Auf dem Schloß zu Heidelberg

Im Juli 1814.


Es zieht ein leises Klagen
Um dieses Hügels Rand –
Das klingt wie alte Sagen
Vom lieben deutschen Land.
Es spricht in solchen Tönen
Sich Geistersehnsucht aus:
Die theuren Väter sehnen
Sich nach dem alten Haus.
Wo der wilde Sturm nun sauset,
Hat in seiner Majestät
König Ruprecht einst gehauset,
Den der Fürsten Kraft erhöht.
Sänger kamen hergegangen
Zu dem freien Königsmahl
Und die goldnen Becher klangen
In dem weiten Rittersaal.
Wo die granit'nen Säulen
Noch stehn auf Karls Palast,
Sah man die Herrscher weilen
Bei kühler Brunnen Rast.
Und wo zwei Engel kosen,
Der Bundespforte Wacht,
Zeigt uns von sieben Rosen
Ein Kranz, was sie gedacht.
[170]
Ach! es ist in Staub gesunken
All' der Stolz, die Herrlichkeit:
Brüder, daß ihr letzter Funken
Nicht erstirbt in dieser Zeit,
Laßt uns hier ein Bündniß stiften,
Unsre Vorzeit zu erneu'n,
Aus den Grüften, aus den Schriften
Ihre Geister zu befrei'n.
Vor allen die gesessen
Auf Ruprechts hohem Thron,
War einem zugemessen
Der höchste Erdenlohn:
Wie jauchzten rings die Lande
Am Neckar jener Zeit,
Als er vom Engellande
Das Königskind gefreit.
Viel der besten Ritter kamen,
Ihrem Dienste sich zu weih'n.
Dort, wo noch mit ihrem Namen
Prangt ein Thor von rothem Stein,
Ließ sie fern die Blicke schweifen
In das weite grüne Thal.
Nach den Fernen soll sie greifen
In des Herzens falscher Wahl.
Da kam wie Meereswogen,
Wie rother Feuersbrand
Ein bitt'res Weh gezogen
Zum lieben Vaterland.
Die alten Vesten bebten,
Es schwand des Glaubens Schein,
Und finstre Nächte strebten –
Die Fremden zogen ein.
Weit erschallt wie Kirchenglocken
Deutschland, deine Herrlichkeit,
Und es weckt so süßes Locken
Immerdar des Welschen Neid.
[171]
Wunden mag er gerne schlagen
Dir mit frevelvoller Hand,
Wie er in der Väter Tagen
Die gepries'ne Pfalz verbrannt.
Zu lang nur hat gegolten
Die schmähliche Geduld;
Doch was wir büßen sollten,
Wie groß auch unsre Schuld –
Sie ist rein abgewaschen
Im warmen Feindesblut,
Und herrlich aus den Aschen
Steigt unser altes Gut.
Lange hielten drum die Wache
Jene Ritter an dem Thurm,
Ob nicht käme Tag der Rache,
Ob nicht wehte Gottes Sturm.
Jetzt erwarmen sie am Scheine
Von dem holden Freiheitslicht,
Daß die Brust von hartem Steine
Schier in Wonn' und Liebe bricht.
So stieg nach dreißig Jahren
Elisabeth, dein Sohn,
Der manches Land durchfahren,
Auf seines Vaters Thron.
Er that, wie Ritter pflegen,
War seines Landes Schutz,
Und bot mit seinem Degen
Dem Welschen Schimpf und Trutz.
Nimm denn auch auf deinem Throne,
Theurer, höchster Heldenschatz,
Angethan mit goldner Krone,
Deutschland, wieder deinen Platz!
Alles will für dich erglühen,
Alte Tugend ziehet ein,
Und die deutschen Würden blühen
An dem Neckar, wie am Rhein.

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TextGrid Repository (2012). Schenkendorf, Max von. Gedichte. Gedichte. Zweite Abtheilung. Vaterland. Auf dem Schloß zu Heidelberg. Auf dem Schloß zu Heidelberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-C390-B