Über die Erde

Du bist, o schwarzes Erdenzelt,
Das Punkt der weit gestreckten Welt.
Um dich muß alles Andre gehen,
Der Himmel und sein gantzes Heer,
Die Lufft und was desselben mehr,
Du aber bleibst in Ruhe stehen.
Ach aber, was doch sag' ich Ruh?
Regt sich es droben immerzu,
So bleibt doch Alles gantz beständig;
Du, die von keiner Kehrung weiß,
Suchst in derselben deinen Preiß
Und machst uns mit ganz wetterwendig.
[251]
Was nicht für Unruh, Zwist und Span
Fängt man um deine Herrschaft an,
In wie viel Theil bist du zerrissen,
Das unser' Hertzen gleich zerstückt!
Kan wer bey dir nur seyn beglückt,
Der scheint den Himmel gern zu missen.
Ach, daß wir sind gemacht auß dir!
Dies zweifelsohn macht die Begier,
Die wir zu deinen Gütern tragen:
Wie du selbst sonder Licht und Schein,
So nimmt uns deine Nacht auch ein
Und läst im Geist es selten tagen.
Du bist gantz schwer und hälst den Grund:
Ein Hertz, das dir vertraut sein Pfund
Und deiner Sorgen Joch anziehet,
Erhebet sich nicht über dir;
Wenn er nur dir thut die Gebühr,
So ist er weiter nicht bemühet.
Thät' es der Obern Güte nicht,
Was gebest du auß dir für Frücht?
Wir, welche nach der Mutter schlagen,
Sind minder nicht gantz öd und wüst;
Wo nichts von oben in uns fliest,
Was können wir vor Gutes tragen?
Ach Gott, es war die Erd' erst rein
Und trug nach Wunsch uns Alles ein;
Nur unsrer, unsrer Sünde wegen
Geschah es, daß sie darben must
Und nach zu Stacheln unsrer Lust
Nur scharffe Dorn und Diesteln hegen.
Woll, gib, so viel mir gnug sind, her,
Nur lasse mich durch solch Beschwer
Ihr Feind und sie mir gleichfals werden;
Ich wünsch', ich suche nichts von ihr.
Wer künfftig herrschen wil bey dir,
Der muß ein Schlave seyn auff Erden.
[252]
Rührt dieser Leib gleich her auß ihr,
So ist die Seele doch von dir;
Was Erd' ist, kehret eins zur Erden;
Was dein ist, lasse dein allein
Auch hie auff seiner Erden seyn,
Bis daß ich gantz dein werde werden.
Ich muß noch eins in ihren Schooß
Und wie ich kame nackt und bloß,
Doch werd' ich nicht darinnen bleiben.
Dein Körnlein stirbet nicht in ihr,
Das sie nicht wieder gibt herfür,
Soll ich auch nicht in ihr bekleiben?
Ich bin des Höchsten Amaranth,
Der hält ob mir stets seine Hand,
Ich fall', ich faule wie ich wolle.
Dies heischt die Noth, es muß das Grab
Mir erst die Erde ziehen ab
Im Fall ich himmlisch werden solle.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Röling, Johann. Gedichte. Geistliche Lieder und Oden. Über die Erde. Über die Erde. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9BCF-A