Die ebrecher brucken

Im langen ton Müglins.


17. mai 1545.

1.
Vor jaren in Britannia ein kunig saß,
mechtig und reich, der Arturus genennet was,
der het ein großen arkwon auf sein frauen;
Nun war am hof ein schwarzkunstner, hieß Filius,
dem klagt der künig heimlich sein bekümmernus;
der meister ließ ein steine brucken bauen,
Die het wol zwei und dreißig joch
übers waßer, breit dreier spann alleine,
und war wol neun elbogen hoch,
das pflaster war balierter merbelsteine,
glat als ein lichter spiegel pur;
durch zauberlist darein gegraben wuren
carakter und seltsam figur;
mitten darauf setzt er ein hohen turen.
wan man darin ein glöcklein leut,
wer dan sein e het brochen,
im augenblick er überburzt
und herab sturzt
[175]
ins waßer, wer frau oder man,
so wurt sein sünd gerochen.
2.
Als nun verfertigt wurt die bruck, wie obgemelt,
da ließ der kunig ausschlagen vil schöner zelt,
kam mit seim hofgesind auf dise wiesen;
Da wurt gehalten ein groß kunigliches mal
mit dem adel und frauenzimmer überal,
teten mit herlichkeit ir zeit verschliesen;
Schöner comedi hielt man vil,
mit saitenspil waren hoflich quintieren
man trieb kurzweil und ritterspil
mit rennen, stechen, kempfen und turnieren,
mit jagen, federspil und hetz,
wettlaufen, zilschießen, fechten und springen,
mit steinstoßen, auch zu der letz
mit gradigkeit, tanzen, reien und singen,
und was freut man erdenken mocht;
allein der kunig wase
traurig, bekümmert gar sein herz,
kein schimpf, noch scherz
erfreut in, dan die eifersucht
in gwaltiklich besase.
3.
Nach dem der kunig verordnet den adel schan,
darauf das frauenzimmer, und er ritt voran
über die hohen brucken schmal und lange;
Und als nun das ganz hofgsind auf der brucken zoch,
da leutet sich das glöcklein in dem turen hoch,
das es laut auf der ganzen brucken klange:
Vom hofgsint wurt ein fallen groß,
hinten und voren, wie in eim turniere,
der sturzten beide man und roß,
hie einer, dort zwen, da drei und dort viere,
[176]
in das waßer ein große sum.
der kunig schauet um nach seiner frauen,
die blieb, wan sie war erenfrum,
Des wurd er fro, tet ir erst recht vertrauen. –
stünd ietz noch die ebrecher bruck,
wie vil würden ir baden
wer ungestält darüber rit!
ich wagts auch nit,
ungfer mir schlupfen möcht ein fuß,
den spot bet ich zum schaden.

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TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Gedichte. Geistliche und weltliche Lieder. Die ebrecher brucken. Die ebrecher brucken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B041-1