[205] [207]Ein Weihenachtgesang

Ermuntre dich, mein schwacher Geist,
Und trage groß Verlangen,
Ein kleines Kind, das Vater heißt,
Mit Freuden zu empfangen!
Dieß ist die Nacht, darin es kam
Und menschlich Wesen an sich nahm,
Dadurch die Welt mit Treuen
Als seine Braut zu freien.
Willkommen, süßer Bräutigam,
Du König aller Ehren,
Willkommen Jesu, Gottes Lamm,
Ich wil dein Lob vermehren;
Ich wil dir all mein Leben lang
Vom Herzen sagen Preis und Dank
Daß du, da wir verloren,
Für uns bist Mensch geboren.
O großer Gott, wie könt' es sein,
Dein Himmelreich zu lassen,
Zu springen in die Welt hinein,
Da nichts denn Neid und Hassen,
Wie köntest du die große Macht,
Dein Königreich, den Freuden-Pracht,
Ja, solch ein herrlichs Leben
Für deine Feind' hingeben?
Ist doch, Herr Jesu, deine Braut
Ganz arm und voller Schanden;
Noch hast du sie dir selbst vertraut
Am Kreuz in Todesbanden.
[207]
Ist sie doch nichts als Ueberdruß,
Fluch, Unflat, Tod und Finsternus,
Und du magst ihrentwegen
Den Scepter von dir legen!
Du Fürst und Herscher dieser Welt,
Du Friedens Wiederbringer,
Du kluger Rat und tapfrer Held,
Du starker Hellenzwinger,
Wie war es müglich, daß du dich
Erniedrigtest so jämmerlich,
Als wärest du im Orden
Der Bettler Mensch geworden?
O Freudenzeit, o Wundernacht,
Dergleichen nie gefunden!
Du hast den Heiland hergebracht,
Der alles überwunden.
Du hast gebracht den starken Mann,
Der Feur und Wolken zwingen kan,
Für dem die Himmel zittren,
Und alle Berg erschüttren.
Du bleicher Mond, halt eiligst ein
Den blassen Schein auf Erden,
Wirf deinen Glanz zum Stall hinein,
Gott sol gesäuget werden.
Ihr helle Sternlein, stehet stil
Und horcht, was euer Schöpfer wil,
Der schwach und ungewieget
In einem Kripplein liget.
Du tummes Vieh, was blökest du
Dort bei des Herren Mutter?
Immanuel hält seine Ruh
Allhie auf dürrem Futter,
Dem alle Welt sol dienstbar sein,
Ligt hier, hat weder Brot noch Wein,
Die Wärme muß er meiden,
Frost, Blöß' und Hunger leiden.
Brich an, du schönes Morgenlicht,
Und laß den Himmel tagen!
Du Hirtenvolk, erstaune nicht,
Weil dir die Engel sagen,
[208]
Daß dieses schwache Knäbelein
Sol unser Trost und Freude sein,
Dazu den Satan zwingen
Und alles wiederbringen.
O liebes Kind, o süßer Knab,
Holdselig von Geberden,
Mein Bruder, den ich lieber hab'
Als alle Schätz auf Erden,
Kom', Schönster, in mein Herz hinein,
Kom' eiligst, laß die Krippen sein,
Kom', kom', ich wil bei Zeiten
Dein Lager dir bereiten.
Sag' an, mein Herzensbräutigam,
Mein' Hoffnung, Freud' und Leben,
Mein edler Zweig aus Jacobs Stamm,
Was sol ich dir doch geben?
Ach nim von mir Leib, Seel und Geist,
Nim alles, was Mensch ist und heißt,
Ich wil mich ganz verschreiben,
Dir ewig treu zu bleiben!
Lob, Preis und Dank, Herr Jesu Christ,
Sei dir von mir gesungen,
Daß du mein Bruder worden bist
Und hast die Welt bezwungen;
Hilf, daß ich deine Gütigkeit
Stets preis' in dieser Gnadenzeit
Und mög' hernach dort oben
In Ewigkeit dich loben!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Rist, Johann. Gedichte. Geistliche Lieder. Ein Weihenachtgesang. Ein Weihenachtgesang. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9B87-A