Lob der Frauen

Ein göttlich Spielwerk strömt die schöne Welt
In lichter Lebensfülle,
Des schönsten Wesens Hauch in alle Sinne;
Das ew'ge Bild glänzt neu in jeder Hülle,
Gießt Kraft ins Herz, und hält
Das trunkne, daß in Freud' es nicht zerrinne.
Du heil'ge, lockst den Geist zu ew'ger Minne,
Natur! im Abgrund schön, wie in den Funken
Des Lichts, im Tod und in des Lebens Welle;
Du aller Schönheit Quelle,
Aus deren üpp'gem Schoße sonnentrunken
Das mut'ge Tier entquillt, die holde Pflanze,
Der vollen Erde Brust zum bunten Kranze.
Doch müssen alle Erdenkinder weichen
Dem hohen Menschenbilde,
Aus dessen Aug' das All sich selbst beschaut,
Des kühnes Haupt am himmlischen Gefilde
Die Sterne mag vergleichen,
Und deuten, was im fernen Morgen graut.
Aus allen Zeiten, Zungen fließt Ein Laut,
Wie Sonn' und Erde Eins im Lichte strahlen,
Vergangne, künft'ge, jetz'ge Geister bindend,
Die heil'ge Kunst erfindend,
Und bildet ew'ger Liebe süße Qualen.
[162]
Der Mensch nur lächelt, selbst sein holder Spötter;
Aus seinem Haupt entsprangen alle Götter.
Das Urbild solcher Bildung blüht im Weibe;
Es ist der Menschheit Blume,
Die selig duftet stille Liebesflammen.
Der Frauen Reiz nur glänzt im lichten Ruhme;
Aus ihrem süßen Leibe
Blitzt Kraft in jene, die vom Himmel stammen.
Schmilz aller Männer Macht und Geist zusammen;
Was groß und würdig, mögen sie erringen,
Zur Schönheit wird die Freud'gen Lieb' entzünden.
Den Gott im Werk verkünden,
Lehrt Lieb' und auch durch Tat zu ihm sich schwingen;
Und Liebe kann der Milden Hand nur geben,
Die kindlich der Natur im Schoß noch leben.
Nie hat so treu der Freund den Freund gefunden,
Als sanfte Frau'n oft waren,
Wenn's mutig galt, ans Herz des Liebsten hin
Zu dringen durch den Tod und durch Gefahren;
Dem Einz'gen fest verbunden,
Nichts achtend allen Glanz und Weltgewinn.
Aus tiefer Lieb' erzeugt und zartem Sinn,
Blüht schön in Frau'n der Tugend milde Frucht,
Verstand und Frieden glänzt vom Angesichte,
Das Aug' in heiterm Lichte
Blickt freundlich lächelnd auf des Lebens Flucht;
Der Frauen Geist beseelt der Freude Bund,
Da lächelt jeder Schmerz sich bald gesund.
Das Kind saugt Liebe aus der Mutter Brust
Es ruht der Knab' im Schoß,
Der Jüngling ehrt ihr Aug' als sein Gestirn;
Des Mannes freudig Herz erschwillt ihm groß
Beim Anblick solcher Lust,
Er kränzt mit Ehr' und Ruhm die würd'ge Stirn.
Nichts Höhers denkt des Sehers weises Hirn
Als dich, Natur! Kein Wesen aber gleichet
So nah dir als der Mutter Kraft und Tugend,
Die jung in fremder Jugend,
Des Mitgefühles tiefste Tief' erreichet,
[163]
Und schwelgend in der Erde schönster Fülle,
Des Lebens Adel zeigt in reiner Hülle.
Im ew'gen Lichte blüht der leichte Himmel;
Die Tiefe voll Verlangen
Treibt Keime auf aus innerm Herzensgrunde;
Des Gottes Kraft hält fest die Erd' umfangen,
Und fröhlich im Gewimmel,
Bekränzt sie bräutlich sich zum Hochzeitsbunde.
Von vielem Schönen weiß ich hohe Kunde,
Doch sag ich's, schöne Frauen, kühn und laut;
Ihr seid die schönsten Blüten dieser Erde!
So wahr ich froh noch werde
Beim Kuß der hingegebnen Braut;
Wer solche Blumen darf zu Kränzen flechten,
Der ist der höchst' in sterblichen Geschlechten.

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TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Gedichte. Erste Frühlingsgedichte. Lob der Frauen. Lob der Frauen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D6F6-0