Spekbacher

Der Spekbacher, der Spekbacher!
Wenn der die Schützen rief;
Der Tag und Nacht und Nacht und Tag
Den Feinden auf der Fährte lag
Und gar des Nachts nicht schlief.
Zum Schlafen nahm er nie sich Zeit,
Als wenn er nachts wo ritt;
Wenn dann das Pferd des Wegs fort lief,
So saß der Held darauf und schlief
Und kam vom Fleck damit.
Und wenn wo kam ein Scheideweg,
So stand der kluge Gaul;
Aufwacht der Held, und wohlgemut,
Als hätt' er recht die Nacht geruht,
War er den Tag nicht faul.
[42]
Der Spekbacher, der Spekbacher!
Als er vor Kufstein lag,
Ging er auf Kundschaft selbst zur Stadt,
Zu sehn, ob sie noch Vorrat hat
Und sich noch halten mag.
Und als auf ihn Verdacht gefaßt
Der Festung Kommandant,
Ließ er ihn hin ins Zimmer stehn,
Von Leuten ihn beim Licht besehn,
Die ihn sonst wohl gekannt.
Da sah der Held so mutig drein,
So feltsam ganz und gar,
Daß er von keinem ward erkannt,
Und ihn entließ der Kommandant
Hinaus zu seiner Schar.
Der Spekbacher, der Spekbacher!
Wenn er zum Kampf zog aus,
Da lief sein kleiner Bub' ihm nach,
Und was der Vater droht' und sprach,
Er blieb doch nicht zu Haus.
In das Gewehrfeu'r lief er 'nein,
Da wies man ihn hinaus;
Da macht' sich seitwärts hin der Bub',
Wo Kugeln schlugen ein, die grub
Er mit dem Messer aus.
Und wie er sieht, den Schützen fehlt
Es an Munition,
Läuft er damit hinein ins Glied
Und bringt, daß es sein Vater sieht,
Sein Hütlein voll davon.
Der Spekbacher, der Spekbacher!
Als es nun lang' gewährt,
[43]
Der Held nun gehn mußt' auf die Flucht,
Ward er von Reitern aufgesucht,
Für vogelfrei erklärt.
Im Winter tief im Schneegebirg'
Mußt' er umirren gehn;
Als er sich in das Wetterloch
In seiner höchsten Not verkroch,
Hatt' er viel auszustehn.
Im Mute der Verzweifelung
Trieb's ihn zuletzt heraus;
Er wagt's, ins Thal hinabzugehn,
Sein treues Weib einmal zu sehn,
Schlich er sich in sein Haus.
Da fängt sein treuer Knecht ihn auf:
Im Haus kein Flecklein ist,
Die Reiter liegen überall;
Er muß den Herrn im Pferdestall
Eingraben unterm Mist.
Der Knecht trägt ihm das Essen zu
In seinem schlimmen Bett;
Da liegt er mit begrab'nem Leib
Und darf nicht einmal sehn sein Weib,
So gern gethan er's hätt'.
Da lag er einen Monat lang
Und etwa länger noch;
Da mußt' er auch von da nun fort;
Sein treues Weib wollt' er am Ort
Zuletzt nur sprechen doch.
Da weinete das edle Weib
In ungestillter Qual,
[44]
Daß ihr vor Schmerz das Herz zerbrach,
Weil liegen mußt' in solcher Schmach
Ihr edeler Gemahl.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Rückert, Friedrich. Gedichte. Lyrische Gedichte. Erstes Buch. Vaterland. Zweites Kapitel. Zeitgedichte. 1814. 1815. Spekbacher. Spekbacher. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9F1E-7