Weihnachtslieder

1816.

Es zieht aus weiter Ferne
Ein Lied zu euch hinein,
Das klingt vom Weihnachtssterne
Und hellem Lichterschein,
Das klinget wol auch leise
Von Treue manchen Tag,
Die fremder Lust und Weise
Sich nimmer schicken mag.

[225] 1. Die Hirten

Himmels Botschaft ist erklungen;
Ach, ein wunderbarer Klang!
Engel haben uns gesungen
Einen seligen Gesang:
Heute sei das Kind erschienen,
Dem die Himmel ewig dienen.
Nun zu suchen seine Spuren
Und zu schaun das Licht der Welt,
Führt uns Liebe durch die Fluren,
Liebe zieht uns über's Feld.
Sprecht, wo seid ihr, liebe Boten,
Die uns jenen Gruß entboten?
Seitwärts lenken sich die Schritte,
Seitwärts, wo das helle Licht
Aus der alten kleinen Hütte
Gar zu lieb und fröhlich bricht.
Wo sich unsre Stäbe neigen
Scheinet Alles hinzuzeigen.
Kommt ihr endlich in das Leben,
Alte Sehnsucht, alter Traum?
Kann die Erde dir nicht geben
Beßre Ruh, und bessern Raum?
Wo die Thiere friedlich schlafen,
Liegt der Hirt bei seinen Schafen.
Sei gegrüßt, o holder Knabe,
Unsrer Hoffnung Morgenroth,
Aller Himmel höchste Gabe,
Aller Welten Lebensbrod,
Angesagt von alter Kunde,
Meister in dem neuen Bunde!
Nimm den Stab mit zarten Händen,
Deinen sanften Hirtenstab,
Führe treu von allen Enden
Deine sel'ge Schaar hinab,
[226]
Führe sie zum Kreuzesthale,
Wo sie ruht in deinem Strahle.
Hirten, laßt uns weiter gehen,
Schallen soll der Lobgesang:
Ehre droben in den Höhen
Gott im hellen Sternenklang!
Friede soll nun auf der Erden
Aller Menschen Freude werden!

2. Die heiligen drei Könige

Auf stillen Felsenhöh'n
Wir standen viele Nächte,
Dort nach dem Licht zu seh'n
Vom künftigen Geschlechte.
Ein alt prophetisch Lied,
Es hat auch uns geklungen,
Hat unser Herz durchglüht
Und innig uns durchdrungen.
Da trieb es uns hinaus,
Zu wandern durch das Leben,
Die Ruh, den Hof, das Haus
Und Alles dran zu geben.
Uns riefen von dem Herrn
Die Sagen und die Kunden,
Wir folgten seinem Stern,
Bis wir ihn selbst gefunden.
Maria, süßes Bild,
Wir können's nie vergessen,
Wie du, so fromm und mild,
Am Kripplein bist gesessen.
Das folgt uns wie ein Traum
Nach Köllen an dem Rheine,
Füllt unsern Grabesraum
Mit seinem hellen Scheine.
[227]
Und wenn ein holdes Kind
Nach unserm Grabe ziehet,
Wenn treu und stillgesinnt
Sich Muttersorge mühet,
Dann fühlen wir die Lust
Aus alter Zeit sich regen,
Es zieht in manche Brust
Aus unserm Grab der Segen.
Der Myrrhen Bitterkeit –
Man kennt sie wol im Leben,
Doch sollen drüber weit
Die Weihrauchswolken schweben.
Das Gold, es ist die Treu
Im Leben, wie im Sterben:
Solch edle Spezerei
Kann Jeder hier erwerben.

3. Simeon

Herr, ich kann in Frieden fahren,
Denn dein Morgen röthet sich,
Hab' erharrt in langen Jahren,
Was ich schaue sichtbarlich;
Was uns heilig zugeschworen,
Ist wahrhaftig auch geschehn;
Dieses Zeichen war erkoren
Vieler Fall und Auferstehn.
Mag das Schwert zum Herzen dringen,
Schallen soll der Glockenklang;
Hell und muthig will ich singen
Meinen letzten Schwanensang.
Neues Leben hat begonnen,
Jung und schön und wunderbar,
All die alten Liebesbronnen
Fließen auch noch süß und klar.
[228]
Wenn die Greise Kinder werden,
Weisheit aus den Kindern spricht,
Spielet wieder auf der Erden
Hell und frisch das Himmelslicht.
Herr, nun laß den Diener ziehen,
Laß ihn von dem langen Thun,
Von den Sorgen, von den Mühen
Sanft in seinem Erbtheil ruhn.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schenkendorf, Max von. Weihnachtslieder. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-C35C-1