[96] Die sieben Nixen

Es waren sieben Nixen fein,
Die saßen im schlanken Kahn,
Und ruderten im Mondenschein
Auf des Sees Spiegelbahn.
Sie schlugen den Takt, und sangen dazu,
Und weckten des Wiederhalls träumende Ruh,
Die Nixen alle sieben.
Nur das jüngste Nixlein schweigsam blieb,
In des Nachens Ecke geduckt,
Und zum Ufer lauscht es, bald freudig, bald trüb,
Wenn der Mond durch die Zweige zuckt.
Und die andern meinten, sie sei noch ein Kind,
Und gar nicht verständig, wie Nixen sind,
Sechse von ihrer sieben.
Und die erste sang: Was die Liebe sei,
Bleib' ewig uns unbewußt!
Denn das Menschenherz pocht ungetreu
In der falschen, betrüglichen Brust.
Die Liebe, die Liebe, die sei verbannt!
Das schwuren sie fest sich in die Hand,
Sechse von ihrer sieben.
[97]
Die zweite sang: Was ist ein Kuß?
Ein kurzer, vergänglicher Scherz!
O kindische Lust, o schlechter Genuß,
Du bringst nur Thränen und Schmerz!
Das Küssen, das Küssen, das sei verbannt!
Das schwuren sie fest sich in die Hand,
Sechse von ihrer sieben.
Die dritte sang: Und wenn es vorbei,
Dann ringt aus des Jammers Grund
Die arme Seele sich nimmer frei,
Und seufzet, und seufzet allstund!
Das Seufzen, das Seufzen, das sei verbannt!
Das schwuren sie fest sich in die Hand,
Sechse von ihrer sieben.
Die andern sangen jedwede noch was,
Die jüngste allein war stumm,
Die schmückt sich mit Blumen, und schaut in's Naß
Der Wellen – wer weiß, warum?
Mit leichtem Wiegen das Schifflein glitt,
Die Wellen tanzten und sangen mit,
Mit sechsen von ihrer sieben.
Und als sie gelangt an des Ufers Bug,
Wo im Schilfe die Erlen stehn,
Die Lüfte der Nacht mit leisem Zug
Von den Bergen zu Thale wehn.
Welch Schrecken hat euch, ihr Nixen, erfaßt?
Sie sitzen erstaunt, und machen Rast,
Sechse von ihrer sieben.
[98]
Und die jüngste, mit Wasserrosen bekränzt,
Behend an das Ufer sprang,
Und der blonde Fischer mondbeglänzt,
Sein luftiges Nixlein umschlang.
Und die Zwei die küßten sich halb zu Tod',
Und die andern schauerten seufzend im Boot,
Sechse von ihrer sieben.
Ihr Nixen, liebe Nixen mein,
So rächt sich, was man verschwört!
Und harrten der Fischer noch sechs an dem Rain,
Wie gern, ach, wärt ihr bethört!
Nun singen sie nichts, und nun sagen sie nichts,
Nun rudern trübseligen Angesichts
Sechse von ihrer sieben.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Roquette, Otto. Gedichte. Gedichte. Lieder in allerlei Tönen. Die sieben Nixen. Die sieben Nixen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9CC2-9