Die achtzehen schön einer junkfrau

In der junkfrauweis Hans Vogels.


14. december 1547.

1.
Ein junkfrau in höflicher zire
auf freiem mark begegnet mire;
ich wundert mich ob der junkfrauen,
ir schöne tet mir herzlich lieben.
Die junkfrau sprach: »wie tut ir sehen?«
da wart ich zu der junkfrau jehen:
»junkfrau ich glaub und sprich auf trauen,
ir habt die frauen schön all siben.«
Die junkfrau sprach: »der schön allein
nit siben, sunder wol achzehen sein.
[253]
die sind auch ausgeteilet freie:
in sechs teil sind es allmal dreie;
ir unterscheid vermerkt darbeie:
erstlich sint drei kurz schon mit eren,
zu dem andren drei lange sint,
zum dritten sint drei schöne lint,
zu dem vierten sint drei schneweiße,
zum fünften drei rosenrot preise,
zum sechsten drei kolschwarz mit fleiße.«
ich sprach: »junkfrau tut mirs erkleren.«
2.
Sie sprach: »ich wil dirs übersummen,
on eine; die sei ausgenummen:
erstlich drei kurze sint benennet,
die wil ich euch gar nicht vorhalten:
Das sint zwei kurze ferslein gschmogen
fein sinwel rund und eingezogen;
das drit ein kurzes kin, erkennet,
mit einem grüblein klein gespalten.
Zu dem andren so merkt drei lang:
zwo lang seiten merket in dem anfang
geronig dünn und gschmeisig gare;
die drit: ein lang goltgelbes hare,
geflochten artlich rein und klare.
zu dem dritten zu lind auch seine:
das erst zwei linde hentlein sint
das drit ein beuchlein hermlein weich und lint;
zum vierten sind auch drei schneweiße,
zwei brüstlein weiß und ziert mit fleiße,
das dritt: ein weißen hals ich preise,
milchfarb gleich einem helfenbeine.
3.
Zum fünften drei rot schön herprangen:
erstlich zwei rosenrote wangen,
das dritt ein rosenroter munde,
der alzeit als ein rubin brinnet.
[254]
Zum sechsten drei kolschwarz wol taugen;
erstlich zwei schwarze klare augen;
die dritt kolschwarz schön ich ietzunde
verschweig; der selbigen nachsinnet.
Wan ir mir die erratet ganz
bis auf morgen, so schenk ich euch ein kranz.«
die junkfrau schied mit guter nachte.
nun hab ich, die ganz nacht durch, wachte
gelegen und gar inniklich nachtrachte,
was doch wer die dritt kolschwarz schöne,
die ich doch kan ergründen nit.
darum ist an euch alle hie mein bit,
und ob das einer hinnen weste,
so verhalt mir das nit aufs beste,
das mich die schön und tugentfeste
mit einem kranz zum dank bekröne.

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TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Gedichte. Geistliche und weltliche Lieder. Die achtzehen schön einer junkfrau. Die achtzehen schön einer junkfrau. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B1C0-A