Königsberg'sche Wehrlieder

1813.

1. Lied der Maurer

Mit drei gewaltigen Schlägen
Rief uns der Meister auf:
Herbei von allen Wegen,
Gesellen kommt zu Hauf!
[138]
Was hilft uns alles bauen?
Wir bau'n am Sitz der Noth.
Was Steine zu behauen
Nach Winkelmaß und Loth?
Vom Roste wird gefressen
Die Mauer wie der Muth,
Von Räubern wird besessen
Der Bürger Haus und Gut.
Wie prangt im Königsgarten
Der Bau von Meisterhand!
Man konnte kaum erwarten,
Bis er vollendet stand.
Nun magst du einsam stehen,
O schönes Schauspielhaus –
Das Schauspiel, das wir sehen,
Treibt alle Lust hinaus.
Nun aus den Aschenhaufen
Die Vorstadt schnell erstand.
Spricht man von Feuertaufen,
Von Moskau's Wunderbrand.
Es stehn mit leeren Räumen
Die Speicher unbesucht,
Die freien Schiffer säumen,
Der Feind verdarb die Frucht.
Als an des Schlosses Thoren
Wir jüngst den Bau gefügt,
Da klang in unsern Ohren
Ein Ton, der schwerlich trügt.
Er sprach von ew'gen Rechten,
Vom höchsten Eigenthum,
Und wie man soll verfechten
Der Väter Schatz und Ruhm.
[139]
Die Rittergeister haben
Dich herrlich eingeweiht
Mit wunderbaren Gaben,
Haus der Gerechtigkeit.
Da sahen wir dich stehen,
Du starker kluger Rath,
Man konnte deutlich sehen,
Du sannst auf kühne That.
Herr Friccius willkommen,
Willkommen Rath und Held,
Die Waffen sind genommen,
Zeuch' mit ins blut'ge Feld.
Zeuch' mit zum deutschen Rheine,
Komm nach Westphalens Gau'n,
Da sind viel rauhe Steine,
Viel glatte zu behau'n.
Da wird aus Blut und Schmerzen
Das rechte Heil erst kund;
Gefall'ner Helden Herzen
Sind wol ein fester Grund.
Da wollen wir begründen
Das deutsche Freiheitshaus,
Ein Mörtel soll es binden,
Der tausend Jahr' hält aus.
Der Mörtel heißet Wille,
Heißt Treu und heißet Muth,
Gereift in heil'ger Stille,
Benetzt mit Heldenblut.
Der Mörtel sind wir Alle,
Uns wählte Gottes Gunst;
So grüßt im heil'gen Schalle
Der Maurer freie Kunst!

[140] 2. Hans von Sagan

Schustergesellenlied.


1813.


Hans von Sagan war geheißen
Einst ein fröhlicher Gesell,
Der im schönen Lande Preußen
Hat gefochten kühn und schnell.
Wo vom alten Bürgerwesen
Viel der goldnen Worte stehn,
In der Chronik ist zu lesen,
Wie er ließ die Fahnen wehn.
Ordensfahne war gesunken
Und die Feinde drangen an,
Hans von Sagan muthestrunken,
Stand ein rechter Landwehrmann.
Wußte tapfer dich zu schirmen,
Königsberg, du gute Stadt,
Die in Brücken und an Thürmen
Und an Schönheit Reichthum hat.
In zwei schmalen dunkeln Gassen,
An des alten Pregels Rand,
Aus den Buden winkt gelassen
Schwarzes Aug' und weiße Hand.
»Grüß euch Gott, ihr schönen Mädchen,
Laßt mich weilen vor der Fahrt,
Will euch näh'n mit festem Drähtchen
Die Pantoffeln weich und zart.«
Oben wohnen die Studenten,
Sitzen bei dem schwachen Licht,
Wenn wir nicht Studenten kennten!
In die Kammer laßt sie nicht.
[141]
Schneider sind zum Spott erlesen
In dem weiten deutschen Land.
Schneiderwerk und Schneiderwesen
Dienet auch zu Putz und Tand.
Schusterarbeit hält die Proben
Auf der Reise und im Feld,
Schusterarbeit muß man loben,
Die das Herz gesund erhält.
Schneider will den Leib umfahen,
Schuster kniet vor seinem Kind,
Sich in Züchten ihr zu nahen,
Bleibt er immerdar gesinnt.
Darum sie zum Tanze führen
Darf er am Johannisfest,
Wo der schönste Fuß sich spüren
Gern im schönsten Schuhe läßt.
Hans von Sagan war geheißen
Einst ein muthiger Gesell,
Der allhier im Lande Preußen
Hat gefochten kühn und schnell.
In der Vorstadt mit der Fahne
Auf dem Brunnen steht sein Bild,
Preußenmädchen, gelt, ich ahne,
Was dein freies Herz erfüllt.
Horch die hellen Trommeln schallen,
Schau', das junge Volk erwacht,
Freudig aus des Remters Hallen
Zieh' ich in die blut'ge Schlacht.
Lebe wohl Gesellenlade,
Du mein werther Aeltermann,
Meistertochter, deren Gnade
Ich im treuen Dienst gewann.
[142]
Von der Landwehr sollt ihr hören,
Auch von mir dem Landwehrmann;
Schuster steht in hohen Ehren,
Welcher näh'n und fechten kann.
Immer bleib' ich am Gewerke,
Wo Hans Sachs die Lieder singt,
Hans von Sagan's Heldenstärke
Hoch die Kreuzesfahne schwingt.

3. Zimmergesellen

1813.


Zimmergesell, Zimmergesell,
Wirf es hin, das braune Fell,
Richtscheid hin und Winkelmaß,
Weil der Feind das Recht vergaß.
Nimm die Waffen schnell
Starker Zimmergesell.
Aber die Axt, aber das Beil
Wirf sie nimmer fort in Eil',
Deines starken Armes Macht
Braucht sie wol in offner Schlacht,
Wie den leichten Pfeil,
Starker, schwingst du dein Beil.
Und zum Maße den schlanken Stab
Brich im nächsten Eichwald ab;
Weil der Feind das Maß vergaß,
Halte du am rechten Maß;
Nach dem rhein'schen Schuh
Miß die Zahlung ihm zu.
Gottes schönster Bau, er zerfällt,
Und in Fesseln klagt die Welt,
[143]
Ist auch wer, der Säumniß kennt,
Wenn es in den Sparren brennt?
Frisch ins Waffenfeld
Starker Bürger und Held.
Unsern Hauptmann wählen wir nun
Zu dem freien kühnen Thun,
Stimmet, wer im Felde führ' –
Du, o staatlicher Polir!
Kluger Zimmermann
Zeuch dem Haufen voran.
In den Wäldern, zu dem Verhau
Und zum leichten Brückenbau
Schickt sich wol der Zimmermann;
Aber wohler wird's ihm dann,
Wenn es blitzt und kracht
In der freudigen Schlacht.
In dem Teutoburger Wald
Stehn die Bäume stark und alt,
Gäben wol ein schönes Haus;
Doch uns überläuft ein Graus –
Der von Hermann spricht,
Baum, wir fällen dich nicht.
Steh' noch lange, grünes Gezelt,
Freiheitszeichen aller Welt.
Deutschland heißet unser Haus,
Von dem Giebel weht ein Strauß,
Wenn der Bau gelang,
Tapfern Preußen zum Dank.

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TextGrid Repository (2012). Schenkendorf, Max von. Königsberg'sche Wehrlieder. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-C334-A