[193] Wettgesang dreier Poeten

Voß.

Poesie wie die schwarze Suppe
Schmeckt euch allen noch einst: Gott geb's!
Matthisson.

Stolz prangt mein Lied als Marmorgruppe,
Und täuschet fern den Blick, als leb's.
Schmidt.

Rothbebackt wie ein gekochter Krebs,
Grüßt die Muse mich in schmutz'ger Juppe.
Voß.

Keinen Sommer macht Eine Schwalbe:
Lieder fertig' ich dutzendweis.
Matthisson.

Wie Morgenduft die Flur entfalbe,
Das tusch' ich hin mit sauberm Fleiß.
Schmidt.

Wer Begeistrung recht zu sparen weiß,
Braucht die ganze nie, und kaum die halbe.
[194] Voß.

Wie geschaukelte Mädchen wippten
Jambus mir sich und Anapäst.
Matthisson.

In labyrinth'schen Bücher-Krypten
Such' ich mir Reime von Asbest.
Schmidt.

Seht die Versbotanik eingepreßt,
Die gezackten hier, dort die gerippten.
Voß.

Mag der muckende Krittler mucken,
Fort doch walzet die Melodie.
Matthisson.

Umsonst bestürmt, gleich Mamelucken,
Der Witzling meine Poesie.
Schmidt.

Mich auch trifft der Pfeil des Tadels nie,
Von der Ente lernt' ich unterducken.
Voß.

Stets als wär' er ein Wamms von Büffel,
Hat mich ruhiger Sinn gewärmt.
Matthisson.

Ach, meiner Brust entsinkt der Griffel,
Wenn Mordgier zur Entmenschung schwärmt.
Schmidt.

Hier im Dörfchen sind wir ungehärmt
Von des Stadtvolks lästerndem Geschniffel.
Voß.

Wer Eßgästen sein Haus verrammelt,
Nie sei Leckeres dem bescheert.
[195] Matthisson.

Wo des Gefühles Lippe stammelt,
Ist schön die Sterblichkeit verklärt.
Schmidt.

Ja, ein Biederherz wird hoch geehrt,
Wenn zuletzt der Schelm am Galgen bammelt.
Voß.

Paß doch auf, o Gesell! und dreh' um,
Denn der Braten verbrennt noch sonst.
Matthisson.

Dich grüß' ich, Riesen-Coliseum,
Daß du des Zeitstroms Sturz entronnst.
Schmidt.

Weil du heut ganz leer den Wocken sponnst,
Fiekchen, komm und sing' mir ein Tedeum.
Voß.

Wie so lustig die Ferken quieken!
Gütig ist doch und weise Gott.
Matthisson.

Zur Kunstbeschauung der Antiken
Ward meines Geistes Auge flott.
Schmidt.

Nicht beneid' ich den Baron von Tott,
Pfeif' ich auf dem Blatt bei Friederiken.
Voß.

Bei des winternden Heerds Geflacker
Lob' ich Schmauchen und Plaudern, wißt!
Matthisson.

Umeis't Natur auch Thal und Acker!
Ihr Liebling fühlt, daß sie es ist.
[196] Schmidt.

Und im Winter kommt der heil'ge Christ,
Da giebt's Puppen und Dukatenkacker.
Voß.

Doch wenn Bohnen nun blühn und Gurken,
Frisch spaziert in das Feld hinaus!
Matthisson.

Die Gotthard, Schreckhorn, Jungfrau, Furken
Erklimm' ich dann mit kühnem Graus.
Schmidt.

Uns lockt Frühling auch aus engem Haus,
Der Gelehrte mag am Pulte murken.
Voß.

So genieß' ich mein Looß gar friedlich,
Bin von Laune nicht wetterwend'sch.
Matthisson.

Er wohne nördlich oder südlich,
Sein Schicksal schafft sich selbst der Mensch.
Schmidt.

Ich bin nie dem Himmel widerspänn'sch;
Schiert er mich, es ist mir doch gemüthlich.
Voß.

Laßt einander uns denn verbrüdern!
Wir vollenden, geschaart, das Glück.
Matthisson.

Der Freundschaft Lächeln zu erwiedern,
Strahlt sympathetisch euch mein Blick.
Schmidt.

Und für mich ist's kein geringes Stück,
Liebe Herren, euch mich anzubiedern.
[197] Voß.

Matthisson, deine Naturabschildrung,
Süß wie Honig und weich wie Wachs,
Wird gefallen bis zur Verwildrung
Des teutonischen Urgeschmacks.
Matthisson.

Bepflanzend mit Kartoffelknollen,
Wühlst du, o Voß! den Pindus um.
Gesotten, wird die Frucht Apollen
Entzaubern im Elysium.
Voß.

Schmidt, wenn sinnig du Reim' erfindest,
Wird das Hausgeräth schön benamt.
Wenn du etwas nur Griech'sch verstündest!
Da gebricht's, daß dein Vers so lahmt.
Schmidt.

Voß, wie sollt' ich mich erkühnen, dir's
Nachzuthun in kühnen Hexametern?
Aber was ich singe, glaube mir's,
Klingt harmonisch Micheln so wie Petern.
Matthisson.

Schmidt, deine Kunst ist sicher triftig,
Doch weilst du in der sand'gen Mark.
Schwing deinen Stab zum Wandern lüftig,
Und nähre dich mit Alpenmark.
[198] Schmidt.

Dich bewundr' ich, wo ich dich versteh',
Matthisson! Doch deine Basrelieffer,
Die am Sarge sprießen in die Höh',
Ist das eine Art von Mauerpfeffer?
Alle.

Nun so schürzen wir uns zur Dichtung,
Hämmern Vers' im Cyklopentakt,
Hochklassisch wird durch weise Sichtung,
Die Sprache, sonst so rauh und nackt.
Es gelingt uns, wie man Kuchen backt,
Diese löblich-nützliche Verrichtung.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schlegel, August Wilhelm. Gedichte. Epigramme und litterarische Scherze. Wettgesang dreier Poeten. Wettgesang dreier Poeten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D225-4