Ferdinand Raimund
Die unheilbringende Zauberkrone
oder
König ohne Reich, Held ohne Mut, Schönheit ohne Jugend
Tragisch-komisches Original-Zauberspiel in zwei Aufzügen

Personen

[414] Personen.

    • Lucina, Schutzgöttin von Agrigent.

    • Hades, Fürst der Unterwelt.

    • Thanatos, Genius des Todes.

    • Tisiphone,
    • Megära,
    • Alekto, die rächenden Furien.

    • Lulu,
    • Fanfu, Genien.

    • Drei Geister des Orkus.

    • Genien.

    • Kreon, König von Agrigent.

    • Phalarius, Feldherr.

    • Antrogäus, Unterfeldherr.

    • Antrokles,
    • Clitonius, Hauptleute.

    • Octavian, ein Landmann.

    • Ein Jäger von des Phalarius Gefolge.

    • Volk. Soldaten. Jäger. Edle. Tänzer und Tänzerinnen.

    • Heraklius, Fürst von Massana.

    • Harmodius, sein erster Minister.

    • Adrasto, erster Diener des Tempels.

    • Thestius, ein Edler von Massana.

    • Arete, seine Nichte.

    • Epaminondas,
    • Hippomedon,
    • Argos,
    • Sillius, Massanier.

    • Ein Diener des Thestius.

    • Eine Frau von Massana.

    • Volk. Träger. Große des Reiches. Diener des Tempels.

    • [414] Dardonius, Fürst von Kallidalos.

    • Ein Höfling.

    • Olimar,
    • Astrachan,
    • Abukar,
    • Nimmelot,
    • Aloe, Bewohner von Kallidalos.

    • Atritia, ihre Nichte.

    • Volk. Krieger. Höflinge. Edle Herren und Frauen. Priesterinnen der Venus. Zwölf Mädchen.

    • Ewald, ein Dichter.

    • Simplizius Zitternadel, ein armer Dorfschneider.

    • Riegelsam, ein Weinhändler.

    • Zwei Gerichtsdiener.

    • [415][417]

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Finstrer Wald. Im Hintergrunde links ein gigantischer Fels mit einer durch ein ehernes Tor geschlossenen Höhle. Neben der Pforte stehen mit Fackel und Dolch bewaffnet die zwei Eumeniden Tisiphone und Alekto aus Stein gehauen, Megära, die dritte, ist ober derselben in sitzender Stellung angebracht. Die Pforte ist mit Schlangen gegiert, vor ihr ein steinerner Opferaltar. In der Tiefe der Bühne ein See, von rauhen, mit Bäumen bewachsenen Felsen umschlossen. Im Vordergrunde rechts ein Gebüsche. Donner murmelt durch den in weiter Ferne erschallenden Jubelchor.

Wie des Adlers Kraftgefieder

Seinen Leib zur Sonne trägt,

Fliegen aufwärts unsre Lieder,

Durch der Freude Schwung bewegt.

Glücklich, wie in Himmelszonen,

Von der Erde Leid getrennt,

Stolz die ewgen Götter thronen,

Herrsch Kreon in Agrigent!


Phalarius tritt mit wild zurückschauenden Blicken
hastig ein. Er trägt ein Pantherfell über den Rücken und ist mit Bogen und Pfeil bewaffnet.

PHALARIUS.
Bin ich denn noch nicht weit genug gezogen,
Verräterische Stadt, die mich betrogen,
Wird auch des Waldes düstre Einsamkeit
Durch deines Jubels frechen Schall entweiht?

Wieder klingen die letzten Worte: Herrsch Kreon!

Herrsch nur, Kreon! Volk! Jauchz die Kehle wund!
Ihr zwingt das Glück zu keinem ewgen Bund.
Prahlt, Lügner, mit der Kron, die ich erkämpft,
Da nur mein Mut des Krieges Glut gedämpft.
[417] Mich laßt aus Undank meinen Purpur weben,
Ihn färben mit dem ausgeströmten Leben,
Das ich vergeudet am ersiegten Strand,
Den Lorbeer brechend mit der blutgen Hand.
Glaubt ihr, ich hab für Agrigent gestritten,
Damit der Rat, nach ungerechten Sitten,
Das Reich verkauft an den unmündgen Knaben,
Auf das nur ich ein wahrhaft Recht kann haben?
Denn ist er auch dem Thron verwandt durch Blut,
Bin ich es würdger noch durch Heldenmut.
Ich glaub nicht, was des Tempels Diener sagten,
Als schlau sie Jupiters Orakel fragten:
Ob mir, ob wohl Kreon das Reich gehört?
Es hab der Gott sich donnernd drob empört,
Daß ichs gewagt, als meiner Siege Lohn
Zu fordern Agrigentens goldnen Thron,
Und ausgesprochen unter ewgen Blitzen:
»Ich dürfe nie ein Reich der Welt besitzen,
Und Agrigent kann dann nur Glück erringen,
Wird auf dem Thron Kreon das Zepter schwingen.«
So logen sie, als ich zurückgekehrt
Aus blutger Schlacht zum heißerkämpften Herd,
So logen sie, von aller Scham entwöhnt,
Als Siegesdank fand ich Kreon gekrönt.
Da außen ich des Landes Feind bekriegt,
Hat eigner mich im Innern hier besiegt.
Drum will ich fliehn aus dir, verhaßtes Land,
Doch nimm den Schwur als dräuend Unterpfand:
Daß ich noch einmal zu dir wiederkehre,
Zu rächen meine truggeraubte Ehre.

Will ab und erblickt entsetzt der Rachefurien Höhle.

Ha! welch ein Pfad hat mich zu euch geleitet,
Blutlose Schwestern, die ihr stets bereitet,
Als der Vergeltung grauenvolle Bürgen
Gewaltge Sünder dieser Welt zu würgen.
Euch fordr ich auf, an euch will ich mich wenden,
Sprengt auf das Tor, mit den entfleischten Händen
[418] Reicht mir ein Schwert, mich an der Welt zu rächen,
Die mich verhöhnt, und ihren Bau zu brechen.

Fürchterlicher Donnerschlag, der verrollt, die Pforte dröhnt und erbittert, dann leuchten schwache Blitze auf das Gebüsche rechts, das sich in der Mitte auseinanderteilt.
Man erblickt darin Hades, in Lumpen gehüllt, mit bleichem Antlitz auf einem Steine sitzen, er hat einen Sack über den Rücken hangen. Er grinst Phalarius an, der ihn mit Entsetzen betrachtet.
PHALARIUS.
Welch eckliche Gestalt, wer bist du?
HADES
mit etwas hohler Stimme, lauernd und gezogen.
Ich?
PHALARIUS.
Bist du der Rachefurien eine?

Stark.

Sprich!
HADES
langsam aufstehend, er geht gebeugt und spricht langsam in hohlem Tone.

Nie wird er in Wort oder Bewegung rasch, nur einmal ist Nachdruck der Rede angezeigt. Doch das Auge ist kräftig lauernd.

Bin keine von den Rachefurien,

Kann selbst kaum mehr auf morschen Knochen stehn.

Bin nicht Tisiphone! Megär! Alekto!

Nein! nein, ich bin –, vergib, mich schauert so.

PHALARIUS.
Du kannst nicht ganz der Erde angehören,
Du könntest sonst den schönen Glauben stören,
Daß nach dem hohen Götterbild des Zeus
Der Mensch geformet sei durch Prometheus.
HADES.
Nicht ganz ist mehr die Erd mein Vaterland,
Tief unten ruft es mich am stygschen Strand.
Harpyen, die wie Nachtigallen klagen,
Verkünden, daß die Furien um mich fragen.
PHALARIUS.
Hast du so bös gehaust in dieser Welt,
Daß dir im Enden jeder Trost nun fehlt?
Bist du so arm, daß dich Verzweiflung faßt?
Und hast wohl einst im Übermut gepraßt?
HADES.
So ist es, du hast furchtbar wahr gesprochen,
Doch jetzt ist meines Glückes Stab gebrochen,
[419] Viel hab ich einst auf dieser Erd besessen,
Geliebt ward ich, ich werd es nie vergessen,
Doch jetzt bin ich gehaßt, bin unbeweibt.

Weinend.

So arm, daß mir nichts mehr als eine Krone bleibt.
PHALARIUS
nach einer Pause des Erstaunens.
Was sprichst du, eine Kron? Wahnwitzig Tier!
HADES.
Willst du sie sehn? ich trage sie mit mir.

Mit stärkerer Stimme.

Ich schenk sie dir, willst dus mit ihr versuchen?
Ich hörte dich vorher um eine Krone fluchen.
Doch trägst du sie, legst du sie nimmer ab.
Sie bleibt dem Haupte treu bis an das Grab.
PHALARIUS.
Was nützt die Krone mich, nenn mir ihr Reich.
HADES
stark.
Die Welt! – Hast du genug? was wirst du bleich?
PHALARIUS.
Soll ichs nicht werden? Mich befällt ein Grauen.
Wer kann in solchen Riesenhimmel schauen?
Die Erd, soweit sie reicht, unendlich Bild,
Hat nie die Neugier eines Augs gestillt.
Entflieh, verlaß mich, trügerischer Geist,
Der Hölle gibt, da er zum Himmel weist.
Zeig her die Kron, wenn du mich nicht geneckt.
HADES.
In meinem Bettelsack ist sie versteckt
Dem Drachen gleich, der in der Höhle kauert,
Auf fette Beut mit giftgem Zahne lauert.
PHALARIUS.
Ein Diadem in eines Bettlers Tasche?
HADES.
In schlichter Um ruht königliche Asche.
Durch diese Kron, prangt sie auf einem Haupt,
Wird dem, der sie erblickt, des Mutes Kraft geraubt.
[420] Ja, ihr Besitzer darf nur leise winken,
Wer sich ihm naht, muß in den Staub hinsinken.
Es wird der Baum mit üppig grünen Zweigen
Sein duftend Haupt vor dieser Krone neigen.
Des Waldes Tiere werden bang erzittern
Und heulend sie in weiter Ferne wittern.
Was er befiehlt, muß streng vollzogen werden,
Und keiner lebt, der sie entwenden kann auf Erden.
Selbst wenn er schläft, die sorgsam stille Nacht,
Geschloßnen Augs, ihr Eigentum bewacht.
Kein Speer, kein Dolch, kein Pfeil kann ihn erreichen,
Der Krone Macht wird nur dem Mondlicht weichen.
Solang sie dies bestrahlt, ist er verloren,
Und jedes Feindes Schwert kann ihn durchbohren.
Solch Glück bringt dieser Reif und solches Bangen.
Nun sprich, trägt deine Herrschsucht noch nach ihm Verlangen?
PHALARIUS.
Den Sturm versöhn durch eines Schiffes Wrack,
Golkondas Schatz verbirg im Bettelsack,
Dem Pfeil befiehl, er soll den Rückweg nehmen,
Des Ätna Glut verhindre auszuströmen,
Nur mich bered nicht, von der Kron zu lassen,
Gib sie heraus, sie muß das Haupt umfassen.

Legt den Helm ab.
HADES.
Wohlan! Schau nicht zum Himmel, blick zur Erde.
Sie fleht dich an mit jammernder Gebärde.

Er nimmt eine goldne Krone aus dem Sacke, aus dem Feuer strömt. Ferner Donner.

Doch hör ihr Wimmern nicht, reich mir die Stirn.
Bleib stark, bewahr vor Wahnsinn dein Gehirn.

Er setzt ihm die Krone auf. Fürchterlicher Donnerschlag. Kurze Musik. Die Bühne wird lichter, die Erde zittert, die Bäume beugen ihre Zweige, so daß sie eine grüne Kuppel über Phalarius' Haupt bilden und sich im See spiegeln.

So, so, der Wald bebt vor dem Königshaupt,
Es huldgen dir die Stämme reichbelaubt.
[421]
PHALARIUS.
Ists Wirklichkeit? welch unnennbar Entzücken!
HADES
für sich.
Sie wird die Stirn noch heiß genug dir drücken.
PHALARIUS.
Ha, nun ist mein der höchste Schatz hienieden.
Sprich, Wurm, was kann zum Lohn ich dafür bieten?
HADES.
Brauch nichts dafür, trag sie nur glücklich fort.
Wir treffen uns schon am Vergeltungsort,
Wenn weit geöffnet deines Wahnes Grab
Und du einst sprichst, wie ich gesprochen hab:

Weinend.

Und bin so arm, mir bleibt nichts als die Krone.

Grimmig.

Den Augenblick allein bewahr ich mir zum Lohne.

Schleicht ab, den Sack über den Rücken.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Phalarius.

PHALARIUS
allein.
Geh, Lügengeist, nie werde ich so sprechen,
So denken nur, war an dem Glück Verbrechen.
Nun fort, Phalarius, aus diesem Wald,
Damit dein Ruhm Sizilien durchschallt.
Doch kann ich baun auf dieser Krone Macht? –
Hollah! wer schreitet durch die Nacht?

Antrogäus mit königlichen Soldaten, welche mit Lanzen bewaffnet sind.
ANTROGÄUS
von innen.
's ist Antrogäus und des Königs Wache.
PHALARIUS.
Willkommne Speere, dienet meiner Rache!
Du, Antrogäus, sollst der erste sein,
Den ich dein langverhaltnen Haß will weihn.

Alle eilen auf Phalarius zu.
[422]
CHOR.
Du sollst nach Hofe kehrn, Phalar,
Der König wills –

Die Krone erblickend und erschrocken
zurückweichend.

Ha, welch ein Stern,
Den ich auf deiner Stirn gewahr?
Er hält mich drohend von dir fern,
Wie kann sein Anblick doch erschüttern!
Mich reißts zur Erd mit bangem Zittern,
Die Angst erpreßt den Ausruf mir:
Sei gnädig, Fürst, ich huldge dir!

Alle sinken bebend auf die Knie.
PHALARIUS
wild lachend.
Haha! Was läßt mir wohl Kreon befehlen?
ANTROGÄUS.
Blick mild auf uns, dein Auge kann entseelen.
Es sendete Kreon nach dir uns aus,

Spricht mit beklemmter Brust.

Dich heimzuleiten nach dem Fürstenhaus,
Wo sich die Freude wälzt, Bachanten winken,
Dort sollst du reuig an die Brust ihm sinken
Und Abschied deinem düstern Grolle geben,
Dafür wird er zu neuer Würd dich heben.
PHALARIUS.
Verflucht sei der, der mir von Reue spricht.

Zieht sein Schwert und verwundet ihn.

Bereue du, wenn dir das Auge bricht.

Antrogäus wird ins Gebüsch geführt.

Verwahrt die Brust, mein durstger Stahl will trinken.
Er wird noch oft in Purpurscheide sinken.
Nun rafft euch auf und horcht auf mein Befehlen:
Ich will der Stadt ein Märlein dort erzählen
Von einem Siegesfest, wo die Mänaden wüten,
Der Sieger nur allein muß drauß im Walde brüten.
Von mächtig strahlnder Kron, die ihm der Orkus schenkt,
Von wütgem Rachgefühl, das seinen Arm dann lenkt.
[423] Von güldenem Palast am diamantnen See,
Wo Freudentaumel herrscht, nicht ahnend baldges Weh.
Vom Brand, der ihn ergreift, vom grausen Angstgeschrei,
Von Kreons letzter Stund, verzweiflungsvoller Reu,
Von Feinden waffenlos, die froh im Tanze schweifen,
Von Kriegern roh und wild, die sie wie Schergen greifen,
Vom glühenden Balkon, von dem man auf mein Winken
Sie wild frohlockend stürzt, daß sie im See ertrinken.
Dies Märlein wollen wir der Stadt zum besten geben,
Und wenn sie drob erbleicht, soll Frohsinn uns beleben.
Dann wird aus des Palastes schwarzgebrannten Trümmern
Der glänzende Pokal wie Sonnenaufgang schimmern.
Und unsre Fabel geb zum Schluß der Welt die Lehre,
Daß unbewachtes Glück auf Erd nicht lange währe.

Für sich mit unterdrückter Wut.

Ich will das meine wahrn, mich sehe keiner fallen.
Und müßt es auch geschehn, mein Ruhm kann nie verfallen,
Ich ringe mit der Zeit, es muß nach tausend Jahren
Die Sage von der Kron die Nachwelt noch erfahren.

Alle ab. Die Bäume biegen sich aufwärts.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Musik.
Lucina sinkt schnell auf Rosenschleiern, die auf weißen Wolken ruhen, auf die Erde nieder. Angst beflügelt ihre Worte.

LUCINA.
Was hört ich für Flüche im Hain hier ertönen?
Es beben die Lüfte, die Felsen erdröhnen.
Hin brauset der Frevler durch waldige Nacht,
Zu liefern die gräßliche Höllenschlacht.
So mußte auf Erde ein Bösewicht reifen,
Ders wagt, nach der schrecklichen Krone zu greifen.
Agrigent ist verloren, es jammert die Welt,
Wenn ihn nicht die Macht der Erinnyen fällt.
Was soll ich beginnen, ihr blutigen Stunden,
Zu strafen den Frevel, zu heilen die Wunden?
[424] Er muß ja die grausige Tat erst vollstrecken,
Will ich hier die rächenden Furien wecken.
Nur Tod sprengt des Fatums gewaltige Ketten.
Drum muß ich das Leben des Königs erretten.
Schon rennt durch die Straßen der gierige Troß.
Es werde die Wolke zum flüchtigen Roß!

Die Wolke verwandelt sich in ein schwarzes Roß mit
goldnem Zaum, im gestreckten Galopp. Lucina setzt sich schnell auf selbes.

Nun Rappe, nun magst du die Lüfte durchschnauben,
Wir wollen den Mörder der Beute berauben!

Das Roß fliegt pfeilschnell ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Hades als Fürst der Unterwelt schwarz griechisch gekleidet, eine schwarze Krone auf dem Haupte, eine Fackel in der Hand mit roter Flamme, die er in den Opferaltar der Eumeniden steckt.

HADES.
So, nun laß die Jagd erschallen
Und die Jäger nicht ermatten,
Daß mir viele Scharen wallen
Nach dem Reich der dunklen Schatten.
Denn ich habs beim Styx geschworen,
Zu entvölkern diese Erd,
Drum hab ich Phalar erkoren,
Er ist dieses Auftrags wert.
Bald wird auch Massana fallen,
Wo ich Unglück hingebannt.
Lustig wird der Orkus hallen,
Wenn versinkt das stolze Land.
Von der Kallidalschen Insel,
Wo mein riesger Eber haust,
Hör ich jammerndes Gewinsel,
Das das Meer nicht überbraust.
Doch schon rötet sich der Himmel,

Man sieht Brandröte

Rauch wallt auf! die Zinne kracht!
[425] Im Palaste wogt Getümmel,
Schnell hast du die Tat vollbracht.

Es rasselt donnernd die Pforte der Eumenidenhöhle. Blitze dringen durch die Öffnungen.

Halt! die Eumeniden rasseln
Auf von ihrem Rächerthron.
Wie sie donnernd näher prasseln,
Ihre Dolche zucken schon.
Ha! ihr sollt mir nicht zerstören
Meines Witzes Heldentum.
Ihr mögt seine Taten hören.
Eure Rache bleibe stumm.

Die Fackel ergreifend.

Durch die Macht, die mir geworden,
Seit Saturn die Welt umflügelt,
Bleiben diese Schauerpforten
Ihren Furien versiegelt.

Er stoßt die Fackel dreimal gegen die Pforte, es zeigen sich drei feurige Siegel.

Durch dies Schreckenstor allein
Können nach der Erd sie dringen.
Darum solls verschlossen sein,
Mit dem Schicksal muß er ringen.
Ist, was ich gewollt, vollbracht,
Send ich selber ihn der Nacht.

Musik. Schreckliches Geprassel und Geheul inner der Pforte. Der See wird hellrot und wogt fürchterlich.

Ha, wie sie empört nun heulen
Und den See hier blutig färben!
Bleibt gefangen, giftge Eulen,
Nur im Mondlicht kann er sterben.
Doch ich seh Kreon befreit
Mit Lucina niederschweben,
Er war schon dem Tod geweiht,
Sie betrügt mich um sein Leben.

Er tritt zurück.
5. Auftritt
[426] Fünfter Auftritt
Voriger. Lucina und Kreon auf Wolken niedersinkend. Kreon beugt sein Knie vor Lucina.

LUCINA.
Du bist gerettet, holder Fürst. Du lebst durch mich.
Des Landes Schutzgeist wars, der niemals von dir wich.
KREON.
Es dankt mein klopfend Herz, mein Sinn vermags noch nicht,
Da vor Erstaunen mir Erinnrung fast gebricht.
Wer bringt mein treulos Glück, ich straf den Hochverrat,
Den es an mir und meinem Volk begangen hat.
O gleißnerische Zeit, wer sollt es von dir glauben,
Durch einen Augenblick kannst du uns alles rauben.
Minuten wissens kaum, daß mich das Elend fand.
Wars denn Phalarius, der drohend vor mir stand?
Woher die Schreckenskron, mit der er frech geprahlt
Und die mit magschem Schein den Brand noch überstrahlt?
Woher die Meuterei, wer herrschet nun im Land?
Ihr Götter, stärket mich, es wanket mein Verstand.
Vor ihm bin ich gekniet, vor diesem Bösewicht?
LUCINA.
Dein Rasen ist umsonst, die Götter hörens nicht.
Siehst du dort den Altar, auf ihn leg deine Klagen,
Die Nimmerruhenden magst du um Rat befragen.
KREON.
So hört mich denn, ihr mächtgen Eumeniden –

Schlagt an die Pforte, die erdröhnt.
HADES
tritt hervor.
Vergebens rufst du sie, du störst nur ihren Frieden.
KREON.
Wer spricht hier Worte aus, die Wahnsinn müßt bereuen?
LUCINA
bebt zurück.
Erkennst du Hades nicht, den selbst die Götter scheuen?
KREON
bebt auch zurück.
Du, Hades, bists?
[427]
HADES.
Bins selbst, der dieses Tor bewacht.
LUCINA
zu Kreon leise.
Er hat dich um dein Reich und um dein Volk gebracht.
KREON.
Sind die Erinnyen taub, daß sie sich noch nicht zeigen?
HADES.
Erkennt die Siegel hier, der Orkus heißt sie schweigen.
LUCINA
jammernd zu Kreon.
O armer Fürst, Unmöglichkeit heißt dein Gebiet,
Aus dem die Hoffnung selbst mit banger Furcht entflieht.

Zu Hades.

Ja, du verdienst, daß Götter dich und Menschen hassen
Die Glut des ewgen Pfuhls muß neben dir erblassen.
Doch jener blutge See bleib Zeuge deiner Wut.
Lucinas Göttermacht bewahret seine Glut,
Bis sich einst Jovis Bild in seinen Wellen spiegelt
Und sein allmächtger Blitz die Pforte dort entriegelt.
HADES
mit Hohn.
O Göttin, hold und schön, wie magst du doch so wüten!
Sieh, deine Wundertat treibt neue Todesblüten.
Mich schreckt nicht Zeus, drum sei dein See verflucht.
Und wer durch seine Flut den Durst zu stillen sucht,
Der wird von dieser Stund die Menschenbrut verachten
Und einem Tiger gleich nach ihrem Leben trachten.
Doch nur so lang, bis er so vieles Blut vergießt,
Als aus dem Wundersee sein durstger Mund genießt.
LUCINA.
Halt ein, das geht zu weit, du nächtlich Ungeheuer,
Ist dir denn nichts auf dieser schönen Erde teuer?
Greif an den Himmel hin und raub ihm seine Sterne,
Die Götter selbst verjag nach lichtberaubter Ferne,
Vernicht auch mich, Versuchs! raub mir Unsterblichkeit,
Beginn den Kampf, fall aus, ich bin dazu bereit.

Sie stellt sich ihm mit majestätischer Miene gegenüber.
KREON.
Was klagst du, Erde, noch, ist doch vom bösen Streit
Der weite Orkus nicht, nicht der Olymp befreit.
[428]
HADES
kalt und gleichgiltig.
Du nennst unsterblich dich, durch Schmähung kannst dus sein.
Ich lasse mich mit dir in keinen Zweikampf ein.
Du bist ein göttlich Weib, mehr brauchts nicht zu erwidern,

Mit vornehmer Nichtachtung.

Das heißt, du bist ein Weib und kannst mich nicht erniedern.
LUCINA
mit höchster Würde.
Ich bins, und weil ichs bin, bebt stolzer mir die Brust.
Ich bin ein Weib, des kräftgen Erdballs höchste Lust,
Ein Weib, um das der Brand von Troja hat geleuchtet,
Ein Weib, um das des Donnrers Aug sich mild befeuchtet,
Ein Weib, vor dem sich tief ganz Persien gebeugt,
Ein Weib, das einst ein Gott aus seinem Haupt gezeugt,
Ein Weib, das durch die Welt der Liebe Zepter schwingt,
Der Lieb, die auch zu deinem Felsenherzen dringt,
Ein Weib, das deinen Arm durch einen Kuß kann lahmen:
Das heißt, du bist ein Mann und kannst mich nicht beschämen.
HADES.
In schönen Worten kannst du leicht den Preis gewinnen.
Doch nur durch Mannesgeist gelingt ein groß Beginnen.
LUCINA.
Wohlan, so laß uns nicht durch Elemente streiten,
Durch Flammen, Wogen, Sturm Verderben uns bereiten,
Gebrauchen wir des Witzes feingeschliffne Klinge,
Vielleicht gelingt mirs doch, daß ich den Sieg erringe.
HADES.
Was quält dich doch die Lust, den Orkus zu bekämpfen?
Wie leicht wärs meinem Witz, den Übermut zu dämpfen!
LUCINA
schlau.
Wenn dies dein Geist vermag, warum will ers vermeiden?
Die Götter müßten dich um deinen Witz beneiden.
Glaub nicht, daß im geheim die Himmlischen dich achten,
Sie schmähn auf deinen Geist, den sie schon oft verlachten.
HADES
mit gereiztem Ehrgeiz.
So will ich dir und den Olympschen Göttern zeigen,
Daß meine Schlauheit nicht sich ihrer List muß beugen.
[429] Es soll dir möglich sein, die Furchtbaren zu wecken,
Doch was ich dir befehl, mußt du genau vollstrecken:
Du kannst zu seinem Sturz die Eumeniden brauchen,
Läßt du auf dem Altar ein dreifach Opfer rauchen.
Erst eine Kron, die eines Königs Haupt geziert,
Der nie ein Reich besaß, noch eins besitzen wird.
Dann einen Lorbeerkranz von eines Helden Stirn,
Der, wenn der Lorbeer rauscht, den Mut schon kann verliern
Und doch verübt' solch ungeheure Herkulstat,
Daß ihm der Krieger Schar den Kranz geflochten hat.
Nun kömmt das Dritte noch, es ist ein Diadem,
Der Eitelkeit Triumph, daß es selbst Juno nähm.
Dies sei aus Myrtenblüt mit Lilienschnee verwebt
Und ruh auf einem Haupt, das sechzig Jahre lebt.
Ein hochbetagtes Weib, mit reichverschlungnen Falten,
Muß es für ihren Reiz als Schönheitspreis erhalten.
Doch Männer nicht allein, die Mitleid kann versöhnen,
Es müssen Weiber sie mit neidgen Blicken Kronen.
Dies sind die seltnen Ding, die ich von dir begehre,
Und findest du sie auf, dann glaub, daß ich dich ehre.
Bring sie zum Opfer hier, dann schmelzen jene Siegel,
Die Pforte donnert auf, gesprengt sind ihre Riegel,
Die Eumeniden frei, Phalarius kann fallen.
Und hör ich sein Gestöhn am Acheron erschallen,
Dann nehm die Kron ich selbst von seiner blassen Stirn
Und weiche dir beschämt, verachtend mein Gehirn.
LUCINA.
Beim Zeus, ich bin erstaunt.
KREON.
Sei nicht so grausam doch,
Daß du die Möglichkeit belegst mit solchem Joch.
Du willst den Flug und kettest unsre Flügel,
Du spornst den Gaul und engest seine Zügel.
HADES.
Sie hats gewollt, ich ändre meinen Ausspruch nie.
Glaubt ihr, der Hölle Süd zeugt keine Phantasie?
[430] Hast du vielleicht gewähnt, Unsterblichste der Nymphen,
Es lasse Hades sich so ungerächt beschimpfen?
Ich bin, was du so schlau gefordert, eingegangen,
Doch bleibet unerfüllt mein dreifaches Verlangen,
So seis bei des Cocytus Trauerlauf geschworen,
Du wirst des Orkus Spott, und Kreon ist verloren.

Geht mit Würde ab.
KREON.
Verloren bin ich, ja, mein Sturz war schon vollendet,
Als sich sein Furienblick nach meinem Reich gewendet.
Das Rätsel ist nun klar, ich weiß, wie es geschah,
Mein Unglück steht entlarvt und frech entkleidet da.
Was ist das Leben doch, wie war ich zu bedauern,
Wenn ich nicht sterblich wär und müßte ewig trauern!
LUCINA.
Oh, traure nicht zu früh, mein Geist gebärt Gedanken,
Die ihn mit Hoffnungen wie Efeu grün umranken.
Die Götter duldens nicht, daß solch ein Reich vergeht,
Wo ein so edles Volk für seinen König fleht.

Nachdenkend.

Massanas Fürst ist krank und wird nie mehr genesen,
Das Unglück haust zu arg, es muß das Land verwesen.
Dann hier der blutge See, das kallidalsche Schwein,
Mein Wundermittel wirkt, es kann nicht anders sein.

Der Wolkenwagen sinkt wieder herab.

Drum eile jetzt mit mir nach meinem Luftgefilde,
Vertausch den Anblick hier mit einem schönern Bilde.
Ich will durch magsche Kunst ein Zauberlicht bereiten,
Dann such durch Fremdlinge den Trug ich einzuleiten.
Du aber kannst hier nichts zu deiner Rettung helfen,
Drum harrest du auf mich im Kreise meiner Elfen.
KREON.
So gern du, Göttin, magst nach deiner Heimat ziehn,
So schmerzlich fällt es mir, die meinige zu fliehn.

Mit tiefer Rührung.

O du mein teures Reich, ich muß mich von dir trennen,
Den rauhen Felsen nur kann meine Qual ich nennen.
[431] Wo lebt ein König wohl, der solches Leid getragen,
Daß seinem Volke er kein Lebewohl darf sagen?
O Echo, deren Schall in allen Bergen tönt,
Verkünd das Trauerwort: Leb wohl, mein Agrigent.
Nun folg ich, Göttin, dir ins traumbeglückte Land,
Verlass' mein wirkliches, aus dem man mich verbannt,
Doch wenn die Wolken mir mein treues Volk verhüllen,
Wird sich des Königs Aug mit heißen Tränen füllen.
Magst du den Schmerz als kleinlich auch betrachten,
Er ist ein heilges Weh, du darfst ihn nicht verachten.

Er kniet vor ihr.
LUCINA
gerührt die Hand auf sein Haupt legend.
Ich ehre tief dein Leid, es führt dich einst zum Lohne,
Der Schmerz gehört der Welt, drum trägt ihn auch die Krone.

Hebt ihn auf.

Erhebe dich, mein Fürst.

Laßt ihn in den Wolkenwagen steigen.

Ein Thron soll dich umrauschen.

Die Wolke schlagt sich auf und bildet einen Thronhimmel über Kreons Haupt.

Ist mir Fortuna hold, sollst du ihn bald vertauschen.

Unter zart klagender Musik schwingen sich beide langsam fort.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Verwandlung in eine romantische Gegend. Vorne links ein kleines Häuschen mit einem Schilde, worauf eine goldene Schere gemalt ist. Diesem gegenüber eine natürliche Rasenbank, von einem Baume überschattet.
Die Musik geht nach der Verwandlung in Simplizius' Ariette über. Simplizius in bürgerlicher Kleidung.

Ariette

's gibt wenig, die so glücklich sind

Wie ich auf dieser Welt,

Ich hab kein Weib und hab kein Kind

Und hab kein Kreuzer Geld.

[432] Wenn ich auch keine Schulden hätt,

Ich wüßt vor Freud nicht, was ich tät.


Ich will in voraus nicht stolziern,

Mein Glück fangt erst recht an,

Mir scheint, ich werd mein Gwerb verliern,

Dann bin ich prächtig dran.

Und 's Überraschendste wird sein,

Wenn s' kommen wern, und sperrn mich ein.


Dann schau ich um ein Freund mich um,

Der in der Not mich tröst,

Der macht, daß ich auf d' Festung kumm,

Da sitz ich erst recht fest.

Und wenn s' mich dort vielleicht noch schlagn,

Das war ein Glück – nicht zum ertragn.


Ja, ja, mancher, der mich so reden hört, würde sagen: Oje! da kommt schon wieder einer daher, der lamentiert, daß er kein Geld hat und voller Schulden ist und daß er soll eingsperrt werdn, ojemine, das ist eine alte Gschichte. Hochdeutsch. Ja, wenns aber nicht anders ist, was soll man denn machen? Es ist einmal so, ich hab einmal kein Geld, und sie sperren mich einmal ein, vielleicht auch zweimal, wenn sie in einen guten Humor sind.Lokal. Und wenn das so fortgeht, so komm ich aus den Einsperren gar nicht mehr heraus. Ich bin ein rechtschaffener Mann, doch von was soll ich denn zahlen? Ich bin zwar der angesehenste Schneider hier im Ort, aber ich hab nur eine einzige Kundschaft, und das ist mein Gläubiger, ein Weinhändler, der weint um seine fünfhundert Taler, so oft er mich anschaut. Jetzt bin ich ihm das Geld schon sieben Jahr schuldig. Er ist aber schon lang gezahlt, denn statt den Interessen hat er mit mir ausgemacht, daß ich ihm alles umsonst arbeiten müßt, was in seinen Haus angschafft wird. Da kommen aber die Leut von ganzen Dorf in sein Haus, lassen sich das Maß nehmen, ich muß ihnen umsonst arbeiten, und er laßt sich zahlen dafür. – Da hab [433] ich jetzt einen Zimmerherrn drin, Deutet auf sein Haus – geheimnisvoll. der zahlt auch nichts. Ist ein Schmied. Ein Reimschmied. Schreibt jetzt gar ein Theaterstück. Auf die Letzt bringt er mich noch in ein Stuck hinein. Denn ich hör, jetzt können s' gar kein Stuck mehr aufführen, wo s' nicht was von einen Schneider drin haben. Und er gar, er schreibt eins, das heißt: »Die getrennten Brüder«. Das wird doch auf Zusammnähen hinausgehn. Er erwartet immer das Geld von der Post, und jetzt ist ein so ein schlechter Weg, da bleibts halt stecken. Ruft zum Fenster hinein. Guten Morgen, Monsieur Ewald, schon wieder fleißig? Scribendum?

EWALD
schlägt von innen auf den Tisch.

So stören Sie mich doch nicht mit Ihrem unsinnigen Geschwätz. Kommt heraus im einfachen Gehrock mit einem Manuskript und Tinte und Feder. Es ist nicht möglich, daß ich einen vernünftigen Gedanken fassen kann, wenn Sie in meiner Nähe sind.

Gehen Sie doch hinein, ich will hier schreiben.

SIMPLIZIUS.
Schreiben Sie, wo Sie wollen und an wem Sie wollen, aber sein Sie nicht unartig mit mir.
EWALD.

Lieber Meister, nehmen Sie meine Heftigkeit nicht so auf, Sie sehen, ich bin ein Dichter, ein begeisterter Mensch. Wenn man in Jamben arbeitet – Sie verstehen das nicht so, es sind fünffüßige Verse.

SIMPLIZIUS.

Ja, das ist ja eben das Unglück, wenn die Vers eine Menge Füß haben und keinen Kopf. Das tragt nichts ein. Ich wollt, ich hätt so viel Füß als Ihre Schlampen oder Jamben, was Sie da schreiben! Ich war schon lang davon gloffen, auf meine kann ich mich nicht mehr verlassen.

EWALD.

Sie sprechen dummes Zeugs. Lassen Sie mich ungestört. Er setzt sich auf die Rasenbank und überlegt. Der letzte Akt. Mir fehlts an Stoff.

SIMPLIZIUS.

Mir auch. Wenn ich so ein paar hundert Ellen Gros de Naples hätt, ich wollt Ihnen Ihre Getrennten schon herausstaffiern.

EWALD.
Nun hab ich aufhören müssen. Jetzt ist der ganze Dialog zerrissen.
[434]
SIMPLIZIUS.
Ich wollt, es war alles zerrissen, so krieget ich doch eine Arbeit.
EWALD
aufspringend.
Aber lieber Meister, wenn Sie einen Rock zuschneiden, so wünschen Sie doch ungestört zu sein?
SIMPLIZIUS.

Nun Sie werden doch erlauben, daß es eine andere Aufgab ist, wenn ich einen Rock zuschneid, als wenn Sie da eine halbe Stund nachdenken, und hernach fällt Ihnen erst nichts ein. Wenn Sie einen Vers um ein paar Ellen zu lang machen, so streichen sie s' halt weg, aber wenn ich einen Ärmel um eine halbe Ellen zu kurz mach – Er streift seine Rockärmel hinauf. was gschieht denn hernach?

EWALD
stampft mit dem Fuße.
Zum letzten Male rat ich es Ihnen, mich ungestört zu lassen, oder Sie werden mich wütend machen.
SIMPLIZIUS
erschrocken.

Nu, nu, nur nicht so heftig, meine schwachen Nerven bitt ich zu verschonen. Überhaupt zwingen mich verhältnislose Umstände, mit Ihnen tragisch zu reden. Ich kann zwar nichts gegen Sie sagen, Sie sind ein ordentlicher Mann, Sie bleiben mir meinen Zins schuldig, wie es sich gehört. Aber Sie sind ein Dichter, der sehr schöne Ideen hat, warum kommt Ihnen nicht auch die Idee, mich zu bezahlen?

EWALD.
Sie sollen Ihr Geld erhalten.
SIMPLIZIUS.
Ja wann? ich werd heut noch eingsperrt.
EWALD.
Warum?
SIMPLIZIUS.

Weil ich blessiert bin und nicht ausrucken kann – Deutet aufs Zahlen. Wenn aber das geschieht – wenn sie mich einsperren – Herr von Ewald – Sie sind mir schuldig, ich gebrauch mein Recht – Sie müssen zu mir hinein. Wir sind Männer, wir werden unser Schicksal zu ertragen wissen. Geht gravitätisch ab ins Haus.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Ewald.

EWALD
allein.

Hahaha! Ein gutmütiger Mensch, wenn er nur nicht so unerträglich einfältig wäre. Mich dauert seine [435] mißliche Lage, morgen erhalt ich die Hälfte meines Honorars, davon will ich ihn unterstützen. Doch jetzt sei wirksam, Geist!


Dichtend.

Sechzehnte Szene. Gefängnis. Artur allein.
Warum muß ich im finstern Turm hier hausen,
Um den des Meers geschäftge Wellen brausen?
Ach, während Liebe stillt ihr froh Verlangen,
Hält mich der Haß hier trauervoll gefangen.
O Schutzgeist, der du meinem Traum dich zeigst
Und sanft dein Haupt zu mir herniederneigst,
Leit mich aus meines Kerkers düsterm Bann,
Daß ich, statt nutzlos sinnen, handeln kann.

Währenddem sinkt unter sehr leisen sanften Tönen Lucine auf Wolken nieder. Ein Genius trägt die Rosenfackel.
LUCINA.
Wenn du willst des Gedichtes Sinn auf dich beziehn,
So kann ich deines Wunsches regen Drang erfüllen.
Du sollst mit mir nach weit entfernten Landen ziehn
Und des Verlangens Glut im Tatenstrome kühlen.
Zu hohem Wirken hab ich deinen Mut erkoren,
Weil ich dein Herz und deinen Geist als rein ersehn.
EWALD.
O glanzentzücktes Aug, zum seltnen Glück geboren,
Daß du so holder Göttin Reize darfst erspähn!
LUCINA.
Erstaune nicht, entwirf kein Bild von meinen Reizen!
Du bist zur Rettung eines mächtgen Reichs erwählt.
Der Auftrag sei genug, um mit der Zeit zu geizen,
Drum werd dir auch von mir das Nötge nur erzählt.
Dich sollen Wolken nach Massanas Strande tragen,
Ein Land, in welchem Unglück heult in jedem Haus
Und das vom Meer verschlungen wird in wenig Tagen.
Dort gibst du dich für einen Weisen aus,
Entstammend aus Ägyptens heilgen Pyramiden,
Der nach Massana kommt, um dieses Land zu retten.
[436] Und wenn der König enden will den Lauf hienieden,
Vergoldest du des Todes fürchterliche Ketten
Und forderst erst für diesen Dienst des Reiches Krone.
EWALD.
Wodurch ich dies vollbring, kann ich noch nicht ergründen.
LUCINA.
Nimm diese Fackel hier, sie flammt in jeder Zone.
Wenn du sie kräftig schwingst, wird sie sich selbst entzünden.
Der Gegenstand, auf den du ihren Strahl willst leiten,
Wird zephyrleicht in ihrem Zauberlicht verrinnen,
Narkotsche Wohlgerüche um sich her verbreiten
Und die Gestalt, die du ihm leihen willst, gewinnen.
Er wird im wundervollsten Rosenlicht sich zeigen,
Wie ihn die zartste Phantasie nur könnte malen,
Daß sich die Herzen alle liebend vor ihm beugen
Und sanfte Rührung wird aus jedem Auge strahlen.

Gibt ihm die Fackel.

Verwahr sie wohl, du wirst sie einst noch dankbar preisen,
Wenn tröstet dich ihr weiterfreunder Wunderschein.
Doch nicht allein darfst du die Rettungsbahn durchreisen,
Dem kühnen Mut muß bange Furcht zur Seite sein.
Du wirst wohl selbst wo einen feigen Dümmling kennen,
Den eines Sperlings leises Rauschen schon erschreckt?
EWALD.
Da kann ich dir, o Göttin, keinen bessern nennen
Als jenen Mann, der sich vor deinem Anblick scheu versteckt.

Deutet auf Simplizius ins Haus.

LUCINA
Nun wohl, du magst mit ihm die Sache selbst verhandeln.
EWALD.
Er ist mir schon gewiß, ich weiß, was ihn bewegt.
LUCINA
zeigt auf einen Fels.
Die Fackel wird den Stein in leichten Nebel wandeln,
Der euch im schnellen Flug durch blaue Lüfte trägt.
Du übst, wie ichs befahl.
[437]
EWALD.
Dies kann ich hoch beteuern.
LUCINA.
Wohlan! ich will voraus, hin nach Massana steuern.

Fliegt ab.
EWALD
allein.
Dies ist ein Auftrag doch, der eines Dichters würdig,
Weil echte Poesie nach einer Krone strebt.
Selbst Göttern ist durch hohen Schwung sie ebenbürtig,
Der über Sonnen sie zu Jovis Thron erhebt.
Mein Geist ist klein, mein Wirken nur ein ungeweihter Traum.
Drum wird die Kron, die ich heut wage zu begehren,
In nichts zerfließen wie der Woge flüchtger Schaum.
Nur daß ich sie gewollt, wird mir noch Lohn gewähren.
Und wer wird nicht mit Lust von goldnen Dingen träumen,
Kann er darüber arme Wirklichkeit versäumen!

Ab ins Haus.
8. Auftritt
Achter Auftritt
Verwandlung.
Kurzes Zimmer mit schlechten Möbeln, ein Tisch mit Schreibgeräte. An der Wand hängen einige schlechte Kleidungsstücke, Maß und ein paar abgeschabte Bilder. Rechts eine Seitentür, links ein kleines Fenster zum Öffnen.
Simplizius.

SIMPLIZIUS.

Jetzt wirds nicht mehr lang dauern, so wird die achtzigpfündige Kanon meines Unglücks losgehn. Vor Angst krieg ich noch das gelbe Fieber, das schwarze hab ich so in allen Taschen schon. Wie spät wirds denn schon sein? Ich könnts gleich wissen, ich dürfte nur auf die Uhr schauen, die ich vor zwei Jahren versetzt hab. Um halb zwölf Uhr kommt der Weinhandler, der wird mich anzapfen um sein Geld, und wenn ich ihn nicht zahlen kann, so heißt es: Marsch nach Kamschatka!

9. Auftritt
[438] Neunter Auftritt
Voriger. Ewald.

EWALD.
Freude! Freude, lieber Simplizius!
SIMPLIZIUS.
Ja, ja, das wird eine mordionische Freude werden, bei Wasser und Brot.
EWALD.
Nein, lieber Simplizius, wir wollen fort von hier, in ein fernes Reich.
SIMPLICIUS.
Ins Reich hinaus? Da war ich so schon. In Nürnberg und in Leutomischel.
EWALD.
Nicht doch. Eine reizende Göttin hat mich und Sie zur Rettung eines Königreichs bestimmt.
SIMPLIZIUS.
Mich?
EWALD.

Ja, Sie. Goldgesäumte Wolken werden uns dem gemeinen Leben hier entrücken und uns in ein herrlich Land hintragen. Lassen Sie Ihren Gläubiger hier rasen. Er hat ja ohnehin nichts mehr zu fordern. Machen Sie sich reisefertig. Sie sind zu großen Dingen bestimmt.

SIMPLIZIUS.
Zu was für ein?
EWALD.
Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß es eine Krone gilt.
SIMPLIZIUS.
Und die soll ich erretten? Nun das wird gut ausfallen. Sie verkennt mich.
EWALD.
Nein, sie hat Sie ja gesehen und Ihren Mut belobt.
SIMPLIZIUS.
Die Göttin? Ah, das ist göttlich! Aber weiß sie denn, daß ich –?
EWALD.
Was?
SIMPLIZIUS.
Nu! Er macht die Pantomime des Nähens.
EWALD.
Ei, versteht sich. Alles weiß sie. Kommen Sie nur!
SIMPLIZIUS.

Ich soll ein Land erretten! Ich kann mirs gar nicht anders vorstellen, als daß das Land durch Unruhen zerrissen ist, und ich muß zusammflicken. Oder sie fürchten sich, das Land erfriert, und ich muß ihn einen Povre machen. Und auf einer Wolken sitzen wir? da fallen wir ja durch.

EWALD.
Bewahre, sorgen Sie sich nicht.
[439]
SIMPLIZIUS.

Nun Sie, wenn wir heut durchfalleten, das wär weiter kein Schand. Mir ist jetzt schon, als wenn ich aus den Wolken gefallen war.

EWALD.
Ich steh Ihnen für alles.
SIMPLIZIUS.
Oh, Sie sind ein gutes Haus. Was haben S' denn da für eine vergossene Kerzen?
EWALD.

Das ist eben unsre Wunderfackel. Was ich durch sie bestrahlt wissen will, erscheint nach meinem Wunsche in der herrlichsten Gestalt. Und rosger Nebel wird das Auge eines jeden lieblich täuschen.

SIMPLIZIUS.

Was das für Erfindungen sein, um die Leut hinters Licht zu führen, das geht über alles. Na wegen meiner, ich bin dabei, ich sitz doch lieber auf einer Wolken als im Arrest. Also gehen wir. Sieht durchs Fenster. Ums Himmels willen, dort kommt der Weinhandler, und zwei Schutzgeister hat er bei ihm mit klafterlange Spieß.

EWALD.
Fatale Sache. Was beginn ich jetzt?
SIMPLIZIUS.

Monsieur Ewald, mir fällt aus Angst etwas ein. Probieren wir die Fackel, richten wir das Zimmer prächtig ein. Tapeziern wirs aus. Vielleicht bekommt der Weinhandler einen Respekt und glaubt, er kriegt sein Geld. Warten Sie, ich sperr die Tür indessen zu, daß er nicht gleich herein kann. Tut es.

EWALD.

Kein übler Gedanke. Doch das geht nicht so leicht, er wird fragen, wo wir die schönen Möbel her haben. Dann wird ihm die Fackel auffallen. Still!

RIEGELSAM
klopft von außen.
Nu aufgemacht. Ich weiß, daß wer zu Hause ist.
SIMPLIZIUS.
Gleich, gleich. Heimlich. Was tun wir denn?
EWALD
ebenso.
Geben Sie mich für einen Engländer aus, dem die Möbel gehören und der für Sie zahlen will.
RIEGELSAM.
Ich schlage die Tür ein, wenn Er nicht aufmacht.
SIMPLIZIUS.
Richtig, fangen Sie nur zum möblieren an. Ruft. Nur warten!
RIEGELSAM.
Warten, du verdammter Bursche? Wart du auf meinen Stock, wenn ich hineinkomme.

[440] Ewald hat indessen die Fackel geschwungen, die sich selbst entzündet. Musik. Auf einen Schlag verwandelt sich das schmutzige Zimmer in ein herrliches gemaltes und reich möbliertes. Große Gemälde mit goldenen Rahmen, nebst einer schönen Wanduhr präsentieren sich. So verwandeln sich auch die Tür, das Fenster, Tisch und Stühle. Das Ganze zeigt sich jedoch im bleichen Rosenlichte. Diese Verwandlung darf nicht durch Hinaufrollen der Kurtine geschehen, sowohl die Kurtine als Kulissen müssen auf ihrem Platz bleiben, und nur die Hälfte der Hinterwand muß schnell herabfallen und die Kulissen umklappen, so daß die Verwandlung kaum das Auge belauschen kann.
SIMPLIZIUS
erschrickt.

Mich trifft der Schlag! Das wird doch ein schöner Betrug sein. Ich glücklicher Mensch, das ghört alles nicht mein.

EWALD
steckt die Fackel in die Kulisse, wo der Schreibtisch steht, setzt sich schnell dazu und stützt das Haupt auf die Hand.
Nun öffnen Sie! Sagen Sie, ich dichte und wollte ungestört bleiben! und Sie hätten geschlafen.
RIEGELSAM.
Brecht das Schloß auf!

Sie schlagen an die Tür.
SIMPLIZIUS
öffnet schnell.
Ist schon offen.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Vorige. Riegelsam, ein sehr dickbeleibter Mann von heftigem Temperament.

RIEGELSAM
noch in der Tür.

Aufmachen kann er nicht, aber Schulden machen kann er. Wart, du ver – Er tritt herein und steht erstarrt.

ZWEI GERICHTSDIENER
halten an der Tür Wache.
Was ist das für eine maliziöse Pracht! Ich erstaune. Wem gehört das Ameublement?
EWALD
rasch aufspringend.
Mir.
RIEGELSAM.
Ihnen!? Ah, allen Respekt.
EWALD.
Also schließen Sie Ihren Mund. Setzt sich wieder und schreibt fort.
RIEGELSAM.

Was? Mundschließen? um fünfhundert Taler? Um fünfhundert Taler kann man den Mund gar nicht weit genug aufmachen.

SIMPLIZIUS.
Wenn er nur die Mundsperre bekam, daß er ihn gar nicht mehr zubrächt!
[441]
RIEGELSAM.

Nichts wird geschlossen als der – Auf Simplizius deutend. der wird geschlossen – kreuzweis. Wie stehts, liederlicher Patron? Wird gezahlt oder nicht?

SIMPLIZIUS.
Ja! Es wird gezahlt.
RIEGELSAM.
Wer zahlt?
SIMPLIZIUS.
Ich nicht.
RIEGELSAM.
Gerichtsdiener!

Sie treten vor.
EWALD.
Halt. Springt auf. Ich bezahle. Setzt sich wieder und schreibt.
RIEGELSAM.
Wirklich? Allen Respekt. Wer ist dieser Herr?
SIMPLIZIUS.
Ein vazierender Lord.
RIEGELSAM.
Und wohnt in dem miserablen Haus?
SIMPLIZIUS.
Spleen.
RIEGELSAM.
Warum schreibt er denn bei einer Fackel am hellichten Tag?
SIMPLIZIUS.
Spleen.
RIEGELSAM.
Und was krieg ich denn für meine Schuld?
SIMPLIZIUS.
Spleen.
RIEGELSAM.

Geh Er zum Henker mit seinem Spleen. Wenn ich nur die schönen Möbel haben könnte, ich bin ganz verliebt in sie. Also was solls sein? Entweder meine fünfhundert Taler, oder ich laß das Zimmer ausräumen.

SIMPLIZIUS.
Da kriegt er auch was Rechtes.
EWALD
heftig.

Herr, unterstehen Sie sich nicht, sich meines Eigentums zu bemächtigen. In diesem Zimmer bin ich Herr, weil ich es gemietet habe, und wenn Sie es nicht an der Stelle verlassen, so werd ich mein Hausrecht gebrauchen und Sie zum Fenster hinauswerfen.

RIEGELSAM.
Welch eine Behandlung? Was soll das sein? Sieht Simplizius fragend an.
SIMPLIZIUS
gleichgiltig.
Spleen.
RIEGELSAM.

Halt Er sein Maul mit seinem verflixten Spleen. Sie haben sich angeboten zu bezahlen, tun Sie es. Ich bin bereit.

EWALD.

Ich noch nicht. In einer Stunde sollen Sie Ihr Geld erhalten. Ich erwarte die Post. Entfernen Sie sich jetzt, und kommen Sie in einer Stunde wieder.

[442]
RIEGELSAM.
Hat auch kein Geld. Nichts als Spleen.
SIMPLIZIUS.
Ein spleenditer Mann.
RIEGELSAM.
Aber die schönen Möbel, diese herrlichen Möbel. Gut, ich geh, aber die Wache bleibt hier.
SIMPLIZIUS.
Ich seh mich schon im Loch.
EWALD.
Impertinent. Den Augenblick mit der Wache fort, oder Sie bekommen keinen Heller von Ihrer Schuld.
RIEGELSAM.
Nicht? So laß ich ihn einsperren Auf Simplizius geigend.
EWALD.
Nur fort mit ihm, das ist das beste, was Sie tun können.
SIMPLIZIUS
erschrocken.
So ists recht. Das war schon das beste bei ihm.
RIEGELSAM
beiseite.

Es ist ihm nicht beizukommen. Ich möchte rasend werden. Aber die schönen Möbel! diese Möbel allein könnten mich verführen.

SIMPLIZIUS.
Ah, wenn Sie s' erst im rechten Licht sehen werden! Den sein Fackel blendt einem ja.
RIEGELSAM.
Sind sie da noch schöner?
SIMPLIZIUS.
Oh, da kann man sie gar nicht sehen vor lauter Schönheit.
RIEGELSAM.
Gut, die Wache soll sich entfernen unter der Bedingung, daß Sie mir diese Möbel verschreiben.
SIMPLIZIUS
heimlich erfreut.
Beißt schon an.
RIEGELSAM.
Wenn ich in einer Stunde mein Geld nicht erhalte, gehören sie mir.
SIMPLIZIUS.
Haben ihn schon.
EWALD.
Mein Wort darauf.
RIEGELSAM.
Nichts, das muß schriftlich sein. Nur aufsetzen. Alles schriftlich.
SIMPLIZIUS
heimlich.
G hört schon uns.
EWALD
schreibt.
Also alles, was sich in diesem Zimmer befindet.
SIMPLIZIUS.
Bis auf uns. Denn er wär imstand, er nähmet uns auch dazu. Das ist gar ein Feiner.
RIEGELSAM.

So ein miserables Möbel, wie Er ist, kann ich nicht brauchen. Still! Euer Hoheit geruhen zu unterschreiben.

[443]
EWALD
tut es.
Hier.
RIEGELSAM.
Auch der Schneider!
SIMPLIZIUS
tut es.
Für sich. Du wirst dich schneiden.
RIEGELSAM
frohlockend.
Bravo! Jetzt bin ich in Ordnung.
SIMPLIZIUS.
Das ist ein glücklicher Kerl, jetzt hat er einen Fang g macht.
RIEGELSAM
zur Wache.
Ihr könnt nach Hause gehen.

Wache ab.
SIMPLIZIUS.
Ah! Weil nur die Garnierung von der Tür weg ist.
EWALD.
Nun gehen Sie auch!
RIEGELSAM.
Ich? Was fällt Ihnen ein? Ich bleibe hier, bis das Geld ankömmt.
EWALD.
Welch eine Eigenmächtigkeit! Ich muß fort, das Geld zu holen. Ich habe Eile.
SIMPLIZIUS.
Freilich, bei uns gehts auf der Post.Für sich. Wir fahren ja ab.
RIEGELSAM.

Das können Sie machen, wie Sie wollen. Setzt sich in einen Stuhl. Mich bringt einmal niemand aus diesem Zimmer fort. Ich muß meine Möbel bewachen. Kein Stück darf mir davon wegkommen. Tausend Element!

EWALD
zu Simplizius heimlich.
Das ist eine schöne Geschichte. Was tun wir jetzt?
SIMPLIZIUS.

So lassen Sie ihn sitzen, wir nehmen unsre Fackel, gehen hinaus, sperren ihm ein. Und er soll seine Möbel bewachen.

EWALD.

Ein delikater Einfall. Er nimmt die Fackel von der Kulisse. Nun wohl, bleiben Sie hier und haften Sie mir für alles.

SIMPLIZIUS.
Und geben Sie acht, daß Ihnen nichts wegkommt, sonst müssen Sies zahlen.

Ewald und Simplizius gehen schnell hinaus und sperren die Tür zu. Wie die Fackel aus dem Zimmer ist, verwandelt sich die Dekoration im Nu in die arme Stube.
RIEGELSAM
springt auf und sagt im höchsten Erstaunen.

Blitz und Donner, was ist das für eine Bescherung? Bin ich in eine Zauberhöhle geraten? Wo sind die Möbel hingekommen? [444] Die schöne Uhr, die herrliche Gemälde, alles ist fort, Fetzen sind da. Zerreißt die Kleider. Nichts als Fetzen sind da, und die Lumpen sind fort. Ha! Ich muß ihnen nach. Die Tür ist verriegelt, ich kann nicht hinaus. Ich ersticke vor Wut. Meine fünfhundert Taler! Sinkt in den Stuhl.

SIMPLIZIUS
sieht zu dem kleinen Fenster herein.
Freund, die sind verloren.
RIEGELSAM.
O du Hexenmeister, wirst du hereinkommen! Schaff mir meine Möbel her.
SIMPLIZIUS.
Wollen Sie s' nochmal sehen? Da sind sie.

Er hält die Fackel zum Fenster herein. Das Zimmer wird wie vorher.
RIEGELSAM
stürzt mit ausgebreiteten Armen darauf hin.
Halt! Jetzt laß ich sie nicht mehr aus.

Simplizius zieht die Fackel zurück, schnelle Verwandlung. Riegelsam fährt betroffen zurück.
SIMPLIZIUS.
Halten Sie s' fest. So rächt sich Simplizius, der Verschuldete!
RIEGELSAM
fährt wütend auf das Fenster, welches Simplizius ihm vor der Nase zuschlägt.

Spitzbubengesind, Räuber, Mörder, Diebe! Schlägt die Fensterscheiben ein. Ich zerplatze vor Zorn. Ich muß ihnen nach. Er will zum Fenster hinaus und bleibt stecken. Ich kann nicht durch, ich bin zu dick, ich erstick. Was seh ich – o höllische Zauberei! sie fliegen auf einer Wolke davon. Die prächtigen Kleider! der Schneider strotzt von Silber, wenn ich ihms nur herabreißen könnt! Meine fünfhundert Taler! Ich werd unsinnig, ich spreng mich in die Luft. Nein, ich sprenge die Tür ein. Tut es. Hülfe, Hülfe! Räuber, Diebe, Wache!


Ab.
11. Auftritt
[445] Elfter Auftritt
Verwandlung.
Großer Platz in Massana im griechischen Stil erbaut. Seitwärts der königliche Palast. Stufen führen aufwärts, auf welchen der Griechische Tod, ein bleicher Jüngling mit der umgekehrten, ausgelöschten Fackel, geschlossenen Augen und mit gesenktem Haupte sitzt. Viele Personen in Trauer, viele nicht, gehen händeringend über die Straße.

Kurzer Chor.

Jammer, sag, wann wirst du scheiden

Von Massanas Unglücksflur?

Große Götter, hemmt die Leiden,

Eure Macht vermag es nur.


Gehen trauervoll ab.
Lucina kömmt und betrachtet mit Wehmut den Palast. Die ganze Szene muß von beiden Seiten langsam und feierlich gesprochen werden.

LUCINA.
Mich erfaßt ein widrig Schauern,
Blick ich auf dies Trauerschloß.
Schon seh ich den Jüngling lauern.
Armer Fürst, dein Leid ist groß.

Mit erhobener Stimme.

Du, des Todes Genius,
Magst durch Antwort mich beglücken,
Wirst du heut den eisgen Kuß
Auf Massanas Lippen drücken?
GENIUS DES TODES
hebt sein Haupt, stets bleibt die Fackel gesenkt, er spricht kalt und ernst im tiefen Tone.
Wenn die Nacht den Tag verjagt,
So heischts Hades' Rachesinn,
Hat Massana ausgeklagt –

Kurze Pause

Rauscht das Meer darüber hin.
LUCINA.
Und wie wird der König enden?
Wirst du freundlich ihn umfahn?
[446]
GENIUS.
Hades kann nur Schrecken senden
Düster wird sein Ende nahn.
LUCINA.
Wehmut seufzt aus deiner Kunde,
Und doch frommt sie meinem Plan.
Mich beglückt die Unglücksstunde,
Wenn ich dich erweichen kann.
Schenk das Leben mir von zweien,
Die nicht Hades' Fluch getroffen,
Die nicht an die Zahl sich reihen,
Die Erbarmen nicht zu hoffen.
GENIUS.
Nimm das Leben hin von zweien.

Lächelnd.

Du entziehst mirs dennoch nicht.
LUCINA.
Möchtest du mir noch verleihen,
Daß Heraklius' Auge bricht,
Eh des Landes Festen beben?
GENIUS.
Eh den Turm noch küßt die Well,
Lischt des kranken Königs Leben.
LUCINA.
Doch Massana muß dann schnell,
Eh die Zeit Sekunden raubt,
In dem Augenblick versinken,
Wo auf einem fremden Haupt
Wird des Königs Krone blinken.
GENIUS
läßt das Haupt sinken und sagt dumpf und langsam.
Wird versinken –

Pause, dann noch mit gesenktem Haupte.

Laß mich lauschen.
LUCINA.
Ist dein Aug zum Schlaf erlahmt?
GEJAMMER
in der Szene von mehreren Stimmen.
Hülf! Er stirbt.
[447]
GENIUS.
Hörst dus rauschen?

Hebt das Haupt.

Dorthin ruft mein eisern Amt.

Er steht auf, sein Haupt ist etwas gebeugt. Die rechte Hand streckt er gegen den Ort aus, wo der Schall hertönt, als zeigte er hin. Die linke hängt, die umgestürzte Fackel haltend, gerade herab. So eilt er gemessenen Schrittes in die Kulisse, doch auf die entgegengesetzte Seite des Palastes.
LUCINA
blickt gegen Himmel.
Götter, die Ihr gnädig waltet
Und doch unbegreiflich schaltet!

Geht langsam auf die entgegengesetzte Seite ab.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Thestius, Epaminondas, mehrere Einwohner von Massana kommen von der Seite, wo der Genius abgeschritten ist.

THESTIUS.
Ist aus mit ihm, ist stumm, die Götter haben seinen Mund geschlossen.
EPAMINONDAS.

Ein sonst so sanftes Roß und schleudert ihn herab, daß von dem Fall die Erde donnert. Die Weiber weinen. So heult doch nicht. Seid ihrs nicht schon gewohnt? Seit sieben vollen Jahren hat Unglück hier im Lande sich gelagert und über diese Stadt sein schwarzes Zelt gespannt. Ich bin schon stumpf gemacht, mich kanns nicht rühren mehr, wenn meines Nachbars Dach auf seinen Schädel stürzt. Nur Weiber können sich an so was nicht gewöhnen.

THESTIUS.

O Hades, ungerechter Fürst der Unterwelt, der du aus Rache, weil Massana nicht den König hat gewählt, den du durch deine unterirdischen Orakel ihm bestimmen ließest, das arme Reich mit Übel aller Art verfolgst! So daß wir wie auf nie betretnem Eisgeklüft nicht einen Schritt auf breiter Straße tun, wo nicht Gefahr des Lebens mit verbunden ist.

EPAMINONDAS.
Seht! was läuft das Volk zusammen? Zwei Fremde bringen sie.
THESTIUS.
Die sind so selten jetzt im Land, als ob sich Kometen zeigten. Hippomedon führt sie.
13. Auftritt
[448] Dreizehnter Auftritt
Vorige. Ewald, Simplizius, beide im ägyptischen Kostüm. Hippomedon. Volk.

HIPPOMEDON.

Endlich haben wir wieder das Glück, zwei Fremdlinge in unsrer Stadt zu sehen. Staunt! aus Ägypten kommen die Leute gar, um bei uns Verachtung des Lebens zu lernen.

EWALD.
Sei gegrüßt, Volk von Massana, ich habe Wichtiges in deinem Reiche zu verhandeln.
SIMPLIZIUS.
Zu verhandeln, sagt er. Auf die Letzt halten s' uns für Juden.
THESTIUS.
Seid uns gegrüßt. Wir bedauern euch.
SIMPLIZIUS
macht große Augen.
Der bedauert uns.
THESTIUS.
Euch haben böse Sterne in dies Land geleitet.
SIMPLIZIUS.
Ah warum nicht gar, wir sind ja beim hellichten Tag ankommen.
EWALD
nimmt ihn auf die Seite.
Sei nicht so gemein. Tu vornehm, sei klug, bescheiden, und drücke dich in bessern Worten aus.
SIMPLIZIUS.
Das müssen Sie mir schriftlich geben. Denn so kann ich mir das nicht merken.
EWALD.

Glaubt nicht, daß ich der Pyramiden geheimnisvollen Aufenthalt umsonst verließ, ihr werdet die Gestirne hoch verehren, die nach Massana mir geleuchtet. Denn fromme Götter haben mich zu euch gesendet.

THESTIUS.

So preisen deine Sendung wir. Dein Aug ist sanft und edel deine Haltung, dein Antlitz flößt Vertrauen ein, und deine kühn gewölbte Stirn mag wohl ein Thron der höchsten Weisheit sein.

SIMPLIZIUS.

Nein, was an dem alles bemerken, das war mir nicht im Schlaf eingfallen. Einen Thron hat er auf der Stirn, und da sitzt die Weisheit drauf.Macht die Pantomime des Niedersitzens. Jetzt, was werden s' erst auf meiner Stirn alles sitzen sehen!

THESTIUS.

Willst du mein Unglückshaus zur Wohnung dir erwählen, so folge meinem scheuen Tritt, doch laß die [449] Vorsicht emsig prüfen deinen Pfad und Besorgnis über deine Schulter schaun.


Er verbeugt sich tief.
EWALD.

Mein Dank grüßt deines Hauses Schwelle. Mit frohem Hoffnungsgrün wird dir der Gast die Hallen schmücken. Simplizius folge bald.


Geht mit Anstand ab. Thestius folgt.
SIMPLIZIUS
sieht ihm erstaunt nach.

Ich empfehl mich Ihnen. Ah, was die Weisheit für eine langweilige Sach ist, das hätt ich mein Leben nicht gedacht. Ich will einmal lustig sein. Zu Epaminon das. Tut nobel. Sagen Sie mir, mein edelster Massanier, was gibt es denn für Spaziergänge hier?

EPAMINONDAS.
Der betretenste Weg führt ins Elend.
SIMPLIZIUS.
So? Das muß eine schöne Promenade sein.
HIPPOMEDON.
Du wirst sie schon noch sehen.
SIMPLIZIUS.
Ich freu mich schon darauf. Haben Sie auch ein Theater?
EPAMINONDAS.
O ja. Seufzend. Massana heißt der Schauplatz.
SIMPLIZIUS.
Was wird denn da aufgeführt?
HIPPOMEDON.
Ein großes Trauerspiel.
SIMPLIZIUS.
Von wem?
EPAMINONDAS.
Ein Werk des Orkus ists.
SIMPLIZIUS.
Den Dichter kenn ich nicht. Muß ein Ausländer sein.
HIPPOMEDON.
Es währt schon sieben Jahre.
SIMPLIZIUS.

O Spektakel! Da muß einer ja drei-, viermal auf die Welt kommen, bis er so ein Stück sehen kann. Wer spielt denn mit?

EPAMINONDAS.
Das ganze Volk.
SIMPLIZIUS.
Also ein Volkstheater. Und wer schaut denn zu?
EPAMINONDAS.
Die Hölle.
SIMPLIZIUS.

Da muß ja eine Hitz im Theater sein, die nicht zum Aushalten ist. Überhaupt scheinen die Leut hier nicht ausgelassen lustig zu sein. Warum weinen denn die Frauen da?

EINE FRAU.
Wir beweinen euer Schicksal.
SIMPLIZIUS.

Unser Schicksal? Was haben denn wir für ein [450] Schicksal? Man trägt eine mit grünem Tuch bedeckte Trag schnell über das Theater. Wen tragen s' denn da?

HIPPOMEDON.
's ist nur einer, den ein Roß erschlagen hat.
SIMPLIZIUS.

Erschlagen hats ihn nur? oh, da reißt er sich schon noch heraus. Hier ist eine gesunde Luft. Wer wohnt denn in dem großen Haus?

HIPPOMEDON.
Das steht leider leer. Die Leute sind alle herausgestorben.
SIMPLIZIUS.
Warum nicht gar? Was hat ihnen denn gfehlt?
EPAMINONDAS.
Nu, es ist eine eigene Krankheit, es ist nicht gerade ein gelbes Fieber.
SIMPLIZIUS.

Nun, wenn es nur eine Farbe hat, ich bin mit allen zufrieden. Eine ebensolche Trag von der entgegengesetzten Seite schnell über das Theater. Sie, da tragen s' ja schon wieder einen?

EPAMINONDAS.
Das geht den ganzen Morgen so, heut ist ein gefährlicher Tag. Ihr dürft euch in acht nehmen.
SIMPLIZIUS.
In acht nehmen? Ja haben Sie denn etwa die Pest?
EPAMINONDAS.
Nu, jetzt nicht mehr so sehr.
SIMPLIZIUS.

Nicht mehr so sehr? Hören Sie auf, mir wird völlig Angst. – Ich bitt Sie, mein lieber – wie heißen Sie?

EPAMINONDAS.
Epaminondas.
SIMPLIZIUS.

Epaminondas? Das ist auch ein so ein gefährlicher Nam. Also mein lieber Epaminondas, haben Sie die Güte und führen Sie mich wohin. Daß ich eine Ausheiterung hab, denn ich bin sehr miserabel.

EPAMINONDAS.
Ich will dich an einen Ort führen, wo du vielleicht Bekannte findest.
SIMPLIZIUS.
Ah, das war prächtig. Wohin denn?
EPAMINONDAS.
Auf den Fremdenkirchhof.
SIMPLIZIUS.
Wohin?
EPAMINONDAS.

Auf den Fremdenkirchhof. Da liegen alle Fremden begraben, die seit sieben Jahren in unsere Stadt gekommen sind.

SIMPLIZIUS.
Alle? ohne Ausnahm?
EPAMINONDAS.
Ja ja, alle. Du kannst dir gleich dort einen Platz bestellen.
[451]
SIMPLIZIUS.

Einen Platz soll ich mir bestellen? Wie auf einen Gesellschaftswagen? Sie wahnsinniger Mensch! was fällt Ihnen denn ein? Was ist denn das für ein Land? Das ist ja eine wahre Marderfallen, wo man nicht mehr hinauskann. Und das erzählen Sie einen noch, Sie abscheul – Wie heißen S'? Ich hab Ihnen schon wieder vergessen.

EPAMINONDAS
wild.
Epaminondas.
SIMPLIZIUS.

Der Nam bringt einem allein schon um. So widerrufen Sie doch, Epaminondas, wenn Sie nicht wollen, daß mich die Angst verzehrt.

14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Vorige. Sillius eilig.

SILLIUS.
Helft! Helft! Es steht ein Haus in Flammen.
ALLES
läuft ab.
Hülfe, rettet, fort!
EPAMINONDAS
lacht.

Haha, die Toren löschen dort und jammern sich bei fremdem Unglück krank. Da lach ich nur. Ich bin ein Stoiker, wer raubt mein Glück?

15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt
Vorige. Argos eiligst.

ARGOS.
Du sollst nach Hause kehren, Epaminond. Dein Sohn ist tot.
EPAMINONDAS
die Hände jammernd ringend.
Mein Sohn, mein Sohn, o unglückseiger Tag! das überleb ich nicht. Stürtzt mit Argos ab.
SIMPLIZIUS
allein, zittert am ganzen Leib.

Schrecklich, schrecklich, stirbt schon wieder eine Familie aus. Der Stoiker ist gstraft für seinen Übermut. Mich fangt eine Ohnmacht ab. Setzt sich auf die Stufen des Palasts. Wo werden s' da Hofmannische Tropfen haben? Hülfe! Ohnmacht! Hülfe!


Ein Diener des Thestius aus dem Hause.
DIENER.
Du möchtest hinaufkommen, Fremdling, dich zu laben.
SIMPLIZIUS
matt.
Laben? Das ist die höchste Zeit, daß sie mich laben. Ich komm schon, nur voraus.
[452]
DIENER.

Doch nimm dich wohl in acht. Die Treppe ist sehr steil, es haben sich drei Hausgenossen schon das Bein gebrochen.

SIMPLIZIUS
in höchster Angst.

Um Himmels willen! das nimmt ja gar kein End. Die Knie schnappen ihm zusammen. Ich trau mich gar nicht aufzutreten mehr. Führts mich hinein. Der Diener führt ihn unter dem Arm. Er spricht unter dem Abgehen. O schlechtes Volk! Einen Fremdenkirchhof haben s', das gelbe Fieber, etwas Pest, Epaminondas. – Ein Beinbruch auch! O Angst, wann ich hier stirb, mein Leben sehn s' mich nimmermehr.Schleppt sich ab, von dem Diener geführt.

16. Auftritt
Sechzehnter Auftritt
Verwandlung.
Kurzes Gemach in Thestius' Hause mit zwei Seitentüren. Thestius. Ewald.

THESTIUS.

Du bist gemeldet bei dem König, weiser Fremdling, als unsres Landes wunderbarer Retter. Seit frühem Morgen sind schon die Minister all um ihn versammelt. An unheilbarem Übel liegt der Herrliche darnieder, und wie der Mensch durch höhern Schmerz den minderen nicht fühlt, so klagt das Volk, mit edler Lieb, bei seines Königs hohem Leid, vergessend eignes Mißgeschick.

EWALD.
Oh, wie entzückend ist es, so geliebt zu sein.
THESTIUS.

So liebt der König auch sein treubewährtes Volk, und gleichen Sieg erringt sein edles Herz. Wie glücklich war dies Land, wenn nicht der unbarmherzge Fürst der unterirdschen Schatten –

17. Auftritt
Siebzehnter Auftritt
Vorige. Der Minister Harmodius eilig und bestürtzt.

HARMODIUS.
Wo ist der Weise aus Ägyptens Zauberlande, der Rettung bietet dem bestürzten Volk?
THESTIUS.
Du siehst ihn hier voll sanfter Würde stehen.
HARMODIUS.

Beweisen magst du nun, daß gute Götter dich mit wunderbarer Zauberkraft begabt. Du mußt zum [453] König schnell, es will sein Geist Elysium erkämpfen, doch sendet Hades schauervolle Bilder, mit Schreckensnacht sein Auge zu umgarnen, und Furien, furchbar anzuschauen, mit Schlangen reich umwunden, auf faulen Dünsten schwebend, durchrauschen das Gemach. Nun sprich, kannst du des Orkus Nacht durch Eos Strahl erhellen?

EWALD.
Ich kann es nicht, den Göttern ist es möglich, und was ich bin, ich bin es nur durch sie.
HARMODIUS.
So eil mit mir, es ist die höchste Zeit.
EWALD
umarmt Thestius mit Rührung.

Mein Thestius, leb wohl, Osiris möge dich für deine Güte lohnen. Für sich mit Schmerz. Massana sinkt! – Ich seh ihn nimmermehr. Nun komm, geleite mich, mir winkt ein großer Augenblick.


Beide zur Seite ab.
THESTIUS.
Kehr bald zurück, mein Herz erwartet dich.

Zur entgegengesetzten Seite ab.
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Simplizius. Arete.

ARETE.
Ach du armer Mensch! Komm doch herein. Warum willst du denn keine Speise nehmen?
SIMPLIZIUS.

Ich bin überflüssig satt, mir liegt das ganze Land im Magen, drum bring ich nichts hinein. Ich verhungere noch vor Angst.

ARETE.
Pfui, schäm dich doch! bist du ein Mann?
SIMPLIZIUS.
Ich weiß selbst nicht mehr, was ich bin. Vermutlich.
ARETE.

Betrachte mich, ich bin ein Mädchen. Wir haben zwar große Ursache, uns zu fürchten. Man hat heute Nacht Erdstöße verspürt, daß die Stadtmauern erzittert haben.

SIMPLIZIUS.
Jetzt wenn die Stadtmauern schon zum zittern anfangen, was soll denn unsereiner tun?
ARETE.
Warum bist du denn aber eigentlich nach Massana gekommen?
[454]
SIMPLIZIUS
zitternd.
Weil ich das Land erretten muß.
ARETE.
Du? Ach ihr guten Götter! Wenn du dich nur nicht vorher zu Tode zitterst?
SIMPLIZIUS.
Glaubst? das war sehr fatal.
ARETE.
Armer Narr, du dauerst mich.
SIMPLIZIUS.

Ich dank ergebenst. Das Mädel war so hübsch. Wenn mir nur nicht die Knie zusammschnappeten! Ich fanget aus lauter Angst eine Amour an.

ARETE.
Warum blickst du mich so forschend an? Was wünschest du?
SIMPLIZIUS
für sich.

Wann sie nur in der Geschwindigkeit eine Leidenschaft zu mir fasset, so könnten wir heut Vormittag noch durchgehen und kam ich doch auf gute Art aus dem verdammten Land. Sag mir, liebes Kind, was fühlst du eigentlich für mich?

ARETE.
Mitleid. Inniges Mitleid.
SIMPLIZIUS.
Inniges Mitleid? Aha! Sie ist nicht ohne Antipathie für mich. Könntest du dich wohl entschließen –
ARETE.
Wozu?
SIMPLIZIUS.
Die Meinige zu werden.
ARETE.
Arete die Deinige?
SIMPLIZIUS.
Ja! Arete, du hast mein Herz arretiert.
ARETE
sehr stolz.
Wer bist du, der du es wagst, um die Hand einer edlen Massanierin anzuhalten?
SIMPLIZIUS
beiseite.
Soll ich ihr meinen Stand entdecken?
Nein. Ein mystisches Dunkel muß darüber walten.

Laut

Ich bin nicht, was ich scheine, und scheine auch nicht, was ich bin,
Und wenn ich das wäre, was ich sein möchte,
So würd ich nicht scheinen, was ich nicht bin.
ARETE.
Ich verstehe dich.
SIMPLIZIUS.
Da ghört ein Geist dazu. Ich versteh mich selber nicht.
ARETE.
Du möchtest gern scheinen, was du nicht bist.
Und bist doch so sehr, was du auch scheinst.
[455]
SIMPLIZIUS.
Hals schon erraten, es ist unglaubbar. Sag mir, Mädchen, hättest du wohl den Mut, mich zu entführen?
ARETE.
Dich?
SIMPLIZIUS.
Oder umgekehrt.
ARETE.
Das heißt: ich soll mit dir mein Vaterland verlassen. Ich verstehe dich wohl.
SIMPLIZIUS.
Hat mich schon wieder verstanden.
ARETE.

Damit du mich aber auch verstehest, so will ich dir sagen, wofür ich dich halte: Du bist ein unverschämter, erbärmlicher Mensch, der es wagt, seine vor Todesfurcht bebenden Lippen zu einer Liebeserklärung zu öffnen und einem edlen Mädchen von Massana seine krüppelhafte Gestalt anzutragen. Entferne dich! Mit dir zu reden ist Verbrechen an der Zeit. Und wenn du künftig wieder ein Mädchenherz erobern willst, so stähle das deinige erst mit Mut. Mutige Männer werden geliebt. Mutlose verachtet man.

SIMPLIZIUS.

Da ghört ein Stoiker dazu, um das zu ertragen. Leb wohl, du wirst zu spät erfahren, wen du beleidigt hast. Ha! jetzt kann Massana fallen, ich hebs gewiß nicht auf.

ARETE.
Halt, weile noch, erkläre dich, damit ich erfahre, wessen Antrag mich entwürdigt hat.

Duett.
ARETE.
Wer bist du wohl, schnell sag es an.
SIMPLIZIUS.
Ich habs schon gsagt, ich bin ein Mann.
ARETE.
Ein Mann bist du, doch was für einer?
SIMPLIZIUS.
Ein beßrer bin ich doch als keiner.
ARETE.
Wie heißest du, bist du vom Adel?
SIMPLIZIUS.
Ich heiß Simplizius Zitternadel.
[456]
ARETE.
Der Name klingt mir sehr gemein.
SIMPLIZIUS.
Es kann nicht alles nobel sein.
ARETE.
Wie kannst du solchen Unsinn sagen?
SIMPLIZIUS.
Das wollt ich dich soeben fragen.
ARETE.
Dein Äußres ist mir schon zuwider.
SIMPLIZIUS.
Das schlagt mein Innres sehr darnieder.
ARETE.
So häßlich ist kein Mann hienieden.
SIMPLIZIUS.
Die Gusto sind zum Glück verschieden.
ARETE.
Wie abgeschmackt der Schnitt der Kleider!
SIMPLIZIUS
aufbrausend.
Das ist nicht wahr, ich bin –

Faßt sich und singt gelassen.

Nur weiter.
ARETE.
Nun hättest du dich bald verraten.
SIMPLIZIUS.
Ja meiner Seel, jetzt hats mir graten.
ARETE.
Du mußt mir sagen, wer du bist.
SIMPLIZIUS.
Ich bin ein Held, wies keiner ist.
ARETE
spöttisch.
Dein Mut ist in der Schlacht wohl groß?
SIMPLIZIUS.
Ich stech oft ganze Tag drauf los.
ARETE.
Umsonst verschlingst du schlau den Faden.
SIMPLIZIUS.
Mir scheint, die Feine riecht den Braten.
[457]
ARETE.
Mein Argwohn läßt sich nicht mehr trennen.
SIMPLIZIUS.
Jetzt braucht s' nur noch die Scher zu nennen.
ARETE.
Du bist kein Prinz, gesteh es mir!
SIMPLIZIUS
zornig.
Ich bin ein Kleideringenier.
ARETE.
Ha!

Beide zugleich.
ARETE.
Ihr Götter, was hör ich, mein Auge wird trübe.
Ein solcher Plebejer spricht zu mir von Liebe.
Welch eine Glut
Brennet im Blut,
Wütender Schmerz
Flammet im Herz.
Schnell flieh ich von hinnen, verberge mich scheu.
O folternde Hölle, beschämende Reu!
SIMPLIZIUS.
Was soll ich es leugnen, es ist keine Schand,
Denn Achtung verdienet mein nützlicher Stand.
Ich sag es grad,
Ich ghör zur Lad,
Und meine Scher
Schwing ich mit Ehr.
Ich schreis in die Welt hinaus, 's ist meine Pflicht.
Ich bin ja kein Pfuscher, drum schäm ich mich nicht.

Beide ab.
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt
Verwandlung.
Königliches Gemach. Der Hintergrund hat einen großen offnen Bogen, hinter ihm hängt, eine Kulisse weit entfernt, eine Hinterwand Mit dunklen Wolken, durch welche man wie im Nebel eine riesige, bronzeartige geflügelte Furiengestalt, mit leuchtenden Augen, lauernd ruhen sieht. Das [458] Ganze ist auf die Rückwand gemalt und durch bläulichten Schein magisch erleuchtet. Larven grinzen hie und da aus den sie umgebenden Wolken hervor. Zwischen dieser Wand und der Öffnung des Bogens sieht man vier dunkle Schatten bei einem offnen Grabe (große Versenkung) beschäftigt, aus welchem ein erst darein versenkter vergoldeter Sarg noch etwas hervorsteht. Das Ganze bildet ein imposantes Tableau. Das Gemach ist dunkel. Der Donner rollt.
In einem goldnen Armstuhl ruht Heraklius, um ihn trauernd die Grossen Des Reiches und Diener Des Tempels. Neben ihm auf einem Marmortisch die Krone. An der Kulisse dem Armstuhl des Königs gegenüber ein auf drei Stufen erhabener einfacher Sitz. Ewald. Harmodius.

Kurzer Chor der Furien.

Wo der Frevler mag auch weilen,

Trifft ihn doch des Orkus Rache,

Und ihr Dolch wird ihn ereilen

Selbst im goldnen Prunkgemache.

HERAKLIUS
in matter Unruhe.
Hinweg, hinweg, du scheußlicher Vampir,
Der frommes Hoffen aus der Seele saugt!
HARMODIUS
zu Ewald.
Du siehst des guten Königs Leiden hier,
Ein Bild, das nicht für menschlich Auge taugt.
HERAKLIUS.
Wer störet meine Pein?
HARMODIUS.
Dein Retter, Herr!
HERAKLIUS.
Umsonst, umsonst, wer bringt die Höll zum weichen?
O Qual! Wenn ich doch nicht geboren wär!
EWALD.
Ich kann, mein Fürst, den Anblick dir verscheuchen.
HERAKLIUS.
Wenn dus vermagst, ein Fürstentum zum Lohne.
EWALD.
So hoch schwebt auch der Preis, den ich bestimm.
Ich fordre viel – Ich fordre deine Krone.
[459]
HERAKLIUS.
Sie war mein Stolz! – vorbei –! verscheuch –! nimm! nimm!
EWALD
zu den Edlen.
Ihr habts gehört, seid ihr damit zufrieden?
ALLE
dumpf und halblaut.
Wenn dich der König wählt, wählt dich das Reich.
EWALD.
So will ich über dieses Schauertum gebieten.
Bei Isis Donner, Truggewölk, entfleuch!

Donnerschlag. Er schwingt die Fackel. Die Hinterwand entweicht. Grab und Schatten verschwinden. Ein tiefes Wolkentheater zeigt sich. Es stellt ein praktikables Wolkengebirge vor. Oben quer vor der Hinterkurtine eine goldne Mauer und ein goldnes Tor. Hinter diesem strahlet, auf der Kurtine gemalt, heller Sonnenglanz, der sich im Blau des Himmels verliert, das mit transparenten Sternen besäet ist. Am Fuße dieses Gebirges beim Aufgange sitzt auf einem Piedestal Thanatos wie in der früheren Szene, doch mit der brennenden Fackel. Sphärenmusik ertönt. Heraklius' Gestalt wird von Genien mit Rosenketten über den Wolkenberg geleitet, bis zu dem goldnen Tor. Dort sinkt sie nieder. Die Musik währt sehr leise fort.
HERAKLIUS.
O süßer Seelentrank aus himmlischem Gefäß!
O Lust, gefühlt durch neu erschaffnen Sinn!
Wenn ich auch tausend Kronen noch besaß,
Ich gab sie gern für diesen Anblick hin.
Oh, krönt ihn noch an meinem Sterbebette.
Er wird mein fluchzerrüttet Land beglücken.

Nun öffnet sich das goldne Tor, eine glänzende Göttergestalt tritt heraus.

Mir ist so leicht, es schmilzt die irdsche Kette,
Mein Geist entflieht, o un – nennbar – Entzücken!

Thanatos stürzt mildlächelnd die Fackel um, die verlischt, zugleich drückt die Göttergestalt den König feierlich an die Brust. Sein Kleid verschwindet, und er steht im weißen Schleiergewande dar, welches rosig bestrahlt wird. Genien bilden eine Gruppe.
Heraklius' Haupt sinkt sanft auf seinen Busen, Ewald löscht die Fackel aus, und der das Gemach schließende Vorhang rauscht langsam und leise herab. Die Musik ist verhallt. Feierliche Pause. Rührung in jeder Miene.
[460]
HARMODIUS.
Es ist vorbei – er mußte von uns scheiden.
Ein königliches End, durch Ruhm verklärt.
Wer so beglückt vergeht, ist zu beneiden.
Beim Zeus, so ist der Tod ein Leben wert.

Man bedecket Heraklius mit einem seidnen Mantel.

Nun laßt sein letzt Gebot uns schnell benützen.
Denn ohne König kann das Land nicht sein.

Adrasto, erster Diener des Tempels, nimmt die Krone und stellt sich vor Ewald.
ADRASTO.
Wie Götter dich, so wirst du uns beschützen.
Drum nimm den Platz auf jenen Stufen ein.

Ewald besteigt die Stufen, auf welchen der einfache Sitz angebracht ist.
EWALD
für sich.
Es bebt mein Herz, mich fasset Todesschrecken –

Er kniet nieder.
ALLE.
Wir huldgen dir als Herrscher ehrfurchtsvoll.

Knien.
ADRASTO.
So mag die Kron dein weises Haupt bedecken,
Sei König! Herrsch! –

Bei dem letzten Wort hat er ihm die Krone aufs Haupt gesetzt, doch ohne die geringste Pause stürzt
unter schrecklichem Gekrache der Saal zusammen. Der Bogen und die Kulissen bilden Berge von Schutt, welche die Spielenden dem Auge des Publikums entziehen. Im Hintergrunde zeigt sich das Meer, das zwischen die Schuttberge des Saales hereindringt und aus dem in der Ferne die versunkenen Türme von Massana hervorragen. Die Stufen, wo Ewald gekniet, ein Flugwagen, verwandeln sich in Wolken, worauf er bis in die Mitte des Theaters schwebt und wehmütig ausruft

Massana, lebe wohl!

Er schwingt seine Fackel, um den traurigen Anblick zu verschönern, und fahrt fort. Die aus dem Meer hervorragenden Trümmer und der Schutt des Saales verwandeln sich in zarte Rosenhügel, die Luft wird rein, und das Ganze erstrahlt im lieblichsten Rosalichte.
Der Vorhang fällt langsam.
Ende des ersten Aufzuges.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
In Agrigent. Ein anderer Teil des Waldes am roten See, welcher praktikabel ist.
Antrokles, Clitonius, mehrere Jäger treten mit Wurfspießen bewaffnet auf.

Jagdchor.

Jägerslust müßt bald erschlaffen,

Gält die Jagd nur feigen Affen.

Doch wenn durch der Wälder Stille

Mächtig tönt des Leus Gebrülle,

Hier die grausame Hyäne

Fletscht die mörderischen Zähne,

Dort, eh man den Wurfspieß schwingt,

Aus dem Busch der Tiger springt:

Dann beginnt des Waldes Krieg.

Falle, Jäger! oder sieg!

ANTROKLES
zu den Jägern.

Verteilt euch, wie ihr wollt. Der König jagt allein. Ihr mögt euch hüten, seinem Feuerblick zu nahen, der zornigflammend durch des Forstes Dunkel blitzet.


Alle ab bis auf Clitonius und Antrokles.
ANTROKLES.
O mein Clitonius, was mußten wir erleben! Die hohen Götter sind aus Agrigent gewichen.
CLITONIUS.

Wo mag wohl unser edle König weilen, den seines Hauses Laren treu gerettet haben? Könnt er doch sehn, wie sich sein armes Volk betrübt.

ANTROKLES.

Wer freut sich nun in Agrigent? Der Wahnsinn lacht allein. Gesundes Hirn muß trauern. Ist doch Phalarius selbst, seitdem die Höllenkron auf seinem Haupte brennt, als hätt des Unmuts Dolch sein falsches Herz durchbohrt. Weißt du, warum die Jagd nun tobt? Aspasia ist nicht mehr.

CLITONIUS.
Aspasia? die Schwester unsres teuern Königs Kreon? die herrliche Prinzeß Aspasia?
[462]
ANTROKLES.

Sie wars allein, der Phalarius an dem verhängnisvollen Tag des schauerlichen Überfalls das Leben ließ. Weil er als Feldherr schon für sie in sündge Lieb entbrannt. Seit er das Reich besitzt, bestürmt er sie mit Bitten und mit Drohungen, sie möchte ihre Hand ihm reichen, er wolle ihr dafür drei Königreiche bieten. Doch wie sie ihn und seine Kron erblickt, da sinkt sie zitternd vor ihm nieder und krümmt den edlen Leib zu dieses Wütrichs Füßen, beschwört mit Tränen ihn, von ihr zu lassen, es gab für seine Kron auf Erden keine Liebe. Doch er reißt sie mit Ungestüm an seine Eberbrust und will dem keuschen Mund den ersten Kuß entreißen, da wandeln sich der Lippen glühende Korallen in bleiche Perlen um, des Auges Glanz erstirbt, des Todes Schauer fassen ihre Glieder, die Angst, daß sie der Kron so nah, bricht ihr das Herz, kalt und entseelt hält sie Phalarius, vor Schreck erbleichend, in den Armen.

CLITONIUS.
Entsetzlich Glück, sich so gekrönt zu wissen.
ANTROKLES.

Da faßt ihn eine Wut, er tobt, daß des Gemaches Säulen beben. Zur Jagd, ruft er, hetzt mir des Waldes Tiger all auf mich. Die Erd wühlt auf, daß Ungeheuer ihr entkriechen, die sich noch nie ans Sonnenlicht gewagt, gebt Nahrung meinem Pfeil, damit mein Haß umarmen kann, weil Lieb mein Herz so unbarmherzig flieht. So stürzt er fort, zur Jagd, und zitternd beugt vor ihm der schwarze Forst sein sonst so drohend Haupt.

CLITONIUS.
Da wird uns wohl der Morgenstrahl im Wald begrüßen?
ANTROKLES.

Der Abend kaum. Denn eh der Mond sich noch auf des Palastes Zinnen spiegelt, verbirgt er sich in ein Gemach, aus Marmor fest gewölbt, ganz öffnungslos, damit kein Strahl des Mondes kann sein Haupt erreichen. Weil seine Kron, so sagt Dianens weiser Diener, die Kraft verliert, so lang des Mondes Licht auf ihren Zacken ruht. Und weil in dieser Zeit sein Leben nicht gesichert ist, verriegelt er voll Angst die Tür aus festem Ebenholz. Doch [463] ohne Mondenglanz kann nie ein Pfeil ihn töten. Und kraftlos sinken sie zu seinen Füßen nieder.

CLITONIUS.
Sprich nicht so laut, es rauscht dort im Gebüsch.
ANTROKLES
schwingt den Wurfspieß.
Ein Tiger ists.
CLITONIUS.

Du irrst – und irrst doch nicht, es ist Phalarius. Dich täuscht sein Pantherfell. Weh uns! Wir sind verloren, wenn er uns gehört.

ANTROKLES.

Schweig still! Er raset dort hinüber, dem Löwen nach, der ängstlich vor ihm flüchtet. Komm, laß uns auch vor diesem Königstiger fliehn, wenn Löwen weichen, dürfen Menschen sich der Flucht nicht schämen.


Beide ängstlich ab.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Musik. Lulu und Fanfu, geflügelte Genien, bringen Simplizius in einem großen Schal, welchen sie an beiden Zipfeln halten, als trügen sie etwas in einem Tuche, durch die Luft. Sie stehn auf Wolken, und der Schal ist ein Flugwagen und so gemalt, daß Simplizius gekrümmt wie ein Kind darin liegt und kaum sichtbar ist. Sie sinken auf die Erde.

LULU.
So! steig nur heraus, du tapferes Hasenherz. Hier sind wir schon in Sicherheit.
FANFU.
Nun Schnecke, streck den Kopf heraus.
SIMPLIZIUS
streckt den Kopf heraus.

Wo sind wir denn? Ich muß erst meine Gliedmaßen alle zusammsuchen. Steigt aus, die Genien helfen. Der Schal fliegt wieder fort. So! Ich dank untertänigst, das sind halt Kinderln wie die Tauberl. Au weh, so ein Erdbeben möcht ich mir bald wieder ausbitten. Ich schau beim Fenster hinaus in meiner Schuldlosität, auf einmal fangts zum krachen an, als wenn die ganze Welt ein Schubladkasten war, der in der Mitten voneinanderspringt, und ich stürz über den siebenten Stock hinunter, die zwei Kinderl fangen mich aber auf und fliegen mit mir davon. Kaum sind wir in der Höh, macht es einen Plumpser, und die ganze Stadt rutscht aus und fällt ins Wasser hinein. O unglückselger Tag! Der arme Dichter hat sich eingetunkt mit seiner Weisheit. Weil nur ich nicht ins Wasser gfallen bin, die Schneiderfischeln[464] hättens getrieben. Überhaupt, wenn die Fisch die Zimmer untern Wasser sehen, die werden sich kommod machen. Wenn so ein Walfisch unter einem Himmelbett schlaft, der wird Augen machen, zwar daß ein Stockfisch auf einem Kanapee liegen kann, das hab ich an mir selber schon bemerkt. Wenn nur keiner in eine Bibliothek hineinschwimmt, denn da kennt sich so ein Vieh nicht aus. O du lieber Himmel, ich werd noch selbst ein Fisch, aus lauter Durst. Kniet nieder. Liebe Kinderl, seids barmherzig, laßt mir etwas zufließen. Sonst muß ich verdursten.

LULU.
Dein Durst ist uns recht lieb, wir haben dich darum hieher gebracht, um dich zu wässern.
SIMPLIZIUS.
So wässerts mich einmal, ich kanns schon nicht erwarten.
LULU.
Trink dort aus jenem See. Hier hast du eine Muschel. Holt eine vom Gestade.
SIMPLIZIUS.
Der rotköpfige See? Aus den trau ich mich nicht zu trinken.
LULU UND FANFU
streng.
Du mußt.
SIMPLIZIUS
fällt auf die Knie O meine lieben Kinderl, seid nur nicht böse, ich will ja alles tun aus Dankbarkeit.
Ich sauf wegen meiner das ganze rote Meer aus und das schwarze auch dazu, wenn es sein muß.
LULU
reicht ihm eine Muschel voll Wasser.
Trink. Es scheint nur rot zu sein, es ist doch reiner als Kristall.
SIMPLIZIUS.
So gib nur her. Er zittert mit der Muschel. Ich zittre wie ein hundertjähriger Greis.Trinkt.
LULU.
Er trinkt, nun wird er blutdurstig werden.
SIMPLIZIUS.
Ah, das ist ein hitziges Getränk.
Wie ein Vanigli-Rosolio. Rollt die Augen. Was geht denn in mir vor? Potz Himmeltausendschwerenot!
LULU
zu Fanfu.

Siehst du, es wirkt, er wird gleich eine andre Sprache führen. Beide nähern sich ihm sanft. Was ist dir, lieber Zitternadel?

SIMPLIZIUS
wild.

Still! Nichts reden auf mich. Ihr Bagatellien! Ich begreif nicht, was das ist. Ich krieg einen Zorn [465] wie ein kalekutischer Hahn und weiß nicht wegen was. Wenn ich ihn nur an jemand auslassen könnt! Bringt mir einen Stock, ich wix mich selbst herum. Die Genien lachen heimlich. Ja was ist denn das? Ihr seid ja zwei gottlose Buben übereinander. Ihr seid ja in die Haut nichts nutz. Euch soll man ja hauen, so oft man euch anschaut. Das seh ich jetzt erst.

DIE GENIEN
nahen sich bittend.
Aber lieber Zitternadel –
SIMPLIZIUS
reißt einen Baumast ab.
Kommt mir nicht in meine Nähe, oder ich massakrier euch alle zwei.
LULU.
So hör uns doch, du mußt nach Kallidalos fliegen, dort findest du den Dichter, deinen Freund.
SIMPLIZIUS.

Nu der soll mir trauen, den hau ich in Jamben, daß die Füß herumkugeln. Jetzt macht fort und schafft mir ein kollerisches Pferd, daß ich durch die Luft reiten kann.

LULU.
Ein kolerisches Pferd, das wirft dich ja herab?
SIMPLIZIUS.
So bringts mir einen Auerstier, der wirft mich wieder hinauf.
LULU.
Nu, wie du willst. Er winkt, ein geflügelter Auerstier erscheint in Wolken. Ist schon da.
SIMPLIZIUS.
Ha, da ist mein Araber. Jetzt wird kallopiert. Setzt euch hinauf auf die zwei Hörndel.
LULU.
Oh, wir getrauen uns nicht. Reit nur voraus, wir kommen dir schon nach. Laufen ab.
SIMPLIZIUS.

Ha, feige Brut! Steigt auf. Da bin ich ein anderer Kerl. Jetzt kann das Rindfleisch teuer werden, ich bin versorgt. Hotto Schimmel! Das versteht er nicht. Bruaho! Der Stier fliegt ab. Jetzt gehts los.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Verwandlung.
Tiefere Felsengegend, in der Ferne Wald. An der Seite eine Waldhütte. In der Mitte, mit einem goldenen Wurfspieß bewaffnet, steht Phalarius, vor ihm liegt ein Löwe zitternd.

PHALARIUS.
Was zitterst du entnervt, verachtungswürdger Leu?
Und beugst den Nacken feig vor meiner Krone Glanz?
[466] Mich eckelt Demut an, weil ich den Kampf nicht scheu.
Nie schände meine Stirn solch welker Siegeskranz.
Wofür hat Jupiter so reichlich dich begabt,
Wozu ward dir die Mahn, das Sinnbild hoher Kraft,
Der stolze Gliederbau, an dem das Aug sich labt,
Das drohende Gebiß, vor dem Gewalt erschlafft,
Der Donner des Gebrülls, der Panzer deiner Haut?
Erhieltst du all die Macht, um mächtger zu erbeben?
Schäm dich, Natur, die du ihm solchen Thron erbaut!
Da liegt dein Herrscher nun und zittert für sein Leben.

Heftiger.

Du hast mit Schlangen, Luchs und Panthertier gestritten.
So reg dich doch und droh auch mir mit mächtger Klau!
Du edelmütges Tier, so laß dich doch erbitten,
Verteidge dich, damit ich Widerstand erschau!
Wie kann ein König noch zu einem andern sprechen?
Mach mich nicht rasend, denk, du bist zum Streit geboren.
Noch nicht? Wohlan, so will ich euch, ihr Götter, rächen.
Er ehrt sein Dasein nicht, drum seis für ihn verloren.

Er tötet ihn. Er stoßt ins Horn. Jäger erscheinen und beugen sich erschrocken.

Bringt mir den Löwen fort, ich kann ihn nicht mehr sehen.

Der Löwe wird fortgebracht. Er steht nachdenkend mit verschlungenen Armen.

Wozu nützt mir Gewalt, wenn sie mich so erhebt?
Könnt ich die Erde leicht gleich einer Spindel drehen,
Es wäre kein Triumph, weil sie nicht widerstrebt.,
Aspasia tot, durch meiner Krone Dolch entseelt!
Abscheulge Hölle, so erfüllst du mein Begehren?
Wer war noch glücklich je, dem Liebe hat gefehlt?
Die größte Lust ist Ruhm, doch Lieb kann sie vermehren.
Doch meine Lieb heißt Tod, wer mich umarmt, erblaßt.
Unselges Diadem, daß du mein Aug entzücktest!
Tiefquälendes Geschenk, schon wirst du mir verhaßt.
Ich war noch glücklicher, als du mich nicht beglücktest.
Äol, der oft die Majestät der Eichen bricht
Und so am Haupt des Walds zum Kronenräuber wird,
[467] Sag, warum sendest du die geile Windsbraut nicht,
Daß sie die Kron als glühnden Bräutigam entführt?

Die Jäger kommen zurück. Er setzt sich auf einen Fels.

Ich wünschte mich mit etwas Traubensaft zu laben.
Der eigennützge Leib will auch befriedigt sein.
EIN JÄGER.
Den kannst du, hoher Fürst, aus jener Hütte haben.

Klopft an.

He; Alter, komme doch heraus und bringe Wein.
PHALARIUS.
Was ist der Mann, der hier so tief im Walde wohnt?
EIN JÄGER.
Ein Feldherr war er einst, nun lebt er als ein Bauer.
PHALARIUS.
Welche Erniedrigung, wer hat so schimpflich ihn belohnt?

Der alte Octavian fröhlich aus der Hütte, einen Becher Wein tragend.
OCTAVIAN.
Komm schon, ein froh Gemüt ist immer auf der Lauer.

Erblickt die Kron und sinkt nieder.

Ha, welch ein Blitz umschlängelt feurig meine Augen!
Es krachet mein Gebein und sinket in den Staub.
PHALARIUS.
Laß sehen, ob dein Wein wird meinem Durste taugen –

Will trinken.

Doch sag, warum verbirgst du dich so tief im Laub?
OCTAVIAN.
Gewähr, daß ich den Blick von deiner Krone wende,
Wenn du willst Wahrheit hörn und sie dein Ohr erfreut.
PHALARIUS.
Ich hasse den Betrug. Steh auf und sprich behende.

Octavian steht auf, doch ohne Phalarius anzusehen.
OCTAVIAN
fröhlich.
Mich freut der grüne Wald, beglückt die Einsamkeit.
Ich hab sie selbst gewählt, lieb sie wie einen Sohn.
Ich bin nicht unbeweibt, mein Herz schlägt lebenswarm,
Glüh für mein Vaterland, sprech seinen Feinden Hohn,
Und wenn es mein bedarf, weih ich ihm Kopf und Arm.
Sonst bau ich froh mein Feld und freu mich goldner Saat.
[468]
PHALARIUS.
Ein kluger Lebensplan, wenn du bloß Landmann wärst.
Dann bau nur deine Flur, so dienst du treu dem Staat.
Als Feldherr, hoff ich, daß zu herrschen du begehrst.
OCTAVIAN.
Ich herrsche ja. Wer sagt, daß ich nur Diener bin?
Weißt du denn nicht, daß jedes Ding der Welt ein Herrscher ist?
Die Götter herrschen im Olymp mit hohem Sinn,
Die Könige auf Erd, so weit ihr Land nur mißt,
Der ganze Staat, wie es Gesetz und Fürst befiehlt,
Ein jeder dient und hat doch auch sein klein Gebiet.
Und so wird eines jeden Dieners Lust gestillt.
Der Sänger herrscht durch edlen Geist in seinem Lied,
Der Liebende in der Geliebten schwachem Herzen,
Der Vater wacht im Haus für seiner Kinder Heil,
Der Arzt beherrscht der Krankheit widerspenstge Schmerzen,
Der Fischer seinen Kahn, der Jäger seinen Pfeil.
Kurz, jeder hat sein Reich, wo seine Krone blitzt.
Der Sklave selbst an Algiers Strand, der ärmste Mann,
Der nichts auf Erd als seine Qual besitzt,
Hat einen Thron, weil er sich selbst

Schlägt an die Brust.

beherrschen kann.
PHALARIUS
der während der Rede mit Erstaunen gekämpft, schleudert den Becher fort.
Genug, ich trinke nicht den wortvergällten Wein.
Nicht Labung reichst du mir, du tränkest mich mit Gift.
Du wärst vergnügt, und herrschest nicht? Es kann nicht sein!
OCTAVIAN.
Das bin ich, Herr, selbst dann, wenn mich dein Zorn auch trifft.
PHALARIUS.
Unmöglich! widerruf, daß du dich glücklich fühlst.
Es gibt bei solcher Kraft nicht solchen Seelenfrieden.
Du weißt nicht, wie du tief mein Inneres durchwühlst.
O Götter, welche Pein erlebe ich hienieden,
[469] Daß ich nicht froh sein kann und Frohsinn schauen muß.
Gesteh, du bist kein Held – hast nie auf Ruhm gebettet,
Du warst nie Feldherr, nein! regiertest stets den Pflug.
OCTAVIAN.
Ein Knabe warst du kaum, als ich das Reich errettet.
Ich bin Octavian.
PHALARIUS.
Der einst die Perser schlug?
OCTAVIAN.
So ists.
PHALARIUS
entsetzt, wie aus einem Traum erwachend, aufschreiend.
Aus meinem Land! Verhaßtes Meteor!
Daß meines Ruhmes Licht vor deinem nicht erlischt!
Du kömmst mir wie ein listger Rachedämon vor,
Der aus der Rose Schoß als giftge Schlange zischt.
Entfleuch! du bist verbannt. Gehörst dem Land nicht an.
Dein Glück ist Heuchelei, es kann sich nicht bewähren.
Hinweg aus meinem Reich mit solch verrücktem Wahn!
Du darfst nicht glücklich sein, sonst müßt ich dich verehren.

Ab. Die Jäger folgen scheu.
OCTAVIAN
allein.
Da geht er hin, unglücklicher als der, den er verjagt.
Du bist verbannt, wie leicht sich doch die Worte sprechen.
So fröhlich erst, und nun so bitter zu beklagen –
Doch nein – ich bin ein Mann – du sollst mein Herz nicht brechen.

In die Hütte ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Verwandlung.
Romantische Gegend auf Kallidalos. Die eine Hälfte der Kulissen stellen Häuser vor, die andere Wald. Lucina, Ewald, die Krone auf dem Haupte, treten auf.

LUCINA.
Du bist hier auf der kallidalschen Insel. Erhole dich von deinem Schreck.
[470]
EWALD.

Vergib, daß meine Nerven ängstlich zucken, noch ist die Greuelsszene nicht aus meinem Hirn entwichen, und nimmer möcht ich solchen Anblick mehr erleben.

LUCINA.

Hier wirst du leichteren Kampf bestehn, mein armer König ohne Reich. Nun horch auf mich. Auf dieser Insel herrscht die feine Sitte, daß sich der König und die Edelsten des Volkes am ersten Frühlingstag im Venustempel dort versammeln. Von allen Mädchen dieses Reichs, die zartgeputzt dem königlichen Aug sich zeigen, ernennet er die Schönste als des Festes Herrscherin und schmückt das wunderholde Haupt mit einer Rosenkrone. Dann wählet er aus rüstger Jünglingsschar den Tapfersten, der sich nicht weigern darf, und schenkt ihm ihre Hand, nachdem er ihn zuvor zu einem Amt erhebt. Das Brautpaar wird sogleich an Cyprias Altar vermählt. So endet sich das Fest und dieses Tages Jubel. Du sorgst, daß dieser Preis auf einem Haupte ruht, das sechzig Jahre schon des Lebens Müh getragen. Doch dürfen es nicht Rosen zieren, ein Myrtendiadem muß auf der Stirne prangen, durch Weiber aufgedrückt, die neidisch nach der Krone blicken, nach der sie selbst vergebens ringen. Wodurch du dies bezweckst, wirst du wohl leicht erraten. Die Krone leg nun ab, ich will sie selbst verwahren.


Ewald kniet sich nieder. Zwei Genien erscheinen aus der Versenkung. Sie nimmt ihm die Krone ab.

Sie ziemt nicht deiner Stirn. Gibt sie den Genien. Bewahrt sie wohl, beherrscht sie auch kein Reich, wird sie doch viele Reiche retten. Die Genien versinken damit. Hast du nun einen Wunsch, so sprich ihn aus.

EWALD.

Ob mein Begleiter lebt, dies wünscht ich wohl zu wissen. Auch seiner Sendung Zweck ist mir ein Rätsel noch.

LUCINA.

Er lebt. Wozu ich ihn bestimmt, wird sich noch heut enthüllen. Bald siehst du ihn, doch magst du nicht ob der Verändrung staunen, die sein Gemüt erlitten hat, sie währet nur so lang, bis so viel Blut durch seine Hand entströmt, als Wasser er aus meinem Zaubersee getrunken.

[471]
EWALD.
Wie! einen Mörder werde ich in ihm erblicken?
LUCINA.

Sei ruhig nur, ich lenke seinen Arm. Befolge du nur mein Geheiß und fordre dann den Lohn. Für alles andre laß die hohen Götter sorgen, die oft durch weise Wahl gemeine Mittel adeln, daß sie zu hohen Zwecken dienen.


Ab.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Ewald.

EWALD
allein.

Dies scheinen mir die letzten Häuser einer großen Stadt zu sein. Ich will an eine dieser Pforten pochen, vielleicht erscheint ein altes Weib, deren Geschwätzigkeit mir schnellen Aufschluß gibt und das ich gleich zu meinem Plan verwenden kann. Er klopft an das Tor des ersten Hauses.


Atritia sieht zum Fenster herab.
ATRITIA.
Wer pocht so ungestüm? Weißt du noch nicht, daß dieses Tor sich keinem Manne öffnet?
EWALD
für sich.
Himmel, welch ein liebenswürdiger Mädchenkopf!
ATRITIA.
Dein Staunen ist umsonst.
EWALD
für sich.
Sanftmut lauscht in ihrem Auge –
ATRITIA.
Täusche dich nicht!
EWALD
für sich.
Und zeigt den Weg zu ihrem Herzen.
ATRITIA.
Es ist zu fest verschlossen.
EWALD
für sich.
Ich muß mein Glück benützen.
ATRITIA.
Du kommst mir nicht herein. Das sag ich dir.
EWALD.

Schönes Mädchen! Eröffne doch die Pforte, ich will so leise über ihre Schwelle gleiten, als schlich' ein Seufzer über deine süßen Lippen.

ATRITIA.

Er ist ein feiner Mann und hat mich süß genannt. Nun kann ich ihm denn doch nichts Bittres sagen. Gern ließ' ich dich herein, doch darf ich nicht.

EWALD.
Wer hat es dir verboten?
ATRITIA.

Meine Muhm. Sie sagt: Du lassest keinen Mann mir über diese Schwelle treten. Es ist ein hart Gebot, [472] doch muß ich es befolgen, sonst würd ich gern in deiner Nähe sein. Denn du gefällst mir wohl.

EWALD.

Nun gut, so komm zu mir heraus. Hat sie dir denn gesagt, du darfst zu keinem Manne über diese Schwelle treten?

ATRITIA
unschuldig.
Das hat sie nicht gesagt. Jetzt bin ich schon zufrieden und komm zu dir hinaus.
EWALD.
Noch nie hat mich der Anblick eines Mädchens so entzückt.
ATRITIA
hüpft heraus.
Also hier bin ich, was hast du mich zu fragen?
EWALD.
Ob du mich liebst?
ATRITIA.
Wie kann ich dich denn lieben, ich weiß ja noch nicht, ob du liebenswürdig bist?
EWALD.
Ja wenn ich dir das erst erklären soll, dann hast du mir die Antwort schon gegeben.
ATRITIA.

Bist du vor allem treu? Bekleidest du ein Amt? Bist du vielleicht ein Held, so geh hinaus und kämpfe mit dem Eber, und hast du ihn erlegt, so kehr zurück und wirb um meine Hand.

EWALD.
Ein Eber ist hier zu bekämpfen?
ATRITIA.

Ein mächtig großer noch dazu. So groß fast wie ein Haus, so hat mir meine Angst ihn wenigstens gemalt.

EWALD.
Hast du ihn schon gesehn?
ATRITIA.

Ei freilich wohl, er nähert sich der Stadt, verwüstet alle Fluren und hat ein Mädchen erst zerrissen, die heute als die Schönste war gewiß erwählet worden.

EWALD.
Ist heute dieses Fest?
ATRITIA.

Ja, heute soll es sein, der Tempel ist schon reich geschmückt, und alle Mädchen dort versammelt, doch als der König eben sich dahin begeben wollte, im feierlichen Zug der hellpolierten Krieger, da kam die Nachricht schnell, daß sich der Eber zeigt und auf den Feldern wütet. Da ließ der König alles, was nur Waffen trug, zum blutgen Kampfe gen den Eber ziehn. Drum findest du die Straßen leer.

EWALD.

Dann ist die höchste Zeit, daß ich zu Werke schreite. Ich bin ein Mann von Ehre und deiner Liebe wert. Doch [473] sag mir, holdes Kind, wo find ich wohl ein altes Weib mit sechzig Jahren, das noch so eitel ist, daß sie für schön sich hält?

ATRITIA.

Wo finde ich sie nicht, so solltest du mich fragen. Die gibts wohl überall, das hab ich oft gelesen. Obwohl die Frage nicht sehr artig ist, so wirst du gar nicht lange suchen dürfen, wenn du noch eine Weile mit mir sprichst, denn meine Muhm wird bald nach Hause kommen und dich von ihrer Tür verjagen.

EWALD.
Ist sie so böse?
ATRITIA.

Leider ja. Als meine Mutter starb, ward ich ihr übergeben, und vieles Geld dazu, sie mußte mich erziehen. Das tat sie auch, doch von dem Gold, was ihr die Mutter hat für mich zum Heiratsgut vertraut, da will sie gar nichts wissen. Sie schlägt mich auch, wenn sie oft Langeweile hat, erst gestern noch, weil ich mich zu dem Feste schmücken wollte. Das gab sie denn nicht zu, sie sagt, mich braucht kein Mann zu sehen. Das hat mich sehr geschmerzt, ich wünsche mir doch einen Mann, und wie soll mich denn einer frein, wenn mich nie einer sieht?

EWALD.
Da sprichst du wahr. Doch einer hat dich ja gesehen?
ATRITIA.
Und das bist du? Doch wann wirst du mich wiedersehen?
EWALD.
Ist es dein Wunsch?
ATRITIA.

Ei, frag doch nicht. Glaubst du, ich war zu dir herabgekommen, wenn du mir nicht gefallen hättest? Du stündst noch lang vor der verschloßnen Tür, wenn du durch deinen Blick mein Herz nicht früher aufgeschlossen hättest. Doch jetzt leb wohl und denk darum nicht arg von mir, weil ich dir sag, daß ich dich liebenswürdig finde. Dafür werd ichs auch keinem andern sagen mehr und hab es keinem noch gesagt.

EWALD.
Bezauberndes Geschöpf, willst du mich schon verlassen?
ATRITIA.

Ich muß. Such deine Alte nur, hörst du! und hast du sie gefunden, Droht schalkhaft mit dem Finger. vergiß nicht auf die Junge. Läuft ins Haus.

6. Auftritt
[474] Sechster Auftritt
Ewald.

EWALD
allein.
Da läuft sie hin. Lucina, wenn ich Lohn von dir begehr, so ist es dieses Mädchens reizender Besitz.
SIMPLIZIUS
ruft in der Luft.
Bruaho!
EWALD.
Wer galoppiert da durch die Luft? Das ist Simplizius. Auf einem Stier!
SIMPLIZIUS
sinkt nieder.

Halt Er an! Steigt ab. So! da sein wir alle zwei. Nur wieder nach Hause, ins Bureau. Der Stier fliegt fort. Simplizius ruft ihm nach. Meine Empfehlung an die andern.

EWALD.
Simplizius, wo nehmen Sie den Mut her, sich so durch die Luft zu wagen?
SIMPLIZIUS.

Geht Ihnen das etwas an, haben Sie sich darum zu bekümmern? Kann ich nicht reiten, auf was ich will? Glauben Sie, weil Sie vielleicht auf einer flanellenen Schlafhauben herübergeritten sind, so soll ich meine Herkulesnatur verleug nen? Ah, da hat es Zeit, bei den Preußen!

EWALD.
Welch ein Betragen?
SIMPLIZIUS.
Was Betragen? Wer wird sich gegen Sie betragen? Ich betrage mich gar nicht. Um keinen Preis.
EWALD.
Aber mit welchem Rechte –?
SIMPLIZIUS.

Was? Mit mir reden Sie von einem Recht? da kommen Sie an den Unrechten. Recht? Wollen Sie vielleicht einen Prozeß anfangen? Oh, wenn ich auch kein Rechtsgelehrter bin, ich laß mich doch nicht links hinüberdrehen. Da irren Sie sich.

EWALD
verächtlich.
Gemeiner Wicht!
SIMPLIZIUS.
Keine Beleidigungen, junger Mensch! Wenn ich nicht vergessen soll, wer ich bin.
EWALD
lacht heftig.
Das ist zum Totschießen.
SIMPLIZIUS.

Vom Totschießen reden Sie? Wollen Sie sich duellieren mit mir, auf congrevische Raketen? Oder sind Ihnen die vielleicht zu klein? so gehen Sie her, nehmen wir ein jeder ein Haus und werfen wirs einer den andern zum Kopf, damit die Sache ein Gewicht hat. Wollen Sie?

[475]
EWALD.
Beim Himmel, wenn mich Lucine nicht gewarnt hätte, ich müßte ihn züchtigen.
SIMPLIZIUS.

Züchtigen? Ha, beim – wie heißt der Kerl? – Ha, beim Zeus! jetzt gibts Prügel. Bricht mit dem Fuß seinen Baumast entzwei und gibt ihm die Hälfte. Nehmen Sie einen, die andern kommen nach.

EWALD.
Was wollen Sie denn?
SIMPLIZIUS.
Satisfaktion will ich. Reimschmied! Er packt ihn an der Brust.
EWALD.
Welch eine Kraft? lassen Sie mich los, Sie wütender Mensch. Er entspringt.
SIMPLIZIUS
allein.

Wart, du kommst mir schon unter die Hände. Es ist schrecklich! Ich kann mir nicht helfen, wie ich nur einen Menschen seh, so möcht ich ihn schon in der Mitte voneinander reißen. Wenn ich nur einen Degen hätte, oder ein Stiffilet! Oder wenn ich wo unter der Hand billige Kanonen zu kaufen bekam, ich erschösset die ganze Stadt, und die Vorstadt auch dazu. Da kommen einige. Die sollen sich freun.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Voriger. Olimar und Astrachan

OLIMAR
ein fetter Mann.
Wer lärmt denn hier so auf der Straße? Das ist ja ein ganz fremder Mensch?
SIMPLIZIUS.
Die Flachsen ziehts mir ordentlich zusammen, wenn einer redt auf mich.
OLIMAR.
Der sieht ja wie ein Straßenräuber aus? der Kerl hat nichts Gutes im Sinne.
SIMPLIZIUS.
Ich muß mich noch zurückhalten, bis ich Waffen hab. Ich werd mir s' erst sondiern.
ASTRACHAN
rauh.
Was tobst du so, an diesem feierlichen Tag? Pack dich von hier, du kecker Bursche.
SIMPLIZIUS
lauernd.
Wie reden Sie mit mir? Ich frag Sie nicht umsonst.
ASTRACHAN.

Das brauchst du nicht, weil ich die Antwort dir nicht schuldig bleibe und sie auf deinen Rücken legen werde.

[476]
SIMPLIZIUS
erstaunt.

So? nur gleich? Für sich. Ist schon gut unterdessen. Der wird schon umgebracht. Das ist der erste, den ich expedier. Ich muß mir nur einen Knopf ins Schnupftuch machen, damit ichs nicht vergeß. Tut es.

ASTRACHAN.
Hast dus gehört, du sollst die Straße reinigen. Mach dich fort.
SIMPLIZIUS.

Ich soll die Straße reinigen? Er muß mich für einen Gassenkehrer halten. Das hat mir niemand zu befehlen, ich bleibe hier. Er setzt sich auf einen Stein. Und wer nur einen Laut von sich gibt, der geht nicht gsund mehr von dem Platz da weg.

ASTRACHAN
will auf ihn zu.
Was?

Olimar hält ihn ab.
OLIMAR
furchtsam zu Astrachan.
Behutsam, Freund, er hat ja einen Prügel in der Hand.
ASTRACHAN.
Was kümmerts mich! Du wirst dich doch nicht fürchten?
OLIMAR.
Ei bewahre.
ASTRACHAN.
Schäm dich, als eine Gerichtsperson. Gleich geh hin und beweise deinen Mut.
OLIMAR
zitternd.
Wer, wer ich? Ja was soll ich denn tun?
ASTRACHAN.
Ihn von hinnen jagen.
OLIMAR.
Ja wenn er sich nur jagen läßt. Aber du wirst sehn –
ASTRACHAN.
Red ihn scharf an.
OLIMAR
zu Simplizius.
Hochzuverehrender Freund –
SIMPLIZIUS
springt zornig auf.
Was gibt es?
OLIMAR
erschrickt heftig.
Da hast du es jetzt, ich habs ja gleich gesagt.
SIMPLIZIUS.
Was will der Herr?
ASTRACHAN
der Olimar hält.
Mut, Mut, ich helfe dir schon.
OLIMAR.
Ja, laß mich nur nicht stecken. Nimmt sich zusammen. Laut. Er ungezogner Mensch –
ASTRACHAN.
Nur zu, so ists schon recht.
OLIMAR.
Wenn Ers noch einmal wagt in solchem Ton zu sprechen –
ASTRACHAN
freudig.
Vortrefflich! Siehst du, wie er zittert?
OLIMAR.

Du irrst dich, Freund, das bin ja ich. Zu Simplizius. [477] So werd ich Ihm – Zu Astrachan. Ja was werd ich? geschwind!

ASTRACHAN
heimlich.
Die Kehle schnüren, daß Er an mich denken soll!
OLIMAR.
Die Kehle schnüren, daß Er an mich denken soll. Ha! Wischt sich den Schweiß ab. Das war viel gewagt.
SIMPLIZIUS.

Die Kehle schnüren? Das ist ein Schnürmacher. Nu, den können wir ja auch mitnehmen. Macht einen Knopf. Detto. Er macht die Bewegung des Erdolchens.

ASTRACHAN.

Du hast dich gut gehalten. Jetzt laß mich reden. Hör, Kerl, wenn du jetzt nicht augenblicklich gehst und dich in unserer Stadt noch einmal blicken lassest, so wirst du sehn, was unsere Gerechtigkeit an einem solchen Lumpenhund für ein Exempel statuiert.

SIMPLIZIUS.
Ah, das ist ein hantiger. Der muß viermal nacheinander sterben.
ASTRACHAN.
Ha, gut. Dort kommen Abukar und Nimmelot.
OLIMAR.
Das sind zwei verwegene Bursche.
SIMPLIZIUS.
Verwegene Bursche? Da mach ich gleich in voraus Knöpf. Macht sie.
8. Auftritt
Achter Auftritt
Vorige. Abukar und Nimmelot bewaffnet.

ABUKAR.
Was hast du, Astrachan, du lärmst ja ganz entsetzlich?
ASTRACHAN.

Wir haben unsern Spaß mit diesem Burschen da. Das ist der dreisteste Kerl, den ich noch gesehen habe.

OLIMAR
keck.

Ja ja, das ist ein abgefeimter Schurke. Für sich. Jetzt sind wir unser vier, jetzt soll er mir nur trauen.

SIMPLIZIUS.
Ich hör ihnen nur so zu, auf einmal geh ich los.

Abukar und Nimmelot stellen sich neben Simplizius und klopfen ihn auf die Schulter und lachen.
ABUKAR.
Hahaha, der sieht ja wie ein Orang Guttang aus.
NIMMELOT
lachend.
Die aufgeschlitzte Nase und der breite Mund!
SIMPLIZIUS.

Bravo, nur zu, sind schon vorgemerkt.Deutet [478] auf sein Tuch. Werden schon Exekution halten, bleibt nicht aus.


Alle lachen.
OLIMAR
behaglich.
Jetzt fängt die Sache erst an lustig zu werden, jetzt freuts mich erst, daß ich so mutig war.
SIMPLIZIUS
heimlich.
Nu wart, dir werd ich Ader lassen.
OLIMAR.
Da kommen noch vier.
SIMPLIZIUS.
Noch vier?
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Vorige. Vier Bewohner treten ein, bewaffnet.

SIMPLIZIUS.

Jetzt kommen mir schon zu viel Knöpf zusammen. Ich weiß schon, was ich tu, ich mach einen großen, der gilt für vier. Das wird ein Massaker werden, wie ich die zusammenendeln werd.

ABUKAR.
Seht ihn nur an, das ist ja die einfältigste Miene, die mir noch vorgekommen ist.
SIMPLIZIUS.

Ah, jetzt muß ich doch Rebell schlagen. Laut. Was glauben denn Sie so? Glauben Sie, ich bin Ihr Narr, daß Sie sich über meine Phisiognomie lustig machen? Was fehlt denn meinem Gesicht? Die Häßlichkeit vielleicht? die ist ja nirgends mehr zu finden, weil Sie s' alle auf den Ihrigen haben.

ALLE
lachen.
Ein drolliger Kerl!
SIMPLIZIUS.

Nu, da haben wirs, nicht einmal ordentlich lachen können s', mit den Gsicht. Da lach ich mit den linken Ellbogen besser als die mit dem Maul. Sagen Sie mir, wer hat Ihnen denn die Beleidigung angetan, eine solche Phisiognomie aufzubürden? Die Natur vielleicht? Die setz ich ab, wenn sie mir noch einmal solche Gsichter macht. Das sind Keckheiten von ihr, ich brauch sie nicht, wenn sie so schleuderisch arbeitet. Was brauchen wir eine Natur? Die Welt ist lang genug unnatürlich gewesen, sie kanns noch sein.

ABUKAR.
Der Bursche muß Hofnarr werden, dir macht mich schrecklich lachen.
[479]
SIMPLIZIUS.
Hofnarr? Das ist eine Beleidigung. Satisfaktion!
OLIMAR.
Er hat Mut wie ein Löwe.
SIMPLIZIUS.
Löwe? Das ist gar eine viehische Beleidigung. Doppelte Satisfaktion!
ASTRACHAN.
Der Kerl ist über einen Spartaner.
SIMPLIZIUS.

Spartaner? Das wird wieder ein anderes Vieh sein. Ich kenn mich gar nicht mehr vor Zorn. Heraus, wer Mut hat! Einen muß ich spießen. Faßt Olimar. Was ists mit Ihnen? wollen Sie sich mit mir schlagen, oder wollen Sie sich schlagen lassen?

OLIMAR.
Hülfe! Hülfe!
ABUKAR
packt Simplizius am Genicke und beutelt ihn.
Nun hast du Zeit, Bube –
ASTRACHAN.
Ins Gefängnis, fort mit ihm.
SIMPLIZIUS
entreißt dem Olimar den Säbel aus der Scheide.

Jetzt reißt mir die Geduld. Er haut auf Abukar ein, der ihm die Lanze entgegenhält, welche er ihm aus der Hand schlägt. Ihr verdammten Callidalianer! Jetzt wird's Leben wohlfeil werden!


Er kämpft mit allen und jagt sie in die Flucht. Einige verlieren ihre Waffen, einer den Helm.
OLIMAR
im Ablaufen.
Ich habs vorausgesagt, ihr Götter, seid uns gnädig!
SIMPLIZIUS
allein.

Ha! Pompeja ist erobert. Sieg über die Kalmuken.

Da gibts Waffen. Er setzt sich den Helm auf. Her da mit dem Helm! Nimmt das Schwert, steckt es in die Binde und hebt den Spieß auf. Das ganze Zeughaus häng ich um. So! Jetzt ist der Stephan Fädinger fertig. Rache! Rache! Alles muß blutten. Einen Haß hab ich! Ich glaub, es dürft mich einer spießen, mir wärs nicht möglich, ihn zu küssen. Die ganze Welt ist mir zuwider.


Lied

Wenn s' mir die Welt zu kaufen gäben,
Ich weiß nicht, ob ich s' nimm.
Da müßt man ein Verdruß erleben,
Es würd eim völlig schlimm.
[480] Und ließ' man s' wieder lizitiern,
Was könnt man da viel profitiern?

Vors erste ist s' ein alts Gebäu,
Wer weiß, wie lang s' noch steht.
Das sieht man an Massana glei,
Daß s' sicher untergeht.
Und fällt eim so a Welt ins Meer,
Wo nimmt man gschwind a andre her?

Die Völker stehn mir auch nicht an,
D' Kalmuken, d'Hugenotten,
Und wem ich gar nicht leiden kann,
Das sind die Hottentotten.
Da möcht ich grad vor Wut vergehn,
Und ich hab nicht einmal ein gsehn.

Auch ists ein Elend mit den Tieren,
A bloße Fopperei,
Was kriechen s' denn auf allen vieren?
Ich geh ja auch auf zwei.
Die meisten können uns nur quälen –
Am liebsten sind mir die Sardellen.

Die Sonn, die ist schon lang mein Tod
Mit ihrer öden Pracht.
Der Mondschein macht sichs gar kommod,
Der scheint nur bei der Nacht.
Und dann die miserablen Stern,
Die weiß man gar nicht, zu was ghörn.

Kurzum, ich haß die ganze Welt,
Im Sommer wie im Winter.
Mir liegt sogar nichts an dem Geld.
Es ist nicht viel dahinter.
Ein einzgen Menschen nur allein

Deutet auf sich.

Wüßt ich – dem ich noch gut könnt sein.

Geht ab.

[481] Repetition

Das ist ein sonderbarer Spaß,
Was denn das wohl bedeut?
Verschwunden ist mein ganzer Haß,
Jetzt lieb ich alle Leut.
Mein Herz will immer mehr erwarmen,
Ich wollt, ich dürfte alls umarmen.

Sollt ich mich vorher ärgern nicht?
Das könnt ich ja nicht loben,
Die Leut belachen mein Gesicht
Und stehen da heroben.
Ah, wenn ich unten lachen hör,
Hernach ists mir die größte Ehr.

Auch's Geld hab ich vorher veracht,
Ich unerfahrnes Bübel.
Jetzt hab ichs nochmal überdacht,
's ist doch nicht gar so übel.
Und wenn ich eine Einnahm hätt,
Ich glaub, daß ich sie nehmen tat.

Ab.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Ewald. Aloe muß von einer jugendlichen Schauspielerin dargestellt werden, mit grauen Haaren. Sie hat den Kopf in ein Tuch eingewickelt wie eine griechische Matrone und geht etwas gebückt.

ALOE.

Nein, nein, mein lieber schmucker Herr! Das geht nicht so geschwinde, das Mädchen ist zu jung, sie braucht noch keinen Freier. Ach du keusche Göttin Diana, kaum bin ich eine Stunde aus dem Hause, um die tapferen Männer zu bewundern, so fängt das Mädchen Liebeshändel an. Wo habt Ihr denn das ungeratne Kind gesprochen?

EWALD.
Am Fenster sprach ich sie.
ALOE.

Seht doch. Und glaubt Ihr denn, man heiratet bei uns die Mädchen gleich vom Fenster nur herunter? wie man Zitronen pflückt? Laßt Euch den Wunsch vergehen. Ich [482] sehe fünfzig Jahre schon zum Fenster h'raus und hab mir keinen Mann erschaut. So lange kann sie auch noch warten. Ich kenn Euch nicht einmal, wer seid Ihr denn?

EWALD.
Ein Fremder bin ich.
ALOE.
Ei, das seh ich, denn unsre Männer kenn ich alle. Doch was besitzt Ihr in der Fremde?
EWALD.
Ein Gut, das mir kein Unfall rauben kann, ein treu Gemüt und kräftigen Verstand.
ALOE.
Wer sagt Euch, daß Verstand ein sichres Erbteil sei, wie könnt es denn so viele Narren geben?
EWALD.
Und eine Kunst, die alle Künste übertrifft.
ALOE.
Vielleicht die Kunst, mich hinters Licht zu führen?
EWALD.
Im Gegenteil, ich möchte Eure Schönheit gern im höchsten Glanz erscheinen lassen.
ALOE.

Ich hörs nicht gern, wenn man von meinen Reizen spricht. Es ist mir nicht mehr neu. Gewohnheit tötet unsre schönsten Freuden. Doch weiter nun? Ach, mein Gedächtnis ist so schwach.

Wovon habt Ihr zuletzt gesprochen?

EWALD.
Von Eurer Schönheit war die Rede ja.
ALOE.
Ja ja, das wars, was ich nicht hören mochte. Ihr wolltet sie erhöhn?
EWALD.
Zum Venusrang. Wenn Ihr mir Eurer Nichte Hand gelobt.
ALOE.
Was fällt Euch ein? Atritia? Sie ist ein unbemittelt Kind, um keinen Preis.
EWALD.
Auch nicht um den, den heut im Tempel dort der König reicht?
ALOE
erschrocken.

Seid Ihr von Sinnen? Bin ich erschrocken doch, als hätt mich Amors Pfeil getroffen. Ich bin schon eine ausgeblühte Rose, die nicht im Frühlingsschein mehr glänzt.

EWALD.

Ich will durch meine Kunst Euch diesen Glanz verleihn. Vor allen Töchtern dieses Reichs sollt Ihr den Schönheitspreis erringen. Doch Eure Nichte ist dann mein, ich führ sie mit mir fort.

ALOE.

Ihr könntet das, ein Sterblicher, bewirken, wofür ich [483] mich dem Cerberus hab schon verschrieben, wenn ers vermögen könnte?

EWALD.
Ich geb Euch drauf mein Wort, und brech ich es, braucht Ihr das Eure nicht zu halten.
ALOE.
Macht mich nicht wahnsinnig! Ihr wolltet Aloe verjüngen?
EWALD.

Warum denn nicht? Wenn Aloe, die Pflanze, mit hundert Jahren neue Blumen treibt, warum soll Aloe, das Weib, mit sechzig nicht erblühen?

ALOE.

Mit sechzig, ja, da habt Ihr Recht, das ist die wahre Blütenzeit. Mir ist, als blüht ich schon, ich fang schon an zu duften. O Himmel, welch ein Glück, ich fühle mich schon jung, mich hindern bloß die Jahre.

EWALD.

So mäßigt Euch. Es ist ja noch nicht Zeit. Erwartet mich im Haus. Ich muß mich erst dem König zeigen. Geht nur hinein und sagt Atritien, daß sie mein Weib soll werden.

ALOE.

Ja ja. Ihr sollt Atritien haben. Ich schenk sie Euch. Ach, wenn ich eine Herde solcher Mädchen hätte, Ihr könntet alle sie nach Eurem Lande treiben. Nur fort damit, nur fort, die Schönste bleibt zurück. Die Schönste – eine Welt von Wonne liegt in diesem Namen. Und bin die Schönste ich, wird mir der schönste Mann. Der schönste Mann, ach, wie viel Welten kommen da zusammen. Gegen das Haus. Atritia, Atritia, wir kriegen beide Männer. O Götter, steht mir bei, das kostet den Verstand. Eilt freudig ab.

EWALD
allein.
Wie fühlt der Jüngling doppelt holder Liebe Wert,
Wenn er das Alter den Verlust betrauern hört.
GESCHREI
von innen.
Der Eber ist erlegt, es leb der große Held!
EWALD.

Der Eber ist erlegt! Des Landes borstge Plage. Da kömmt Simplizius! Voll Angst! Ist seine Wut verdampft?

11. Auftritt
[484] Elfter Auftritt
Voriger. Simplizius atemlos.

SIMPLIZIUS.
Sein Sie da?
EWALD.
Was bringst du mir, Simplizius?
SIMPLIZIUS.
Stellen Sie sich vor, ich hab den Eber umgebracht.
EWALD.
Du? Nicht möglich.
SIMPLIZIUS.
Nu sie sagens alle!
EWALD.
Alle? Wer?
SIMPLIZIUS.
Die Völkerschaften, die mir zugeschaut haben.
EWALD.
Das ist ja ein ungeheures Schwein.
SIMPLIZIUS.
Versteht sich, ein größers als wir alle zwei.
EWALD.
Das hast du nicht allein erlegt, da muß dir wer geholfen haben.
SIMPLIZIUS.

Jetzt ists recht. Wenn einem einmal was gerät, so sagen Sie, es muß einem einer geholfen haben. Es hat ja nur einen Stich, das kann man doch gleich sehen.

EWALD.
Wie ging es aber zu?
SIMPLIZIUS.

Ganz kurz, denn wer wird sich mit einem Eber in einen langen Diskurs einlassen. Sie wissen, daß heut große Jagd auf ihn veranstaltet war. Alles war versammelt, drauß beim grünem Baum, da kommt der Eber alle Tag zum Frühstück hin. Alle Krieger waren voll Feuer, und in mir hats gar schon gekocht. Auf einmal wird einer totenblaß und ruft: Der Eber kommt, jetzt rauft! rauft! Aber das Wort rauft muß in der hiesigen Sprach eine andere Bedeutung haben und muß heißen lauft. Denn kaum war das Wort heraus, sind sie alle davongelaufen. Ein Hasenfuß nach dem andern, ich war der letzte auf den Platz. Kaum waren sie fort, wer kommt? der Eber. Ich erseh ihn kaum, faßt mich eine Wut, ich stürz mich auf ihm los und stich ihn auf der unrechten Seiten hinein und der rechten wieder heraus.

EWALD.
Unerhört. Und wie er fiel, was dann?
SIMPLIZIUS.

Dann bin ich auch davongloffen, was weiter geschehn ist, weiß ich nicht. Vermutlich haben sie eine Schwein aufgehoben.

[485]
EWALD.
Also nach der Tat hast du den Mut verloren?
SIMPLIZIUS.

Versteht sich, das ist ja eben das Großartige. Vorher ists keine Kunst. Kaum ist der Eber in seinem Blut dagelegen, ist er mir noch zwanzigmal so groß vorkommen als vorher, so daß ich zum zittern angfangt hab, und hab ihn gar nicht ansehn können mehr. Alles hat zwar geschrien: Halt, verweil, du großer Held! Aber ich hab mir gedacht, schreit zu, so lang ihr wollt, ich bin nicht der erste Held, der davongelaufen ist, und werd auch nicht der letzte sein, und bin fort.

EWALD.
Simplizius, du wirst reichen Lohn erhalten.
SIMPLIZIUS.

Glauben S', daß was herausschaut? Ich werd ihnen schon einen rechten Konto machen: Was ich an Eberarbeit geliefert hab. Oder sie sollen mich nach den Pfund zahlen. Ich laß ihn beim Wildprethandler wiegen, was er wiegt, das wiegt er. Punktum.

GESCHREI
von innen.
Heil dem größten aller Helden.
SIMPLIZIUS.

Hören S', sie schreien schon wieder. Gibt kein Ruh das Volk. Aloe zeigt sich am Fenster. Doch sagen Sie mir, wenn werden wir denn einmal das Reich erretten? wenn immer etwas dazwischen kommt. Bald ein Erdbeben, bald ein Eber.

EWALD.
Dafür lassen Sie die Göttin sorgen. Wir gehorchen nur. Sehen Sie doch nach jenem Fenster.
SIMPLIZIUS.
Ah, da schau ich nicht hinauf.
EWALD.
Warum denn nicht?
SIMPLIZIUS.
Weil eine Alte herunterschaut.
EWALD.
Freund, das ist mein Ideal. Die muß mir heut noch als die größte Schönheit glänzen.
SIMPLIZIUS.
Die da? Nu da dürfen S' schön politiern, bis die zum glänzen anfangt.
EWALD.

Das wird der Zauberschein der Fackel tun. Der König muß den Preis ihr reichen, drum stellen Sie als Ihren Freund mich bei ihm vor, damit er mir Gehör verstattet. Sehen Sie nur, dort nahen sich die Krieger im feierlichen Marsch. Man suchet Sie.

[486]
SIMPLIZIUS.
Ah, sie sollen marschieren, wohin sie wollen, ich brauch sie nicht.

Chor von Kriegern, welche auf die Bühne ziehen.

Chor.

Dank dem Helden, den die Götter
Mit des Löwen Mut gestählt
Und den zu des Landes Retter
Gnädig waltend sie erwählt.

Sie bilden einen Kreis.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Vorige. Dardonius und Höflinge. Dazu Nimmelot. Abukar. Astrachan. Olimar.

DARDONIUS
in freudiger Begeisterung.
Wo? sagt, wo ist meines Landes wunderbarer Retter?
EIN HÖFLING.
Hier ist der edle Jüngling, hoher Fürst.
SIMPLIZIUS
für sich.
Meint der mich?
OLIMAR.
Hat der den Eber erlegt?
ABUKAR.
Wer hätte das gedacht?
DARDONIUS.
Laß dich umarmen, Fremdling. Umarmt ihn. Nimm des Königs Dank.
SIMPLIZIUS.

Ich bitt recht sehr, machen Sie kein solches Aufsehen, es ist ja gar nicht der Müh wert, wegen der Kleinigkeit da, wegen dem bissel Eber.

DARDONIUS
ihn anstaunend.
Also du hast dieses Ungetüm erlegt?
SIMPLIZIUS.
So schmeichel ich mir.
DIE KRIEGER.
Wir alle waren Zeugen.
DARDONIUS.
Heldenmütiger Mann, sieh hier des Dankes Tränen in den Augen meines Volkes.

Die Höflinge weinen.
SIMPLIZIUS
beiseite.
Wie man wegen einer Wildschwein weinen kann, das ist mir unbegreiflich.
DARDONIUS.
Götter! Wie können in so schwach gebautem Körper solche Riesenkräfte wohnen.
[487]
SIMPLIZIUS.

Ja, das ist eben das Hasardspiel der Natur, wenn man eine Austerschale öffnet, und es kommt ein Elefant heraus.

DARDONIUS.
Sprich! Wie kann ich dich belohnen?
SIMPLIZIUS.

Ja, ich müßt da erst einen Überschlag machen. Das dauert alls zu lang. Ich überlaß das ganz der Indiskretion Euer Majestät, wir werden keinen Richter brauchen.

DARDONIUS
für sich.

Dieses Mannes Ausdrücke versteh ich nicht. Laut. Ihr Krieger, deren oft bewiesner Mut der Heldenstärke dieses Jünglings weichen muß, sagt selbst, verdient die Tat, daß sie ein Lorbeer lohnt?

ALLE.
Ja, sie verdient es.
SIMPLIZIUS.
Saprament! Einen Lorbeer geben s' mir gar dafür. Da war mir schon eine Halbe Heuriger lieber.
DARDONIUS.
Wohlan, so schmücket ihn damit.

Die Krieger brechen Lorbeerzweige von den Bäumen und winden einen Kranz.
SIMPLIZIUS
zu Ewald.
Sie Freund, soll ich denn das Gesträuchwerk annehmen? Das ist ja nicht zwei Groschen wert.
EWALD.
Was für ein Gesträuch?
SIMPLIZIUS.

Einen Lorbeer wollen s' mir geben. Da war mir ein Spenat noch lieber. Mir scheint, sie wollen mich prellen, was?

EWALD.

Was fällt Ihnen denn ein! Der Lorbeer ist die höchste Auszeichnung, nach der die größten Männer aller Zeiten ja gerungen haben.

SIMPLIZIUS.

Nach den Lorbeer? Nu der muß schön heruntergekommen sein, jetzt nehmen sie ihn schon gar zum Lungenbratel.

EWALD.
Lassen Sie sich doch belehren. Sie rauben ja der Menschheit ihren Adel.
SIMPLIZIUS.
Ist denn die Menschheit von Adel? den Stammbaum möcht ich sehn.
EWALD.
O Vernunft, wie erhöht der Umgang mit den Tieren deinen Wert.
DARDONIUS.
Habt Ihr ihn bereitet?
[488]
EIN HÖFLING.
Hier ist er. Bringt auf einem Schilde den Kranz mit roten Beeren.
SIMPLIZIUS.
Das ist ja nicht einmal ein Lorbeer.
DARDONIUS.
Nun beug dein Knie, ich selber will dich Kronen.
SIMPLIZIUS.
Auf die Letzt Kronen s' mich gar mit Fletsche – petsch. Kniet.
OLIMAR.
Ein unbarmherzges Glück.
DARDONIUS.
In meinem und des ganzen Reiches Namen umwind ich deine Heldenstirn mit diesem Ehrenkranz.
SIMPLIZIUS.
Jetzt bin ich versorgt auf mein Lebtag,Beutelt den Kopf. wenigstens gehen mir die Fliegen nicht zu.
DARDONIUS.
Wie heißest du?
SIMPLIZIUS.
Simplizius!
DARDONIUS.
Das ganze Heer lobpreise diesen Namen.
ALLE KRIEGER.
Hoch leb Simplizius, der Retter unsres Landes.
DARDONIUS.
Steh auf! der Kranz ist dein.
SIMPLIZIUS
steht auf.

Für sich. Die haben mich schön erwischt. Das ist ein undankbares Volk. Ich muß aussehn wie ein Felberbaum.

DARDONIUS.
Und damit du meines höchsten Dankes Wert erkennst, so sollst du Unterfeldherr sein.
SIMPLIZIUS.
O Spektakel. Jetzt nehmen s' mich gar zum Militär. Unterfeldscherer muß ich werden.
EWALD.
Der Mensch bringt mich zur Raserei.
OLIMAR.
Das ist ein äußerst dummer Mensch.
ALLE.
Heil dir, Simplizius!
HÖFLING.
Man bringt den Eber, hoher Fürst.
SIMPLIZIUS.
Was? Nun, den tat ich mir noch ausbitten. Da trifft mich gleich der Schlag.

Sechs Krieger bringen einen ungeheuren Eber auf einer Trage, welch sie in die Mitte der Bühne setzen.
EWALD.
Ein sehenswertes Tier.
SIMPLIZIUS.
Ich schau ihn gewiß nicht an.
DARDONIUS.
Bewundre deine Riesentat.
SIMPLIZIUS.

Ah, das ist schrecklich, er ist schon wieder [489] gwachsen. Zu Ewald. Das Tier nimmt gar kein End. Schauen Sie ihn nur an, mir scheint, er rührt sich noch, er ist nicht tot.

DARDONIUS.
Ergetze dich an deinem Sieg.
SIMPLIZIUS
zu Ewald.

Sie, halten S' mich, mir wird nicht gut, ich verlier meinen Lorbeerkranz aus Angst. Der packt mich an, er hat ein Aug auf mich. Sehen Sie ihn nur an.

EWALD.
So fassen Sie sich doch.
SIMPLIZIUS.

Reden S' nur nicht vom Fassen, sonst ist er gleich da. Ich halts nicht aus. Schreit. Euer Majestät! schaffen Euer Majestät den Eber fort.

MEHRERE HÖFLINGE.
Der König?
SIMPLIZIUS.
Das ist mir alles eins, wegen meiner die Königin. Nur fort mit ihm. Es gschieht ein Unglück sonst.
DARDONIUS.
Was bebst du so?
SIMPLIZIUS.

Aus lauter Kraft, das ist der überflüßge Mut. Eine Lanze! Man reicht ihm eine – leise. Daß ich mich halten kann, sonst fall ich zusamm. Fort mit ihm, nur fort, ich stech ihn noch einmal zusammen, den Saperment, ich kenn mich nicht vor Wut. Beiseite. Und vor Angst.

DARDONIUS.
So bringt den Eber fort. Für sich. Der Mann ist mir ein Rätsel.
OLIMAR.
Spricht so der Mut sich aus, dann bin ich auch ein Held.
DARDONIUS.
Ihr seid gewiß, daß er, nur er, den Eber hat erlegt?
DIE KRIEGER.
Wir sinds.
DARDONIUS.
Das ist mir unbegreiflich.
SIMPLIZIUS
leise zum König.
Mir schon lang.
HÖFLING
leise zum König.
Er ist verstandlos und gemein.
DARDONIUS.

Gleichviel. So lohnen wir die Tat, nicht den, der sie beging. Erhebet ihn und tragt ihn im Triumphe nach dem Tempel. Dort schmückt ihn, wie die Sitte es erheischt. Leb wohl, mein Held, ich folge bald. Die Krieger bilden mit ihren Schildern eine Treppe.

SIMPLIZIUS.

Nein was sie mir für Ehren antun! Zuerst [490] tragen s' die Wildschwein und nachher mich. Da hinauf? Ah, das wird ein Triumph werden, wenn sie mich da herunterfallen lassen. Da werd ich auf meinen Lorbeern ruhen. Steigt hinauf.

KRIEGER.
Es leb Simplizius!
SIMPLIZIUS.

Jetzt haben s' mich auf einen Schild, da heißts beim grünen Kranz. Eine schöne Aussicht hat man da heroben. Nur Obacht geben, sonst heben wir noch was auf. Der Marsch beginnt, man will ihn forttragen – er schreit. He sapperment, ich hab noch was vergessen! halt! die ganze Armee soll halten. Man hält. Euer Majestät, ich bitt auf ein Wort.

DARDONIUS
tritt näher.
Was verlangst du?
SIMPLIZIUS
zu Ewald.

Sie, kommen S' ein bissel her. Euer Majestät erlauben, daß ich Euer Majestät bei meinem Freund aufführ, er wünscht Dero Bekanntschaft zu machen, und aus lauter Triumph hätt ich bald darauf vergessen. Hahaha! Empfehl mich! Zu den Kriegern. Nur vorwärts mit dem Zug.

CHOR
wiederholt.

Dank dem Helden, den die Götter
Mit des Löwen Mut gestählt
Und den zu des Landes Retter
Gnädig waltend sie erwählt.

Alles ab bis auf Dardonius, Höflinge, Ewald. Aloe entfernt sich vom Fenster.
DIE HÖFLINGE.
Ein sonderbarer Mann, ganz unwert solcher Ehre.
DARDONIUS.
Du bist des tapfern Mannes Freund?
EWALD
beiseite.

Was soll ich sagen? Laut. Das bin ich, edler Fürst. Für sich. Die Schande drückt mich fast zu Boden, daß ich des Dummkopfs Freund sein muß.

DARDONIUS.

Er ist ein Held, wie mir noch keiner vorgekommen ist, und hat dem Lande Wichtiges geleistet, drum magst auch du auf die Gewährung eines Wunsches rechnen.

[491]
EWALD.

Es ist ein Wunsch, der sich mit dieses Landes Ehre wohl verträgt. Ich will dein Aug auf deines Reiches höchste Schönheit lenken, die nur bis jetzt in stiller Abgeschiedenheit gelebt.

DARDONIUS.

Bring sie zum Fest, verdienet sie den Preis, soll er ihr nicht entgehen. Doch ungerecht darf ich nicht handeln.

EWALD.

So kühn ist meine Bitte nicht. Nur magst du sie nicht selbst mit einem Kranz von Rosen schmücken, es müßten edle Frauen deines Landes ein Myrtendiadem auf ihren Scheitel drücken.

DARDONIUS.

Es soll geschehen. Find dich nur bald im Tempel ein, denn eh noch Phöbus' Rosse aus Poseidons Fluten trinken, muß unser Fest beendet sein, damit die Nacht, die aller Schönheit Glanz verdunkelt, dem ruhmbedeckten Tag nicht seinen Sieg entreißt.


Geht ab. Die Höflinge folgen.
EWALD.

Es kränkt mein Herz, daß ich dich, edler König, täuschen muß, weil dir ein kühner Augenblick erschütternd zeigen wird, wie sechzig unbarmherzge Jahre der holden Schönheit Bild in Häßlichkeit verwandeln. Geht ab in Aloes Haus.

13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Verwandlung.
Vorhalle in Aloes Wohnung. Im Hintergrunde stützt ein breiter praktikabler Pfeiler mitten das Gewölbe, so daß sich dadurch zwei Öffnungen bilden, wovon der Eingang in die rechter Hand durch eine drei Schuh hohe Balustrade, welche von der Kulisse bis um Mittelpfeiler reicht, geschlossen ist. In dieser Halle, welche im Dunkel gemalt ist, führt eine Seitentür nach Atritiens Zimmer. Die Halle links ist licht, weil sich auf dieser Seite ein Fenster befindet.

ALOE
aus Atritiens Gemach kommend und in dasselbe zurückrufend.

Bleib du nur im Gemache Sie verschließt die Tür. er darf dich noch nicht früher sprechen, bis ich mit meinen Reizen ganz in Ordnung bin. Kniet. Götter! die ihr tausend Himmel ausgeschmückt mit Schönheit habt, öffnet eure Vorratskammer, und das Füllhorn zarter Jugend gießet auf mein Haupt herab. Alles will ich gern erdulden: Werft [492] mich in des Ätna Krater, speit er mich nur schön heraus! Laßt mich tief im Meer verschmachten, kann ich nur aus seinem Schaume hold wie Venus neu erstehn! Schenkt mir Millionen Muscheln, wo nur eine birgt die Schönheit, und ich will sie alle öffnen, bis ich auf die rechte komme. Götter, laßt euch doch erbitten – Halt, der Fremde naht sich schon.

14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Vorige. Ewald.

EWALD.
Nun hier bin ich, schnell zum Werk. Gebieterisch. Bereitet Euch, nun schön zu werden.
ALOE
pathetisch.

Wer wäre dazu nicht bereitet? Erwartung spannet jede Faser, und Ungeduld zersprengt mir noch das Herz.

EWALD.
Kniet Euch nieder.
ALOE.
Nun ich knie.
EWALD.
Steht wieder auf, jetzt seid Ihr schön.
ALOE
steht schnell auf.
Wollt Ihr mich zur Närrin machen, ich seh ja nicht die mindeste Veränderung an mir.
EWALD.

Weil es hier zu dunkel ist, laßt mich erst die Leuchte schwingen. Er schwingt die Fackel und steckt sie in einen Ring des Pfeilers, doch so, daß die Halle links beleuchtet wird, die andere dunkel bleibt. Augenblicklich verwandelt sich Aloe in ein junges, reizendes, rosig gekleidetes griechisches Mädchen, mit weißen Rosen geziert. Nun beseht Euch in dem Spiegel. Er hält ihr einen Handspiegel vor, der auf einem Tischgen liegt.

ALOE.
Nein! unmöglich. Venus blickt aus diesem Glase. Schwört mir, daß ichs selber bin.
EWALD.
Ja, Ihr seids, mein Haupt dafür.
ALOE
plötzlich stolz.

Nun ihr Weiber, die die Welt, blind genug, für schön erklärt, wagt es, euch mit mir zu messen! Bettlerinnen seid ihr alle. Ha, so groß ist meine Freude, daß ich dich umarmen muß.Küßt ihn.

EWALD.

Sie gefällt mir selbst beinah, doch mich kann sie nicht verführen, denn will ich meine Lieb vernichten, lösch ich nur die Fackel aus. Gezogen. Hört mich, schöne Aloe.

[493]
ALOE
entzückt.
Was verlangst du, holder Mann?
EWALD.
Haltet nun auch Euer Wort, weil ich meines hab erfüllt. Laßt Atritien mich sprechen. Ruft sie mir.
ALOE.

Wartet nur, ich hab sie fest verschlossen. Na, die wird vor Galle bersten, wenn sie meine Schönheit sieht.


Sie geht durch die lichte Öffnung des Bogens. Wie sie hinter den Pfeiler tritt, bleibt sie stehen, und eine andere von gleicher Größe, gekleidet wie Aloe als Alte war, geht ohne Pause statt ihr zur Seitentür in der dunklen Halle, schließt sie auf und geht hinein. Wie sie die Tür aufschließt, spricht.
EWALD
lachend.
Haha! Nun ist sie wieder alt, weil sie die Fackel nicht bescheint.

Aloe stürzt aus dem Gemache. Wie sie zu dem Pfeiler kömmt, wechseln die Gestalten.
ALOE.
Wie geht das zu, daß mich Atritia nicht bewundert?
EWALD
für sich.
Das glaub ich gern. Laut. Ihr irrt Euch ja. Ruft. Atritia! komm doch heraus.
ATRITIA
aus dem Gemach, eilt auf Ewald zu, ohne auf Aloe zu achten.
ATRITIA.
Ich komme! es ist seine Stimme. Sag, Fremdling, ist es wahr, soll ich dein Weibchen werden?
EWALD.
So ists! Doch sieh dich um!
ATRITIA.

Ach Himmel, was erblick ich! Das ist die Göttin Venus selbst. Fällt auf die Knie. Nein, solche Schönheit hab ich nie gesehen.

ALOE
triumphierend.
O Labsal! Honig für den Stolz! Da kniet sie jetzt, die mich so oft verlacht.
ATRITIA
hält die Hände zusammen.
Große Göttin, steh uns bei.
EWALD.
Steh auf, es ist nur deine Muhme.
ATRITIA.
Was sprichst du da? Die Muhme?
EWALD.
Sie ists. Ich hab sie so verschönert.
ATRITIA
steht auf.
Die alte häßliche Aloe? Nicht möglich.
ALOE
bricht los.

Du ungezognes Kind, du wagst es, häßlich mich zu nennen? Geh mir aus den Augen, oder ich vergreife mich an dir. Der Ärger bringt mich um.

ATRITIA.

Ja, du hast schon recht, sie ists. So spricht die Göttin Venus nicht. O sag, wirst du mich auch verschönern?

EWALD.
Du bist mir schön genug.
[494]
ATRITIA.
Dann will ich auch nicht schöner sein.
EWALD.

Doch nun leb wohl. Küßt sie. Kehr ich zurück, wirst du mein Weib und folgst mir in mein Vaterland. Lucina! Weih ihr deinen Schutz.

ALOE
noch immer zornig.
Mich alt zu nennen! Du abscheuliges Geschöpf! Droht mit der Faust.
EWALD.
Jetzt mäßigt Euch, der Zorn vermindert Eure Schönheit. Folgt in den Tempel mir.
ALOE
nimmt sich zusammen.

Ja, ich will mich mäßigen, denn meine Schönheit geht mir über alles.

Ich folge Euch. Wieder auffahrend. Aber wenn ich zurückkomme! Zu Ewald. Geht nur voraus, ich bin die Sanftmut selbst. Wieder auffahrend. Gottloses Kind! ich Faßt sich. nein, du sollst mich nicht um meine Schönheit bringen. Geh nur voraus, ich folge sanft – ganz sanft. Trippelt steif und wirft einen wütenden Seitenblick auf Atritien. Mich alt zu nennen! Zittre, wenn ich wiederkomme! Ganz sanft – ganz sanft.


Geht ab.
ATRITIA
allein.
Ach, mein Geliebter ist ein Zauberer.

Wolken fallen vor. Lulu aus der Versenkung.
LULU.
Und willst du ihn darum verlassen?
ATRITIA.
Das tu ich nicht. Er hat auch mich bezaubert.
LULU.
So folge mir. Ich will dich ihm bewahren.

Versinkt mit ihr.
15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt
Verwandlung.
Tempel der Venus. An jeder Seite ein Thron und in der Mitte des Hintergrundes das Bild der Göttin, auf Wolken schwebend, vor diesem einige Stufen. Olimar, Astrachan etc. Priesterinnen der Venus mit goldnen Fackeln. Edle Herren und Frauen von Kallidalos sind im Tempel versammelt. Der König besteigt den Thron rechts.

Kurzer Chor.

Seht, die Göttin ist uns hold,

Lieblich strahlt der Locken Gold,

Und ihr anmutsreicher Blick

Kündet unserm Lande Glück.

[495]
DARDONIUS.

Die Göttin ist uns hold. Sie nahm die Opfer gnädig auf. Nun führt den Helden dieses wichtgen Tags vor meinen Thron.

16. Auftritt
Sechzehnter Auftritt
Vorige. Simplizius, mit einem goldnen griechischen Panzer geschmückt und die große Eberhaut umhängen, wird von Edlen hereingeführt.

SIMPLIZIUS.

Was mit mir alles treiben! Jetzt nähen s' mich mitten im Sommer in eine Eberhaut ein, da möcht einer doch aus der Haut fahren.

DARDONIUS.
Edle Herren und Frauen von Kallidalos, hier steht der kühnste Jäger seiner Zeit.
SIMPLIZIUS.
Ich wollt, ich wärs, ich jaget euch alle davon.
DARDONIUS.

Ihm ward das Glück, das Untier zu besiegen, das unser Land verwüstet hat. Nun könnt ihr kühn den Wald durchstreifen, und eurer Felder Saaten sind durch ihn gerettet.

SIMPLIZIUS.
Aha! Drum haben s' mich zum Feldscherer gemacht.
DARDONIUS.

Schon ruht auf seiner Stirn das Zeichen höchsten Ruhmes, und seine Schultern deckt des Tieres rauher Panzer. Nichts gleichet seinem Mut.

SIMPLIZIUS
für sich.
Mir steigen schon alle Ängsten auf, ich schwitz mich noch zu Tod.
DARDONIUS.
Darum ist meines ganzen Volkes Hoffnung nur auf dich gerichtet.
SIMPLIZIUS
für sich.
Nun, ich gratulier.
DARDONIUS.

Bald wird der Krieg mit Agrigent beginnen und das Schlachtfeld sich mit Kriegern füllen. Besteige jenen Thron und künde selbst, wozu ich dich ernannt.

SIMPLIZIUS.

O verflixt, mir verschlagts die Red, und ich soll eine halten. Ah was, ich red halt einen unzusammenhängenden Zusammenhang, das gfallt oft besser als was Gscheids Steigt auf den Thron und seufzt. Also. Volk über alle Völker hinüber, der König hat mich unters Militär gegeben, und obwohl ich nicht die rechte Maß hab, so fühle ich mich [496] doch über alle Maßen gerührt und so ergriffen, daß ich mich auf meinen Thron hier niederlassen muß, um alles zu verschweigen, was mir meine Bescheidenheit nie zu sagen erlaubt. Setzt sich.

DARDONIUS.

Ich hab zum Unterfeldherrn ihn ernannt. Du bist ein größerer Held, als du ein Redner bist. Nun reicht den Frauen das Myrtendiadem, wie ich es heute angeordnet habe, und laßt die Mädchen um den Preis der Schönheit buhlen.


Schmelzende Tanzmusik.
Zwölf Mädchen, so gekleidet wie Aloe nach ihrer Verwandlung, doch weiße Kleider mit roten Rosen geziert, beginnen anmutige Gruppierungen vor dem Thron des Königs. Endlich bildet die Gruppe ein Tableau, das in seiner Mitte einen Raum läßt, in
welchen Aloe tritt, die während der Bewegungen von Ewald mit der Fackel hereingeführt wurde und die Gruppe schließt.
Ein Knabe bringt den Frauen die Myrtenkrone auf einem Kissen.
DARDONIUS
mit Entzücken.

Jene ists, die einer diamantnen Rose gleich die zarten Perlen überschimmert. Er steigt vom Thron und führt Aloe vor. Ihr Frauen, krönet sie, nur ihr gebührt der Preis.

SIMPLIZIUS
für sich.
Die Alte hat sich ausgewachsen. Jetzt kauft man s' für eine Junge.
DARDONIUS.
Sagt selbst, welch Land hat solch ein Mädchen aufzuzeigen?
DIE MÄNNER.
Erstaunen fesselt unsre Sinne.
SIMPLIZIUS
für sich.
Das ist der schönste Betrug, der mir noch vorgekommen ist.
DARDONIUS.
Warum zögert ihr, geehrte Frauen, ist sie nicht eurer Krone wert? – Pause. Antwortet doch.
DIE FRAUEN.
Ja, sie ist uns –
DARDONIUS.
Was ist sie euch?
SIMPLIZIUS.
Zu schön ist sie ihnen, das ist die ganze Gschicht.
DIE FRAUEN.
Sie ist uns an Schönheit überlegen.
SIMPLIZIUS.
Das hat was braucht, bis das herausgekommen ist. Morgen sind s' alle krank.
DIE FRAUEN
setzen ihr das Diadem auf.
Du, schöner als wir alle, sei des Festes Königin.
[497]
SIMPLIZIUS.
Jetzt kriegt die auch einen Kranz. Der setzet ich was anders auf.

Die Frauen führen Aloe in den Hintergrund auf die Thronstufen und reihen sich zu beiden Seiten.
ALLE.
Heil der Königin des Festes!
SIMPLIZIUS.
Was die heut schreien, das ganze Volk wird heisrig noch.
DARDONIUS.

Simplizius, jetzt kann ich erst nach Würde dich belohnen. Nimm dieses Mädchens Hand. Sie sei dein Weib.

SIMPLIZIUS.
Das alte Weib? Jetzt war ich bald vor Schrecken über den Thron hinuntergfallen. Die nehm ich nicht.
DARDONIUS.
Bist du verwirrt? Dies hinreißende Geschöpf?
SIMPLIZIUS.
Mich reißt sie nicht hin. Ich hab s' in ihrer alten Negligee schon gsehen.
DARDONIUS.
Du mußt sie nehmen. Wenn du nicht dein Amt verlieren willst.
SIMPLIZIUS.

Wegen meiner schon. Steigt vom Thron – für sich. Ich will doch lieber die Feldschererei verlieren, als die Schererei mit der Alten haben.

DARDONIUS.
Wie, du wagst es, dem Gesetz zu widersprechen?
EWALD
leise.
So nehmen Sie sie doch. Verraten Sie nur nichts. Ich leih Ihnen die Fackel.
SIMPLIZIUS.

Hören Sie auf, ich will ein Weib haben, die auch in der Finster schön ist, nicht eine, die man erst illuminieren muß. Laut. Ich nehm sie nicht. Will s' vielleicht ein andrer nehmen?

DIE MÄNNER.
Wie alle sind bereitet, sie zu freien.
SIMPLIZIUS.
Nu also. Reißender gehts weg. Das Weibsbild foppt das ganze Land.
DARDONIUS.

Noch nicht genug. Um zu beweisen, wie man im Kallidalos Schönheit ehrt, erwähl ich selbst zu meiner Gattin sie.

ALLES.
Es lebe unsere Königin!
SIMPLIZIUS.
Jetzt wird s' gar Königin. Das wird ein Jubel sein, wann die regiert.
[498]
DARDONIUS.
Und augenblicklich laß ich mich vermählen.

Aloe macht Zeichen des Entzückens.
SIMPLICIUS.
Der König treibts. Zu Ewald. So löschen S' doch die Fackel aus, er heirat ja die Katz im Sack.
EWALD.
Entsetzliche Verlegenheit. Was soll ich nur beginnen?

Donnerschlag. Das Bild der Venus fällt herab. Lucine ist statt ihr in einer Wolkenglorie sichtbar.
LUCINA.

Die Täuschung geht zu weit, legt ab die Kränze, die euch nicht gebühren. Sie nimmt der unter ihr stehenden Aloe den Kranz, ab, und Simplizius' Lorbeer fliegt ihr in die Hand. Nun fort nach Agrigent.


Ewald und Simplizius verschwinden. Wie die Fackel unsichtbar wird, verwandelt sich Aloe in ihre wahre Gestalt. Das Bild der Venus fällt wieder vor.
ALLES.
Was ist geschehen?
DARDONIUS.
Die Fremden sind verschwunden? Wo ist die Braut, die ich erwählt?
ALOE
auf den Stufen.
Hier bin ich, edelster Gemahl.
DARDONIUS.
Welch häßlich Weib! Wie kömmst du in den Tempel?
ALOE.
Ich bin ja Aloe, die du erwählt. Ich schwörs bei meiner Jugend.
ALLE.
Betrug!
DARDONIUS.
Zauberei! peitscht aus dem Tempel sie. O Scham, vernichte mich! Stürzt ab.

Man reißt Aloe von den Stufen.

Chor.

Hinaus, hinaus, du Ungetüm,
Entweih den Tempel nicht.
Erzittre vor des Königs Grimm.
Auf, schleppt sie vors Gericht.

Sie wird hinausgejagt.
17. Auftritt
[499] Siebzehnter Auftritt
Verwandlung.
Der Wald mit der Pforte der Eumeniden, auf welcher die drei Siegel glühen. Nacht. Mondlicht. Lucine mit den Kränzen. Kreon.

LUCINA.
Komm, mein Kreon, der Sieg ist uns gelungen.
KREON.
So hättest du Unmögliches errungen?
LUCINA.
Bald wird dein Leid die höchste Freude lohnen.
Der Orkus ist beschämt, hier sind die Kronen.
KREON.
Hell leuchten sie, drei Sonnen, durch die Nacht.
Wie schnell flieht Schmerz, wenn uns die Hoffnung lacht.
LUCINA.
Nun knie dich hin und senk dein Aug zur Erd,
Daß es der grause Anblick nicht versehrt.
Denn Rhea ächzet und die Sterne wimmern,
Sehn sie den Dolch der Eumeniden schimmern.

Kreon kniet und beugt sein Haupt. Sie legt die Kränze auf den Opferstein.

Drei Kronen ruhen auf dem kalten Stein.
Ich opfre sie!

Eine Flamme entbrennt auf dem Altar und vermehrt scheinbar die Kränze.

Nun, Flamme, schließ sie ein.
Schmelzt, Siegel, Pforte, öffne deinen Rachen.

Die Siegel verschwinden. Die Pforte springt unter schrecklichem Geprassel auf.

Herauf, herauf, ihre rachedurstgen Drachen!
Blick ja nicht auf, es kostet dich das Leben,
Die Eumeniden nahn –

Das Heulen des Sturmwindes.

Selbst mich ergreift ein Beben.

Sie beugt ihren Leib gegen die Erde.
Klagende Sturmmusik.
Ein blauer Blitz fährt aus der Höhle. Tisiphone, Megäre, Alekto, ganz grün gekleidete Furien, das Haupt mit Vipern umwunden eilen, bläuliche Fackeln und blinkende Dolche schwingend, aus der Pforte.
[500]
ALLE DREI
blicken auf den Mond.
Im tiefen Ton.
Der Mond, der Mond, er scheint zur rechten Stunde.
Wacht auf, wacht auf, die Rache hält die Runde.

Sie gehen gemeßnen Schrittes über die Bühne.
LUCINA.
Es ist geschehn, bald ist dein Feind gerichtet
Und so der Streit mit banger Welt geschlichtet.
Nun folg, es harren dein auf mein Geheiß
Die Edlen all im liebverschlungnen Kreis.
Von tausend Lampen schimmert dein Palast,
Der kaum den Jubel seiner Gäste faßt.

Beide ab.
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Verwandlung.
Die goldgezierte runde Marmorhalle, das Schlafgemach Phalarius', durch zwei kerzenreiche Kandelaber erleuchtet. An der Seite sein Lager, neben diesem brennt auf einem Postament eine Lampe. Gegenüber eine Pforte von Ebenholz.
Phalarius tritt auf, hinter ihm Antrokles tief gebeugt.

PHALARIUS.
Laßt sehn, wie lang mein stolzer Nachbar sich noch brüstet.
Wo sind die Feldherrn? Ist mein ganzes Heer gerüstet?
ANTROKLES.
Es harret mutentbrannt der Krieger rüstge Schar.
PHALARIUS
lachend.
Vergebens glüht der Mut, vermeidet ihn Gefahr.
Nun löscht die Lichter aus, laß Dunkelheit herein.
Entfern dich dann.

Beiseite mit Grimm.

Und überlaß mich meiner Pein.

Antrokles löscht die Lichter aus bis auf die Lampe, beugt sich tief und geht bangend ab. Das Gemach
wird finster.
PHALARIUS
allein.
Ein kluger Hauswirt schließt des Nachts die Tür.
Ich ahm es nach –

Schließt.

So. Nun bin ich allein mit mir.

Erschrickt.

Allein? Ein falsches Wort. Wer kann das von sich sagen?
Schickt nicht die Einsamkeit Gedanken, die uns plagen?
[501] Was sind Gedanken, die im Aufruhr sich versammeln,
Das Hirn bedrohn und der Vernunft das Tor verrammeln?
Gemeiner Troß ists, auf den man nicht achten muß.
Der König der Gedanken ist nur der Entschluß,
Drum hab ich es auch fest mit Marmorsinn beschlossen,
Wie Phöbus groß und hehr mit feuersprühnden Rossen
Des Himmels Reich durchzieht auf goldnem Strahlenwagen,
So will ich durch die Erd das Licht der Krone tragen.
Die Sonn am saphirblauen Zelt glänz nicht allein,
Ich will die zweite auf smaragdnem Grunde sein.
Von Äthiopiens Sand, wo glühnder Samum hauset,
Bis an des Nordpols Eis, wo Boreas erbrauset,
Muß mein Panier mit weithinschaundem Stolze prangen.
Poch ruhiger, mein Herz, gestillt wird dein Verlangen.

Er legt die Pantherhaut und seine Waffen ab, doch die Krone nicht, und streckt sich aufs Lager.

Besuch mich, falscher Schlaf, der selten mein gedenkt
Und sich nur gern auf kummerlose Augen senkt.
Verlisch, o Lampe, lischt doch einst die Sonne aus,
Dann wird es finster sein im großen Weltenhaus.

Er löscht die Lampe aus. Augenblicklich sieht man bei seinem Haupte Drei Glühendrote Geister sitzen, welche unverwandt nach seiner Krone blicken. Sie sind früher hinter dem Ruhebette verborgen und heben erst jetzt zugleich ihre Häupter. Pause.

Wie ecklich still! – Was war das Leben ohne Streit?
Die Scheide ohne Schwert –

Schrickt auf.

Wer da?

Erblickt die Geister.

Ha ihr! Auch heut?
DIE DREI GEISTER
zugleich, eintönig und hohl.
Wir bewachen die Krone mit Uhusblick.
Schlaf ruhig, schlaf ruhig, nichts störe dein Glück.
PHALARIUS
laut auflachend.
Mein Glück! Wie bin ich doch so glücklich nun durch euch.
Der Wunsch verarmt, ist die Erfüllung überreich.
O Wahn, der über Leides Abgrund Brücken baut,
Weh dem, der ihrem luftgen Bogen keck vertraut!
[502] Verzweiflungsvolles Glück, das selber sich entleibt!
Du machst mich arm, daß mir nichts als die Krone bleibt.
Die Kron? Beim Styx, ich will sie fürchterlich benützen,
Verderben soll von ihren glühnden Zacken blitzen.
Ich räche meine Qual, wer will mich daran hindern?

Es pocht an die Pforte.
ALEKTO
dumpf.
Der Eumeniden Dolch!
MEGÄRA.
Vernichtung allen Sündern!
DIE DREI GEISTER.
Die Eumeniden hier! Der Orkus hat geendet.

Verschwinden.
PHALARIUS
springt auf.
Wer pocht so frech, sag an, wer dich so spät noch sendet?

Leises Pochen.
ALLE DREI.
Mach auf, fein Königlein, wir wünschen dich zu sprechen.
PHALARIUS.
Was wollt ihr mir?

Die Tür springt mit einem Donnerschlage auf.
ALLE DREI
treten zugleich ein.
Wir strafen dein Verbrechen.
PHALARIUS
entsetzt.
Ha, die Erinnyen!
ALLE DREI.
Bereu! du mußt erbleichen.
PHALARIUS.
Die furchtbar Rächenden!
ALLE DREI.
Die jede Tat erreichen.
PHALARIUS.
Zurück, verfluchte Furien! mich schützt die Kron.
ALEKTO.
Sie schützt dich nicht. Der Orkus schweigt. Denk an Kreon!
[503]
PHALARIUS.
Ich hasse ihn wie euch.
TISIPHONE.
Denk an Aspasien!
MEGÄRA.
An Brand von Agrigent!
ALEKTO.
Gedenk! Du mußt vergehn.

Sie drängen ihn aufs Lager.
PHALARIUS.
Ich denke nichts als Blut.
ALEKTO.
So denk an blutgen See!

Ein Teil der Kuppel stürzt ein, so daß sich ein rund ausgebrochnes Loch zeigt, durch welches der Vollmond aufs Lager scheint.
PHALARIUS.
Weh mir! des Mondes Strahl.

Die Erinnyen senken ihre Dolche in seine Brust.
ALLE DREI.
Vergeh! vergeh! vergeh!

Pause, während welcher sie in die Mitte des Theaters treten.

Der Mond, der Mond, er schien zur rechten Stunde.
Ihr Sünder bebt, die Rache hält die Runde.

Gehen gemeßnen Schrittes ab.
HADES
aus der Versenkung, naht sich langsam dem Lager Phalarius'.
HADES
feierlich.
Gib mir zurück die Kron, du bleiches Heldenhaupt.

Er nimmt sie ihm ab.

Da liegt der stolze Baum, zersplittert und entlaubt.
Hell glänzt die Kron, nun will die gierge Welt ich fragen:
Wo ist der Kühne wohl, der sie nach ihm will tragen?

Versinkt.
19. Auftritt
[504] Neunzehnter Auftritt
Verwandlung.
Reichverzierter, mit Spiritusflammen aus goldnen Lampen aller Art hell erleuchteter Thronsaal. Der Thron befindet sich in der Mitte des Hintergrundes. Durch die Säulen des Saales sieht man in einen reizenden, ebenso beleuchteten Garten.
Kreon auf dem Thron. Alle Edlen seines Reiches umgeben ihn jubelnd. Im Vordergrunde auf der einen Seite Lucine, Atritia. Auf der entgegengesetzten Ewald mit der Fackel und Simplizius. Zwei Genien, die auf einem Kissen eine Krone tragen. Triumphmusik.

ALLES.
Dank den Göttern! Ewges Glück unserm teuern König Kreon!
KREON.

Heil meinen edlen Freunden. Es stürmt mein Herz, mein Auge perlt Freude. Nehmt eures Königs frohen Dank, der sich in eurer Mitte überglücklich fühlt.


Alles kniet in schönen Gruppen um den Thron.
ALLES.
Heil unserm guten König!
EWALD.
Arme Fackel, deine Macht ist übertroffen, an diesem Anblick kannst du nichts verschönern.
SIMPLIZIUS.
Das ist mir der liebste König von allen, die ich heut noch gsehen hab.
KREON.
Doch nun laßt uns der holden Göttin danken, die Thron und Reich gerettet hat.
ALLES.
Der hehren Göttin Dank.
LUCINA.
Sei glücklich, mein Kreon, Phalarius ist nicht mehr.

Nimmt den Myrtenkranz.

Nimm diese Kron von liebgepaarten Myrten,
Laß die die edle Stirne zart umgürten!
Durch sie wird dein Gemüt nie Leid betrüben
Und stets wird dich dein Volk mit Treue lieben.
KREON.
Verzeih, Lucin, ich darf die Kron nicht nehmen.
Nimm sie zurück, sie würde mich beschämen.
Es soll auch ohne Zauber mir gelingen,
Die Liebe meines Volkes zu erringen.
Und drückt es Leid, in unglücksvollen Tagen
Ist es des Königs Pflicht, mit ihm zu klagen.
[505]
LUCINA
zu Ewald, welchen sie Atritien zuführt.
Nimm sie, zum Lohn, Atritias Hand und Herz sei dein.
Benütze klug der Wunderfackel rosgen Schein.
Du kannst von deinem Glück nichts Höheres erheischen,
Die eine liebt dich wahr, die andre wird dich täuschen.
SIMPLIZIUS.
Wenns nicht etwa umgekehrt ausfallt.
LUCINA.
Und nun zu dir, Simplizius.
SIMPLIZIUS.
Jetzt kommts auch über mich.
LUCINA.
Du warst ein willig Werkzeug meiner Macht. Dich wird der König hier auch nach Verdienst belohnen.
SIMPLIZIUS.
Auf d' Letzt setzen s' mir noch einen Lorbeer auf.
KREON.
Man zahl ihm tausend Goldstücke aus.
SIMPLIZIUS
beiseite.

Ich habs ja gleich gsagt, daß mir das der liebste ist. Laut. Ich küß die Hand, Euer Majestät. Beiseite. Jetzt richt ich eine Schneiderwerkstatt auf und heirat die Göttin. Das wird ein himmlisches Leben werden.

KREON
zu Ewald.
Dich, Fremdling, werde ich stets an meinem Hofe ehren und durch ein Amt belohnen.
EWALD.
Mein großer König, Dank.
LUCINA.
Mögt ihr doch lange noch verdientes Glück besitzen,
Lucine wird euch stets mit Huld und Lieb beschützen

Ein rosiges Wolkenlager senkt sich nieder, von Genien umflogen. Lucine legt sich in zarter Stellung auf dasselbe und schwebt in die Luft. Kreon besteigt den Thron, alles gruppiert sich. Griechische Tänzer
und Tänzerinnen führen Gruppen aus, von folgendem Chor begleitet.

Chor.

Schmückt mit Freude diese Hallen,
Laßt des Jubels Ruf erschallen.
Heil Lucine! Heil Kreon!
Tugend findet froh den Lohn.

Ende.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Raimund, Ferdinand. Dramen. Die unheilbringende Zauberkrone. Die unheilbringende Zauberkrone. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8BBD-D