[151] Festlied

1814.


Nun singt, von Andacht hoch durchglüht,
Der Freiheit Lobgesang!
Im Himmel und auf Erden klang
Noch nie ein schönres Lied.
Denn Freiheit war das Meisterwort,
Als Gott die Geister schuf;
O Freiheit unser Stern und Hort,
Wir hörten auch den Ruf.
Da brach hervor zu Gotteslust
Was lang im Finstern schlief,
Der Keim der Freiheit, welcher tief
Entsproß in Menschenbrust.
In tausend Aesten brach es aus,
Das junge zarte Reis,
Ein reicher voller Blütenstrauß
Zu Gottes Ehr' und Preis.
Sei hochgepriesen, goldne Zeit,
O freie Hirtenwelt!
Der strengen Männer Busen schwellt
Nach dir ein stiller Neid.
Doch Schöneres wird nie gesehn,
Als wenn ein holdes Kind
Emporschaut nach den ew'gen Höhn,
Wenn sich der Mensch besinnt.
Er fühlt sich Meister jedes Dings
Und kennet sein Geschlecht,
Er bildet sich ein heilig Recht
Und blicket rechts und links.
Was ihn als Ahnung fern umschwebt,
Was schaute die Vernunft,
Der Schöpfertrieb, der in ihm lebt,
Stellt's dar in Haus und Zunft.
[152]
So schaut man im Gesetz verklärt
Vollkommner Freiheit Bild;
Sie hat auch unser Herz erfüllt,
Ein Kleinod hoch und werth.
Drum achten wir im blut'gen Bann
Das fluchbeladne Haupt,
Den Feind, den Räuber, den Tyrann,
Der uns die Freiheit raubt.
Die alte Kunde schwebt herab
In wunderbarem Glanz;
Wir opfern diesen Eichenkranz
Dir, o Spartanergrab;
Wir kennen deinen schönen Brauch,
Geliebtes Griechenland,
Und halten unter Myrthen auch
Am blanken Stahl die Hand.
Der Name Brutus, der geweiht
In Roma's Schicksal klingt,
Mit dem die Freiheit kommt und sinkt,
Ist uns ein theurer Eid.
Tyrannenmörder, seid gegrüßt,
Ihr Priester für das Recht,
Ihr Helden, eurem Staub entsprießt
Ein herrliches Geschlecht.
Wir kennen auch den wackern Tell
Und seines Bogens Kraft,
Wir preisen seine Wissenschaft
Vor jedem Waidgesell:
Freiwillig hat die Jägerschaar
Der Preußen in der Schlacht
Ihr Blut auf heil'gem Sühnaltar
Zum Opfer dargebracht.
Noch einen Namen nennt man hier,
Ein heil'ges Losungswort,
Der scheucht allein schon Feinde fort,
Der Deutschen Stolz und Zier,
[153]
O Hermann, Hermann werde wach,
Wir haben's wohl gemeint,
Die Pleiße wie der Rodenbach
Sah fallen Deutschlands Feind.
Da schien das junge Himmelslicht
Herab auf rothen Grund.
Auf rother Erde schloß den Bund
Das heimliche Gericht.
So soll uns ewig heißen roth
Dein Boden, theures Land,
Wo man mit Schwert und Henkerstod
Den welschen Feind verbannt.
Und wie im alten Testament
Der fromme Pineas
Entbrennt in Eifer und in Haß,
Wie Maccabäus brennt,
Wie Flammen, d'rein der Sturmwind blies,
Erheben wir das Schwert,
Ein Cherub vor dem Paradies
Stehn wir vor unserm Herd!
Wie wir nun jetzt verschlungen stehn
Nach einem heil'gen Brauch,
Mag der geweihte Becher auch
Durch unsre Reihen gehn.
Das ist ein vaterländ'scher Wein,
Und Jeder, welcher trinkt,
Schwört, seiner Väter werth zu sein,
Bis er voll Wunden sinkt!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schenkendorf, Max von. Gedichte. Gedichte. Zweite Abtheilung. Vaterland. Festlied. Festlied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-C33D-7