mir es zu gefallen. Allerliebste Mama, sie werden mir doch meine Liebste nicht aus den Händen gehen lassen? Ja, ja, sie thuns: ich will sie herbitten. Sie werden für das andre sorgen. Ich bringe sie gewiß!

SYLVESTERINN.
Nun! ich will dir sagen, wo sie ist. Sie ist spazieren gegangen.
FORTUNAT.

Nun weis ich genug. Das müßte nicht gut seyn, wenn ich nicht wüßte, wohin alle Mädchen spazieren giengen.

SYLVESTERINN.
Lieber Fortunat, geh nicht gleich. Geh erst zu Stromen.
FORTUNAT.

Nimmermehr! Mama. Was wäre denn das für eine Aufführung, wenn ich meiner Liebsten wegen, es nicht übers Herze bringen könnte, einen Termin zu versäumen? Aber anziehen muß ich mich erst, Mama. Die silbernen Schnallen!

SYLVESTERINN.
Du kriegst sie nicht, wenn du nicht erst zu Stromen gehst.
FORTUNAT.

Mama! so gern ich die silbernen Schnallen einmachte: [264] so gehe ich ungeputzt zu Jungfer Lieschen; wenn sie mir sie nicht geben wollen. Ich will lieber lüderlich ein Frauenzimmer besuchen, als in silbernen Schnallen Herrn Stromen.

SYLVESTERINN.

Läufst du doch, Fortunat? Ich sage dirs, wenn du nicht zu Stromen gehst: so mache ich auf Jungfer Lieschen nicht das geringste zurechte. Du magst hernach sehen, worauf du sie tractirst. Da läuft der böse Mensch doch fort. Cathrine! Cathrine!

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Cathrine. Frau Sylvesterinn.

CATHRINE.
Wollen sie die Jungemagd? Frau Sylvesterinn.
SYLVESTERINN.
Ja doch.
CATHRINE.
Nun! so bin ich die Köchinn.
SYLVESTERINN.
Die Köchinn will ich ja eben.
CATHRINE.
Nun, so bin ich die Jungemagd.
SYLVESTERINN.
Narr! dich will ich. Die Jungemagd und die Köchinn zugleich.
CATHRINE.

So muß ich doch wohl bleiben, weil ich alles beydes bin. Sonst hatte ich große Lust zu sehen, wie ich davon käme. Nun! was haben sie denn so notwendig, daß sie die Jungemagd und die Köchinn zugleich brauchen?

SYLVESTERINN.
Gäste werde ich kriegen! Mein Sohn wird sie nach Hause bringen.
CATHRINE.
Ist er schon wieder aus dem Hause gelaufen?
SYLVESTERINN.
Ja!
CATHRINE.
Das ist sein Glück! sonst sollte er es wohl bleiben lassen; so spät Gäste zu bitten.
SYLVESTERINN.
Nicht wahr? Du würdest es ihm wohl verbothen haben, wenn ich es nicht kann.
CATHRINE.
Wenn sie es nicht können? Das ist noch ein großer Unterscheid, wenn sie was haben wollen, oder ich.
SYLVESTERINN.
So? wer regiert denn im Hause? Du? oder ich? und mein Herr?
CATHRINE.

Ich regiere, Frau Sylvesterinn: ich will es ihnen gleich sagen, wie es zugeht. Sie regieren ihren Herrn. Ihr Sohn regiert de. Und die Jungfer Jungemagd, und die Jungfer Köchinn in ihrem Hause regiert ihren Herrn Sohn. Also regiere ich sie alle.

SYLVESTERINN.
Nicht wahr? und Fiekchen regiert dich?
CATHRINE.
Das arme Kind wird regiert genug: sie denkt gerne an das Regieren nicht.
[265]
SYLVESTERINN.
Und ich verbiethe dir einmal für allemal, daß du meinen Sohn nicht regieren sollst.
CATHRINE.

Kann ich dafür, wenn meine Macht über die Herzen so groß ist? Wenn ich ihn nicht regierte, so bliebe er wohl unregiert, und sie würden noch tausendmal mehr Noth mit ihm haben. Wenn er nur da wäre: so wollte ich ihm befehlen, daß er ihnen befehlen sollte, daß sie ihrem Herrn befehlen sollten, daß heute kein Mensch ins Haus kommen dürfte, der aussähe, wie ein Gast. Und so brauchten sie weder die Jungemagd noch die Köchinn.

SYLVESTERINN.
Du sollst auf den Markt gehen, Cathrine, und sollst sehen, was zu haben ist.
CATHRINE.

Was zu haben ist? Wenn ich nun wiederkomme, Frau Sylvesterinn; sie haben das und das: so heißt es; geh geschwind, und sieh, wie theuer es ist. Und wenn ich nun spreche: es ist so und so theuer, hernach heißt es, Cathrine, geh, hole es. Frau Sylvesterinn, wie viel Personen wollen sie denn haben.

SYLVESTERINN.

Das weis ich nicht So viel, als ihrer kommen. Und mache ja alles so schön, als du kannst, damit mein Sohn nicht sprechen kann, ich sorge nicht für ihn.

CATHRINE.

Nun! es ist gut: ich will gehen. Er soll nicht allein nicht sprechen: Cathrine, du hast für mich gesorgt – – – Da ist Herr Sorger, Frau Sylvesterinn.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Sorger. Frau Sylvesterinn.

SORGER.

Frau Schwester, ich muß ihnen doch auch meinen Glückwunsch abstatten, daß ihr Sohn Secretär geworden ist: denn ich zweifle nicht, daß er es nun seyn wird.

SYLVESTERINN.

Herr Bruder, ich glaube, du fängst auch an die Leute zu höhnen. Ich habe dich immer noch für jemanden gehalten, dessen seine Worte lauter Wahrheiten sind: aber fange es nur nicht so an. Sonst traue ich dir nicht eine Sylbe mehr.

SORGER.

Was fehlt ihnen denn, Frau Schwester? Was habe ich ihnen denn gethan? Es ist unmöglich, daß ihr Sohn nicht Secretär seyn sollte.

SYLVESTERINN.
Hörst du denn noch nicht auf?
SORGER.

Ich bin noch heute bey sechs Personen gewesen, die ich alle auf das inständigste gebethen habe, und die mir alle versprochen haben, ihr möglichstes zu thun.

SYLVESTERINN.
So schweig doch still! Ich habe nöthigere Dinge mit dir zu reden.
[266]
SORGER.
Frau Schwester, sagen sie mir nur aufrichtig. Ist er es nicht?
SYLVESTERINN.
Nein doch!
SORGER.

Je! was muß denn die Ursache seyn? Ich habe mir mein Tage so viel Mühe nicht gegeben. Mein Tage habe ich auch so viel Versicherung nicht gehabt!

SYLVESTERINN.
Es ist aber doch nichts geworden.
SORGER.
Der Mensch muß selber einen Fehler begangen haben.
SYLVESTERINN.
Freylich!
SORGER.

Je! was hat er denn gethan? Es muß was rechtes seyn! Es wäre sonst unmöglich zurückgegangen. Sollte er denn was vorgehabt haben, das der Minister erfahren hätte?

SYLVESTERINN.
Ach! was mein Sohn thut; das dürfen alle Leute wissen.
SORGER.
Sollte er denn allzuwenig Ehrerbiethigkeit gegen den Minister gehabt haben?
SYLVESTERINN.
Ach nein! nein! mein Sohn machte Reverenze bis auf die Erde.
SORGER.
Sollte er etwa sonst was an sich haben, das ihm nicht gefallen hätte?
SYLVESTERINN.
Ach nein! mein Sohn muß allen Leuten gefallen, die nicht blind sind.
SORGER.
Aber, was wäre es denn?
SYLVESTERINN.
Er ist zu spät gekommen.
SORGER.

Ey, ey, ey! Frau Schwester, nehmen sie mir es nicht ungütig. Ich habe es wahrhaftig nicht gewußt, ich würde ihnen sonst nimmermehr Glück gewünschet haben.

SYLVESTERINN.
Ich glaube es ganz gern.
SORGER.
Ich kann ihnen schwören, daß ich nicht gewußt habe, daß er leer ausgegangen ist.
SYLVESTERINN.
Ich kann dir schwören, daß ich dir glaube.
SORGER.
Ach! sie stellen sich so, Frau Schwester.
SYLVESTERINN.
Nein! du kannst mir glauben. Ich bin überzeugt davon.
SORGER.
Ich bitte sie tausendmal um Verzeihung.
SYLVESTERINN.

Aber ich muß dir sagen, Herr Bruder, mein Mann spricht immer: Fortunat sorgt für gar nichts. Aber ich sehe nun, daß es lauter Eigensinn ist. Er sorgt wohl.

SORGER.
Sorgt er? Das ist ja schön! Er hat heute unfehlbar seinen Termin abgewartet.
SYLVESTERINN.
Ach nein! dazu habe ich ihn vor lauter Sorge nicht bringen können.
SORGER.
Ist er so besorgt, daß ihn der Minister übergangen hat.
[267]
SYLVESTERINN.

Nein! darum ists ihm auch nicht zu thun. Aber ich will dir sagen, wofür er sorgt: es ist doch ein gutes Kennzeichen. Für Jungfer Lieschen sorgt er ganz unbeschreiblich. Er hatte die Zeit versäumt, da sie uns ihren Besuch abstattete. Er war nicht darüber zu trösten; er gieng, ohne sich wieder von neuem anzuziehen, den Augenblick nach ihr. Er will sie Abends hier zu Gaste haben; er will Musik darzu haben; und läßt sich es sehr angelegen seyn.

SORGER.
Aber der liebe Herr Fortunat versäumt den Termin, Frau Schwester!
SYLVESTERINN.

Das ist eben meine Noth, Herr Bruder. Ich habe ihn vor lauter Sorgen über seine Liebste nicht dazu bringen können, daß er zu Stromen gegangen wäre. Ich bin ihm bald zu Fusse gefallen: aber ich konnte nichts erhalten. Sage mir doch, was mache ich denn, Herr Bruder?

SORGER.
Frau Schwester, der Termin ist versäumt. Itzo wäre es noch die höchste Zeit, ihn abzuwarten.
SYLVESTERINN.
Ach! wenn er versäumt ist: so kratzt mir Strom die Augen aus dem Kopfe.
SORGER.

Ich sehe gar keine Hülfe, Frau Schwester. Ihr Sohn hätte die Liebste allezeit eher wieder gekriegt, als den Proceß.

SYLVESTERINN.
Er war freylich gar zu sorgsam. Was machen wir denn?
SORGER.
Da wird kein Rath seyn. Ach! ich wollte ihnen gerne helfen. Sagen sie nur wie?
SYLVESTERINN.

Ich wüßte wohl, Herr Bruder. Aber soll ich des leichtfertigen Menschen wegen zur Lügnerinn, zur Betrügerinn, zur Causenmacherinn werden.

SORGER.
Behüte Gott! nein! Frau Schwester. Das werden sie nicht thun.
SYLVESTERINN.
Ich schadete aber niemanden damit; und meinem Sohne hülfe ich.
SORGER.

Wenn das ist, Frau Schwester: so sind sie weder eine Lügnerinn, noch eine Betrügerinn, noch eine Causenmacherinn.

SYLVESTERINN.
Je! das wäre ja schön: ey, da hätte ich Hülfe.
SORGER.
Je! was haben sie denn? Frau Schwester. Ich denke immer, es wird nicht angehen, was sie thun wollen.
SYLVESTERINN.
Ja, ja. Es geht an. Es geht an.
SORGER.
So sagen sie nur: hernach will ich sehen. Ich fürchte aber immer – –
SYLVESTERINN.

Ganz gewiß geht es an! Höre nur, Herr Bruder: Renner war da, und sagte, er wollte compromittiren, wie er es hieß.

[268]
SORGER.
Und ihr Sohn wollte nicht? Er verließ sich darauf, daß er den Termin noch abwarten könnte?
SYLVESTERINN.

Nein! er war nicht da. So dächte ich, Herr Bruder, lieber Herr Bruder! du nähmest die Mühe über dich, und giengst zu ihm, und sagtest, mein Sohn und Strom wollten compromittiren. Hörst du, lieber Herr Bruder?

SORGER.
Ja, Frau Schwester. Ich denke immer, Renner wird es nicht thun.
SYLVESTERINN.
Er wollte ja vorhin.
SORGER.
Aber ich sollte den Leuten auch nicht vorlügen?
SYLVESTERINN.

Je! es schadet ja niemanden. Ich weis auch nicht einmal, ob das einem vorlügen heißt. Mein Sohn will gewiß, das weis ich, und wenn sie auf hundert Jahr compromittiren wollten: und Strom muß wollen, ehe er den Proceß verloren giebt. Ich kann mir sonst ganz und gar nicht helfen.

SORGER.
Nun! Frau Schwester. Wenn sie sich sonst nicht helfen können: so muß ich wohl gehen.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Frau Sylvesterinn. Strom. Sorger.

SYLVESTERINN.
Da ist Herr Strom, ihre Dienerinn! Herr Bruder, geh du ja!
STROM.
Sehn sie doch, wie schön ihr Sohn halb vier Uhr bey mir ist.
SORGER.

Sie nehmen doch nicht ungütig, Herr Strom, wenn ich dießmal die Ehre nicht haben kann, ihrer Gesellschaft zu genießen.

STROM.
Wie wollte ich das ungütig nehmen?
SORGER.

Sie mögen mir glauben oder nicht: so kann ich sie versichern, daß es aus keiner andern Ursache geschieht, als weil ich nicht Zeit habe.

STROM.
Herr Sorger, ich habe ja auch nicht Zeit.
SORGER.
Ich bitte recht sehr um Verzeihung. Seyn sie gewiß versichert, daß ich recht nöthig zu thun habe.
STROM.
Ich habe ja auch nöthig zu thun.
SORGER.
Ach! ich sorge nur, sie werden es übel aufnehmen.
STROM.
Der Henker soll mich holen, wenn ich es ihnen übel nehme.
SYLVESTERINN.

Gehe doch, Herr Bruder. Herr Strom nimmt es nicht übel. Er weis auch, wie es ist, wenn man zu thun hat.

7. Auftritt
[269] Siebenter Auftritt.
Strom. Frau Sylvesterinn.

STROM.

Nun! Frau Sylvesterinn. Haben sie ihren Sohn sich vor ihren Augen in die Sänfte setzen lassen? Haben sie ihn zu mir tragen lassen, und zwar um halb vier Uhr?

SYLVESTERINN.

Herr Strom, sie sind der hitzigste Mann, den ich auf der Welt gekannt habe. Ich würde das alles wohl gethan haben, wenn ich es für nöthig befunden hätte.

STROM.

Und sie sind die kaltsinnigste Frau, mit der ich in meinem Leben entweder gehandelt, oder proceßiret habe, oder verwandt gewesen bin. Sie haben es nicht für nöthig befunden? Sehn sie doch! Es ist nicht genug, daß ich ihren Sohn zu meinem Unglücke zum Advocaten habe? Nicht wahr? Ich soll auch noch sie zur Consulentinn haben, damit ich recht gestraft werde!

SYLVESTERINN.

Nun! ich sage, daß ich es nicht für nöthig befunden habe; und ich will es noch zehnmal sagen, wenn sie es haben wollen.

STROM.

Und ich befinde für nöthig, und will es ihnen einmal sagen, und nicht mehr: daß ich aus ihrem Hause gehen will, und daß sie sprechen sollen, ich habe alle meine Käufer betrogen, wenn ich mein Wort nicht halte, und in meinem Leben ein einzigmal wieder hereinkomme.

SYLVESTERINN.

Herr Strom, hören sie mich doch nur! Der Termin ist aufgehoben. Mein Sohn hat mit dem Kläger compromittiret.

STROM.

Seht ihrs? Thut sie nicht noch wie ein Bißchen mehr, als ein Advocat? Sie wird wohl auch noch Consulentengebühren haben wollen. Was reden sie mir denn für Wörter vor? Man hat mit den Advocaten genug zu thun, daß man sie versteht. Fangen denn die Weiber auch noch an, so zu reden?

SYLVESTERINN.

Ich kann es ihnen nicht anders sagen, als ich es gehört habe. Recht weis ich selber nicht, was es ist.

STROM.

Gleichwohl haben sie es nicht für nöthig befunden, ihren Sohn hinzuschicken: damit ich die Ehre haben könnte, ein paar Wörter von ihnen zu hören, womit ihnen der Herr Fortunat das Maul geschmieret hat, und die sie selber nicht verstehen.

SYLVESTERINN.
Herr Strom, lassen sie mich nur zum Reden kommen, ehe sie so lärmen.
STROM.

Ja! wenn ich sie nun zum Reden kommen ließe: so könnten wir den Termin vollends verreden, und ich käme doch wohl nicht an die Reihe, daß ich auch reden könnte.

SYLVESTERINN.
Der Termin ist heute nicht!
STROM.
Sie werden wohl machen, daß er nicht seyn kann.
[270]
SYLVESTERINN.

Ich nicht! Aber des Klägers sein Advocat und mein Sohn haben einander versprochen, daß heute beyde Parteyen nicht da seyn wollen, und der Termin soll ausgesetzt seyn, bis auf ein andermal.

STROM.

Der Teufel muß doch ihren Sohn reiten, daß er die Termine aufschiebt! Er wird mir wohl das Geld alle aus dem Beutel proceßiren wollen, daß er mir den Proceß verlängert.

SYLVESTERINN.

Herr Strom, es kann ihnen ja nichts schaden. Unterdessen werden die Zeuge wieder wohlfeil: so wird ihr Kläger nicht so sehr drauf dringen.

STROM.

Ich habe es ihnen gesagt, daß ich nicht sie, sondern ihren Sohn zum Advocaten haben will: wenn gleich einer so viel davon versteht, als der andre.

SYLVESTERINN.
Du lieber Himmel! darf man denn gar nicht reden?
STROM.

Ich komme gar nicht her, daß ich mit ihnen reden will, außer daß ich ihnen habe vorwerfen wollen, daß sie mich betrogen haben. Nur mit ihrem Sohne habe ich reden wollen!

SYLVESTERINN.
Wahrhaftig! ich dächte, es sollte ihnen lieb seyn, daß der Termin aufgeschoben ist.
STROM.
Ja! es ist mir lieb. Denn ich kann unterdessen einen andern Advocaten finden.
SYLVESTERINN.

Reden sie denn schon wieder von einem andern Advocaten? Mein Sohn mag auch denken, er macht es noch so gut, und ich dazu: so macht man es ihnen doch niemals recht.

STROM.

Sie sollen nichts machen: sie mögen es gut oder nicht gut machen. Und ihr Sohn soll sich nicht unterstehen, ohne mein Vorwissen die Termine aufzuschieben.

SYLVESTERINN.
Lieber Herr Strom, suchen sie doch deswegen keinen andern Advocaten. Er wird es nicht mehr thun?
STROM.

Er könnte wohl auch den Proceß verlieren, und es nicht mehr thun wollen. Einen Proceß verliert man nicht mehr als einmal.

SYLVESTERINN.
Besinnen sie sich doch anders, Herr Strom.
STROM.
Wo ist denn ihr Sohn?
SYLVESTERINN.
Er ist ausgegangen.
STROM.
Ausgegangen? Frau Sylvesterinn. Ihr Sohn geht doch wohl den ganzen Tag über aus.
SYLVESTERINN.
Sonst nicht sehr.
STROM.
Das glaube ich. Er geht wenigstens vielleicht den Tag nur einmal aus dem Hause.
SYLVESTERINN.
Ach! Herr Strom. Behalten sie meinen Sohn zum Advocaten.
STROM.

Ich will mich besinnen. Aber das sage ich ihnen: die Wahrheit [271] sage ich ihm vorher noch recht. Gott behüte sie, Frau Muhme. Begleiten sie mich nicht, Frau Sylvesterinn. Wir kommen den Tag über öfter zusammen.

SYLVESTERINN.
Ich habe sonst allerley zu besorgen, Herr Strom, ich muß doch mitgehen.

5. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Fiekchen. Cathrine.

CATHRINE.
Nun! Jungfer, so komme, sie doch. Ich wäre schon wieder zurücke, wenn sie nicht so schliche.
FIEKCHEN.

Sage mir doch, Cathrine, was sollte ich denn aus der Stube hier neben an holen? Ich gab nicht Achtung, was die Mama sagte.

CATHRINE.
Ich denke, sie weis es.
FIEKCHEN.

Närrinn! weswegen hätte ich dich denn mitgenommen? Ich dachte, du hättest es gehört: so solltest du mir es sagen.

CATHRINE.
Ists das, so kann ich ihr nicht helfen.
FIEKCHEN.

Ach! ich bin ganz müde. Kann Fortunat den Leuten nicht Noth machen! Die Mama, und ich, und du, wir haben alle zu thun.

CATHRINE.
Ja! höre sie doch, Jungfer, was machen wir denn nun, wenn wir nicht wissen, was wir holen sollen?
FIEKCHEN.
Lauf doch, und frage.
CATHRINE.

Ja, die Mama würde mich anlassen! Höre sie, Jungfer Fiekchen, wir wollen eine Weile ausbleiben. Hernach wollen wir gehen und sagen, wir können es nicht finden: so muß doch die Mama es genauer beschreiben. Hernach gebe sie Achtung: so weis sie, was sie holen soll.

FIEKCHEN.

Das ist doch ein vortrefflicher Rath, liebe Cathrine! So will ich mich hersetzen, und ein Bißchen ausruhen, und die Augen zumachen.

CATHRINE.

Pfuy! schäme sie sich. In der Stube soll heute noch getanzt werden: und sie will hier faullenzen. Ach! wenn ich nur heute mittanzen dürfte. Ich habe recht lange nicht getanzt; ich wüßte mich bald seit einem Jahre nicht zu besinnen, wenn ich getanzt hätte. Das verzweifelte Ding, daß ich Jungemagd und Köchinn zugleich bin! Wenn die Jungemagd zu Tanze gehen will: so muß die Köchinn zu Hause bleiben. Und will die Köchinn gehen: so muß die [272] Jungemagd unterdessen das Haus hüten. So kömmt mein Jungfer Cathrinchen niemals zum Tanze.

FIEKCHEN.

Ich möchte nur wissen, was du von dem Herumspringen hättest? Meinetwegen möchte kein Tanzmeister und keine Musik auf der Welt seyn. Die Tanzmeister brechen einem die Beine bald entzwey. Und wenn nur noch keine Musik wäre: so wäre auch keine Cadanz. So möchte man doch tanzen, wie es einem bequem wäre, wenn das Getanze ja seyn sollte.

CATHRINE.

Nein! Jungfer Fiekchen, ich muß zum voraus tanzen, weil ich hernach nicht mittanzen kann. Komm sie her. Schäme sie sich! Wer wird denn so stille seyn? Tanze sie mit. Ich will Fortunat seyn: sey sie Jungfer Lieschen.

FIEKCHEN.
Ach! laß mich gehen.
CATHRINE.

Ihr Bruder tanzt alle Tage, und sie will gar nicht tanzen. Ich darf mich nicht auf der Stube sehen lassen: so heißt es: kommt her, Cathrine, tretet einmal daher, ich muß was aus dem Tanze probiren; ich vergesse ihn sonst ganz. Ich kann mich schon nicht recht darauf besinnen. Hört, ihr dummes Ding, hieher sollt ihr treten! Nun es ist gut, da stehe ich. Da fängt er an um mich herum zu springen. Nun geht daher! da springt er wieder. Nun dorthin! wieder gesprungen. Und wenn ich nicht davon liefe: so tanzte er den ganzen Tag um mich herum.

FIEKCHEN.
Ach! liebe Cathrine, wenn ich nur schlafen könnte!
CATHRINE.
Warte sie, Fiekchen, ich will ihr was auf der Laute vor, damit sie einschläft. Sieht sie!
FIEKCHEN.

Ach! geh fort! geh! geh! ich wollte dich führen. Du könntest wohl einen Todten mit der Laute aufwecken, so jämmerlich klingts: geschweige denn, daß ich darüber einschlafen sollte.

CATHRINE.

Ey! denke sie doch. Weis sie das? Man sollte die Leute nicht eher tadeln, bis mans besser machen kann. Es mag klingen, wie es will: es muß ihr schöne klingen, denn sie kanns nicht besser.

FIEKCHEN.

Es liegt nur an mir, daß ich es nicht besser kann, als du: mein Bruder hat mich es lange lehren wollen. Aber es kostet so viel Mühe: drum will ich nicht.

CATHRINE.

Aber Jungfer Fiekchen, wenn die Gäste kämen, und sähen mich mit der Laute da stehen: ich wüßte nicht, was ich thäte! Ins Futteral könnte ich sie so geschwinde nicht wieder legen.

FIEKCHEN.
So thue sie doch weg.
CATHRINE.

Ich glaube, daß ich aussehe, wie der dritte von den fünf Sinnen, die ihr Bruder gemalt hat. Wenn die Leute kämen: so dächten sie doch wohl, ich wäre das leibhaftige Gehör.

FIEKCHEN.
Du wirst so lange thalen, bis sie kommen.
[273]
CATHRINE.

Sie ist auch gar zu nichts zu bringen, Jungfer Fiekchen. Tanzen muß ich heute einmal vor allemal. Nun! so will ich auch ganz allein tanzen, und die Musik selber dazu machen, wenn man gleich nichts davon hört. Das Ding muß artig aussehen.

FIEKCHEN.
Die Gäste kommen! Sie kommen! Ich muß laufen.
CATHRINE.
Zum Henker! was fange ich mit der Laute an? Ach! ich laufe mit samt der Laute davon.
2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Lieschen. Fortunat.

FORTUNAT.

Ich kann ihnen die Versicherung geben, daß ich niemals so eifrig, so gerade, so hurtig nach einer Sache gegangen bin: als ich dießmal gethan habe, sie wieder zu uns zu bringen.

LIESCHEN.

Sie haben mich aus meiner ganzen Ordnung gerissen. Wir waren gleich im Begriffe nach Hause zu gehen, und es waren Dinge zu Hause, die recht auf mich warteten. Sie können glauben, daß ich recht böse auf sie bin.

FORTUNAT.
Sie sind böse, liebstes Jungfer Lieschen?
LIESCHEN.

Sie würden mich nimmermehr darzu gebracht haben, wieder zu ihnen zurück zu kommen: wenn ihnen meine Mama nicht beygestanden hätte, und wenn sie nicht selber noch gegangen wäre, einen Theil meiner nöthigsten Geschaffte zu besorgen.

FORTUNAT.
Sie würden sonst nimmermehr zu uns gekommen seyn? Wer ist ihnen denn in unserm Hause so verhaßt?
LIESCHEN.

Gewiß niemand. Aber es ist etwas anders, das mir verhaßt ist, und das mich hätte abhalten sollen, mich im geringsten bewegen zu lassen.

FORTUNAT.
Ich bitte sehr. Entdecken sie es doch. Was ist ihnen so verhaßt?
LIESCHEN.
Die Unordnung, die dadurch in unserm Hause entstehen wird.
FORTUNAT.

Verursachet man denn Unordnung in einem Hause, wenn man nicht da ist. Wenigstens weis ich aus der Erfahrung, daß ich mehr Unordnung in meinem Hause mache, wenn ich da bin, als wenn ich nicht da bin.

LIESCHEN.
Schlimm genug! Das ist ein Zeichen, daß sie mehr Unordnung stiften, als verhüten.
FORTUNAT.

Das kann ich eben nicht sagen: denn ich bin mehr außer dem Hause, als in dem Hause. Und weil ich nur Unordnung stifte, wenn ich zu Hause bin, und nicht, wenn ich nicht zu Hause bin: so verhüte ich mehr Unordnung, als ich stifte.

[274]
LIESCHEN.

Das Bekänntniß ist unmöglich ihr Ernst: denn gewiß, mit ihrer Erlaubniß, es ist nicht zu ihrem Vortheile.

FORTUNAT.
Warum das? Wer viel thut, der kann nicht allezeit ordentlich seyn.
LIESCHEN.
Es kann seyn. Ich lobe mir aber wenig, doch ordentlich.
FORTUNAT.
Ach! ich habe mich ganz erhitzt, so viel habe ich den Nachmittag zu gehen gehabt.
LIESCHEN.
Es ist schade, daß die Mannspersonen keine Fächer tragen. Es würde ihnen recht artigste hen.
FORTUNAT.
Darf ich mir ihren ausbitten!
LIESCHEN.

Nicht wahr? sie möchten mir Schaden daran thun! Die Mannspersonen wissen mit solchen Sachen nicht umzugehen.

FORTUNAT.

Das haben sie nicht zu besorgen. Ich müßte mich schämen, wenn ich mit einem Fächer nicht umgehen könnte. Ich dächte fast, es wäre so viel, als wenn ich mit dem Frauenzimmer selber nicht umgehen könnte.

LIESCHEN.

Man würde dessentwegen nicht weniger von ihnen halten, wenn sie auch gleich mit einem Fächer nicht umzugehen wüßten.

FORTUNAT.

Der Fächer ist schön gemalt. Ich hatte mir vorgenommen einen zu malen: aber ich darf es nunmehr nicht wagen.

LIESCHEN.

Ich kann nicht sagen, daß mir die Malerey gefiele. Ich kann sie gar nicht auf den Fächern finden, wie ich sie haben will.

FORTUNAT.
Sind sie eine so gute Kennerinn? Das ist mir recht lieb. Ich werde ihnen tausenderley weisen können.
LIESCHEN.

Ich bin ganz und gar keine Kennerinn: aber ich habe nur niemals einen Fächer finden können, der mir gefallen hätte. Man malt so viel unnütze Dinge drauf. Die Leute mögen lachen, wie sie wollen. Ich dächte, wenn ich malen könnte; ich malte mir einen Kalender darauf. Denn der Fächer ist gewiß der allerbequemste Ort allemal einen Kalender bey sich zu haben, zumal da man ihn itzo Sommer und Winter trägt. Und wenn es ja Zierrathen dabey geben sollte: so ließ ich mir etwan auf die andre Seite eine Uhr malen.

FORTUNAT.
Eine Uhr? warum denn eine Uhr?
LIESCHEN.
Ich kann ihnen keine andre Ursache sagen, als weil es mein Sinnbild ist.
FORTUNAT.

Sie haben auch ein Sinnbild? Haben sie noch keine Ueberschrift dazu? Ohnfehlbar ists: Wenig doch ordentlich; wie sie vorhin sagten.

LIESCHEN.

Ach! das ist ja schön, daß sie mir darauf helfen: ich habe noch keine Ueberschrift gehabt. Wenigstens muß man ihnen das lassen, daß sie sinnreich sind.

[275]
FORTUNAT.

Ich werde ihnen ihr Sinnbild malen, wenn sie es erlauben wollen. Es soll mein erstes Geschäffte seyn.

LIESCHEN.
Behüte Gott! das würde Zeit kosten. Aber was ist denn ihr Sinnbild?
FORTUNAT.

Ich will es ihnen sagen. Ein Schäfer, der wie ich gestaltet ist, und zu den Fassen einer Schäferinn liegt, die recht schön und recht artig, und ihnen ähnlich ist.

LIESCHEN.
Sie bezahlen die Leute gar übel, die ihnen Fragen thun. Ist das ihr Notariatsiegel?
FORTUNAT.

Ich kann sie versichern, daß ich die Zeit meines Lebens kein ander Sinnbild haben werde, und daß auf der Welt sich keines besser für mich schickt, als das.

LIESCHEN.

Sie werden es vielleicht allezeit ein Bild bleiben, und niemalen eine wahrhafte Sache werden lassen. Ich muß gestehen, man führt mich heute in ihrem Hause recht sehr in Versuchung.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Frau Richardinn. Die Vorigen.

LIESCHEN.

Sie kommen schon, Mama. Mit Erlaubniß, haben sie meine Geschaffte zu Hause versehen? Haben sie die Uhr aufgezogen?

RICHARDINN.
Das habe ich gethan.
LIESCHEN.
Haben sie meinen Blumen frisches Wasser gegeben?
RICHARDINN.
Das ist geschehen.
LIESCHEN.
Haben sie denn auch meine Vögel gefüttert?
RICHARDINN.
Alles ganz richtig.
LIESCHEN.
Und meinen kleinen Hund nicht vergessen?
RICHARDINN.
Du kannst dich darauf verlassen, Lieschen.
LIESCHEN.

Sehn sie, mein Herr, was sie mich alles hätten versäumen lassen, wenn die Mama es nicht auf sich genommen hätte. Aber das muß ich ihnen doch sagen, daß ich eine Stunde genähet haben würde, wenn ich zu Hause gewesen wäre; und daß ich nicht weis, wie ich es wieder einbringen soll.

FORTUNAT.

Glaube ich doch, sie machen sich mehr Gewissen, eine Nähstunde zu versäumen, als ich einen Proceß. Ich weis gewiß, daß ich ihnen für diese einzige Nähstunde zehn Termine aufopfern wollte.

RICHARDINN.
Das würden sie doch nicht thun, Herr Fortunat. Das wäre unverantwortlich!
LIESCHEN.

Ey! einem Menschen, von dem ich wüßte, daß er wichtige Geschäffte versäumte, dem würde ich in meinem Leben nicht wieder [276] gut. Ein Mensch, der nicht thut, was er soll, der hindert seine eigne Absichten. Er macht, daß sich niemand auf ihn verlassen kann. Und auf wen sich niemand verlassen kann, der kann sich auch wieder auf niemanden verlassen. Er macht, daß die Leute durch ihn unglücklich werden, wenn sie ihm was anvertrauet haben. Ich kann nicht alles Böse auf einmal sagen, das ich auf einmal von einem solchen Menschen denke.

RICHARDINN.

Es ist mir ein rechtes Vergnügen gewesen, da ich vorhin gesehen habe, daß sie ihrer Geschäffte wegen unsern Besuch versäumet haben. Das ist die einzige Ursache, warum ich meine Tochter beredet habe, ihnen das Vergnügen zu machen, und wieder hieher zu kommen. Ich glaube, daß sie ihnen die Vergeltung schuldig ist, und wenn sie mit ihrer Arbeit einmal aus Nacht Tag machen sollte.

FORTUNAT.

Wenn sie Liebhaberinnen von der Musik sind, will ich ihnen etwas auf der Laute vorspielen. Ich habe der Jungfer Lieschen vorhin was gesagt, darauf sie mir noch nicht geantwortet hat. Ich will sehen, ob sie mir antworten werden, wenn ich es ihnen vorsinge und vorspiele.

LIESCHEN.

Ich glaube, daß ich ihnen noch weniger antworten werde. Ich würde ihnen meine Antwort nicht auch singen können: und was singend gefragt wird, das darf man nicht redend beantworten.

RICHARDINN.

Sie singen also auch? Sie können ja alles. Es fehlt nichts, als daß sie noch auf dem Seile tanzen könnten.

FORTUNAT.

Ich glaube, daß ichs kann. So gehts ungefehr – – – – Ich habe meine Laute gleich bey der Hand. Hier ist sie. – – – Wie geht denn das zu? Wie ist das möglich? Hier ist das Futteral: und meine Laute ist nicht da. Es darf sie ja niemand anrühren! Ich weis nicht, wohin sie gekommen ist.

RICHARDINN.

Sie haben unfehlbar jemanden ein Ständchen damit gebracht: und da werden sie sie noch gelassen haben.

FORTUNAT.

Habe ich sie denn auch wohl wieder aufgehoben, da ich sie das letztemal gebraucht habe? Ich muß nachfagen. Erlauben sie, daß ich sie einen Augenblick verlasse.

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Lieschen. Frau Richardinn.

RICHARDINN.

Nun, Lieschen. Glaubst du bald, was ich dir vorhin bey dem Spazierengehen gesagt habe? Wie gefällt dir denn der Herr Fortunat?

[277]
LIESCHEN.

Ich fange bald gar an zu glauben, daß es Ernst ist; zumal da der alte Herr Sylvester vorhin davon redete. Denn Herrn Fortunaten allein glaubte ichs nun wohl eben nicht. Ich dächte auch wohl noch, ihnen alles offenherzig zu sagen, er gefiele mir. Aber wenn er nicht weis, wo er seine Laute hingethan hat: so darf er sich keine Rechnung machen, daß ich ihn lieb haben kann. Wer weis, ob er nicht für seine Laute am meisten sorgt? und wie wird er mit den übrigen Sachen umgehen, für die er nicht so sehr sorgt?

RICHARDINN.

Du gutes Kind, du willst einen ordentlichen Mann haben, weil du selber ordentlich bist. Höre nur, Lieschen, ich will dir was sagen: was hilft dir denn die Ordnung, wenn zwey ordentliche Leute zusammen kommen?

LIESCHEN.

Was hülfe sie denn, wenn ich mit einem unordentlichen Manne zusammen käme? daß er zerstörte, was ich gebaut hätte?

RICHARDINN.

Je! die Tugend will Gelegenheit haben. Denke nur an: wenn ein Frauenzimmer, das geduldig ist, einen Mann hätte, der auch geduldig wäre, was würden sie denn vor lauter Geduld anfangen? Der Mann thäte der Frau nichts, und die Frau dem Manne nichts: und so stürben sie, und es wäre noch die Frage, ob es dem Redner bey der Gedächtnißrede in den Kopf käme, daß die beyden Leute geduldig gewesen seyn sollten. Aber wenn eine geduldige Frau einen bösen Mann hat: da sieht man erst, was für Geduld in ihr ist, und da müßte einer blind seyn, wenn er es nicht sähe.

LIESCHEN.
Ja, Mama. Das trifft nicht überall ein.
RICHARDINN.

Warum träfe es denn nicht überall ein, Lieschen? Wenn der Mann viel Geld verthut, und die Frau sparet; so sprechen alle Leute: der Mann müßte aus dem Lande laufen, wenn er nicht eine so haushältige Frau hätte. Wenn der Mann geizig ist, und die Frau ist freygebig; so sprechen die Leute: es kriegte kein Mensch in dem Hause zu essen, wenn die Frau nicht wäre. Wenn du nun ordentlich wärest, und dein Mann auch, wer würde denn sprechen: die Frau hält ihren Mann recht in Ordnung. Und was wolltet ihr euch zu thun machen? Du würdest, wie itzund, wechselsweise einreißen, und wieder bauen müssen: damit euch die Weile nicht lang würde.

LIESCHEN.
Aber, Mama, ich würde niemals recht in Ordnung kommen.
RICHARDINN.

Und dein Mann auch niemals recht in Unordnung. Ach! Lieschen, zwey Leute von einerley Art brüten mein Tage nichts Gutes aus. Wenn einer spräche: ich will das und das recht schön haben. Je! fürstlich wollen wir es haben, mein Kind! spräche der andre. Je! nun! wenn du so denkst, hieße es hernach, so ist mirs [278] desto lieber. Da hätten wir die Narren beysammen. Aber wenn der Mann etwa sagte: nicht doch! mein Kind! geh du immer so hübsch schlecht, wie deine liebe Großmutter vordem gegangen ist. Du hast ja noch Kleider von der, die du tragen kannst. Was wollen sie darnach machen? Sie müssen sich doch wohl vergleichen. Und da muß jegliches nachgeben. Daraus kömmt hernach das Mittelfenster.

LIESCHEN.

Ach, Mama, mit ihrer langen Predigt machen sie nimmermehr, daß ich einen unordentlichen Mann haben wollte, der mich zu Tode ärgerte. Fortunat geht zwar doch ordentlich in Kleidern: aber wenn er nicht weis, wo er die Laute hat, so lobe ich mir Rennern. Der ängstet sich doch über alle seine Sachen, und denkt, er wird sie versäumen. Geputzt geht er nicht, aber er hat seine Ordnung innerlich.

RICHARDINN.
Wer weis, was das Ding mit der Laute ist? Man muß nicht gleich Uebels denken.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Fortunat. Cathrine.

FORTUNAT.
Ihr habt sie aber nicht anrühren sollen. Das wißt ihr.
CATHRINE.
Ich habe sie aber genommen: das hören sie!
FORTUNAT.
Das sollt ihr euch nicht unterstehen.
CATHRINE.

Nun! so lassen sie mich doch nur vor den Leuten gehen: sie sollen ja ihre Laute wieder haben. Hier neben an liegt sie.

FORTUNAT.

Sie dürfen mir es gar nicht zurechnen, Jungfer Lieschen, daß ich meine Laute nicht gleich bey der Hand gehabt habe. Das muthwillige Mensch ist Schuld daran. Ich weis nicht, was sie damit vorgehabt haben muß.

CATHRINE.

Nun! nun! geben sie sich zufrieden. Hier ist ihre Laute so unverletzt, als ich sie aus dem Futterale genommen habe. Und Frau Richardinn und Jungfer Lieschen, ich will ihnen eine theure Versicherung geben, daß ich es bin, der seine Laute entführet hat. Behüte Gott! der ordentliche, sorgsame Herr würde nicht wissen, wo seine Laute wäre. Seine Liebste wird gewiß mit ihm zufrieden seyn, wenn er einmal so gut für sie sorgt, als für die Laute. Da haben sie sie wieder, zu eignen Händen, und quittiren sie mich zu Dank, daß sie sie richtig erhalten haben. Ich muß laufen. Wenn sie sonst anfiengen zu spielen, möchte es so herzbrechend seyn, daß ich nicht wieder davon kommen könnte.

6. Auftritt
[279] Sechster Auftritt.
Friedrich. Die Vorigen.

FRIEDRICH.
Herr Fortunat, Herr Strom begehrt mit ihnen zu reden.
FORTUNAT.
Der ungeduldige Mann! Sprich: ich wäre nicht zu Hause.
FRIEDRICH.
Das weis er, daß sie zu Hause sind.
FORTUNAT.
Sage, ich habe Besuch.
FRIEDRICH.
Das ist ihm bekannt. Aber dennoch will er mit ihnen reden.
FORTUNAT.
Weise ihn ab.
LIESCHEN.
Sie werden doch unsrer Gegenwart wegen niemanden zurück weisen, der nöthig mit ihnen zu reden hat?
FORTUNAT.

Weswegen das nicht? Warum soll er ihnen mit seinen Erzählungen, und mit Beratschlagungen über seinen Proceß, die Ohren belästigen.

LIESCHEN.
Wir hören alles lieber, als daß sie Versäumniß haben.
RICHARDINN.
Wenn es Sachen sind, die nicht jedermann wissen darf: so können sie ja zu ihm gehen.
FORTUNAT.
Ich würde die Unhöflichkeit nicht begehen.
LIESCHEN.
Wir wollen uns unterdessen schon unterhalten.
RICHARDINN.
Eben so wohl, als wir vorhin gethan haben, da sie uns der Laute wegen verließen.
FORTUNAT.
Ey! der Laute wegen. Zum Henker! das war eine andre Sache.
RICHARDINN.
So thun sies itzo Herrn Stroms, und ihrer wichtigen Geschaffte wegen.
FORTUNAT.
Ich werde es nimmermehr thun. Er ist der verdrüßlichste Mann von der Welt.
RICHARDINN.
So lassen sie uns sehen, wie geschickt sie ihn zu lenken wissen.
FORTUNAT.
Friedrich, geh zur Mama; sprich, sie soll mir ihn vom Halse schaffen.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Frau Richardinn. Lieschen. Fortunat. Strom.

STROM.

Wollen sie mich wieder abweisen? Soll ich zum siebentenmale fortgehen, ohne eine Sylbe mit ihnen reden zu können. Ist das eine Ursache einen ehrlichen Mann fortzujagen, weil sie Besuch haben? Wenn soll man denn zu ihnen kommen? Man weist mich ab, wenn sie zu Hause sind: und wenn sie nicht zu Hause sind, weist man mich auch ab. Warum habe ich sie heute den ganzen Tag nicht zu sehen gekriegt? Was haben sie denn zu thun gehabt? Reden [280] sie doch! Nehmen sie mirs beyderseits nicht übel. Ich habe mirs vorgenommen gehabt, heute zum siebentenmale und hernach in Ewigkeit nicht wieder, weder in die Stube, noch in das Haus zu kommen. Aber, Herr Fortunat, erst habe ich ihnen die Wahrheit sagen wollen.

FORTUNAT.
Die Wahrheit sagen? Herr Strom, wie oft reden sie denn die Wahrheit in einem Jahre?
STROM.

Wenigstens einmal: wenn ich spreche, daß sie ein müßiger, fauler, sorgloser und noch dazu ein verwegner Mensch sind.

FORTUNAT.

Was die Verwegenheit anbetrifft: so werde ich vielleicht noch an ihnen die erste begehen, wenn sie nicht stille sind.

RICHARDINN.
Je, Lieschen, was ist denn das? Was fehlt denn denen Leuten. Herr Strom, was erzürnen sie sich denn?
LIESCHEN.
Herr Fortunat, was will er denn von ihnen?
STROM.
Wenn sie nicht mehr Verwegenheiten begangen haben: so haben sie heute gewiß die Probe davon gemacht.
FORTUNAT.
Nein! ich will sie noch machen.
STROM.
Wer heißt sie denn die Termine aufschieben? daß ich fragen mag.
FORTUNAT.
Was sagen sie?
STROM.
Wer heißt sie denn compromittiren?
FORTUNAT.
Sie sind verwirrt. Ich weis nicht einmal, was compromittiren seyn soll.
STROM.
Wer heißt sie denn in meinem Processe, ohne meine Erlaubniß, was vornehmen?
FORTUNAT.

Es hat keine Noth! Ich habe noch gar nichts darinnen vorgenommen, ohne ihre Erlaubniß. Und wenn ich es nun gethan hätte! Es ist aber nicht geschehen.

STROM.
Wollen sie es leugnen?
FORTUNAT.
Wer hat ihnen die Nase gedrehet?
STROM.
Ich glaube allezeit eher, daß sie lügen, als ihre Frau Mutter.
FORTUNAT.
Ich will sterben, wenn ich weis, was sie mit ihrem Compromittiren haben wollen.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Die Vorigen. Renner.

LIESCHEN.
Herr Renner, ich bitte sie drum! Setzen sie doch die Leute auseinander.
RENNER.
Geschwind. Sagen sie nur, was ist es denn? Geschwind, geschwind.
[281]
FORTUNAT.

Herr Renner! Sie müssens am besten wissen. Habe ich mit ihnen compromittiret? Ich weis zwar selber nicht, was Herr Strom damit haben will: aber sagen sie es aufrichtig.

RENNER.
Sie werden nicht ungütig nehmen, daß ich es nicht gethan habe.
FORTUNAT.
Da sehen sie, Herr Strom.
RENNER.

Sie ließen mich zwar drum ansprechen, Herr Fortunat: aber es war zu spät. Ich hätte nicht anders gekonnt, als gerichtlich: und da waren sie nicht da; und der Termin wäre zu Ende gewesen, eh es geschehen wäre.

STROM.
Da sehen sie, daß sie es haben thun wollen, Herr Fortunat.
FORTUNAT.
Ich will des Todes auf der Stelle seyn, wenn mir es in den Sinn gekommen ist.
STROM.
Läugnen sie es noch? da es ihr Gegenpart sagt.
RENNER.

Sie haben ja Herrn Sorgern an mich ge schickt. Ich bitte sie nur nochmals: nehmen sie es nicht ungütig, daß ich ihnen nicht zu Willen seyn konnte. Es war gar nicht möglich zu machen.

STROM.

Ich bedanke mich bey ihnen, Herr Renner, daß sie es nicht gethan haben. Er hat es ohne meinen Willen gethan: es ist schon recht.

9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Die Vorigen. Frau Sylvesterinn.

SYLVESTERINN.

Ach! allerliebster Herr Strom, was fangen sie für Lärmen in meinem Hause an? Wollen sie denn meinem Sohne alle Ehre nehmen? Wollen sie ihn denn vor allen Leuten zu Schanden machen?

STROM.
So mag er es darnach machen! Haben sie mir nicht gesagt, daß er compromittiret hat?
SYLVESTERINN.
Ja! und das zu ihrem Besten.
STROM.
So sagen sie es ihrem Sohne unter die Augen. Er läugnet es.
FORTUNAT.
Mama, es ist ja nicht möglich. Ich habe es gewiß nicht gethan! Wenn wäre es denn geschehen?
STROM.
Sehen sie, daß er es ihnen noch dazu läugnet.
SYLVESTERINN.
Ich will es ihnen sagen, Herr Strom: ich bin es gewesen, die es gethan hat.
STROM.
Nun! da hört man es.
SYLVESTERINN.
Es war besser, der Termin wurde aufgeschoben, als daß der Proceß verloren gienge.
RENNER.
Er ist doch verloren!
[282]
SYLVESTERINN.

Mein Sohn war nicht davon zu bringen, daß er Jungfer Lieschen wieder zu uns holen wollte, und ich dachte, darüber versäumte er den Termin.

RENNER.
Er ist auch versäumt.
SYLVESTERINN.
Drum schickte ich meinen Bruder an Herrn Rennern, daß mein Sohn compromittiren wollte.
FORTUNAT.
Da sehn sie, Herr Strom, daß ich Recht habe.
STROM.

Aber Herr Renner hat es doch nicht gethan: und das ist recht! Warum ist es ohne meine Erlaubniß geschehen?

RENNER.

Das macht, daß sie den Proceß heute verloren haben, den sie sonst erst in langer Zeit verloren hätten.

STROM.
Was? er wäre verloren?
RENNER.

Ja, sie sind contumacirt, und haben zu gewarten, daß sie als einer, der nicht erschienen ist, und also die Klage zugiebt, zu allem angehalten werden, was der Kläger verlangt. Das wollte ich Herrn Fortunaten sagen, und darum kam ich her.

STROM.

Ach! ich armer Mann. Der Proceß ist verloren! Nun, Herr Fortunat, das soll ihnen theuer zu stehen kommen, und ihnen dazu, Frau Muhme. Ich weis nun einen Proceß, den ich an statt des verlornen gewinnen will.

10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Frau Richardinn. Lieschen. Renner. Fortunat. Frau Sylvesterinn.

SYLVESTERINN.
Aber, Herr Renner, sie hatten es ja vorhin thun wollen?
RENNER.

Vorhin war nicht itzt: und itzt ist nicht vorhin. Der Minister hatte mir vorhin gleich die Secretärstelle gegeben, die ihr Herr Sohn versäumt hat. Ich hatte noch nothwendige Wege, derentwegen ich dachte, daß ich den Termin nicht würde abwarten können. Da es aber nicht angieng, und er nicht anzutreffen war: so mußte ich mir anders helfen, und das ist geschehen.

RICHARDINN.
Wie? Herr Fortunat, sie sind vorhin zu spät bey dem Minister gewesen?
LIESCHEN.

Sie haben Herr Stromen nicht vor sich gelassen, eine Secretärstelle und einen Termin versäumt? Pfuy! sie sind der hassenswürdigste Mensch auf dem ganzen Erdboden.

FORTUNAT.

Ach! kehren sie sich doch daran nicht. Es wird alles gut werden. Da habe ich ja meine Laute: ich wollte ihnen vorhin was vorspielen.

LIESCHEN.

Ich hasse ihre Laute so sehr, als sie: denn sie wird von einem Menschen gespielet, der sie nicht so schön spielen können sollte.

[283]
SYLVESTERINN.
Ach! sie werden doch nicht so unwillig seyn?
LIESCHEN.

Unterstehen sie sich nicht, mir wieder zu sagen, daß sie mich lieben. Ich müßte mich schämen, von dem müßigsten Menschen von der Welt geliebet zu werden. Mama, wir wollen gehen: er verdient es nicht, daß wir seinetwegen das geringste versäumen.

RICHARDINN.

Herr Renner, begleiten sie meine Tochter nach Hause. Sie haben heute ihrer Eilfertigkeit einen rechten Ehrentag zu danken.

LIESCHEN.
Das ist ein rechter Triumph für sie, Herr Renner.
FORTUNAT.
An ihrer Hand gewiß? das ist wohl ein schlechter Triumph.
LIESCHEN.
Vor einigen Minuten schien er ihnen noch groß genug.
FORTUNAT.
Mama, wo ist Friedrich? Ich will meinen Fuchs mit den sauern Trauben vollends fertig zeichnen.

Ende des fünften Aufzuges.

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TextGrid Repository (2012). Schlegel, Johann Elias. Dramen. Der geschäftige Müßiggänger. Der geschäftige Müßiggänger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D8FD-1