143. Zwerge backen.

1.

Am Tage vor Pfingsten pflügte einst ein Bauer aus Esebeck auf seinem Acker, der dicht am Walde lag. Wie er nun eifrig damit beschäftigt war, stieg ihm plötzlich der Duft von frisch gebackenen »weißen« Kuchen recht süß in die Nase, so daß er das gröste Verlangen bekam, ein Stück davon zu essen und in die Worte ausbrach: »ach, hätte ich doch von diesem Kuchen nur ein Stück!« Als er darauf am Ende des Ackers den Pflug gewendet hatte und wieder zurück zu der Stelle kam, wo er diese Worte gesprochen hatte, siehe, da stand eine zinnerne Schüssel, mit einem weißen Tuche gedeckt, vor ihm, worauf ein frisch gebackener schöner Kuchen lag. Von diesem brach er sich ein Stück ab und aß es; das übrige ließ er auf der Schüssel liegen, in der Absicht, wenn er wieder zu dieser Stelle zurück käme, weiter davon zu essen. Doch wie erstaunte er, als er zurück kam, und Schüssel und Kuchen verschwunden waren.

2.

Auf der Viehtrift bei Hammenstedt war ehemals ein Erdfall. Als einst Leute auf dem Felde daneben Kartoffeln behackten, hörten sie in der Erde ein dumpfes Geräusch, als ob ein Backtrog ausgekratzt würde. Da rief eine der Arbeiterinnen: »wenn ihr Kuchen backt, so legt mir auch ein Stück hin«. Am Abend fand sie in der Nähe des Erdfalls ein schönes Stück Kuchen. Als diese Begebenheit im Dorfe bekannt geworden war, machten sich am folgenden Tage mehrere Bauern auf und gruben in dem Erdfall nach. Nach einiger Zeit fanden sie ein kleines, sehr reinlich gehaltenes Zimmer mit Tischen und Bänken von Stein. Aber am Tage darauf war der Erdfall zugeworfen.

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3.

Von dem Westerberge bei Kleinen-Lengden kamen die Zwerge, durch ihre Nebelkappen unsichtbar gemacht, gar oft in ein am äußersten Ende des Dorfes gelegenes Haus und buken daselbst Brot, ohne daß die Bewohner sie jemals sahen. Aber jedes Mal legten sie ein Brot »als Zins« für die Benutzung de Backofens hin.

4.

Bei dem sog. Hüpperpaul (Froschpfuhl) in der Nähe von Lüthorst – der Ort wird auch die Backôwenstêe genannt – sollen früher Zwerge ihre Wohnungen gehabt haben. Sie hatten dort in der Erde, besonders aber in dem Felsen, ordentliche Höhlen angelegt. Noch jetzt sieht man im Felsen Löcher, die Spuren derselben. Auch ein Backhaus hatten sie hier, worin sie ihr Brot buken. Dennoch kam, wenn die Menschen Brot buken, oftmals ein Zwerg, der sich unsichtbar gemacht hatte, in das Haus, worin gerade gebacken wurde, und nahm von den Broten der Menschen eins oder zwei mit. An die Stelle derselben legte er eben so viele von den Broten der Zwerge hin. War dieß geschehen, so hatten »die Leute im Hause keine Ruhe und keine Rast mehr«.


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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 143. Zwerge backen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-C016-4