[268] An den Erzvater der alleinseligmachenden bayrischen Kirche Herrn Pater Frank

München im Heumond 1786.


Malheur à qui s' éclaire!

Voltaire.


O du, den zum Gewissensrath
Sich Theodor erkoren,
O lass, ehrwürdigster Prälat!
In deinen hohen Ohren,
Die zwar durchlauchtigen Vergehn
Sonst bloss allein zu Diensten stehn,
Nun auch gemeine Sünden
Ein Zufluchtsplätzchen finden!
Ich klag', o hochgeweihter Mann!
Vor deinem Richterstuhle
Mich als ein lockres Herrchen an,
Das, von der dreisten Schule
[269]
Der neuern Philosophenzunft
Verführt, der menschlichen Vernunft
Oft mehr, als manchem Haupte
Der Mutter Kirche, glaubte.
Ich wähnte, dass die Maurerey
Ein ehrenvoller Orden,
Und (Herr, verzeih mir's) besser sey,
Als alle trägen Horden
Der Derwische, die zum Ruin
Des Landvolks rings durch Bayern ziehn,
Um frommen Christenkindern
Die Häuser auszuplündern.
Ich opferte gewissenlos
Bey Baylen und Voltären
Manch Stündchen auf, und hielt Rousseau's
Verblendung hoch in Ehren.
[270]
Ich pflegte salua venia
Herrn Zabuesnigs Opera
Oft frevelhaft beym Schmauchen
Als Fidibus zu brauchen.
Ich glaubte, dass zur Professur
Des Kirchenrechts nur Layen,
Nicht Mönche, die dem Staat ein Schwur
Entwandte, tauglich seyen,
Und dass bey einem solchen Amt
Den Kuttenträgern insgesamt
Nicht mehr zu trauen wäre,
Als Katzen bey dem Schmeere.
Ich hätte gerne für ein Paar
Von Zaupsers lahmen Fingern
Die ganze wohlbeleibte Schaar
Von Bayerns Ordensjüngern
[271]
Mit Haar und Bart und Kopf und Fuss
Ja (weil ich's doch gestehen muss)
O Frank, bey meinem Leben!
Dich selber hingegeben.
Ich sah (bis du des Bessern mich
Vom Predigtstuhl belehrtest,
Und, dass dir's Ernst war, feyerlich
Am Maurervolk bewährtest)
Die Menschen stäts für Brüder an,
Und wähnt', es wäre wohlgethan,
Wenn man die Menschenliebe
So weit, als möglich, triebe.
Ich weiss, dass dieser Sündenschwall
Mich nach dem Kirchenrechte
Der frommen Bayern Knall und Fall
Nun an den Bratspiess brächte:
[272]
Doch, Vater Frank, verzeih! ... Wo nicht,
So sey's denn, wenn ich armer Wicht
Nur keiner Pfaffenheerde
Zum Opferbraten werde!
Ich will mich lieber schnurstracks hin
In Satans Küche trollen,
Um dort mich braten oder brühn
Zu lassen; denn es sollen
Die schwarzen Herrn der Unterwelt
Trotz dem, was Kochems Buch enthält,
Nicht halb so gräulich toben,
Als unsere hier oben.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ratschky, Joseph Franz. Gedichte. Gedichte. An den Erzvater. An den Erzvater. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8D38-9