François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
(Gargantua et Pantagruel)

Erstes Buch

[Den Lesern]
Den Lesern.

Ihr Leser dieses Buches lobesan

Thut ab von euch Affect und Leidenschaft,

Und wann ihrs leset, ärgert euch nicht dran:

Denn es kein Unheil noch Verderben schafft.

Die Wahrheit zwar zu sagen, musterhaft

Ist wenig drinn, wenn wir nicht Lachen meinen.

Den Text erwählt mein Herz, und weiter keinen.

Seh ich den Kummer, der euch nagt und frißt,

Handl ich von Lachen lieber denn von Weinen,

Dieweil des Menschen Fürrecht Lachen ist.

[3]
Des Authors Prologus
Des Authors Prologus.

Sehr treffliche Zecher, und ihr meine kostbaren Venusseuchling, (denn euch und sonst niemandem sind meine Bücher zugeschrieben) Alcibiades, in dem Gespräch des Platon die Zech betitelt, sagt unter anderen Reden zum Lob seines [4] Meisters Sokrates, welcher ohnstreitig der Weltweisen Kaiser und König war, daß er sey gleich den Silenen gewesen. Silenen waren vor diesem kleine Büchslein, wie wir sie heut in den Läden der Apotheker sehen, von außen bemalet mit allerlei lustigen, schnakischen Bildern, als sind Harpyen, Satyrn, gezäumte Gänslein, gehörnte Hasen, gesattelte Enten, fliegende Böck, Hirschen die an der Deichsel ziehen, und andre derley Schildereyen mehr, zur Kurzweil konterfeyet um einen Menschen zu lachen zu machen: wie denn des guten Bacchus Lehrmeister Silenus auch beschaffen war. Hingegen im Innersten derselben verwahrt' man die feinen Spezereyen, als Balsam, Bisam, grauen Ambra, Zibeth, Amomum, Edelstein und andre auserlesne Ding. So, sagt er, wär auch Sokrates; weil ihr denselben von aussen betrachtend und äusserm Ansehn nach schätzende, nicht einen Zwiebelschelff für ihn gegeben hättet: so häßlich war er von Leibesgestalt, so linkisch in seinem Bezeigen, von Spitznas, Augen wie eines Stieres Augen, Narren-Antlitz, einfältiger Sitten, bäurisch in Kleidung, arm an Vermögen, bey Weibern übel angesehen, untauglich zu allen Aemtern im Staat, immer lachend, immer Jedem zutrinkend, immer Leute foppend, immer und immer Versteckens gespielt mit seiner göttlichen Wissenschaft. Aber, so ihr die Büchs nun eröffnet, würdet ihr inwendig funden haben himmlisch unschätzbare Spezereyen: einen mehr denn menschlichen Verstand, wunderwürdige Tugend, unüberwindlichen Standmuth, Nüchternheit [5] sonder gleichen, feste Genügung, vollkommenen Trost, unglaubliche Verachtung alles dessen darum die sterblichen Menschen so viel rennen, wachen, schnauffen, schiffen und rauffen.

Wohin (denkt ihr in euern Gedanken) zielt doch dieß Vorspiel, dieser Probschuß? Dahin, daß ihr meine guten lieben Jüngerlein und etlich eurer Mitmaulaffen, wann ihr die lustigen Titel etlicher Bücher von unsrer Erfindung leset, als: Gargantua, Pantagruel, Stürzbecher, die Würdigkeit der Hosenlätz, von Speckerbsen cum commento etc., allzuleichtfertig urtheilt es werd darinnen nichts abgehandelt als eitel Spottwerk, Rarreteiden und lustige Lügenmährlein, hinsichts ihr äusserlich Sinnschild (das ist der Titel) ohn weitre Untersuchung gemeinlich für Possen und Schimpff geachtet wird. Aber also leichtfertiglich ziemt sich nicht Menschenwerk abzuschätzen; denn ihr pfleget doch selbst zu sagen, daß das Kleid nicht den Mönch mach, und ist mancher verkappt in eine Mönchskutt, der innerlich wenig vom Mönchthum weiß; geht auch wohl mancher im spanischen Mantel, dem sein Sinn nimmer nach Spanien stehet. Derhalb soll man das Buch recht aufthun und was drinn ausgeführt sorglich erwägen. Dann werd ihr merken daß die Spezerey drinn wohl von einem andern und höheren Werth ist, als euch die Büchs verhieß: will sagen, daß die hie beregten Materien nicht allerdings so thörigt sind, als es die Ueberschrift vorgeschützt.

Und auf den Fall gesetzt daß ihr auch im buchstäblichen Sinn genugsam lustige Ding anträfet und die sich wohl zum Namen schickten, sollt ihr doch gleichwohl hieran nicht hafften bleiben wie am Sirenen-Sang, sondern vielmehr im höheren Sinn auslegen was ihr vielleicht nur Scherzes halber gesagt zu seyn vermeinet hattet. Zogt ihr auch je einer Flaschen den Pfropf aus? Ei potz Zäpel! so denket zurück [6] wie ihr euch dazu angestellet. Oder sahet ihr je einen Hund, wann er ein Markbein am Wege fand? Dieß ist, wie Plato Lib. 2 de Rep. schreibt, das philosophischste Thier der Welt. Wenn ihrs gesehen habt, habt ihr wohl merken können wie andächtig er es verschildwachtet, wie eifrig ers wahrt, wie hitzig ers packt, wie schlau ers anbricht, wie brünstig zerschrotet, wie emsig aussaugt. Wer treibt ihn an also zu thun? Was ist die Hoffnung seiner Hundsmüh? Was vermeinet er hieraus guts zu erlangen? Nichts weiter als ein wenig Mark: wenn schon in Wahrheit dieses Wenig weit köstlicher denn alles Viel der anderen Ding ist, in Obacht das Mark eine Nahrung, so zur Vollkommenheit der Natur ist erwirket worden, wie Galenus spricht III. facult. nat. et XI. de usu partium.

Nach dessen Fürbild nun ziemet euch Klugheit, daß ihr fein riechen, wittern und schätzen mögt diese edeln Schrifften vom dicken Schmeer, die man zwar leichtlich pürschen mag, schwer aber treffen: dann mittelst fleißigen Lesens und steter Betrachtung das Bein erbrecht und den substantialischen Mark draus sauget, dieß nämlich was ich unter diesen Pythagorischen Symbolis verstanden hab, in gewisser Hoffnung daß euch solch Lesen witzigen und erleuchten wird. Denn ihr sollt wohl einen anderen Schmack und tiefverborgenere Lehr drinn finden, die euch höchstüberschwengliche Sacrament und schaudervolle Mysterien offenbaren wird, beydes was unsre Religion, als Welt-und Regentenstand, wie auch die Hauszucht angeht.

Glaubt ihr auch wohl, auf euern Eyd, daß Homerus, als er die Ilias und Odyssee schrieb, jemals an die Allegorien gedacht hab die aus ihm auskalfatert Plutarchus, Eustathius, Phurnuthus, Heraklides Ponticus und was [7] aus ihnen Politian gestohlen hat? Wo ihr es glaubt, kommt ihr weder mit Händen noch Beinen zu meiner Meinung die besagt, daß dem Homero dergleichen so wenig im Traum erschienen als dem Ovid in seinem Metamorphosen die evangelischen Sacrament, wie sie ein Bruder Hans Laff und wahrer Speckschnäppel sich drinn zu erweisen gemartert hat, ob er vielleicht mehr Narren wie Er, und wie man spricht, Deckel auf seinen Topf fänd.

So ihr es aber nicht glaubt, ey was wehret euch mit dieser muntern und neuen Chronik nicht eben auch also zu thun? Wiewohl Ich, derweil ichs dictirt, so wenig drauf gedacht hab als ihr, die ihr wohl trinkt so gut als ich. Denn ich mit Stellung dieses sehr herrlichen Buches kein ander noch mehr Zeit verthan noch verdorben hab als die ich mir zu Einnahm meiner Leibesnahrung fürbestimmt hätt, nämlich während Essens und Trinkens. Auch ist dieß just die rechte Stund, da man von so erhabenen Dingen und tiefen Scienzien schreiben soll.

Wie sich gar wohl darauf verstanden Homerus, der Spiegel aller Schrifftgelahrten und Ennius, der lateinischen Poeten Ziehvater; wie Horaz bezeuget: wenn schon ein Mollkopf behaupten will daß seine Vers mehr nach Wein denn nach Oel röchen.

Dergleichen sagt nun ein Thier-Lupin auch von meinen Büchern. Aber ich ach ihn einen Quark. Weingeruch, o [8] wie weit nützlicher, schützlicher, kützlicher, himmlisch holdseliger ist er doch als des Oeles! Und werd mirs zu keinem geringern Ruhm anrechnen, daß man von mir sag ich hab in Wein mehr aufgehn lassen denn in Oel, als Demosthenes thät, da man ihm nachsagt' er hätt in Oel mehr verthan denn in Weine. Ich für mein Theil kann nur Ehr und Ruhm davon haben, so man mich für einen guten Schlucker und Kunden mit gelten und laufen läßt. Bin unter dem Namen gern gesehen bei allen guten Pantagruelsbrüdern. Dem Demosthenes hats ohnhin ein Sauertopf längst vorgeruckt daß seine Reden wie eines alten garstigen Oelhökers Kram-Plan röchen. Derhalb legt meine Wort und Werk zum allervollkommensten aus, habt Ehrfurcht vor dem käsförmigen Cerebro das euch mit diesen schönen Schaumbläslein ätzet und, so viel an euch, bleibt mir fein allzeit guter Ding.

Nun so erlabt Euch dran, lieben Schätzlein: lests fröhlig all zu Leibestrost und Nierenfrommen. – Buescht! Hundsfisli! daß euch der Wolf ins G'säß schlag! Wollt ihr mir gleich mein Gottslohn trinken? Ich werd euch auch plötzli Bschaid thun.

Erstes Kapitel
[9] Erstes Kapitel.

Von des Gartantuä Antiquität und Stammbaum.


Ich verweis euch auf die grosse Pantagruelinen-Chronik, so ihr die Antiquität und Stammbaum daraus Gargantua uns entsprossen, wollt kennen lernen. Aus selbiger werd ihr mit mehrem ersehen wie die Riesen in diese Welt sind kommen, und wie von ihnen in grader Lini abgesprungen Gargantua der Vater des Pantagruel. Werd euchs auch nicht verdriessen lassen wenn ichs für dießmal übergeh; obschon die Sach von der Art ist daß sie, je mehr man ihrer erwähnt, Euern Gestrengen desto besser gefallen müßt: wie ihr dafür das Ansehen Platos in Philebo et Gorgia habt, deßgleichen Flacci welcher sagt daß etliche Ding (wie denn ohn Zweifel dieß hie eins), immer ergötzlicher würden je öfter man sie erzählt und wiederhohlt.

Wollt Gott, ein jeder wüßt seinen Stammbaum so eigens vom Kasten Noä bis diese Stund! Ich halt dafür es sind ihrer Mehre heut zu Tag Kaiser, Könige, Herzöge, Fürsten und Päpst auf Erden, welche von einigen Bettelbriefträgern und Ballenbindern das Leben haben. Und wiederum Mehre sind Spittel-Pracher, elende Lumpen und Hungerleider die [10] vom Geschlecht und Blute grosser König und Kaiser entsprossen sind, hinsichtlich der erstaunlichen Versetzung der Staaten und Königreich;


Assyriens in Medien,
Mediens in Persien,
Persiens in Mazedonien,
Mazedoniens in Rom,
Roms in Griechenland,
Griechenlandes in Frankreich.

Und daß ich mich, der ichs euch sag, allein zu einem Exempel aufwerf, so glaub ich gänzlich daß ich etwann von einem reichen König oder Fürsten der Vorzeit herkomm: denn ihr habt euer Lebelang keinen Menschen gesehen der einen stärkern Trieb König und reich zu seyn in ihm verspürt hätt, als mich: auf daß ich auch im Saus könnt leben, nix schaffen noch sorgen dürft, und meine Freund und alle fromme geschickte Leut daneben auch stattlich reich machen möcht. Aber ich tröst mich wiederum damit: ist es nit hie, so ist es dort; ja wohl weit mehr als ich mir itzo zu wünschen erkühnt. Tröstet auch ihr euch in euerm Unglück mit diesem, oder besseren Gedanken, und ist es thunlich, habt allzeit frisches Getränk bei euch.

Itzt wieder auf unsre Hammel zu kommen, sag ich: daß uns durch höchste Schenkung des Himmels die Antiquität und Stammbaum Gargantuä vollständiger ist erhalten worden als eine, ohn des Messias Stammbaum, von welchem ich nicht sprechen mag, denn es geziemt mir nicht: auch sind die Teufel (das ist die Kuttner und Blaustrümpf) dawider. Und ward gefunden durch Hans Audeau auf einer Wiesen, so er hätt unweit der Gualeauer Schleussen unter Olive auf der Seit gen Narsoy. Wie der die Gräben dort stechen ließ, da stiessen die Gräber mit ihren Karsten auf ein grosses Grab von Erz; lang ohne maasen, denn sie konnten nimmer [11] ein End davon finden, weil es bis weit in die Vienner Gemarkung strich. Als sie solches an einem Ort erbrochen hatten, worüber ein Becher sculpiret war und mit hetrurischen Lettern rings umhergeschrieben HIC BIBITVR, fanden sie da neun Flaschen in der Ordnung stehen wie man die Kegel in Gasconien zu setzen pflegt, und unter deren mittelster lag ein klein graugrün, artig, schartig, ziemlich schimmelig Büchlein, das stärker den Rosen, aber nicht besser roch.

In selbigem hat man ermeldten Stammbaum der Läng nach mit Canzellarschrift geschrieben funden, nicht auf Papier, noch Pergamen, auch nicht auf Wachs, sondern geschrieben auf Ulmenrinden, wenn schon für Alter so abgenützt, daß man davon mit Müh drey Ziffern in gleicher Reih gewahren mocht.

Ich nun (wiewohl der Ehr unwürdig) ward dazu hin erfordert: da ich sodann mit guter Brillenhülf die Kunst des Aristoteles wie man unscheinbare Lettern lieset, ausgeübt unds so wie ihr hie sehen könnt, verdollmetscht hab zum Frommen aller Pantagrueleser, das ist frisch netzender froher Leser der schauderhaften Pantagruelsthaten. Am End des Buchs stund ein Traktätlein, der antidotirete Firlfanz betitelt. Die Ratten und Matten, oder (daß ich nicht lüg) andere mißgünstige Thier hatten den Anfang davon vernaget. Das andre hab ich hie untergestellt dem alten Schwärtel zu Lieb und Ehren.

Zweites Kapitel
Zweites Kapitel.

Der antidotirete Firlfanz,

in einem alten Begräbniß funden.


O, i?.. am der grosse Bändiger der Cimbern
: : ; . ugs durch die Luft, weil ihn der Thau verdroß.
[12]
≡ er erschien, thät man die Trög beklümpern
: ! . frischer Butter, die mit Mulden goß:
Davon die grosse Mutter überfloß
Und schriee laut und bat ihn aufzufangen,
Da der Morast ihm schier zu Bärten schoß;
Ihm mindestens zu reichen eine Stangen.
Die einen schrien, ihm den Pantoffel lecken
Wär besser denn um Ablaß sich bemühn:
Allein da kam der listigste der Gecken
Zum Loch herfür, wo man fischt Kresselin,
[13]
Der sprach: Um Gott, Herrn! laßt ihn nicht entfliehn!
Hie ist der Aal, und steckt in dieser Pfütze:
Dort unter seinem Krägel, merkt auf ihn!
Da findet ihr die grosse Tiras-Mütze.
Wie er itzt sein Kapitel wollt beginnen
Fand sich nichts drunter als ein Kalbsgeweih.
Mir ist, sprach er, in meiner Miter drinnen
So kalt, sie druckt auf mein Gehirn wie Bley.
Man wärmt ihn drauf mit Rüben-Spezerey,
Da ließ er sichs am Feuerheerd gefallen,
Wofern ein frischer Gaul vorspännig sey
Den vielen Leuten die die Fäuste ballen.
Ihr Handel war um Patricks heilig Loch,
Gibraltar, und viel tausend andre Hölen,
Ob sie sich wohl vernarben liessen noch
Durch ein Rezept dieß Husten abzustellen:
Weil ihr Bejähnen aller Wind und Wellen
Doch einen jeden baß verdriessen sollt;
Und könnte man sie wohl als Geissel stellen,
Wenn man dereinst hinlänglich sie versohlt.
Auf solchen Schluß rupft Herkules den Raben,
Herkul, aus Lybien kam er eben an.
[14]
Was! sagte Minos, will man mich nicht haben?
Die ganze Welt, nur mich nicht bittet man:
Und soll mich dann noch erlustiren dran
Mit Austern und mit Fröschen sie zu speissen?
Ich sey verdammt, wird, weil ich athmen kann,
Ihr Kunkel-Markt je von mir gut geheissen.
Q. B. kam sie zu bläun, der lahme Peter,
Im Freygeleit staarköpfger Mystenbrut.
Der Worfelnde, des Groß-Cyklopen Vetter
Zerdrasch sie: jeder schneuze seine Schnut.
Nur wenig Buker zeugt dieß Hufengut,
Die in der Lohmühl nicht gewippet wären.
Lauft alle her, schlagt Lärm, seyd auf der Huth!
Man wirds euch besser denn vorm Jahre lehren.
Nach kurzer Frist gedachte Jovis Aar
Sich mit dem Part der Schlechten zu gepaaren;
Doch als er sah wie schwer ergrimmt man war,
Sorgt' er das Reich möcht in die Pilze fahren,
Und riß vom Schrein der Pökelheringswaaren
Des Empyräums Feuer lieber fort,
Eh er die heitre Luft die man verfahren,
Ließ beugen unter Masoreten-Wort.
[15]
Auf Schwertes Spitze kam der Pact zu stehen
Trotz Até, die sich reigerbeinig dünn
Dort niedersetzt, da sie Penthesileen
In ihrem Alter als Kreßhökerinn
Geehrt sah. Schlechte Kohlenbrennerinn!
Rief männiglich, ziemt dir umherzuhetzen?
Das Römer-Banner raubtest du dahin,
Das man gemacht nach Pergamentes Sätzen.
War Juno nicht, die unterm Himmelsbogen
Mit ihrem Herzog Lockepfeiflein blies,
Man hätt ihr einen bittern Hieb gezogen,
Der ihr am Leib kein ganzes Glied verhieß.
Die Abkunft war, daß sie aus dem Gemüß
Zwo Eyer der Proserpina empfinge,
Und, wo sie wieder sich betreten ließ,
Am Hagedorngebirg in Banden hinge.
Nach sieben Monden, zweiundzwanzig ab,
Geschahs das Der Karthago einst zerstöret,
Manierlich sich in ihren Kreis begab,
Sein Erbtheil fordernd so ihm angehöret;
Zum mindest Theilung unverkürzt begehret
Nach dem Gesetz das Niet und Nagel hält,
[16]
Auch von der Brüh ein weniges verehret
Den Kleppern die das Breve ausgestellt.
Doch kommt das Jahr mit einem Türken-Bogen,
Fünf Spindeln, drey Topfböden auch signirt,
Da einem König der zu ungezogen,
Im Klausner-Rock das Kreuz gepfeffert wird.
O Schmach! Um einen Esauspelz verführt
Wollt ihr so viele Morgen sehn verschlingen?
Laßt ab, laßt ab! den Mummschanz detestirt.
Zum Schlangen-Bruder müsset ihr entspringen.
Nach diesem Jahr herrscht friedsam Der da ist,
Mit seinen guten Freunden immerdar;
Da wird kein Trutz mehr seyn noch böser Zwist,
Ein jedes fromme Wünschen macht sich wahr.
Die Hülfe so vordem verheissen war
Dem Volk des Herrn, wird nahn mit Sturmesläuten:
Dann wird die jüngst gescheuchte Mären-Schaar
Wie Königszelter im Triumphe schreiten.
Und diese Zeit der Hokuspokus währt
Bis Mars in Angeln wird gebunden schleichen:
Dann kommt ein Mann der über Alle fährt,
Anmutig, schön, holdselig sonder gleichen.
Nun Herz gefaßt! Ringt nach so süssen Feigen,
Ihr meine Treuen! Mancher ist dahin
Der sich um Gold nicht wieder würde zeigen:
So wird alsdann die alte Zeit beschrien.
Zu guter Letz wird man am Haspenband
Den Wächsernen zum Glocken-Fritz quartieren:
[17]
Nicht mehr hinfüro wird Herr! Herr! genannt
Hans Bumbaum der den Bottich pflegt zu führen.
Hui! Wer nur seinen Fochtel dürfte rühren!
Mit allem Hirn-Geschelle wär es aus,
Und könnte man mit Packdraht gar verschnüren
Der Narreteiden ganzes Vorrathshaus.
Drittes Kapitel
Drittes Kapitel.

Wie Gargantua eilf Monden im Mutterleibe getragen ward.


Grandgoschier war zu seiner Zeit ein guter Schäker, liebte sowohl als irgend einer damals auf Erden, rein auszutrinken, und aß gern Gesalzenes. Zu dem End führt' er für gewöhnlich einen ganzen Schub Mainzer und Bayonner Schunken, Rauch-Zungen die schwere Meng, Würst im Ueberfluß wann die Zeit war, und gepökelt Rindfleisch mit Mustrig: Lasten vvn Botargen, Salsuzen-Vorrath, nicht Bologneser (denn er scheut' sich vor den Lombardischen Mundbißlein) sondern von La Brene, Bigorre, von Longaulnay und von Rouargue. Als er zu seinen Tagen kommen, nahm er zum Weibe [18] Gurgelmilten, die Tochter des Königs der Millermahler, ein schönes Trüserle, hübschen Visiers, und machten die Beyden öfters zusammen das Thier mit zween Rücken, rieben sich den Speck an einander lustiglich, bis sie von einem schönen Sohne schwanger ward, und denselben trug bis in den eilften Monat.

Denn so lang und länger können die Weiber Leibesfrucht tragen, insonderheit wenn es ein Wunderwerk der Natur ist, und eine Person die ihrer Zeit mannhafte Thaten verüben soll. Wie Homer sagt daß das Kind womit Neptunus die Nymph beschwängert, zur Welt kam, nachdem ein Jahr herum war: dieses war aber der zwölfte Monat. Denn (wie Aulus Gellius Lib. 3. spricht) war diese lange Zeit der Majestät Neptuni schicklich, damit in selbiger das Kind zur Vollkommenheit kam und gebildet wurde. Aus gleichem Grund ließ Jupiter die Nacht da er Alkmenen beywohnt', an achtundvierzig Stunden dauern, weil er in einer kürzern Zeit den Herkules, der unsre Welt von Tyrannen und Bestien säuberte, nicht hätte fabriziren mögen.

Die alten Herren Pantagruelisten haben bestätigt was ich sag, und haben das Kind das eine Frau im eilften Monat nach ihres Mannes Tod gebieret, nicht nur für möglich, sondern für rechtmäßig erkannt:

Hippokrates Lib. de Alimento.

Plinius Lib. VII, Cap. 5.

Plautus in Cistellaria.

Marcus Varro in der Spottschrift das Testament betitelt, wo er des Aristoteles Autorität über diesen Punkt citiret.

Censorinus Lib. de die natali.

Aristot. Lib. VII. Cap. 3. et 4. de natura Animalium.

[19] Gellius Lib. III. Cap. 16. Servius in Ecl. IV. wo er den Vers des Virgilius auslegt:


Matri longa decem, etc.


und andre tausend Fantastenköpf mehr, deren Anzahl noch durch die Legisten verstärkt wird ff. de suis, et legit. l. intestato. § fin. Et in authent. de restitut. et ea quae parit in undecimo mense.

Ja haben noch expreß darüber ihre speckhäklicheLex geschmieret: Gallus ff. de lib. et posthum. et l. septimo ff. de stat. homin. nebst andern die ich für itzt nicht nennen mag.

Mittelst welcher Gesetz die Wittwen nach ihrer Männer Hinschied ganzer zween Monat lang des Bürzelspiels auf Hieb und Stoß und alle Trümpf los kecklich pflegen und brauchen dürfen. Ich bitt euch doch gar schön, ihr lieben Haverlinger, wo ihr deren etwann trefft die sich des Aufnestelns verlohnen, sitzt auf und reitet mir sie vor! denn wenns im dritten Monat fängt, wird ihre Frucht des Verblichenen Erbe. Und ist die Schwangerschaft erkannt, stecht frisch drauf zu, so geht das Schifflein, dieweil das Ränzel die rechte Last hat.

Wie sich auch Julia, des Kaisers Octaviani Tochter, niemals ihren Paukern ergab, ausser wann sie sich schwanger spürt'; nach gutem Schiffs-Brauch, welches seinen Steuermann nicht einnimmt, wenn es nicht wohl zuvor kalfatert und geladen ist.

[20] Und wo sie jemand drum schelten wollt daß sie sich also pomeißeln liessen in ihre Schwangerschaft hinein, hinsichtlich doch die Thier selbst niemals ihre trächtigen Leiber dem Männlein zu bemänneln erlauben: so antworten sie daß dieß Thiere sind, sie aber Weiber, wohlbekannt mit denen schönen angenehmen Rechten der Superfötation; wie weiland Populia nach dem Bericht Macrobii im zweyten Buch der Saturnalien zur Antwort gab. Wills aber der Teufel nicht haben daß sie schwanger werden, dann heißts, Spund zu und wisch das Maul.

Viertes Kapitel
Viertes Kapitel.

Wie Gurgelmilte in ihrer Schwangerschaft mit dem Gargantua, eine grosse Meng Kutteln aß.


Die Art und Weis wie Gurgelmilte ins Kindbett kam, war folgende: und wo ihrs nicht glaubt, entgehet euch das Fundament. Das Fundament entging ihr eines Nachmittags am dritten Hornung, als sie zu viele Bauntzen gessen. Bauntzen sind feiste Magendärm von Barrenrindern. Barrenrinder sind an der Kripp' und auf Zwirentwiesen gemäste Ochsen. Zwirentwiesen sind zweimal im Jahr Gras tragen. Von selbigen feisten Ochsen nun hätten sie dreyhundert siebenundsechzigtausend und vierzehn geschlagen zum Einsalzen auf Fastnacht, daß sie im Frühjahr fein zeitigs Pöckelfleisch die Füll erzielten; denn sie wollten gern zur Mahlzeit Anfang auch ihr Wörtlein von Gesalznem mit reden, weil der Wein drauf noch einmal so gut schmeckt. Der Kutteln waren viel, wie ihr von selbst einseht, und waren so köstlich daß jeder darnach die Finger leckt'. Aber der große Vier-Teufel[21] war nur, daß mans ohnmöglich lang verwahren noch sparen konnt, denn sie wären verfaulet; welches sich nicht gebühren wollt. Ward also beschlossen mit Stumpf und Stiel sie aufzuessen. Hiezu luden sie alle Leut von Sainnais, Suillé, Laroche-Clermaud, Vaugaudry, vergassen auch nicht die von Couldray, Montpensier, von Gué de Vede und andere Nachbarn alles gute Kunden, gute Zecher, schöne Kegelschieber. Der gute Mann Grandgoschier hätte daran sein herzlich Lust und Freud und ließ es ihnen mit Scheffeln messen, warnet' aber dabei sein Weib, daß sie davon das wenigst ässe, weil sie nah auf ihrem Ziel ging und dieß G'schling just keine sehr rathsame Speiß wär. Denn, sprach er, der muß große Lust zum Dreckkäun tragen, der diese Säck ißt. Dieser Ermahnungen ungeachtet aß sie deren doch sechzehn Wispel, zween Scheffel und sechs Metzen auf. O schöne fecalische Materi, die ihr im Leibe bluttern sollt!

Nach dem Mittagsimbiß zogen sie all kopfüber unter das Weidicht hinaus, und tanzen da auf dem dichten Gras nach hellen Pfeiflein und süssen Schalmeyen so fröhlig daß eine himmlische Lust war sie dergestalt sich tummeln zu sehen.

Fünftes Kapitel
Fünftes Kapitel.

Die Trinker-Gespräch.


Drauf kamen sie ins Halbabendbrod-Gespräch mit einander am schicklichen Ort. Da ging es an ein Flaschen-Laufen, Schunken-Traben, Becher-Fliegen, Stamper-Klirren. Lauf und schaff! Trill dich und troll dich! Stell mir her, ohn Wasser, so Freund. Stürz mir dieß Glas brav, schenk [22] mir Claret ein daß das Glas heult. Durst-Frieden! O du arges Fieber! Wirst du nicht weichen? Mein Six, Gevatterin, ich kann die Zech nicht mitthun. Habt ihr euch etwann verkältet, Bäslein? Freylich. Potz Velten! lasst uns von Trinken reden: ich trink nicht denn zu meinen Stunden, wie des Papsts Maulthier. Ich trink nicht, denn aus meinem Brevier, wie ein guter Gardian-Vater. Was war eher, Durst oder Trinken? Durst: denn wer hätt im Stand der Unschuld ohn Durst getrunken? Trinken den privatio praesupponit habitum. Ich bin ein Gelahrter: Foecundi calices quem non fecere disertum? Wir unschuldigen Kindlein trinken nur allzuviel ohn Durst. Ich Sünder aber nie ohn Durst: hab ich ihn jetzt nicht, so hab ich ihn künftig, muß also fürbaun, seht ihr ein. Ich trink für den Durst der kommen soll. Ich trink ewig. Dieß ist mein Ewigkeitstrinken und meine Trinkewigkeit. Gesungen, getrunken, stimmt an einen Kanon! Wo ist mein Kanon? mein Trichter? ich trink nicht anders denn per procuram. Netzet ihr daß es trocknet, oder trocknet ihr daß es naß wird? Ich versteh mich nicht auf die Theorik, aber mit der Praktik da behelf ich mich ein wenig. Basta. Ich netz, ich feucht, ich trink, und alls aus leidiger Todesfurcht. Trinkt allzeit, so sterbt ihr nimmer. Wenn ich nicht trink, so bin ich im Treuchen: so bin ich todt; mein Seel wird in einen Froschpfuhl fahren; im Treuchen wohnet nimmer kein Seel. Küper! o ihr Schöpfer neuer Formen, macht mich aus einem der nicht trinkt, zum Trinkenden! Unvergängliche Sprengwedlung über diese Nerven und dürren Därm! Der trinkt um nix der nix von spürt. Dieser schlägt einem in die Adern, das Brunzerl kriegt da nix von ab. Ich möcht hie diesem Kalb das ich heut fruh geputzt hab, die Kutteln spühlen. Ich hab meinen Magen wohl ballastirt. Wenn das Papier meiner Schuldregister so wacker trinken könnt als ich, meine Gläubiger kriegten ihr Weinl wohl, wenns an ein Liquidiren ging. Diese Hand verstellt dir nur die Nas. O wie viel andre [23] werden da noch eingehn ehe dieser ausfährt! So im Seichten zu trinken: hui, da muß einem schier der Gurtriem platzen. Dieß heiß ich mal ein Vogelstellen mit Flaschen getrieben. Was Unterscheids ist zwischen Boutelgen und Flaschen? Grosser: den Boutelgen stopft mans Loch mit Pfropfen zu, den Flaschen mit Schrauben. Ehrbar! Unsre Alten tranken derbe, liessen nichts im Topf. Scheiß auf dein Singen, getrunken! getrunken! Habt ihr was an den Fluß zu b'stellen? der geht itzt hin die Kutteln zu spühlen. Ich trink nicht tiefer denn ein Schwamm. Ich trink wie ein Templer. Ichtamquam sponsus. Und ich sicut terra sine aqua. Ein Schunken-Synonymum! wer weiß! Ist ein Zech-Compulsorium, ist ein Schrotleiter: durch die Leiter bringt man den Wein in Keller, durch den Schunken in Bauch. Hei da, zu trinken! zu trinken he! Es hat kein Ladung. Respice personam! Pone pro duos-bos ziehts noch nicht. Wenn ich so tapfer aufsteig als ich zu Thal laß, ich wär längst hoch in Lüften. So kam Jack Coeur zu guten Tagen, so gedeihet das Holz in der Brachen. So unterwarf ihm Bacchus Indien, so philosophiren sie in Melindien. Ein kleiner Regen mag grossen Wind legen. Lang Trinken bricht Donner. Wenn aber mein Schwanitz solchen Harn pißt', möchtet ihr in auch saugen? Ich halts noch an, ein Weil. Schenk her, Bub! sieh, ich stell dir mein Vollmacht auf meinen Kopf. Stichs aus mein Seppel, hie ist noch ein Scheppel. Ich verwahr mich widern Durst apellando als [24] vor Chikan: Bub, relevir du mein Beschwer solenniter, dieß Jücken! Sonst pflegt ich zwar stets rein auszutrinken, itzunder lass' ich auch nichts drinn. Wir wollen uns nicht übereilen, auf daß nichts umkomm. Eingesackt!

Seh eins die Sonntagskutteln, seht die Bratenbaunzen von dem Falben mit dem schwarzen Strich!

Ey laßt uns ihn doch striegeln, um Gott! als gute Hauswirth, blank und rein! Trinkt, oder ich will euch ... Nicht doch! trinkt, ich bitt euch schön. Die Spatzen fressen nicht, man streicht ihnen denn die Schwäntz! ich trink nicht, man schmeichel mirs den ein.

Lagona edatera! Es ist in meinem ganzen Leib kein Ratz-Loch da mir dieser Wein nicht den Durst erfrettelt. Der pürscht mir ihn gut. Der wird mir ihn ganz und gar Landes verweisen. Blast's bei Boutelgen- und Flaschenschall aus, daß wer seinen Durst verloren hat, ihn nicht allhie zu suchen hab: lange Sauf-Klystir haben ihn aus unsern Häuslein längst verjagt. Gott macht' den Himmel und Sonnen drein, wir Lümmel machen die Tonnen rein. Ich führ das Wort Gottes im Mund: Mich dürstet. Der Stein Asbestos ist nicht unauslöschlicher als der Durst meiner Würden. Der Hunger, sagt Angeston kommt wenn man ißet, aber der Durst vergeht wenn man trinkt. Ein Mitel wider den Durst? Es ist das Widerspiel der Arzeney wider den Hundsbiß: lauf allezeit dem Hunde nach, so beißt er dich nimmer: und trink allzeit dem Durste vor, so erwischt er dich nimmer. Itzt hab ich euch gefangen, itzt bring ich euch diesen Wecker zu. Küper, o du ewiger Wecker, schütz und behüth uns du vorm Schlaf! Hundert Augen hätt Argus zum sehen, hundert Händ muß ein Küper haben, zum unermüdlichen Weinauszapfen wie Briareus. Heisa! frisch genetzt, es ist gut Trocknen. Weissen! schenks gar aus, schenk ins Teufels Namen, schenk hier, bis 'rauf! mir schwält die [25] Zung. Trinke Si' lans! Prost Kamrad! Munter! la la la, das heiß ich schlampampt, das. O Lacryma Christi! Dieser ist von der Devinie's, ist Zirbelwein. O des edeln Weissen! Auf meine Seel, ein tafftens Weinl! he he he, es ist einöhriges Gewächs, echtes Gespinst und tüchelt wohl. Courag mein G'sell, auf diesen Gang gehn wir noch mit, denn ich hab ein Zwickmühl ex hoc in hoc gemacht; es ist kein Hexerey dabey, es habens all mit angesehen. Darinn such ich meins Gleichen hie auf dem Platz. Ey lyrum larum, ich bin Pfaff Matz. O o der Schlucker! der Durstigen! Bursch, Bursch, mein Freund! fülls hie und krön den Wein, ich bitt dich. Auf Cardinalisch:Nam natura abhorret vacuum: meint ihr ein Muck hätt hie getrunken? Holla! auf gut Bretanisch, rein aus mit der Neigen! niedergeschluckt! ist Kraut, es sticht nicht.

Sechstes Kapitel
Sechstes Kapitel.

Auf was seltsame Art Gargantua geboren ward.


Während sie diese Trinkwörtlein noch wechselten fing Gurgelmilte sich über Leibsschmerz zu klagen an; daß Grandgoschier vom Gras aufstund, ihr liebreich zusprach in Meinung [26] es wären die Kindeswehen und zu ihr sagt', es wär ihr dort gewesen zu frisch in dem Weidengebüsch und würd gewiß nicht lang mehr währen, so würd sie junge Bein gebären; müßt also sich auch ein frisch Herze fassen zur frischen Ankunft ihres Püppleins, und wenn ihr der Schmerz auch ein wenig streng däucht', so würd er doch bald ein Ende nehmen, und die drauf folgende Freud ihr all dieß Leid vertreiben, also daß sie gar nicht mehr dran denken würd. Denn, sprach er, ich beweis euchs: unser Heiland im Evangelium Johannis Sechzehn, sagt er nicht: Ein Weib, wenn sie gebiert, so hat sie Traurigkeit; wenn aber sie das Kindlein erst zur Welt geboren, gedenkt sie nicht mehr an die Angst? – Ey, spricht sie, daran sagt ihr recht, und diese evangelische Reden hör ich weit lieber und thun mir besser als wenn mir einer ein langes und breits das Leben der heiligen Magret vorsagt und mehr dergleichen Pfaffengewäsch. – Nur Lamms-Courag! sprach er, schafft dieß fort, so machen wir bald ein anders. – Ha! spricht sie, was doch ihr Mannsleut für gut reden habt. Nu mit Gottes Hülf will ich mich zwingen weils euch lieb ist. Aber ich wollt zu Gott daß er euch abgehauen wär. – Wer? was? spricht Grandgoschier. – Ha, antwort sie, wie blöd ihr thut! ihr verstehets ja wohl. – Mein G'sell? sprich er: Potz-Zickel-Blut! wenn euch dieß ansteht, schafft doch gleich ein Messer her! – Ach, sprach sie, ach bei Leib nit! Gott verzeih mirs, ich meints nit von Herzen. An meine Reden dürft ihr euch nicht kehren, weder wenig noch viel. Aber heut werd ich wohl mächtig zu schwitzen kriegen, so Gott mir nicht beisteht, und das alls um eures G'sellen willen, damits euch wohl wär.

Nur Herz gefaßt, nur Herz, sprach er, bekümmer dich des weitern nicht, und laß die vier Ochsen da vorn nur ziehen. Ich geh itzt und trink noch ein paar Schlückel, werd aber gar nicht weit seyn: wo dich indeß ein Weh austieß, bin ich auf einen Pfiff in die Hand flugs wieder bei dir.

Ueber ein kleines fing sie zu ächzen, zu lamentiren, zu schreyen an. Alsbald erschienen Hebammen haufenweis von allen Enden; die befühlten sie zu unterst und fanden ein Geschling [27] von ziemlich argem Geschmacke, dachten es wär das Kind: allein es war das Fundament das ihr entging durch die Erweichung des graden Darmes (welchen ihr den Mastdarm nennt), weil sie zu viele Kutteln gessen, wie wir zuvor berichtet haben.

Da macht' ihr eine alte Vettel aus der Gevatterschaft, die für eine große Aerztin geachtet, und vor etlichen sechzig Jahren von Brisepaille bei Sainct Genou dorthin gezogen war, die macht' ihr ein so entsetzlich Restrinctif, welches ihr alle Carunkeln im Leib dermasen zusammenschnürt' und räutelt', daß ihr sie mit genauer Noth mit den Zähnen hättet erlockern mögen: was schauderhaft zu denken ist: zumal der Teufel doch in der Meß des heiligen Martin als er das Geträtsch der beyden Sybillen aufschrieb, sein Pergament mit schönen Zähnen gar wohl zu prolongiren wußt.

Durch diesen Unfall öffneten sich die Cotyledones der Gebärmutter oberwärts, durch welche das Kind kopfüber hupft' in die hohle Ader, dann durch das Zwergfell weiter kroch bis über die Achseln, (wo sich gedachte Ader in zwey teilt,) und seine Straß zur linken nehmend, endlich durchs linke Ohr zu Tage kam. Sobald es geboren war schrie es nicht, wie die andern Kinder, mi mi mi! sondern mit lauter Stimm: zu trinken! zu trinken! zu trinken! gleich als ob es die ganze Welt zu trinken ermahnt', so hell auf, daß [28] es die ganze Gegend von Beusse und Bibaroys vernahm. Ich bild mir ein, ihr werd an diese verwundersame Nativität nicht steif und fest zu glauben wagen. So ihrs nicht glaubt, fichts mich nix an: aber ein Biedermann, ein Mann von Verstande glaubet allzeit das was man ihm sagt und was er in Schriften findet. Sagt nicht Salomo Sprichwörter am Vierzehnten: der Unschuldige glaubt jedes Wort u.s.w.? und der heilige Paulus Ersten Korinther 13: die Liebe glaubet alles? Warum wollet ihrs also nicht glauben? Weil man es nimmer ersehn hat, sagt ihr. Ich aber sag euch daß ihr eben um dieser einigen Ursach willen ihm vollen Glauben schenken müßt. Denn die Sorbonnisten nennen den Glauben ein Argumentum derer Ding, die man niemals mit Augen siehet.

Laufts etwann wider unser Gesetz, Glauben, Vernunft, oder heilige Schrift? Ich meines Orts kann in der Bibel nichts finden was dawider wär. Und wenn es Gott so gefallen hätt, meint ihr er hätts nicht thuen können? Ey ich bitt euch doch um alles, umnebelkäppelt euch nicht die Köpf mit solchen eiteln Gedanken: ich sag euch daß bey Gott kein Ding unmöglich ist. Und wenn er wollt so brächten von Stund an die Weiber ihre Kinder also durchs Ohr zur Welt! Bacchus, kam er nicht aus dem Schenkel des Jupiter? Spaltenfels nicht aus der Fersen seiner Mutter? Fliegenschnäpper aus seiner Ammen Pantoffeln zur Welt? Minerva, entsprang sie nicht durchs Ohr aus Jupiters Hirn? Adonis durch eines Myrrhenbaums Rinden? Kastor und Pollux aus einem Ey das Leda gelegt und ausgebrütet? Wie aber sollt ihr erst erstarren und staunen wenn ich euch itzund gleich das ganze Kapitel des Plinius auslegen wollt, in welchem er von seltsam unnatürlichen Geburten handelt? Gleichwohl bin ich noch lang kein so dreister Lügner als er. Lest nur in seiner Naturgeschichte das dritte Kapitel des siebenten Buchs und quält mir nicht länger die Ohren damit.

Siebentes Kapitel
[29] Siebentes Kapitel.

Wie Gargantua benamset ward, und wie er sich zur Tränk hielt.


Während der gute Mann Grandgoschier noch zecht' und mit den Andern schwärmet', hört er das mörderliche Geschrey welches sein Sohn bey seinem Eintritt in dieses Licht der Welt erhub, als er zu Trinken! zu Trinken! brüllte: und sprach: I gar! kannt du aa schon fein dursten! Welches als die Gäst vernahmen, sagten sie daß er um dieserwillen durchaus Gargantua heissen müßt, weil dieß das erste Wort seines Vaters bey seiner Geburth gewesen wär; nach Fürgang und in Nachahmung der alten Hebräer. Hierin war derselbe ihnen auch gern zu Willen, gefiel auch seiner Mutter wohl. Und um ihn zufrieden zu stellen brachten sie ihm zu trinken was oben ein wollt: und ward nach frommer Christen Sitt zur Tauf getragen und getauft.

Und wurden siebzehntausend neunhundert und dreyzehn Küh von Pautillé und Brehemond verschrieben, für gewöhnlich ihn zu säugen; denn eine bastante Amm zu finden war im ganzen Land unmöglich, in Betracht der grossen Mengen Milch die zu seiner Nahrung erforderlich war. Zwar wollen ein Paar Skotistische Doctoren behaupten daß seine Mutter ihn gestillt hab und daß sie vierzehnhundert zwey Pipen neun Maas Milch auf jeden Ruck aus ihren Brüsten hab melken können. Aber es ist der Wahrheit nicht ähnlich, und dieser Satz mammaliter pro scandaloso, wehmüthigen Ohren ärgerlich, und schon von weitem nach Ketzerey ausdrücklich stinkend erkläret worden.

[30] In solcher Weis bracht er ein Jahr und sechs Monden hin, um welche Zeit man nach dem Rath der Aerzt ihn anfing auszutragen, und ward nach Angab des Jahn Denyau ein schönes Ochsen-Kärchel gebauet, in selbem kutschirt' man ihn fröhlig umher: und war eine Lust ihn anzusehen, denn er hätt ein hübsch Göschlein, wohl zehn Kinn am Hals, schrie auch fast wenig; dafür aber bekackt' er sich zu allen Stunden, denn er war eines ungebührlich durchschlägichen Gesässes, theils aus natürlicher Complexion teils durch zufälligen Habitum, den ihm das viele Saugen des September-Traubenmüsleins zuzog. Doch sog er davon keinen Tropfen ohn Ursach; denn wenn sichs traf daß er verdrüßlich, dickschnutig, bös, oder mogrich war, wann er schrie, strampelt', heult', und man bracht ihm zu trinken, gleich kam er euch wieder zu sich und war ganz still und guter Ding. Seiner Wärterinnen eine hat mirs auf ihre Tru geschworen er hätt dieß also in der Art daß er beim blosen Schall der Kannen und Flaschen schon in Verzückung käm als ob er die Freuden des Paradieses im Voraus schmeckt'; derhalb sie in Betrachtung dieser göttlichen Eigenschaft, um ihn am frühen Morgen aufzuheitern, mit einem Messer an die Gläser klinkten, oder mit Flaschen-Spunden, oder mit Kannen-Deckeln klirrten: auf diesen Schall würd er gleich lustig, hüpft' auf und wiegt' sich selber ein mit dem Kopfe lottend, monochordirt' mit den Fingern und barytonirt' mit dem Arß.

Achtes Kapitel
Achtes Kapitel.

Wie man Gargantua kleiden thät.


Als er zu diesem Alter kommen, befahl sein Vater ihm Kleider zu machen nach seinen Farben, weiß und blau. Da ward sogleich Hand angelegt, und wurden gemacht, [31] genäht, geschneidert nach damal cursirender Landes-Mod. Aus den alten Archiven der Rechnungskammer zu Montsoreau erseh ich daß er in folgender Art bekleidet war:

Zu seinem Hemd wurden ausgehoben neunhundert Elen Leinwand von Chastelleraud, und zweyhundert zu den Zwickel-Kißlein unter die Achseln. Und ward nicht gefältelt; denn das Fälteln der Hemden ist erst aufkommen seit die Nähterinnen die Spitzen ihrer Nadeln zerbrochen haben und mit dem Oehr zu handieren begonnen.

Zu seinem Wams wurden ausgehoben achthundert dreyzehn Elen weißer Atlaß, und zu den Nestelschnüren fünfzehnhundert neun und ein halb Hundshäut, denn damals fing die Welt an die Hosen an das Wams zu henken, nicht das Wams an die Hosen, denn es lauft dieß der Natur zuwider, wie ausführlich darthut Ockam über die Exponibilien des Meisters Beinkleiderios.

Zu seinen Hosen wurden erhoben eilfhundert fünf und ein Drittel Elen weissen Sammets, und waren gemützert in Form geriefter crenelirter Säulen hinten, damit sie ihm nicht die Nieren erhitzten; die Mützen aber mit blauem Dammast innwendig geflitzert so viel als nöthig: und ist zu merken daß er sehr schön beschienbeint war und in der rechten Proportion zu seiner übrigen Leibesstatur.

Zu seinem Hosenlatz wurden erhoben sechzehn und ein Viertel Elen des nämlichen Zeuges, und war gestalt wie ein Strebebogen gar lustig zwischen zwey schöne güldene Rinken gespannet, in die zween Hefftel von Glockenspeiß eingriffen, und in jedem derselben war ein dicker Smaragd von der Größ eines Pomeranzapfels eingefaßt. Denn es hat dieser Stein, (wie Orpheus Libro de Lapidibus, und Plinius Libro[32] ultimo lehren) erectivische und stärkende Kraft des natürlichen Gliedes. Des Latzes Schlitz war einen Stab lang, gemützert wie die Hosen und mit blauem Dammast gepufft wie oben. Hättet ihr aber erst die schöne Verbrämung von Cantille gesehen, und das artige güldene Stickwerk dran, besetzt mit feinen Demanten, feinen Rubinen, feinen Türkisen, feinen Smaragden und Persischen Perlen: so würdet ihr ihn einem schönen Horn des Ueberflusses verglichen haben, wie ihr auf den Antiken seht und wie sie Rhea den beyden Nymphen Adrastea und Ida, denen Ammen Jupiters verehrt'. Stets prächtig, trächtig, übersäftig, immer grünend, immer blühend, früchtesprühend, voller Blüthen, voll aller Frucht und Herrlichkeit. Gott sey mein Zeug ob nicht der Latz ein stattlichs Aussehn hätt', doch werd ich euch davon noch ganz andre Ding berichten in dem Buch das ichvon Würdigkeit der Lätz verfaßt hab. Eins aber sollt ihr dennoch wissen: daß er, obschon so lang und breit, doch innerlich sehr wohl verproviantiret und beschlagen war, in keinem Stück den heuchlerischen Schein-Lätzen einer ganzen Schaar von Schleckern ähnlich, als in welchen zu großem Präjudiz der Weibsleut, gar nichts enthalten ist denn Wind.

Zu seinen Schuhen wurden erhoben vierhundert sechs Elen karmesinblauen Sammets und wurden zierlich gemützert in parallelischen Linien, durch gleichförmige Cylinder verbunden. Zu Besohlung derselben nahm man eilfhundert braune Kühhäut, geschnitten nach der Stockfischschwänzenart.

Zu seinem Leibrock wurden erhoben achtzehnhundert Elen blauen, wohl im Grän gefärbten Sammets, rings mit schönem Laubwerk bordirt, und in der Mitten mit silbernen Bechern von Cantille, umgestülpt unter güldenen Sparren mit dichten Perlen, anzuzeigen daß er ein guter Stürzbecher zu seiner Zeit würd werden.

Sein Gürtel war aus dreyhundert und einer halben Elen Seiden-Sarsch, halb weiß, halb blau, wofern ich nicht sehr irr.

Sein Degen war nicht von Valenz, noch auch sein Dolch von Saragossen; denn sein Vater hasset' dieß ganze vermauschelte [33] Indalgos- und Bourratschenvolk wie Teufel: sondern er hätt einen schönen Degen von Holz, und einen Dolch von gummiertem Leder, so fein verguldet und gemalt wie sichs nur einer wünschen mocht.

Sein Seckel war aus dem Hodensack eines Oriflanten gefertigt, der ihm Myn Heer Prakontal Statthalter in Lybien verehret.

Zu seinem Mantel wurden erhoben neuntausend sechshundert weniger zwey Drittel Elen blauen Sammets, wie oben, ganz mit Gold durchfadmet in diagonalischer Figur: welches nach richtiger Perspektiv eine unbekannte Farb gab wie ihr an Turteltaubenhälsen sehet, allen denen die ihn sahen ein unvergleichlicher Augentrost.

Zu seinem Barretlein wurden erhoben dreyhundert zwey und ein Viertel Elen weissen Sammets und war die Form desselben weit und rund nach Umfang des Hauptes; denn sein Vater sagt' daß diese heutigen Barretlein auf Marrabesisch, wie ein Pastetensatz gestaltet, noch eines Tages ihren Verstutzten schlimme Händel zuziehn würden. Statt Federbusches trug er eine schöne grosse blaue Feder von einem Onokrotalus aus dem wilden Hyrkanien, die ihm gar zierlich übers rechte Ohr hing. Zu seiner Medaille führt' er in einer güldenen, achtundsechzig Mark schweren Platten eine Figur von gleichem Schmelzwerk, worinn ein menschlicher Leib bossirt war mit zween Köpfen, den einen gegen den andern gedreht, vier Armen, vier Beinen, und zween Aerßen, wie Plato in Symposio sagt daß die menschliche Natur in ihrem mystischen Ursprung beschaffen gewesen, und stund darum mit ionischen Lettern geschrieben: ΑΓΑΙΙΗ ΟΥ ΖΗΤΕΙ ΤΑ ΕΑΥΤΗΣ.

Sein gülden Kettlein das er am Hals trug, wog fünfundzwanzigtausend [34] sechzig drey Mark Goldes in Form grosser Beeren, mit grünen rauh geschliffenen Jaspissteinen durchzogen, die wie Drachen graviret und geschnitten waren, sämmtlich mit Strahlen und Funken umzirkelt, wie einst der König Necepsos trug: und hing ihm bis zum obern Buckel des Bauchs herunter; davon er dann sein Lebelang den Nutzen spürt', welcher den griechischen Aerzten bewußt ist.

Zu seinen Handschuhen wurden verschnitten sechzehn Koboldsfell, und zum Vorstoß dran drey Währwolfshäut; und wurden ihm also zugericht nach dem Rath der Cabalisten zu Sainlouand. Von Ringen (deren ihn sein Vater zu Erneuerung des Zeichens alter Ritterschaft tragen ließ) hätt er am Zeigefinger der Linken einen Karfunkel von der Größ eines Strauseneyes, in feines Seraphsgold zierlich gefaßt. Am Arztfinger eben dieser Hand hätt er einen Ring aus den vier Metallen allzumal, auf die wunderbarste Art verfertigt, die man noch je mit Augen gesehen: denn weder verschlang der Stahl das Gold, noch bracht das Silber das Kupfer unter. Alles gemacht durch Hauptmann Chappuys, und seinen guten Factor Alcofribas. Am Arztfinger der Rechten hätt er einen Ring in spiralischer Form, darein ein vollkommner Balas-Rubin, ein ausgespitzter Demant, und ein Smaragd vom Physon unschätzbaren Werthes gefaßt waren. Denn Hans Carvel, Gross-Juwelier des Königs [35] von Melindien schätzt' sie zusammen auf neunundsechzig Millionen, achthundert vierundneunzigtausend und achtzehn lange Wollenhammel. So hoch habens auch die Fuckart von Augspurg geschätzet.

Neuntes Kapitel
Neuntes Kapitel.

Von des Gargantuä Farben und Leibtracht.


Die Farben des Gargantuä waren Weiß und Blau, wie ihr zuvor habt lesen können: und damit wollt sein Vater sagen daß er eine himmlische Freud wär. Denn das Weiß [36] bedeutet' ihm Freud, Vergnügen, Lust und Fröhligkeit, und das Blaue himmlische Ding. Ich merk zwar wohl, daß ihr bey Lesung dieser Wort des alten Zechers spotten und die Auslegung der Farben allzu ungewaschen und ausser Ordnung finden werdet: denn, sagt ihr, Weiß bedeutet Treu und Glauben, Blau Beständigkeit. Aber erhitzt, erbost, ereifert, eräschert euch nur nicht erst lang (denn es ist eine gefährliche Zeit) sondern gebt Antwort auf meine Frag: ein andre Streng werd ich nicht brauchen gegen euch noch wer es sey. Nur ein Paar kurze Tischwörtlein werd ich euch zu Gemüthe führen.

Wer sticht, wer stößt euch? Wer behauptet, daß Weiß Treu, Blau Beständigkeit bedeutet? Ein lotterichs Büchel, sprecht ihr, so die Bisarten und Ballenträger feil tragen, der Farben Wappen-Saal betitelt. Wer hat's g'macht? Wer er auch immer sey, daran hat er gescheit gethan, daß er nicht seinen Namen dazu geschrieben hat. Im übrigen [37] aber weiß ich nicht was mich an ihm mehr wundern soll, sein Fürwitz, oder seine Dummheit. Sein Fürwitz, daß er ohn all Ursach, ohn Grund noch Schein, ans eignem Ansehn sich vorzuschreiben erkecket was für Ding die Farben bedeuten sollen: welches der Tyrannen Art ist, die ihren Muthwillen statt der Vernunft aufwerfen, nicht aber der weisen verständigen Leut, die ihre Leser mit deutlichen Gründen zufrieden stellen.

Seine Dummheit, daß er vermeint die Welt werd ohn weitern Beweis noch bündige Argument ihre Wappen-Divisen nach seinem läppischen Schrollen einrichten. Und ist auch nicht ohn, denn er hat (wie das Sprichwort sagt: dem durchlaufigen Arß hangt allzeit der Dreck an) ein überley Häuflein Gecken aus der alten Zeit der hohen Mützen vorgefunden, die seinen Schriften Glauben geschenkt und ihre Denkreim und Wahlsprüch darnach geschustert, ihre Mäuler darnach bekappzaumt, ihre Buben gekleidet, ihre Hosen gemustert, ihre Handschuh verbrämt, ihre Betten befranzt, ihre Fähnlein gemalt, Lieder gefertigt und (was das ärgst ist) unter den züchtigen Matronen heimlich allerlei schlechte Ränk und Gaunereyen geschmiedet haben. In gleicher Finsterniß stecken auch diese prunkischen Höfling und Namen-Verrucker, die in ihren Divisen, um Hoffnung auszudrücken, eine runde Offnung, oder Hopfenstang malen lassen, ein Bein für Pein, das Kraut Ancholi für Melancholi, den zweigehörnten Mond für ein zunehmend Glück, eine zerbrochene Bank für einen Bankerottirer, Nicht und ein Panzerhemd für ein nicht hartes Kleid noch Wesen, Litzelsalat für Lizentiat: welches so alberne, fade, bäurisch barbarische Homonymien sind, daß man einem Jeden sollt einen Fuchsschwanz an das Koller henken und eine Larv von Kühdreck fürthun, der sich hinfüro noch in Frankreich nach Wiedereinsetzung der guten Künst und Wissenschaften, ihrer gebrauchen oder bedienen möcht.

Mit gleichem Fug (man sollt aber lieber Unfug und Narrheit sagen) könnt ich einen Schmachtriemen malen lassen zum [38] Zeichen daß man mich schmachten ließ: und einen Senffstopf für mein Herz, das man nicht eben sänftlich stopf, und einen Pißpott als Kämmerling. Mein Hosenboden wär ein Furzfaß, mein Hosenlatz eine Stiftscanzley, und ein März-Schwein wär ein Herzensschrein, darinn mein Liebsten Gunst belegen.

Gar anders hieltens im Alterthum die weisen Aegyptier wenn sie mit Lettern schrieben welche sie hieroglyphische nannten, die niemand verstund der nicht die Tugend, die Natur und Eigenschaft der unter denselben versteckten Ding wußt, und jeder verstund, der diese wußt: von denen Orus Apollon auf Griechisch zween Bücher verfaßt und Polyphilus imLiebestraum mit mehreren handelt. In Frankreich habt ihr davon ein Pröblein in der Divis des Herren Admirals, die vordem Octavianus Augustus trug. Doch länger soll mein Schiff in diesen unlustigen Strudeln und Seichten nicht treiben; ich lenk um, und geh im Hafen vor Anker, von da ich ausfuhr: hoff aber wohl noch eines Tags ausführlicher davon zu schreiben und theils durch philosophische Gründ, theils durch von allen Zeiten her beglaubigte und rezipirte Authoritäten darzuthun welche und wievielerley Farben in der Natur sind, und was eine jede bedeuten kann: wenn mir anders unser Herr Gott den Hutleist spart, das ist den Weinpott, wie mein Großmutter selige zu sagen pflegt'.

Zehntes Kapitel
[39] Zehntes Kapitel.

Was die Farben Weiß und Blau bedeuten.


Weiß also bedeutet Freud, Behagen, Wonn, und bedeutets nicht mit Unrecht, sondern mit vollem Recht und Würden; was ihr auch werdet billigen wenn ihr mit Hintansetzung eurer Affecten hören wollt was ich euch itzt erörtern werde.

Aristoteles spricht, wenn man ein Paar in ihrer Art entgegengesetzte Dinge annähm, als gut und bös, Tugend und Laster, kalt und warm, weiß und schwarz, Lust und Schmerz, Freud und Leid, und andre dergleichen mehr, und sie also zusammenstellt' daß ein Gegentheil Einer Art vernünftigerweis mit einem Gegentheil einer andern übereinkäm, so folgt' nothwendig daß auch das andre Gegentheil dem andern überbleibenden entsprechen müß. Zum Beyspiel Tugend und Laster sind in einer Art Gegentheil; deßgleichen auch gut und bös: wenn nun das eine Gegentheil der ersten Art mit dem einen der zweyten übereinkommt, als Tugend und gut (denn es ist sicher daß Tugend gut ist) so werden es auch die beyden überbleibenden, bös und Laster; denn Laster ist bös.

Diese logikalische Regel wohl verstanden nehmet nun die zwey Gegentheil Freud und Trauer, dann auch die Beyden Weiß und Schwarz; denn sie stehen sich physikalisch entgegen. Wenn demnach Schwarz Leid anzeigt, wird mit vollem Recht Weiß Freude bedeuten.

Und ist diese Deutung nicht etwann erst durch menschliche Satzung eingeführet, vielmehr auf Uebereinstimmung der ganzen Welt, was die Philosophenjus gentium, allgemeines Recht, durch alle Lande gültigs nennen, angenommen. Wie ihr denn zur Genüge wißt daß alle Völker, alle Nationen, (ich nehm die alten Syrakusaner und etliche Argiver aus, denen die Seel überzwerch gelegen) alle Zungen, äusserlich ihr Leid zu offenbaren schwarze Kleidung tragen und jedermann schwarz trauert. Welche einhällige Uebereinkunft nicht wäre, wenn nicht die Natur dazu einen Grund und Antrieb gäbe, den jeder bald von selbst verstehn kann ohn anderweitige Belehrung, welches wir das natürliche Recht zu nennen pflegen. Und aus gleichem Naturbeweggrund [40] hat unter Weiß die ganze Welt Freud, Lust, Ergötzen, Wonn, Entzücken, Plaisir und Fröhligkeit verstanden.

Vor Alters bezeichneten die Kreter und Thrazier die glückseligen und frohen Tage mit weissen Steinen, die traurigen und unglücklichen mit schwarzen. Die Nacht, ist sie nicht traurig, melancholisch und leichenhaft? Sie ist schwarz und finster durch Entbehrung. Die Klarheit, erfreuet sie nicht die ganze Natur? Sie ist weisser als kein Ding auf Erden: zu Bewährung wessen ich euch auf das Buch des Laurenz Valla wider Bartolum verweisen könnt, aber das evangelische Zeugniß wird euch schon gnug thun. Matthäi 17 stehet geschrieben daß bei der Verklärung unsres Herrn vestimenta ejus facta sunt alba sicut lux: seine Kleider wurden weiß als ein Licht. Durch welche lichthelle Weiße er seinen drey Jüngern die Idee und Figur der ewigen Freuden zu verstehen gab. Denn Klarheit erheitert alle Menschen. Wie ihr das Wort der alten Frau habt, die ob sie schon keinen Zahn mehr im Hals hätt, dennoch sagte: Bona lux! Und Tobias am fünften, der Augen beraubt, antwortet' auf des Raphaels Gruß: Was soll ich für Freud haben, der ich das Licht des Himmels nicht sehn kann? In solcher Farbe gaben die Engel die Freud des ganzen Weltalls bey der Auferstehung des Heilands kund, Johannis 20, und bey seiner Himmelfahrt Ap. Gesch. 1. In gleichen Schmuck gekleidet sah auch Sanct Johann der Evangelist in der Offenbarung 4 und 7 die Gläubigen in himmlischen gebenedeyten Jerusalem.

Leset die alten Geschichten nach, Griechen und Römer, so werd ihr sehen daß die Stadt Alba (erstes Muster Roms) erbaut und benamset war nach Findung einer weissen Sauen. Ihr werdet sehen daß wenn Einem nach einem Siege über die Feind, triumphirend in Rom vergönnt ward einzuziehen, er seinen Einzug auf einem von weissen Pferden gezogenen Wagen hielt. Deßgleichen auch wer mit Ovation da einzog: denn mit keiner Farb noch Zeichen konnten sie die[41] Freud über ihre Ankunft deutlicher ausdrucken als durch Weiß. Ihr werdet sehen daß der Athener Herzog Perikles denjenigen Theil seines Kriegsvolkes welchem durchs Loos die weissen Bohnen zugefallen, den ganzen Tag in Freud, Erholung und Ruh hinbringen ließ, während der andre streiten mußt. Tausend andre Exempel und Stellen könnt ich euch noch zu diesem Behuf anführen, ist aber hie der Ort nicht.

Mittelst dieser Erkenntniß könnt ihr auch ein Problema lösen, das Alexander Aphrodisäus für unauflöslich erachtet hat: warum der Leu, der durch sein bloses Geschrei und Brüllen alle Tiere schreckt, den weissen Hahn allein scheut und verehret? denn (wie Proclus, libro de sacrificio et magia schreibt) geschieht dieß, weil die gegenwärtige Kraft der Sonnen, die alles irdischen und siderischen Lichtes Organ und Urquell ist, mit dem weissen Hahnen, theils um dieser Farben willen, theils wegen seiner besondern Natur und Eigenschaft, mehr simbolisiret und übereinkommt als mit dem Leuen. Und ferner sagt er daß öfters Teufel in Leuengestalt gesehen worden, welche bey Ankunft eines weissen Hahnen plötzlich verschwunden sind.

Aus dieser Ursach tragen auch Galli (das sind die Franzosen, so benannt weil von Natur sie weisser als Milch sind, welche die Griechen Gala nennen) gern weisse Federn auf ihren Mützen. Denn von Haus aus sind sie fröhlig, aufrichtig, lauter, angenehm und wohlgesinnt und haben zu ihrem Symbolum und Wappen die Blum die weisser ist als alle andern, nämlich die Lilie.

Wenn ihr fragt, wie unter weisser Farb uns die Natur Freud und Ergötzen verstehen heisse: antworte ich euch, daß die Analogie und der Zusammenhang dieser ist. Denn wie das Weisse äusserlich das Gesicht zerstreut und zertheilet indem es die Sehgeister offenbar entbindet, nach Aristoteles Meinung in seinen Problemen und von der Perspectiv, und ihr es auch aus der Erfahrung abnehmen könnt wenn ihr beschneyte Berg bereiset, da ihr nicht wohl sehn zu können euch beschwert (wie uns Xenophon meldet, daß seinen Leuten [42] ergangen sey und Galen ausführlichlibro X de usu partium darthut): ebenso so wird das Herz durch ausnehmende Freude innerlich zerstreut, und erleidet offenbare Entbindung seiner Lebensgeister, die also mächtig wachsen kann daß das Herz seines Unterhaltes beraubt werden und das Leben folglich durch diese Pericharia gar erlöschen möcht, wie Galenus sagt: lib. XII. Method. libro V. de locis affectis, et libro II. de Symptomaton causis, und wie in der Vorzeit Marcus Tullius libro I. quaestion. Tuscul., Verrius, Aristoteles, Titus Livius, nach der Schlacht bey Cannen, Plinius lib. VII. cap. XXXII.und LIII; A. Gellius lib. III. XV. und Andre, mit dem Diagoras von Rhodus, mit Chilon, Sophokles, Dyonisius dem Tyrannen von Sizilien, mit Philippides, Philemon, Polykrates, Philistion, M. Inventius und mehrern die vor Freud gestorben sind, geschehen zu seyn bezeugen: und wie Avicenna in 2 canone, et libro de viribus cordis vom Saffran schreibt, der das Herz so sehr erfreuet, daß er es, wenn man ihn in zu starker Dosis einnimmt, durch übermässige Auflösung und Erweitrung, des Lebens beraubt. Hie sehet nach, den Alexander Aphrodisäus libro primo problematum, cap. XIX, und von Rechtswegen. – Allein was solls! Ich vertief mich in diese Materie weiter als ich zu Anfang gerechnet hätt. Werd also hie mein Segel einziehn und das weitere bis auf das hievon eigens verfertigte Buch aufsparen. Ich sag mit einem Wort nur dieß noch: Blau bedeutet gewißlich den Himmel und die himmlischen Ding, nach eben demselbigen Symbolo, wie Weiß Freud und Vergnügen bedeutet.

Eilftes Kapitel
Eilftes Kapitel.

Von des Gargantuä Jugend.


Gargantua ward vom dritten bis zum fünften Jahr in aller gebührlichen Zucht gepflegt und auferzogen nach dem [43] Willen seines Vaters, und bracht die Zeit zu, wie die kleinen Kinder des Landes pflegen: nämlich mit Trinken, Essen und Schlafen, mit Essen, Schlafen und Trinken, mit Schlafen, Trinken und Essen.

Allzeit wälz't er sich im Koth, vermaskerirt sich die Nas, bedreckt' sichs G'sicht, trat seine Schuh hinten über, gafft' gern nach den Mucken und lief den Millermahlern fleissig nach, über die sein Vater das Regiment hätt. Er seicht' in seine Schuh, macht' in sein Hemd, schneuzt' sich in Aermel, rotzt' in die Suppen und patscht' überall durch; trank aus seinem Pantoffel und kraut' ihm den Bauch für gewöhnlich an einem Päner. Stört' sich die Zähn mit einem Holzschuh, wusch seine Händ in Fleischbrüh', strählt sich mit einem Humpen, setzt sich ärschlings zwischen zween Stühl an die Erd, deckt sich mit einem nassen Sack, lief mit der Latten, trank unter die Suppen, aß seinen Wecken ohn Brod, biß lachend, lacht beissend, leckt' vorn, kratzt' hinten, spie oft in die Platten, pfercht' Fett, pißt' gegen die Sonnen, versteckt' sich ins Wasser vorm Regen, schmiedet' kalt, träumt hohl, lud blind, spielt' Stillwässerchens, band das Kalb an, betet' das Affenpaternoster, kehrt' öfters wieder zu seinen Hammeln, setzt' den Bock zum Gärtner, schoß die Katz fürn Hasen, spannt' die Ochsen hinter den Karren, zog die Würm aus der Nasen, kratzt' sich, wo's ihn nit biß, packt' viel an und hielt wenig fest, verzehrt' sein Weißbrod vorneweg, beschlug die Graspferd, füttert' die Wetzstein, kützelt' sich selbst zum Lachen, guckt' weidlich in die Töpf, behielt das Korn, gab Gott das Stroh, sang Magnificat zur Metten, und meint' es paßt' sich trefflich wohl, aß Kohl, schiß Mangolt, erkannt' die Mucken in der Milch, ließ keiner Muck ein Bein am Leib, zerhudelt das Papier, verschmiert' das Pergament, riß aus wie Schaafleder, zielt' nach der Geiß, [44] macht' seine Rechnung ohn den Wirth, schlug auf den Busch und fing nicht den Vogel, sah den Himmel für einen Dudelsack und Schlossen für Zuckererbsen an, schnitt zween Pfeifen aus einem Rohr, schlug auf den Sack und meint' den Esel, macht' aus seiner Faust einen Schlägel, fing die Krannich im ersten Sprung, wollt das Panzerhemd Masch für Maschen gestrickt han, sah dem geschenkten Gaul allzeit ins Maul, setzt' sich vom Pferd auf den Esel, gab zu zwey grünen eine reife, macht' die Gruben nach dem Erdreich, hüthet' den Mond vor den Wölfen, hofft' die Lerchen gebraten zu fahn wenn der Himmel einfiel, macht aus der Noth eine Tugend, macht' die Suppen nachdem ers Brod dazu hätt, frug weder nach Geschabt noch Geschoren. Alle Morgen band ers Kalb an. Seines Vaters kleine Hund aßen mit ihm aus einer Schüssel, er deßgleichen wieder mit ihnen, er biß sie in die Ohren, sie zerkrellten ihm die Nas, er bließ ihnen in den Arß, sie leckten ihm das Schnäuzel. Und sollt ihrs glauben, Buebli? daß euch das Uebel zur Pfeifen schlag! dieß kleine Hurenjägerlein betastet' seine Wärterinnen schon hinten und vornen, oben und unten harri hotto! in einem fort, und fing schon an sein Hosenlätzlein zu exerciren. Selbiges schmückten seine Wärterinnen alle Tag mit schönen Sträußlein, schönen Bändern, schönen Blumen, schönen Flunkern, schönen Quästlein, und hatten ihre Kurzweil dran wann er wie ein Roll-Pflästerlein ihnen unter die Händ gerieth. Dann kichertens wann er die Ohren spitzt', gleich als ob ihm das Spiel behagt'. Die Eine nannt ihn mein klein Hähnlein, die Andre mein Stiftel, die Dritte mein Korallenzinklein, die Viert mein Spündel, mein Stöpserl, mein Drillbohr, mein Stössel, mein Näberl, mein Bummel, mein recht Freudenfest so steif und fest, mein Ladstöckel, mein Rothwürstel, mein klein Hödengschnödel. Es ist mein, sagt' die Ein'. Es gehört mir, sagt' die Andr'. Und sollt Ich leer ausgehn? sagt' die Dritt, so schneid ichs ihm mein Treu gar ab. Was schneiden! sagt die Andre: ey,[45] ihr würdet ihm ja weh thun, Frau: schneid ihr den Kindern das Ding ab? So würd er ja Monsieur sans Queue. – Und damit er auch ein Spielzeug hätt, wie die andern kleinen Kinder des Landes, machten sie ihm ein schön Flinderstäblein mit einem Rädel vorn daran aus den Flügeln einer Windmühl von Mirebalays.

Zwölftes Kapitel
Zwölftes Kapitel.

Von des Gargantuä Steckenpferden.


Hierauf, damit er all sein Lebtag ein guter Reiter wär, macht' man ihm ein schönes grosses Pferd von Holz: das ließ er paradiren, tummeln, voltigieren, sprengen, tänzeln, alles zugleich, im Schritt, im Trott, im Mittelschritt, Galop, Paß, Hoppas, im Kleppergang, im Kamelin, Harttrab, Waldeseltritt, und färbt ihm das Haar um, wie die Mönch ihre Alben nach den Festen, in kästenbraun, in fuchsroth, apfelgrau, rattenfarb, hirschhaar, rothschimmel, kühfahl, muschigt, scheckigt, älstersprenklich, weiß.

Er selbst macht' ihm aus einem grossen Trämel ein Pferd zur Jagd, ein andres aus einem Trottbaum zum täglichen Brauch, und aus einem dicken Eichenstamm ein Maulthier samt der Schabrack fürs Zimmer. Ausserdem hätt er ihrer noch zehn bis zwölf zur Umspann und sieben zur Post, und nahm sie auch Nachts alle mit zu Bett. Einmal besucht' der Herr von Qualimsack seinen Vater mit grosser Suit und Anhang, auf welchen Tag deßgleichen auch der Herzog von Offentisch und der Graf von Nasengüsel schon bei ihm eingesprochen waren.

Mein Treu! Da ging das Losament was knapp her für so vieles Volk, und sonderlich die Pferdeställ. Der Hofmeister [46] also nebst dem Furirer gedachten Herren von Qualimsacks, um zu erforschen ob es im Haus noch sonst wo ledige Ställ hätt, wandten sich an das junge Männlein Gargantua und fragten ihn heimlich wo die Ställ für die grosse Pferd wären, denn sie gedachten daß Kinder gern alle Ding ausschwatzen und offenbaren. Da führt' er sie die grosse Schloßtrepp hinan, durch den zweyten Saal auf einen langen Gang, aus dem sie in einen dicken Thurm kamen. Wie es nun wiederum andere Stiegen hinauf ging, spricht der Furirer zum Hofmeister: dieß Kind narret uns, denn niemals sind doch die Ställ zu oberst im Haus. – Da seyd ihr schlecht bericht antwortet der Hofmeister, denn ich weiß Ort zu la Basmette, Lyon, Chaisnon und anderwärts, wo die Ställ im obersten Stock sind: wird also wohl hie hinten ein Pförtlein zum Auftritt seyn. Frug also den Gargantua: Mein kleiner Schatz, wo führt ihr uns hin? – Zum Stall, sprach er, wo meine grosse Pferd stehen; werden gleich da seyn, steigt nur noch die Paar Stiegen. Darauf bracht er sie wieder durch einen andern grossen Saal und führt' sie endlich in seine Kammer, zog die Thür zurück und ruft': da sind die Ställ, die ihr begehrt, da ist mein Spanier, mein Wallach, mein Schweisfuchs, mein Gaskonier. Und nahm einen schweren Hebebaum, packt' ihn den Beyden auf und sprach: diesen Friesländer schenk ich euch; hab ihn von Frankfurt, er soll aber euer seyn: ist ein gut Rößlein; so klein es ist, so hart und arbeitssam ist es: mit einem Habichtmännlein, einem halben Dutzend Bracken und ein Paar Windhunden seyd ihr Hasen- und Hühnerkönig' den ganzen Winter. – Beym Sankt Johannes! sprachen sie, da kommen wir schön an. Dießmal han wir den Mönch im Sack. – Das leugn ich euch, sprach er, seit drey Tagen ist er uns nicht ins Haus gekommen. [47] Hie rathet nun, ob sie sich eher vor Schaam in die Erd verkriechen oder vor Lachen hätten bersten mögen über den Schnack. Enteilten also sporenstreichs wieder hinunter ganz verplüfft. Da frug er sie: Wollt ihr auch einen Beißkorb? – Was ist das? sprachen sie. – Fünf Drecker, antwortet' er, euch zum Kappzaum. – Und wenn man, sprach der Hofmeister, uns auch heut noch briet, würden wir doch nicht am Feuer verbrennen, so trefflich mein ich, sind wir gespickt. Ei kleiner Schatz, du hast uns mal das Heu wohl auf die Hörner gebunden: will noch erleben daß du Papst wirst. – Das mein ich, sprach er, und dann seyd ihr der Papelfink, und dieser feine Papa hie wird mein Papagey. – Schon gut, schon gut, spricht der Furirer. – Aber rathet mal, sprach Gargantua, wie viel Nadelstich hat meine Mutter in ihrem Hemd? – Sechzehn, spricht der Furirer. – Du sagst auch kein Evangelium, antwort Gargantua, vierzehn sind ihrer hinten, und fünfzehn vorn, hast schlecht gezählt. – Wann eher? fragt der Furirer. – Damals, spricht Gargantua, als man aus deiner Nas einen Hahn macht' um ein Ohm Dreck damit abzuziehen und aus deinem Hals einen Trichter, ihn auf ein ander Faß zu füllen, denn der Boden hätt einen Sparren zu wenig. – Potz Biltz: sprach der Hofmeister, da han wir einen Schwadronirer funden. Gott tröst euch, Herr Schwafler, denn euer Maul ist frisch genug.

Damit liefens in Eil hinunter, liessen den schweren Hebebaum den er ihnen aufgepackt, unter dem Treppengewölbe fallen. So! sprach Gargantua: Ey zum Teucker! was seyd ihr doch für schlechte Reiter! Euer Gaul geht euch zur Zeit der Noth durch. Wenn ihr von hie nach Cahusac müßtet, wollet ihr lieber ein Gänslein reiten oder die Sau am Seile führen? – Ich wollt lieber saufen, sprach der Furirer. – Und mit diesen Worten kamen sie in den untersten Saal zurück, wo die ganze Gemein beysammen war, erzählten da diese neue Mähr; da lachtens wie ein Rudel Fliegen.

Dreyzehntes Kapitel
[48] Dreyzehntes Kapitel.

Wie Grandgoschier des Gargantuä wunderbaren Verstand an Erfindung eines Arßwisches erkannte.


Gegen das End des fünften Jahres, als Grandgoschier von seinem Sieg über die Canarier heim kam, besucht' er seinen Sohn Gargantua. Da ward er erfreut wie ein solcher Vater der einen solchen seinen Sohn ansiehet, sich erfreuen durft: halset' und küßt' ihn und fragt ihn allerley kleine kindische Fragen, trank auch zum Willkomm eins mit ihm und seinen Wärterinnen. Die befragt er unter andern gar besorglich ob sie ihn auch fein sauber und reinlich gehalten hätten. Wogegen ihm Gargantua zur Antwort gab, er hätt hierauf sich so beflissen, daß im ganzen Land kein reinerer Knab als er zu finden wär. – Ey wie dann so? frug Grandgoschier. Ich hab, antwort Gargantua, durch lange Praktik und Erfahrung das aller herrlichst, trefflichst und probatste Mittel mir den Arß zu wischen erfunden, dergleichen man noch je erhöret. – Nun was ist's? frug Grandgoschier. – Was ich euch gleich erzählen werd, sprach Gargantua:

Ich wischt' mich einmal an ein sammetnes Runzeldecklein von einer Fräulen, und fand es gut, denn die Weichheit der Seiden macht' mir am Fundament eine ziemliche Wollust.

Ein andres Mal an eine Haub von eben derselben, und war deßgleichen.

Ein andres Mal an ein Brusttuch: wieder ein andermal an die karmesinatlassnen Ohrläpplein; aber ein läusegüldener Prast von Zirkeln und Gebräms daran zerschund mir den ganzen Hintersten. Schlag doch das heilige Tönigsfeuer [49] dem Goldschmidt in den Arßdarm, ders gemacht hat, und dem Fräulen die's trug!

Dieß Übel verging als ich mich an ein Pagenbarret wischt, auf Schweiz'risch mit Federn wohl beblümt.

Hernach wie ich einmal mein Nothdurft hinter einem Busch thät, fand ich da eine Märzkatz und wischt mich dran: ihre Krallen aber verschwulsteten mir das ganze Perinäum. Ich heilt mirs am andern Morgen, da ich mich an meiner Mutter mit Beitzoweh wohl parfumirte Handschuh wischt. Darnach wischt ich mich mit Salbey, mit Fenchel, Majoran, Anis, mit Rosen, Kohl, mit Kürbis-Beeten-, Weinlaub, Eibisch, mit Wollenkraut, (welches der Scharlach des Hintern ist) mit Lattichblättern, mit Spinat: und thät alles meinem Bein sehr wohl; mit Bingeln, mit Wasserpfeffer, mit Nesseln, mit Rittersporen: aber davon kriegt ich die Lombardische Blutscheiß. Curirt mirs wieder als ich mich an meinen Latz wischt. Darauf wischt ich mich an die Laken, Decken, Umhäng, an ein Kissen, an einen Teppich, an die grüne Tapet, Schneuztüchel, Zwehlen, Salveten, an ein Puderhemd. Und hat mir alles wohler gedäucht als dem Räudigen wenn man ihn krauet. – Wohl! aber, spricht Grandgoschier, welcher Arßwisch bedünket dir der best zu seyn? – Ich komm schon drauf, spricht Gargantua, gleich sollt ihr das kurz und lang davon hören. Ich wischt mich an Heu, an Stroh, an Heeden, an Haar, an Woll, an Papier, allein!


Wer mit Papier sein wüscht Loch fegt
Stets einen Zundel läßt am G'mächt.

[50] Ey was! ruft Grandgoschier, mein kleines Cujonel, ich mein du hast zu tief in die Kann geguckt, daß du schon reimest? Hui, antwort Gargantua, ich reim was Zeug hält, mein Herr König, und reim mich oft unreimisch drüber. Itzund hört was unser Privet den Kackern predigt:


O Kacks,
Mistax,
Fist-Hackß,
Dreck-Wicht,
Dein Lachs,
Wie Wachs
Füllt stracks
Mich dicht:
Schund-Schicht
Kladricht
Verricht.
Sankt Tönigs Feuer geb dirn Knacks,
Wo nicht
Nach Pflicht
Verpicht
Dirs Loch du fegst eh du dich packst.

Wollt ihr noch eins? – Ey wohl! ey wohl! spricht Grandgoschier – So merket, sprach Gargantua noch diesen

Rundreim:
Als ich mich eines Tags laxirt,
Beroch ich meine Leibesfracht.
Das stank weit mehr als ich gedacht.
Ich war davon ganz parfumirt.
[51]
O daß mir einer hergeführt
Diejenige nach der ich schmacht,
Beym Schiß.
Denn alsbald hätt ich ihr pitschirt
Ihr Harnloch grob und ungeschlacht,
Derweil sie mit den Fingern sacht
Mein Loch vom Kothe renovirt
Beym Schiß.

Nun sagt hinfort mehr daß ich nix könn. Und hab es doch, beim Excrement! nicht einmal selbst gemacht. Vielmehr, die Frau Bas dort hat mirs oft fürgesagt, da hab ichs dann im Ränzel meines Gedächtniß so aufgespart.

Aber, sprach Grandgoschier, wiederum auf unsre Sach zu kommen –

Auf welche? frug Gargantua, aufs Kacken? – Nein, spricht Grandgoschier, auf die Arß-Wisch. – Aber wollt ihr, spricht Gargantua, auch ein Lägel Bretanier Wein zahlen, wenn ich in dieser Materi euch lahm leg? – Ey freylich! antwort Grandgoschier.

Den Arß zu wischen, spricht Gargantua, thut nicht noth, es sey denn Dreck dran. Dreck kann nicht dran seyn wenn man nicht zuvor gekackt hat: gekackt also muß seyn eh man den Arß kann wischen. – Ey mein klein Bürschlein, spricht Grandgoschier, wie bist du g'scheit! dieser nächsten Tag laß ich dich zum Doctor der lustigen Künsten schlagen. Du hast bey Gott mehr Verstand denn Alter.

Nu fahr itzt fort, ich bitt dich drum, in dieser arßwischlichen Wissenschaft! und bey meinem Bart, statt eines Lägels sollst du sechzig Pipen haben, und zwar von diesem edlen Bretanier, der gar nicht in Bretanien wächst, sondern hieselbst in unserm guten Land Verron.

So wischt ich mich, sprach Gargantua, weiter an eine Nachtmütz, an einen Pantoffel, an ein Kopfkissen, an ein Ränzel, an einen Spreukorb; aber, o des sehr unlieblichen harten Wisches! Darauf an einen Hut, und hiebei merket daß von denen Hüten etlich glatt sind, etlich rauch, etlich [52] sammten, etlich atlaß. Die besten von allen sind die rauchen, denn sie machen eine sehr gute Abstersion der Fäcalmateri.

Hernach wischt ich mich an ein Huhn, an einen Hahnen, an ein Hähndl, an ein Kalbsfell, an einen Hasen, an einen Kolkraben, an eine Taub, an eines Advocaten Schrift-Sack, an eine Cornett, ein Käppel, ein Luder.

Sag aber schließlich und bleib dabey: es geht kein Arßwisch in der Welt über ein wohl gepflaumet junges Gänslein, so man ihm den Kopf sanft zwischen die Bein hält; dieses glaubt mir auf meine Ehr; denn ihr verspürt am Arßloch eine unglaubliche Wollust, theils von der Sänft des Pflaumes, theils von der temperirten Wärm des Gänsleins, welche leicht zum Arßdarm und den übrigen Därmen schlägt, ja bis in die Gegend des Herzens und Gehirns aufsteigt.

Und glaubt nur nicht daß der Halbgötter und Heroen Seeligkeit in den elysischen Feldern, in ihrem Asphodill und Nektar oder Ambrosia besteh, wie diese alten Vetteln schwatzen. Nach meiner Meinung ists eben dieß, daß sie sich mit jungen Gänslein die Aersch wischen. Und der Meinung ist auch Meister Jahn von Schottland gewesen.

Vierzehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel.

Wie Gargantua durch einen Sophisten im Latein unterwiesen ward.


Als ihn der gute Mann Grandgoschier so reden hört', kam er vor Wunder schier ausser sich: denn daraus sah er seines Sohnes Gargantuä erstaunlichen Geist und tiefen [53] Sinn, und sprach zu seinen Wärterinnen: Philippus, König in Macedonien erkannt seines Sohnes Alexanders guten Verstand an geschickter Zureitung eines Pferdes. Denn dieses Pferd war so unbändig und schauderhaft, daß niemand es zu beschreiten wagt', weil es allen seinen Reitern die Schipp gab: dem einen brach es den Hals, dem andern die Bein, dem dritten das Hirn, dem vierten die Kinnladen entzwey. Als dieses Alexander im Hippodromo (dem Ort da man die Pferde umtreibt und tummelt), sahe, merkt' er wohl daß des Pferdes Toben anders woher nicht kam als weil es vor seinem eignen Schatten sich scheuet'. Sprang also flugs hinauf und rannt es gegen die Sonn an, daß der Schatten hinter ihm blieb, und durch dieß Mittel macht' er es seinem Willen fügsam. Hieran erkannt sein Vater eben den göttlichen Verstand in ihm, und ließ ihn auf das aller best durch Aristoteles unterrichten, welcher damals vor allen Weisen Griechenlands geachtet war. Und Ich sag euch: aus diesem einigen Gespräch so ich itzunder in euerm Beyseyn mit meinem Sohn Gargantua gepflogen hab, erkenn ich daß in seinem Verstand etwas Göttlichs ist: so scharf, spitzfindig, hell und tief befind ich ihn: und so er recht belehret wird, mag er der Weisheit höchste Stafel gar wohl erreichen. Derhalb will ich ihn einem Gelahrten übergeben der ihn nach seiner Fähigkeit recht unterweis, und nichts dran sparen. Alsbald zeigt man ihm einen grossen Sophistischen Doctor namens Meister Thubal Holofernes an, der trieb ihm sein ABC Täflein so in den Kopf, daß er es vor- und rückwärts konnt und bracht damit fünf Jahr und drey Monat zu. Darnach las er ihm den Donatus, den Facetus, Theodoletus und Alanus in parabolis, und damit bracht er wiederum zu, dreyzehn Jahr, sechs Monat und zween Wochen.

[54] Aber merket wohl, zu gleicher Zeit lehrt' er ihm auch auf Gothisch zu schreiben; denn er schrieb all seine Bücher weil die Druckkunst noch nicht im Brauch war.

Und trug für gewöhnlich ein mächtigs Schreibzeug das wog über siebentausend Centner; der Kengel dran war so lang und dick als wie die dicken Pfeiler zu Enay, und das Dintenhörnlein von der Größ einer Schiffstonn, hing an schweren eisernen Ketten daran. Nach diesem las er ihm De modis significandi cum Schaaliis Balgewindii, Breitmaul, Schwafelin, Sausenbraus, Hans Kalben, Billonii, Vorleckeri, und eines Haufens Andrer mehr; und bracht damit über achtzehn Jahr und eilf Monat zu: hätt es sehr wohl inn; wenn man ihm auf den Zahn fühlt' sagt' ers euch aus dem Kopf hinterrucks auf, und bewies seiner Mutter auf ein Näglein daß de modis significandi minime erat scientia.

Drauf las er ihm den Computum, bei welchem er an die sechzehn Jahre und zween Monat blieb, als sein ernannter Präzeptor das Zeitliche segnet': im Jahr eintausend vierhundert zwanzig starb an der Krätzer, das verstand sich.

Nach diesem kriegt' er einen andern alten Huster namens Meister Hiob Zäumlein, der las ihm Hugutio, Hebrardi Gräcismum, das Doctrinal, das Partes, [55] das Quid est, das Supplementum, Memmendreck, De moribus in mensa servandis, Seneca, de quatuor virtutibus cardinalibus, Passavantus cum commento, und's Dormi secure auf die Fest; nebst etlichen mehr desselben Schrotes, durch deren Lesung er so klug ward als er in Ofen geschossen war.

Funfzehntes Kapitel
Funfzehntes Kapitel.

Wie Gargantua andern Pädagogen untergeben ward.


Inmittelst ward sein Vater gewahr, daß er zwar allerdings fleissig studirt' und alle seine Zeit dran wandte, gleichwohl aber in nichts zuruckt' und, was das ärgst war, davon ganz thörig, dämisch, faslich und blöd im Kopfe ward. Dessen beklagt' er sich eines Tags bey dem Don Philipp des Marays Vicekönig in Papenhöhning: der gab ihm zu verstehen es würd' ihm weit nützlicher seyn gar nichts zu lernen, als solche Bücher unter solchen Lehrmeistern, weil ihr Wissen eitel Viehzeugs, und ihre Weisheit nichts als leeres Stroh wär, welches die guten edeln Geister verbastardirt'[56] und alle Blüth der Jugend erstickt'. Denn zum Beweis daß ihm so sey, sprach er, nehmt einen dieser jungen Knaben her, von der heutigen Welt, der länger nicht als zwey Jahr studirt hat: wo er nicht ein viel besseres Urtheil, bessere Wort und Ausdrück als euer Sohn, einen bessern Anstand und Sittsamkeit vor der Welt hat, so haltet mich euer Lebtag für einen Brenischen Schweineschneider. Dieß gefiel Grandgoschieren sehr wohl, und befahl alsbald daß mans versuchte.

Des Abends beym Imbiß führet' der von Marays seiner jungen Pagen einen, von Ville-Gongis, Eudämon mit Namen herein, so wohl geschmuckt, gestutzt, frisirt, so sauber ausgestäubt, gebügelt und so sittsamen Wesens, daß er vielmehr einem kleinen Engelein als einem Menschen ähnlich sah, und sprach darauf zum Grandgoschier:

Sehet ihr dieses junge Kind hie? Es ist noch nicht zwölf Jahr alt. Lasset uns nun, wenns euch genehm ist, sehen was Unterscheids zwischen der Weisheit eurer matäologischen Fantasten aus der alten Zeit, und unsern jungen Leuten von heut sey. Die Prob gefiel dem Grandgoschier und hieß dem Pagen sein Sach fürtragen. Darauf trat Eudämon, nachdem er seinen Herren den Vicekönig um Erlaubniß dazu gebeten, die Mütz in der Hand, mit klarem Antlitz, rothem Mündlein, unerschrockenen steten Augen, den Blick auf den Gargantua richtend in jugendlicher Bescheidenheit vor ihn hin und fing ihn an zu loben und zu verherrlichen erstlich wegen seiner Tugend und guten Sitten, zweytens wegen seiner Gelahrtheit, drittens wegen seines Adels, viertens um seiner leiblichen Schönheit willen; und zum fünften dann ermahnt' er ihn mit sanften Worten seinem Vater in allen Stücken ehrerbietig und folgsam zu seyn, welcher ihn wohl unterrichten zu lassen so gross Sorge trüg. Schließlich bat er ihn unter seine geringsten Diener mit aufzunehmen; denn grössere Gnaden könnt er ihm dermalen vom Himmel nicht erbitten, als daß ihm nur das Glück zu Theil würd Ihm einen gefälligen Dienst zu erweisen.

Dieß alles ward mit so schicklichen Gebährden, so beredtsamer Stimm, so deutlichem Ausdruck, in so zierlicher Sprach [57] und feinem Latein von ihm fürbracht, daß man ihn eher für einen Gracchus, Cicero oder Aemilius der Vorzeit als für einen jungen Knaben dieses Jahrhunderts gehalten hätt. Dagegen bestund des Gargantuä ganze Antwort und Contenanz in weiter nichts, als daß er euch wie eine Kuh zu heulen anfing, sein Hütlein vors Gesicht klappt' und man eher einem todten Esel einen Furz hätt entlocken mögen, als ihm auch nur ein einigs Wörtlein.

Darob erzörnet' sich sein Vater so schwer daß er den Meister Zäumlein umbringen wollt: doch der von Marays hielt ihn durch gute Wort noch ab, daß sich sein Zorn in etwas legte. Befahl darauf ihm seinen Lohn baar auszuzahlen, auch ihm noch ein theologisch Mäslein Wein auf den Weg zu stossen. Dann aber, sprach er, kann er zu allen Teufeln gehn. Zu mindest wird er heut seinem Wirt nichts kosten, wenn er etwann so dudeldick wie ein Engelländer sterben sollte. Als Meister Zäumlein aus dem Haus war beratschlagt' Grandgoschier sich mit dem Vicekönig was man ihm für einen Präceptor geben sollt, und ward unter ihnen ausgemacht, zu diesem Amt den Ponokrates, den Pädagogen des Eudämon anzustellen, und sollten all mitsamen gen Paris ziehn, wo sie sich um thun könnten, wie es derzeit mit dem Studiren der jungen Leut in Frankreich bestellt wär.

Sechzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel.

Wie Gargantua gen Paris geschickt ward, und von der ungeheuern Mären so er ritt, und wie sie den Kühfliegen im Beaucerlande den Garaus macht'.


Um diese Zeit schickt' auch Fayoles, der vierte König in Numidien, dem Grandgoschier aus Afrika eine ungeheure [58] Mär, das größte Monstrum und Wunderthier so je ersehen war; (wie ihr wißt, daß Afrika immer was neues bringt): denn sie war so groß als sechs Oriflanten, und ihre Füß in Finger gespalten, wie bei dem Pferd des Julius Cäsar, auch lange Schlapp-Ohren hätt sie, wie die Geissen in Languedoc und ein klein Hörnlein am Hintersten. Im übrigen von Farb ein Brandfuchs mit grauen Apfelsprossen getigert. Vor allem aber hätt sie einen erschrecklichen Schwanz! denn etwas wenigs ab und an, war er so dick als die Sankt Marx-Saul unweit Langès, auch so geviereckt, und die Strehnen dran so in einander gehäkelt wie mans an einer Kornähr sieht.

So ihr hierüber euch verwundert, ey so wundert euch doch vielmehr über die Schwänz der Scythischen Hammel die über dreyssig Pfund schwer wogen, oder über die Syrischen Schaafböck, denen man (wenn Steffen nit lügt) ein Kärchel zur Nachführung der Schwänz an ihre Aerß mußt fürschuhn lassen, so lang und mastig waren sie. Ihr wenigstens habt keine solchen, ihr andern Spatzen vom platten Land. – Und ward zur See auf drey Caracken und einer Brigantin geführet in den Hafen zu Olone in Thalmondien. Als Grandgoschier die sahe, sprach er: sieh da, ein gut Geschirr, darauf mein Sohn gen Paris mag reiten! Wohlan, Gott walt's, es wird alls wohl von Statten gehen, er wird ein mächtiger Doctor werden zu seiner Zeit. Wenn die Herrn Schwein nicht wären, so lebten[59] wir all wie die Doctoren und Clerici. Am folgenden Tage nach dem Früh-Wein (wie ihr von selbst einseht) brachen sie auf, Gargantua, sein Präceptor Ponokrates, nebst seinen Leuten, und mit ihnen Eudämon der junge Pag; und weil das Wetter klar und gelind war, ließ ihm sein Vater fahle Kniestiefel machen. Babin nennet sie Brodequin. So zogen sie lustig ihre Straß, und aller Orten groß Traktament bis über Orleans. In der Gegend war ein geraumer Wald, in die Läng auf dreyssig fünf Meilen, und in die Breit an siebzehn oder ongefähr. Derselbige war so grausam fruchtbar und voll von Brämen und Kühfliegen, daß es eine wahre Schinderey für die armen Lasttier, Esel und Pferd war. Aber unseres Gargantuä Mär rächt allen Unbill in selbigem den Thieren ihres Geschlechts erwiesen, sehr wacker durch einen solchen Tuck, dessen sie sich mit nichten versahen. Denn alsbald sie in den Wald kamen und die Brämen Sturm auf sie liefen, da zog sie ihren Schwanz vom Leder und fochtelt' und muckt' sie so preislich ab, daß sie das ganze Holz kreuz quer, links rechts, ricks racks, kopf über kopf unter, in die Läng in die Breit umhieb, und Holz schlug wie ein Mäther Heu. Dergestalt daß es forthin da weder Holz noch Brämen mehr hätt und das ganze Land zur Ebenen ward. Welches als Gargantua sahe, hätt er sein herzlich Freud daran und sprach, ohn weiter sichs zu rühmen, zu seinen Leuten: Ein guter Spôß! darnach dieß Land genannt ward's Beauce. Ihr ganzer Imbiß aber auf dießmal bestund in Maulaffen, als woran noch zum Gedächtniß bis itzunder die Junker in Beauce zum Morgen-Imbiß Maulaffen feil han und verspeissen; stehen sich auch ganz wohl dabey, und kotzen nur dest besser darnach. Letzlich kamen sie zu Paris an, da er sich zwey, drey Tag erquickt' und mit seinen Leuten ihm wohl seyn ließ, auch [60] unter der Hand erkundigt' was es dermalen für Gelehrte am Ort hätt und was für Wein man allda tränk.

Siebzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel.

Wie Gargantua den Parisern seinen Willkomm bezahlt', und wie er die grossen Glocken von unser Frauenkirch abnahm.


Nachdem sie sich etlich Tag erquickt, ging er aus, die Stadt zu beschauen: und alle Leute betrachteten ihn voll Staunens und Verwunderung. Denn das Pariser Volk ist so läppisch, gaffigt und albern von Natur, daß ein Taschenspieler, ein Ablaßkrämer, ein Maulthier mit seinen Cympeln, ein Leyermann auf der Gassen mehr Leut um sich her versammelt als der best Evangelienprediger: und drangen ihm also beschwerlich zu Leib, daß er zuletzt gezwungen war sich auf die Thürn der Frauenkirch zu retiriren und niederzulassen. Wie er nun da saß und dieß viele Volk um sich her sah, sprach er laut:

Ich glaub die Schlingel meinen, daß ich ihnen hie mein Proficiat und meinen Willkomm zahlen soll. Ist billig; sollen ihren Wein han, aber par ris, per risum, spottweis. – Da lupft' er lächelnd seinen schönen Hosenlatz, zog seine Mentul an die Luft herfür und bebrunzelte sie so haarscharf, daß ihrer zweyhundert sechzigtausend vierhundert und achtzehn elend ersoffen ohn die Weiber und kleinen Kinder.

Eine Anzahl derselben aber entrann dieser Seichschwemm durch Behendigkeit der Füß. Und als sie nun schwitzend, schnaufend, speyend, ausser Othem zur höchsten Stell bey der Universität ankamen, itzt ging es an ein Fluchen, ein Lästern, etlich im Zorn, andre lachendes Mundes par ris, Schariwari, Schariwara: hilf heiligs Fräulein, ho Ries! [61] pah Ries! der Ries hat uns par ris getauft! Darnach seitdem die Stadt Paris geheissen ward, die man vorher Leucetia nannte, wie Strabo meldet lib. IV., das ist auf griechisch, Weißheim, von den weissen Beinen der Frauen des Orts: und gleichwie nun bey dieser neuen Namensstiftung ein Jeder in der Meng bey dem Phariser und Heiligen seines Kirchspiels schwur, so sind die Pairser, als ein Volk aus allen Enden und Stücken geflickt, von Haus aus gute Schwörer und Störer, und ein wenig oben hinaus. Daher auch Joaninus de Baranco, libro de copiositate reverentiarum der Meinung ist, daß sie mit einem griechischen Namen Parrhesier, das ist, erschreckliche Plaudertaschen genannt sind worden.

Hiernächst besah er die grossen Glocken auf selbigen Thürnen und ließ sie harmonisch zusammen läuten; und während er also dieß noch trieb, kam ihm zu Sinn, daß sie als Schellen, seiner Mär gut zu Hals stehn müßten, die er seinem Vater, mit Käsen von Brye und neuen Häringen wohl beladen wieder heimschicken wollte; nahm sie also mit in sein Herberg. Inzwischen schlich ein Schunken-Comthur von Sankt Tönigs Ritterschaft auf seiner Schweins-Collect begriffen daher, der wollt sie diebisch entlehnen, damit man ihn schon von weitem hört' und aller Speck im Scharren vor ihm erzittern sollt: doch ehrenhalber ließ er sie stehen, nicht etwann weil sie ihm allzu heiß gewesen wären, sondern nur etwas weniges zu schwer aus freyer Hand zu tragen für einen Bruder befand er sie. Es war aber nicht etwann der von Bourg, denn er ist mein gar zu guter Freund. Da kam die ganze Stadt in Aufruhr, wie ihr wohl wißt daß sie dazu gar leicht geneigt sind, dergestalt, daß sich die fremden Nationen über der Könige in Frankreich Geduld [62] entsetzen, warum sie sie nicht durch gute Justiz mehr im Zaum halten, hinsichtlich derer vielen Nachtheil so tagtäglich daraus entstehen. Wollt nur Gott ich wüßt die Werkstatt wo diese Monopolien und Schismata geschmiedet werden; so wollt ich sie den Brüderschaften meines Sprengels wohl offenbaren. Dieß glaubt, die Stätte wo das Volk ganz nuppig und rapplig zusammenlief, war Nesle, wo damal, itzt nicht mehr, das Orakel von Leucetien war. Da ward der Handel fürgebracht, und der aus Ablösung der Glocken besorgliche Schaden dargethan.

Nachdem sie nun viel pro et contra ergotiret und discutiret, ward in Baralipton beschlossen den Aeltesten und Bastantesten der Facultät an den Gargantua abzuschicken, daß er ihm den grausamen Schaden dieses Glockenverlustes fürhielt. Und ohnerachtet zwar etliche von der Universität abriethen und meinten, daß sich dies Geschäft mehr für einen Orator als einen Sophisten schickt', ward doch zu dieser Legation der Meister Jonas Fochtelnburg zuletzt bestellt und auserkohren.

Achtzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel.

Wie Jonas Fochtelnburg an den Gargantua abgeschickt ward, die grossen Glocken wiederzuholen.


Meister Jonas, auf Cäsarinisch beschoren, sein Lyripipium nach altem Stilus über die Schultern hergeworfen, den Magen mit Backofen-Latwerg und heiligem Keller-Weihbrunn wohl verantidotiret, schritt sofort zur Herberg des Gargantua: vor ihm her trieb er drey rothschnauzige Pedellenkälber, und hinterdrein folgt' ihm ein Schlepp von [63] fünf Magistris inertibus oder sechsen, bis über die Ohren wohl bedreckt, auf daß nichts umkäm. An der Thür begegnet' ihnen Ponokrates, und erschrak bey sich, als er sie so verkappt sah, dacht es wären tolle Fastnachtsbutzen. Darnach befragt' er sich bei einem der inertischen Magistri vom Nachtroß, was der Mummschanz sollte. Der antwort ihm, sie wären wegen der Glocken da, daß man ihnen die wiedergäbe. Alsbald er diesen Bescheid vernommen, lief Ponokrates zum Gargantua und bracht ihm die Zeitung, daß er auf eine Antwort denken und auf der Stell erwägen möcht, was er zu thun hätt. Gargantua, hievon belehrt, nahm auf die Seit Ponokratem seinen Präceptor, Philotimum seinen Haushofmeister, Gymnasten seinen Waffenträger und den Eudämon und berieth sich mit ihnen summarisch was zu thun und zu antworten wär. Da waren sie denn all der Meinung, daß man sie sollt zum Schenktisch führen und auf bäuerisch eins trinken lassen: und damit dieser Huster sich nicht überhüb als ob man die Glocken ihnen auf sein Gesuch hätt wiedergeben, wollt man (derweil er schöppelt') den Schultheiß, den Rector von der Facultät und den Pfarrer des Kirchspiels rufen lassen und ihnen, ehe der Sophist sein Commission fürbrächt, die Glocken aushändigen: hernachmals aber in ihrem Beyseyn seinen schönen Sermon anhören. Wie geschah; und als die Obgenannten erschienen, ward der Sophist in vollen Saal herein geführt: da hub er hustend folgendermasen zu reden an:

Neunzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel.

Des Meisters Jonas Fochtelnburg Anred an den Gargantua um Wiedererlangung derer Glocken.


Ehem, hem, hem, bonsdies, Gestrenger, bonsdies: et vobis Junkherrn. Es wär doch halt nit mehr als billig,[64] wenn ihr uns unsre Glocken wolltet wiedergeben. Denn sie thun uns gar sehr vonnöthen. Hem, hem, hasch. Wir han wohl eher schon gut Geld dafür ausgeschlagen so uns die von Londen in Cahors anboten, deßgleichen die von Bourdeaux in Brye, welche sie haben kaufen wollen wegen der substantifikalischen Qualität der elementaren Complexion intronifiziret innerhalb der Terrestrität ihrer quidditativischen Natur zur Extraneisirung derer Halonen und Turbinen von unsern Reben, wenn auch nicht der unsrigen, doch dicht beyan. Denn verlieren wir das Rebenblut, so verlieren wir alles, Muth und Gut. Gebt ihr sie auf mein Bitt uns wieder, verdien ich sechs Stab Würst daran und ein guts Paar Hosen die meinen Beinen wahrlich werden zu Statten kommen, oder sie halten ihr Wort wie Schelmen. Ho Domine, bei Gott, ein Paar Hosen ischt guet et vir sapiens non adhorrebit illud. Ha nicht jeder Mann hat ein Paar Hosen der möcht, das weiß Ich wohl an mir. Schauns Domine, es sind nun schon an die achtzehn Täg her, daß ich an dieser schönen Red spintisir und kau. Reddite quae sunt Caesaris Caesari, et quae sunt Dei, Deo. Ibi jacet lepus. Mein Treu, Domine, wann ihr bey mir zu Nacht wollt essen in camera, bei dem Sanct Chrisamcharitatis nos faciemus bonum cherubin. Ego occidi unum porcum, et ego habet bonum vino. Aber von einem guten [65] Wein kann man nit reden bös Latein. Wohlan, de parte Dei, date nobis Glockas nostras. Schauns her, ich schenk und übergeb euch auch von unsrer Facultät ein Sermones de Utino, utinam, daß ihr uns unsre Glocken wollt geben. Vultis etiam Ablassios? Per Diem, vos habebitis, et nihil zaletis.

O Herr Domine, glockidonaminor nobis! Ohe! est bonum urbis. Brauchts alle Welt. Seyns eurer Mären etwann g'sund? Ey unsrer Facultät nicht minder, quae comparata est jumentis insipientibus, et similis facta est eis, psalmo nescio quo, obschon ich mirs auf meinem Papierl gar wohl notirt hab, et est unum bonum Achilles, hem, ehehem, hem, hasch: he! ich beweis euchs daß ihrs uns geben sollt und müßt. Ego quidem sic argumentor. Omnis Glocka glockabilis in glockerio glockando, glockans glockativo, glockare facit glockabiliter glockantes. Parisius habet glockas. Ergo Klotz. Ha, ha, das heißt parlirt, das! Ist in tertio primae in Darii oder wo anders. Auf mein Seel, ich hab die Zeit g'sehen, da ich hab Teufel mit arguiren angestellt; itzt aber kann ich nix mehr denn faseln. Itzund bekommt mir nix besser als ä gut Weinl, gut Bett, den Rucken am Feuer, den Bauch beym Tisch und ein fein tiefe Platten. Hey Domine, ich bitt euch doch in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti, amen, daß ihr uns unsre Glocken wieder gebt. So helf euch Gott vom Übel und unsre liebe Frau von der Gesundheit, qui vivit et regnat per omnia saecula saeculorum, amen. Hem, hasch, chasch rax hem hasch.

[66] Verum enim vero, quando quidem, dubio procul. Aedepol quoniam ita certe meus deus fidius ein Stadt ohn Glocken ist wie ein Blinder ohn Stecken, ein Esel ohn Schwanzriem und ein Kuh ohn Schellen: so wollen wir bis ihrs uns wiedergebt nicht ablassen hinter euch drein zu schreyen wie ein Blinder der seinen Stecken verloren, zu brällen wie ein Esel ohn Schwanzriem, zu muhen wie ein Kuh ohn Schellen. Ein sicherer Latinisator, (er wohnt beim Spittel,) sagt' einmal, und berief sich auf das Ansehn eines Tumpanus (aber ich irr, es war ein Säkularpoet Pontanus) er möcht wünschen daß sie von Federn wären, die Glocken, und der Schwengel ein Fuchsschwanz drinn, weil er nur allezeit die Chronik in den Kutteln seines Hirns davon hätt wenn er seine carminiförmlichen Vers macht'. Er ward aber rix rax puff paradauz zum Ketzer proclamirt: wir machen sie wie die Suppenklösel. Ein mehrers sagt itzt Deponent nicht. Valete ergo et plaudite. Calepinus recensui.

Zwanzigstes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel.

Wie der Sophist sein Tuch davon trug, und wie er mit den andern Meistern Prozeß bekam.


Der Sophist hätt nicht sobald geendigt, da brachen Ponokrates und Eudämon in ein so gründlichs Gelächter aus, daß sie den Geist Gott aufzugeben vermeineten, nicht mehr [67] noch minder als Crassus da er den Eselshengst sah Disteln fressen, und als Philemon, welcher über einen Esel der die zum Imbiß ihm bestellten Feigen aufaß, vor Lachen starb. Nebst ihnen fing auch Meister Jonas mit in die Wett zu lachen an was hast was kannst, daß ihnen sämmtlich das Wasser aus den Augen schoß durch die heftige Erschüttrung der Hirn-Substanz, der diese zährliche Feuchtigkeit erpreßt und die optischen Nerven entlang verflösset ward. Wodurch von ihnen Demokritus Heraklitizans und Heraklitus Demokritizans getreulich repräsentiret wurden.

Als nun dieß Lachen gänzlich gestillet, berathschlagt' sich Gargantua mit seinen Leuten was zu thun wär. Da rieth Ponokrates daß man den schönen Redner wiederum über den Humpen schicken sollt: und weil er ihnen mehr Kurzweil und Lachen als kein Schnaken-Traum nimmermehr bereitet hätt, so sollt man ihm die in der lustigen Red erwähnten zehn Stab Würst gewähren, auch ein Paar Hosen, dreyhundert Scheit Stockholz, fünf und zwanzig Ohm Wein, ein Bett mit dreyfachen Decken von Gänseflaum und eine ziemlich weite und tiefe Platten, welches, wie er sagt', seinem Alter vonnöthen wäre. Solches alles ward vollstreckt wie es der Rath beschlossen hätt'; nur, daß Gargantua, zweifelhaft ob man für seine Bein auch auf der Stell die paßlichen Hosen möcht finden, und ungewiß auf welche Weis sie dem Legaten am besten stünden, auf Martingalisch, (welches ein Arß-Fallbruck ist, um leichter zu schiessen,) oder auf Schiffmännisch zu mehrer Nieren-Erlustigung, oder auf Schweizerisch, daß das Ränzel fein warm stäk, oder auf Stockfischschwänzenart aus Sorg die Lenden zu erhitzen, [68] ihm sieben Elen schwarzes Tuch und dreye weissen Barchents zu dem Unterfutter verehren ließ. Das Holz ward ihm von den Tagelöhnern heimgefertigt, die Magistri trugen die Würst und die Platten, aber das Tuch wollt Meister Jonas selber tragen. Da stellt ihm einer der Magistri, Jobst Bandusel mit Namen, für, daß dieß nicht schicklich noch wohlanständig für seinen Stand wär und er es einem von ihnen zu tragen geben sollt. Ha, Esel! Eselskopf! schrie Jonas, schliessest weder in modo noch figura. Wofür haben wir die parva logicalia und suppositiones? Pannus pro quo supponit? Confuse, antwort Bandusel, et distributive. Ich frag nicht, du Esel, spricht Jonas, quomodo supponit sondern pro quo? Pro tibiis meis, Eselskopf! Und derhalb will Ichs Ergomet tragen sicut suppositum portat appositum. Und also trug ers ducklings davon, wie Patelin sein Tuch gewann. Aber das Best war, wie der Huster ganz keck in öffentlicher Versamlung bey den Mathurinern, seine Hosen und Würst noch einmal fordert'; denn sie wurden ihm peremptorie abgeschlagen, weil er sie, laut darüber erhohlter Zeugniß schon vom Gargantua erhalten hätt. Er replizirt' dagegen es wär solchs gratis und eine freiwillige Gab von ihm gewesen, wodurch sie mitnichten ihres Versprechens entledigt wären. Es ward ihm aber zur Antwort gegeben, daß er sich eines Billigen vergnügen sollt und für ihn weiter nix setzen würd. Was Billigen! sprach Jonas: billig! es ist nicht Brauchs hie unter uns; ihr leidigen Verräther taugt den Teufel nicht, der Boden trägt kein ärger Schelmenvolk als ihr seyd. Ich kenn euch wohl, o hinket nur nicht vor den Lahmen. Denn ich hab die Schelmerey mit euch getrieben. Beym heiligen Milz! dem König will ich die gräulichen Frevel die hie im Schwang gehn, offenbaren; all eure Ränk und Diebskniff: [69] und der Aussatz treff mich wenn er euch nicht all lebendig verbrennen läßt als Buker, Ketzer, Landsverräter, Leutverführer, als aller Tugend und Gottes Feind'!

Auf diese Wort stellten sie wider ihn Artikel: er an dern Theils citirt' sie und setzt' ihnen ein Tag. In Summa, der Prozeß ward bey dem Hofgericht anhängig und hängt noch da. Die Magistri schwuren von Stund an sich den Dreck nicht eher abzufegen, und Meister Jonas samt seinem Anhang, sich die Nas nicht eher zu schneuzen bis drüber durch endlichen Spruch erkannt wär.

Von dem Gelübd an sind sie dreckig und rotzig verblieben bis diesen Tag: denn das Gericht hat noch nicht alle Punkt und Stücken zu End ergrabelt. Der Spruch soll auf den nächsten griechischen Neumond gefällt werden, das will sagen nimmermehr. Wie ihr denn wißt, daß diese Leute mehr können, als selbst die Natur, und wider ihre eignen Artikel thun. Die Pariser Artikel lauten, Gott allein könn unendliche Sachen machen. Natur macht nichts unsterblich, denn was sie erschafft, dem setzt sie auch ein End und Ziel, denn omnia orta cadunt, etc. Hergegen diese Nebelbalger machen die bey ihnen schwebenden Rechtsstreit beydes unendlich, und unsterblich. Womit sie des Lacedämonischen Chilons zu Delphi geheiligten Ausspruch verifizirt und bestätigt haben, welcher heißt: Armseligkeit sei der Prozeß Gefährtin, und Prozessirer armselige Leut. Denn viel eher erlangt ein End ihr Leben als das Recht so sie fürgeben.

Ein und Zwanzigstes Kapitel
Ein und Zwanzigstes Kapitel.

Von des Gargantuä Studien unter seinen sophistischen Lehrern.


Nachdem die ersten Tag also verbracht und die Glocken an ihren Ort gebracht waren, erboten sich die Parisischen [70] Bürger aus Dankbarkeit für solche Großmuth, seine Mär so lang er wollt zu unterhalten und zu ernähren. Welches er auch gern geschehn ließ, und schickten sie in den Forst von Biere auf Weid. Ich glaub, itzt ist sie nicht mehr da.

Darnach wollt er mit aller Macht nach Ponokratis Anweisung studiren lernen. Dieser aber verordnet' daß er fürs erst noch bey seiner alten Weis und Gewohnheit bleiben sollt, damit man dahinter kommen möcht, durch welch Verfahren ihn seine alten Lehrmeister in so langer Zeit so gar unwissend blöd und dämisch gemacht hätten. Also theilt' er seine Zeit dergestalt ein, daß er für gewöhnlich zwischen Acht und neun sich ermuntert', es mocht nun Tag seyn oder nicht: denn also hatten es seine alten Zuchtregenten mit ihm gehalten und dabey Davids Spruch citirt:Vanum est vobis ante lucem surgere. Darauf strabelt', wälzt' und sielt' er sich eine Zeitlang im Bett herum zu mehrerer Erfrischung seiner Lebensgeister und kleidet' sich nach der Jahreszeit an: doch trug er gern einen langen grossen Rock von dickem Frieß mit Füchsen gefuttert. Darauf strält' er sich mit dem Schwäbischen Sträl, das sind die vier Finger und der Daumen. Denn seine Lehrer pflegten zu sagen, wer anders sich strält', wüsch oder säubert', verdürb die Zeit nur in dieser Welt.

Nachgehends schiß er, pißt' er, kotzt' er, rülpst' er, farzt' er, jähnt' er, spie er, hustet', räuspert', niest' und rotzt' wie ein Archidiakonus und frühstuckt', den bösen Thau und Nebel zu legen, schöne Karbonädel, schöne Bratkutteln, schöne Schunken, leckre Rebhuhntunken, und Prim-Suppen vollauf. Ponokrates verwies ihm zwar so jähling vom Bett weg zu füttern eh er zuvor ein Uebung gehabt hätt. Ey was Uebung! antwort ihm Gargantua, hab ich nicht Uebung genug gehabt? Ich hab eh ich aufstund, sechs bis sieben Gäng im Bett herum turnirt: ist das nicht satt? Papst Alexander thät ihm auch so, nach dem Rath seines [71] jüdischen Arztes, und lebt' bis er starb, seinen Neidern zu Leid. Meine ersten Meister haben mich dran gewöhnt und gesagt, das Frühstücken mach ein gut Gedächtniß, tranken derhalb auch immer vorweg. Ich befind mich gar wohl dabey, ich speis nur dest besser drauf zu Mittag. Und Meister Tubal, der der Oberst seiner Licenz in Paris war, sagt' mir östers, der Vortheil läg nicht gar darinn, daß man geschwind lief, wohl aber darinn, daß man fein fruh bei Zeiten aus lief: auch ist das nicht das alleinige Wohlseyn unserer Humanitäten zu trinken wie die Enten, schlick, schlack, schlapp, sondern mit grauendem Tag zu trinken, unde versiculus:


Früh aufstehn
Macht seelig nicht, Frühtrunk ist schön.

Als er nach allem Vortheil nun wohl gefrühstuckt, ging er zur Kirchen, und trug man ihm in einem großen Korb ein dick verpantoffelt Brevierbuch nach, das wog im Schmeer, Clausuren und Pergament eilf Zentner sechs Pfund, was weniges drunter oder drüber, ab oder an: da hört' er dann ein sechsundzwanzig bis dreyssig Messen. Inzwischen kam sein Horasbeter auf den Platz, verkaselt wie ein Widhopf, auch seinen Athem mit Weinbeersyrup geziemendlich verantidotiret. Mit dem mämmelt' er all sein Kyrieleisli und körnt' sie so sorgsam aus, daß auch nicht ein einigs Sämlein davon zur Erden fiel. Wann er dann wieder aus der Kirch ging, führt' man ihm auf einer Ochsen-Schleif einen grossen Prast Paternoster von Sanct Claudi nach, jedweder Knopf dran so schwer als ein Hutleist: damit ging er im Kloster, im Kreuzgang oder im Garten auf und ab, und betet' ihrer mehr denn sechzehn Klausner an den Fingern herunter.

[72] Darnach studirt' er ein leidig halb Stündlein, die Augen starr auf sein Buch gerichtet, aber sein Seel (wie der Comikus sagt) war in der Kuchel.

Seicht' sodann einen Kämmerling bis an den Rand voll und setzt' sich zu Tisch; und weil er flegmatischer Natur war, fing er sein Malzeit mit etlichen Dutzend Schunken, geräucherten Ochsenzungen, Botargen, Würsten und andern dergleichen Wein-Furiren und Fürtrag an. Mittlerweil warfen ihm vier seiner Leut ohn Unterlaß einer nach dem andern Mustrich mit vollen Schaufeln ins Maul. Drauf thät er einen erschrecklichen Zug weissen Weins, ihm die Nieren zu kühlen: aß dann was just die Jahrszeit gab, so viel ihm beliebt', und hört' alsdann mit Essen auf, wann ihm der Bauch zog. Im Trinken hätt er kein Maas noch Regel; denn, sagt er, des Trinkens Schrank und Ziel wär, wenn des trinkenden Kerles Kork-Sohl in den Pantoffeln um einen halben Schuh auflief und in die Höhe schwöll.

Zwey und Zwanzigstes Kapitel
Zwey und Zwanzigstes Kapitel.

Von Spielen des Gargantuä.


Itzt knuspert' er sein Brösel Gratias auf bäuerisch ab, wusch sich die Händ mit frischem Wein, stört' in den Zähnen mit einem Schweinsfuß, und discurirt' munter mit seinem Gesind. Dann ward der grüne Teppich auf den Tisch gelegt, ein Haufen Karten, Würfel, Bretspiel die schwere Meng herbeygebracht. Da spielet er,


[73]

FlußKehraus

PrimGedankens

StichWer eins thut thut auch das

Matsch ander

TriumpfSequenz

ReitzuKocken

HundertTarock

Dorn AusziehensHahn im Bret, wer g'winnt

Bettelmann verthät

SchelmensFoppens

Ueber zehnPlackens

Ein und dreyssigSchnarchers

Par und SequenzGlückauf

DreyhundertHonnör

BettelsackNori Mori

CondemnatenSchach

DrehkärtelFuchs

MalcontentHupfeldrey

LandsknechtMotschekuh

HahnreyWeißblättl

Wers hat sagsWagen gewinnt

Hunkus Trunkus LerumDrey Würfel

PlepsPuff

MariaschZwickzwack

LortschSchab ab

RenetteGevatter leiht mir euern Sack

SbaraglinoWiddershoden

TriktrakDruck dich

Mit allen BrettenMarseiller Feigen

Mit offnen BrettenMuck Muck

StrafmirpotBüttel puff

Zwing dichFuchsstreifens

FrauenspielAlpschlittens

WauwauHop Madam

Primus secundusHaberverkaufens

MesserstielKohlenblasens

SchlüsselsResponsalien

BlebbersZum lebendigen und todten

Grad oder Ungrad Richter

Kreuz oder BlättleinEisen aus der Essen ziehen

[74]

KnöchelnsZum falschen Buben

NädelnsZum hockrigen Hofmann

SchusserlDer Heilig ist funden

SchuhpletzersMorgelraufens

SchubutBirnbaum

DusselhasBumbaum

ZipfelzupfensDreymal'rum

Hüst! SchweinelReifen

ElsternZur Sau

HörnelBauch wider Bauch

JammerochsTebel

KircheulRiberle

Ungelacht pfetz ich dichPeilken

StichgrübelsFangedissels

Esel zieh dein Schuh ausFlackerli

ZinshahnKegel

SchurrurruLangschub

Ich setz michPlattbosel

GüldenbärtelDorl

BundschuhRomreitens

BratenwendersTriff den Dreck

KurzboselAngstnarr

FeldhahnZum Mayenbaum

Schlupfe SchneckelMuckenwadels

HafenschlagOechsel Oechsel Ochsenköppel

Mir zu LiebA propos

TrieselsNeun Händ

BinsenBlindmysels

KurzknittelZur faulen Brucken

KreiselNickel im Sack

BlinzenRök

PicketDrach

BlankenBlindekuh

FrettelTriff die Schnut

SägemannsSchnappmuck

SchlößleinKröten

ZeilKrummstab

GrübliStössels

SchnarchhansBillebocket

HabergaisKöniginn

[75]

MönchHandwerks

KoboldsKopf zu Kopf überzwerg

HäufelnsHinkebein

PritschballTodtentanz

RüblsteckensKnötleins

DickarßFrau ich wasch dir deine Mütz

BesensMehlbeutel

Sanct Kosman ich ruf dich anHaber sähen

Zum braunen SchröterNollhart

Ich fang euch ohn MayenDrehmühl

Die fasten gehen gut und feinDefendo

BurzelbaumSchlängelns

HuckegaulDutzbock

WolfsschwanzSchunkel

Furz in HalsZum Bauern

Wilhelm, lang mir meinenZum todten Thier

SpießSteig aufs Leiterlein, steige

SchwingensFerkenstechen

Zur Korn-MandelArß im Salz

TäubleinFarz Schimmel

DreymannhochSenfstempel

Wellen bindenSchul aus

Spring aus dem BuschKekelmann

Uebers KreuzFliegerli

Husch husch verstecksKusch den Kopf

Ich hab mein Heller imKrannich

ArßbeutelEisenfraß

HabichtnestNasenstüberl

SchiebzuLerchen

FeigenKatzpfötel


Nachdem er also brav gespielt und die Zeit damit verthan, vertempert, verklempert, durchs Mehlsieb gebeutelt und gereutert hätt, wollt wieder ein wenigs genetzet seyn. Da kamen eilf Seydel auf den Mann: und flugs darauf ward banketiret, das ist, auf einer feinen Bank oder auf weichen Faulbettlein sich extendiret und geschlafen zwo bis drey Stunden hintereinander ohn Argwohn, ohn ein unrecht Wörtlein. Wann er dann wieder munter ward, schüttelt' er ein wenig die Ohren: inzwischen trug man ihm frischen [76] Wein auf, da trank er besser als zuvor. Ponokrates verwies ihm solches als eine üble Lebensart, so auf den Schlaf zu trinken. Aber, antwortet' ihm Gargantua, das ist das wahre Leben der Väter. Denn meiner Natur nach schlaf ich Gesalzens: so viel ich schlaf, so viel Schunken trägt mirs.

Drauf fing er ein wenig an mit Studiren, und Paternoster vorneweg. Welchs förmlicher zu expediren er eine alte Maulstut zu beschreiten pflag, die schon zeither neun Königen bedient gewesen, und also plappernd mit den Lefzen und lottelnd mit dem Kopf zog er hinaus und sah etwann ein Kanickel im Garne fangen.

Wann er heimkam verfügt' er sich in die Kuchel, zu sehen was für ein Braten am Spieß stäk.

Und speißt' mein Treu sehr wohl zu Nacht, lud auch gern etlich gute Schlucker von seinen Nachbarn dazu ein, thät ihnen Bescheid und kosten mitsamen von den Alten bis zu den Neuen.

Unter andern hätt er zu seinen Kunden und Hofbesuchern die Herren von Fou, von Gourville, Grignault und Marigny. Nach dem Essen kamen wieder die schönen hölzernen Evangeli auf den Plan, daß ist Bretspiel die Hüll und Füll, der edle Fluß, Eins zwey drey, oder Alle Trümpf, es kurz zu machen; oder gingen auch wohl gassatim bey den jungen Dirnen umher; da gabs jeweilen Nacht-Banketlein und kleine Schlaftrünk nebenan. Darauf schlief er unabgezäumt bis morgens acht Uhr.

Drey und Zwanzigstes Kapitel
Drey und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Gargantuä beym Ponokrates solcher Lehrzucht theilhaft ward, daß ihm nicht eine Stund vom Tag veloren ging.


Als Ponokrates die falsche Lebensart des Gargantua erkannt, beschloß er ihn in seinen Studien anders zu führen: [77] doch übersah ers ihm noch die ersten Tag, in Betracht die Natur nicht ohn grosse Gewalt eine plötzliche Aendrung erleiden mag. Um also desto reiflicher sein Werk zu beginnen, ersucht' er einen gelehrten Arzt derselben Zeit, mit Namen Meister Theodor, darauf zu denken wie man den Gargantua auf bessern Weg geleiten möchte. Selbiger purgirt' ihn kanonisch mit Nieswurz von Anticyra, und reinigt' ihm durch solche Arzney das Hirn von aller Alteration und bösen Gewohnheit. Auch bracht ihm Ponokrates durch dieß nämliche Mittel alles in Vergessenheit was er unter seinen alten Lehrern erlernt hätt: wie Timotheus mit seinen Jüngern thät, wenn sie von andern Meistern in der Musik unterwiesen worden waren. Solches besser ins Werk zu richten, führt er ihn in die Versammlungen der gelehrten Leut ein, die es dort hätt, aus deren Nachahmung ihm der Geist und das Verlangen wuchs auf eine andre Art zu studieren und sich besser herfürzuthun.

Darnach half er ihm dergestalt ins Gleis der Studien, daß er auch nicht eine Stund vom Tag verlor, vielmehr sein ganze Zeit mit edler Kunst und Wissenschaft zubrachte. Es erwacht' demnach Gargantua gegen vier Uhr des Morgens. Während man ihm abrieb, ward ihm eine Seit aus heiliger Schrift laut und vernehmlich hergelesen mit jeden Kapitels schicklichen Fürtrag, und war dazu ein junger Knab aus Basché bürtig angestellt, names Anagnostes. Auf Anlaß und Inhalt selbiger Lektion erging er sich öfters im Gebet, Lob Preis und Danksagungen gegen den guten Gott, deß Majestät und wunderbare Gericht ihm die Schrift offenbaret hätt. Dann begab er sich auf den heimlichen Ort um sich der natürlichen Däunungsmateri zu entladen. Da wiederholet' ihm sein Präceptor was gelesen worden war, und legt' ihm die schwerverständlichsten Punkt aus. Kamen sie dann wieder zurück, so beschauten sie sich den Stand des Himmels, ob er noch war wie sie ihn Abends zuvor gemerkt, in welche Zeichen die Sonn am selbigen Tag einträt, [78] deßgleichen der Mond. Wenn dieß vollbracht war, ward er gekleidet, gestrält, frisirt, geputzt und parfümiret, während deß man mit ihm die Lectiones des vorigen Tages repetirt'; die sagt' er selbst auswendig her, und gab dazu allerley praktische Fäll und Exempel aus dem Weltlauf an, welches mitunter an zwey, drey Stunden währt'; hörten jedoch meist auf damit, sobald er fertig gekleidet war. Darauf ward drey volle Stunden lang mit ihm Lection gehalten. Hierauf gingen sie aus und sprachen dabey vom Inhalt der Lectur, ergötzten sich im Bracken oder auf den Wiesen mit Ballenspiel, dem Handball oder Dreyball, übten eben so weidlich nun den Leib, als sie zuvor die Seelen geübet. Ihr ganz Spiel war nach Lust und Freiheit, denn sie liessen davon ab, wann es ihnen wohlgefiel und hörten gemeinlich zu spielen auf wann sie am Leib von Schweisse trieften oder sonst ermüdet waren. Da wurden sie aufs best getrocknet und abgerieben, zogen frische Hemder an und schlenderten sacht davon, zu sehen ob der Imbiß gar gekocht wär. Während sie nun darauf warteten, sagten sie deutlich und beredsam etliche Sprüche her, so sie aus der Lection behalten. Inzwischen kam Herr Appetit, und setzten sich mit guter Ordnung zu Tisch. Da ward zu Anfang des Essens etwann eine feine Geschichte von alten Heldenthaten verlesen, bis er erst einen Trunk gethan hätt. Dann, wenn es ihm gefällig, fuhr man in der Lectur fort oder fingen auch mit einander lustig zu discurriren an, handelten zuvörderst von Tugend, Kraft, Eigenschaften und Natur alles dessen was ihnen bey Tisch serviret ward: vom Brod, Wein, Wasser, Salz, Fleisch, Fischen, Früchten, Kräutern, Wurzeln und deren Zubereitung. Durch welch Verfahren er in kurzem alle hierauf bezügliche Stellen im Plinius, im Athenäus, Dioskorides, Julius Pollux, Galen, Porphyrius, Oppianus, Polybius, Aristoteles, Heliodorus, Aelianus und vielen andern kennen lernt'. Liessen auch [79] öfters nach solchen Gesprächen zu mehrer Vergewisserung ermelde an Bücher Tafel bringen: dadurch er die gedachten Stück so fein und tief ins Gedächtniß prägt', daß dazumal kein Arzt war, der nur halb so viel davon als er verstanden hätt. Dann sprachen sie von den früh gelesnen Lectionen und endeten ihre Mahlzeit mit einem Quittenlatwerglein; da stört' er sich die Zähn mit einem Mastixstengel, wusch Händ und Augen in schönem frischen Wasser, und brachten Gott in etlichen guten, zum Lobe göttlicher Huld und Milde verfaßten Lieder ihren Dank dar. Wenn dieß vorüber, trug man Karten auf, nicht um zu spielen, sondern daraus viel tausend kleine neue Fündlein und Artigkeiten zu erlernen, die all in die Rechenkunst einschlugen, wodurch er selbige Zahlenweisheit sehr lieb gewann und sich alle Tag die Zeit nach Mittag- und Abendessen damit so angenehm vertrieb, als weiland mit den Würfeln und Karten: auch nebenher sowohl Theorik als alles vom Scheitel bis zum Fuß geharnischt. Auch sonst das kleine Praktik davon so gründlich erfaßt', daß der EngländerTunstal der ausführlich darüber geschrieben, bekennen mußte, gegen ihn wüßt er nicht mehr davon als vom Hochdeutsch.

Und nicht allein hierinn, sondern auch in den andern mathematischen Scienzien, als Geometri, Astronomi und Musik. Denn während sie die Verdauung und Concoction ihrer Speissen abwarteten, machten sie tausend kleine zierliche geometrische Instrument und Figürlein, praktizirten auch die astronomischen Canones. Nach diesem erlustirten sie sich musikalisch zu vier, fünf Stimmen, oder über ein Thema zu singen was nur zum Hals heraus wollt. Und von musikalischen Instrumenten lernt' er spielen das Spinett, die Laut, die Harf, die deutsche Zwergpfeiff und die neunlöchrige, die Viol und die Baßposaun.

Nachdem man diese Stund also verwandt und die Verdauung vollbracht hätt, purgirt' er sich des natürlichen Ueberlastes, und ging darnach drey Stunden oder länger [80] wieder an sein hauptsächlichs Studium, theils die Morgen-Lection zu wiederholen, sein fürgenommen Buch und Materi auszuführen, theils auch schreibend die alten römischen Lettern zu zeichnen und formiren zu lernen. Wenn er damit fertig, gingen sie aus ihrem Quartir nebst einem jungen Edelmann aus Touraine mit Namen Gymnastes seinem Waffenträger, der lehrt' ihm die Reitkunst. Da verwechselt' er die Kleider und bestieg ein Rennroß, einen Spanier, Holsteiner, Barben, ein leichtes Pferd: dem gab er hundert Carrieren, ließ es voltigiren in Luft, über Pfähl und Gräben setzen, kurz im Kreis traben links und rechts. Da brach er nicht etwann die Lanz, (denn es ist die größte Narrheit von der Welt wenn einer spricht: ich hab zehn Lanzen im Turnier oder Feld gebrochen: ein Schreiner könnts auch thun, wohl aber ists ein feiner Ruhm mit Einer Lanz zehn seiner Feind zerbrochen zu haben.) Er also, mit seiner starken stählernen Lanz' sprengt ein Thor auf, zerspellt' einen Panzer, stutzt' einen Baum, spießt' einen Ring, entführt' einen Rüstsattel, einen Halsberg, einen Handschuh, und dieß Poppenspiel und Gedänzel zu Roß verstund kein Mensch so gut als er, und der Bereiter von Ferrar war nur ein Grasaff gegen ihn. Fürnehmlich war er wohl geübt von einem Pferd schnell auf das andre über zu springen, ohn an die Erd zu streifen, und nannt man solche Pferd Desultorios; die Lanz in der Faust von beiden Seiten aufzusitzen, ohn Stegreif; ohn Zaum nach seinem Willen das Roß zu lenken. Denn solche Wagstuck dienen zur Kriegszucht. Einen andern Tag übt er sich mit der Streit-Axt, die er so wacker ansetzt', so kräftig nach einem jeden Stoß wieder einholt', so geschmeidig im Rundhieb schwenkt', daß er im Feld und allen Proben für einen geschlagenen Ritter galt.

Dann schwang er die Piken, voltirt' mit dem breiten zweyhandigen Schwert, mit dem Bastardschwert, dem spanischen, mit dem kurzen Degen, dem Dolch, mit und ohn Harnisch, mit Schild, im Mantel, mit Rundeln.

[81] Hetzt' den Hirschen, den Rehbock, den Bären, den Damhirsch, den Eber, den Hasen, das Rebhuhn, den Fasan, den Trappen. Schlug den grossen Ballen und prellt' ihn in die Höh sowohl mit Füssen als mit Fäusten.

Rang, lief, sprang, nicht etwa auf drey Schritt einen Sprung, nicht hinkepinke Knapfuß, nicht den Schwabensprung (denn solche Sprüng, meint' Ponokrates, taugten nichts, und wären zu nichts nutz im Krieg) sondern mit einem Satz schnellt' er über einen Graben, flog über einen Zaun, lief sechs Schritt eine Mauer auf, und erklomm also ein Fenster speerhoch.

Schwamm in vollem Strom, grad, rücklings, auf der Seit, mit ganzem Leib, mit den Füssen allein, eine Hand in der Luft, darinn er ein Buch hielt; so rudert' er, ohn daß dies naß ward, über den ganzen Seine-Fluß, und zog seinen Mantel in den Zähnen nach, wie Julius Cäsar: drauf schwang er sich auf einer Hand mit grosser Gewalt in einen Kahn, stürzt sich daraus von neuem ins Wasser, den Kopf voran, sondirt' den Grund, durchstört' die Klippen, taucht in die Strudel und Abgründ unter, drehet' dann den Kahn, und steuert', fuhr jählings, langsam, stromauf, stromunter, hielt ihn an im vollen Schuß, lenkt' ihn mit einer Hand, mit der andern tummelt er ein mächtigs Rudel, strafft' das Segel, stieg auf den Stricken zum Mast hinan, lief aufs Gestäng, justirt' den Kompas, bracht die Bolinen untern Wind, spannt den Helmstock.

Wenn er dann aus dem Wasser kam, lief er mit Macht den Berg hinauf und gleichen Sprunges wieder hinunter, erklettert' die Bäum wie ein Katz, sprang wie ein Eichhorn vom einen zum andern, schlug die grossen Aest herab wie ein anderer Milo, stieg mit zween wohlgestählten Dolchen und zween probrechten Reiterböcken auf den Forst eines Hauses wie ein Ratz hinan und wieder herunter mit so geschickt verschränkten Gliedern, daß ihm kein Fall ein Leids thun konnt. Warf den Speer, die Stangen, den Stein, [82] den Spieß, den Wurfpfeil, die Hellebarden, traf mit dem Bogen ins Schwarze, spannt die schweren Ballester auf der Hüft, zielt' aus freyer Hand mit dem Stutzen, macht' selbst die Lavetten der Kanon, schoß nach der Scheiben, dem Psittich, von Thal zu Berg, von Berg zu Thal, vor, seitlings, hinterrucks wie die Parther.

Man band ihm ein Tau an einen hohen Thurn, das bis zur Erden reicht': an selbem haspelt' er mit beyden Händen hinan, dann fuhr er wieder so stramm und sicher daran herunter, daß ihrs auf gleicher Weisen nicht besser könntet. Man steift' ihm einen starken Balken zwischen zwey Bäum, daran hing er sich mit den Händen, und rutscht so flink dran hin und wieder, ohn mit den Füssen wo anzustossen, daß man ihn in gestrecktem Lauf nicht ereilt hätt.

Auch um sich die Lung und den Thorax zu üben, brüllt er so laut wie tausend Teufel. Ich hab ihn einmal den Eudämon von Sankt Victorspforten her bis zu Montmartre rufen hören. Stentor im Treffen vor Troja hätt fürwahr noch lang kein solche Stimm.

Und um die Flechsen zu kräftigen, hätt man ihm ein Paar große Bley-Mulden gegossen, eine jede achttausend siebenhundert Quintalpfund schwer, die erHalteres nannt. Dieselben nahm er von der Erd auf, in jede Hand eine, und hub sie über den Kopf in die Höh: hielt sie also unverwendet drey viertel Stunden und länger empor, das eine unnachahmliche Stärk war.

Spielt' mit den Glingstangen, riß sich mit den aller Stärksten, und wanns zum Fall kam, stund er so fest auf seinen Füssen, daß er sich einem jeden Waghals ausbot, wo er ihn von der Statt zög, wie Milo weiland. Nach dessen Beyspiel er auch wohl einen Granatapfel in die Hand nahm und ihn dem verehrt', der ihn herausbrächt.

Wann er nun also die Zeit verbracht, und sich getrocknet, abgerieben, gewischt, und mit neuen Kleidern erfrischt hätt, zog man ganz langsam wieder heim, und nahmen ihren Weg etwann über die Wiesen oder Oerter, wo Kraut und Gras wuchs; da beschauten sie sich die Bäum und Kräuter und hielten sie gegen die Bücher der Alten, so davon geschrieben [83] haben, als Theophrast, Dioskorides, Marinus, Plinius, Nikander, Galenus, Macer; und brachten alle Händ voll mit nach Haus davon, da es ein junger Edelknecht namensRhizotomus aufbewahrt', wie auch die Hacken, Karsten, Pickeln, Reuthauen, Spaten und andres Geräth zum Herborisiren. Sobald sie nun bey Haus gekommen, wiederholten sie, derweil man das Nachtbrod rüstet', etliche Punkt von dem was sie gelesen hatten, und sassen damit zu Tisch. Hie merket, daß sein Imbiß nüchtern und mässig bestellt war, denn er aß allein nur so viel, um das Bellen des Magens zu beschwichtigen: aber sein Nachtmahl war vollauf und reichlich, denn er nahm dann ein, soviel ihm zu seiner Leibes-Nahrung und Unterhalt vonnöthen war. Welches auch die wahre Diät nach guter und zuverlässiger Fürschrift der Arzeneykunst ist, soviel auch ein Troß mauläffischer Aerzt, in der Sophisten Werkstatt versauert, dawider meinen und belfern mögen. Während der Mahlzeit ward die Lectur vom Morgenimbiß fortgesetzt, so lang es ihnen gefällig war, und die übrige Zeit mit guten, gelehrten und nützlichen Reden vollbracht. Drauf nach verrichtetem Dankgebet fing man wiederum musikalisch zu singen, und auf wohlgestimmten Instrumenten zu spielen an, oder die kleinen Zeitvertreib mit den Karten, Würfeln und Bechern. Blieben dabey im vollen Jubel zusamen, und unterhielten sich zu Zeiten damit bis Schlafengehn. Bisweilen auch besuchten sie die Versammlungen gelehrter Leut, und solcher die fremde Länder gesehen.

Um Mitternacht, bevor sie sich zur Ruh begaben, stiegen sie auf den freyesten und höchsten Söller ihres Hauses, des Himmels Anlitz zu beschauen; und gaben da auf die Cometen acht, wanns ihrer hätt, auf die Figuren, Aspecten, Stellung, Oppositionen und Conjunctionen der Gestirn.

Dann recapitulirt' er kürzlich nach der Pythagoräer Art [84] mit seinem Lehrer alles was er im Lauf des Tags gehört, verkehrt, erstört, gethan und gelesen hätt. Und ruften Gott den Schöpfer im Gebet an, stärkten ihren Glauben zu ihm, lobpriesen seine unendliche Güt; und gleich wie sie ihm Dank für alles Vergangene sagten, so befahlen sie sich auch in alle Zukunft seiner göttlichen Gnad und Huld. Wann dieß vollbracht war, gingen sie schlafen.

Vier und Zwanzigstes Kapitel
Vier und Zwanzigstes Kapitel.

Wie sich Gargantua bey Regenwetter die Zeit vertrieb.


Begab sichs daß das Wetter regnicht und trüb war, so bracht man die ganze Zeit vor Mittag wie gewöhnlich zu, ausser daß er ein schön hell Feuer anmachen ließ, die Feuchtigkeit der Luft zu mildern. Aber nach dem Mittagsessen blieben sie, statt der sonst üblichen Leibesübungen, zu Haus und unterhielten sich apotherapeutischer Weis mit Heubinden, mit Holzspalten und Sägen und Garbendreschen in der Scheun. Dann trieben sie die Malerey und Schnitzkunst; oder brachten auch das alte Spiel der tali wieder auf die Bahn, wie Leonicus davon geschrieben und unser guter Freund Lascaris es zu spielen pflegt: und gedachten unter dem Spielen der Stellen in den alten Authoren da dieses Spieles Meldung geschieht, oder ein Gleichniß daraus entlehnt ist. Oder gingen auch aus und sahen wie man die Metalle schmolz und schied, oder Geschütz goß, oder besuchten die Goldschmiede, die Juwelirer, Steinschneider, Alchymisten und Münzer, deßgleichen die Weber, Sammet- und Tapetenwirker, die Uhrmacher, Spiegelschleifer, Orgelbauer, Drucker, Färber und mehr dergleichen Handwerksleut, und überall wo sie hinkamen, da theilten sie Trinkgelder aus, wogegen sie die Industri und Erfindsamkeit der Gewerbe betrachteten und einsehn lernten.

[85] Wohnten auch den öffentlichen Lectionen, den solennen Actibus, Repetitionen, Declamationen, Zeugenverhören der artiger Anwält, den Sermonen der evangelischen Priester bey. Oder er trieb sich durch die Säl und Schulen wo gefochten ward, schlug sich daselbst auf alle Waffen mit den Meistern, und bewies ihnen augenscheinlich, daß er davon soviel als sie, ja mehr verstünd. Und statt des Herborisirens gingen sie in die Specereygewölb, zu den Kräuterhändlern und Apothekern, untersuchten da aufmerksam die fremden Wurzeln, Blätter, Frücht und Sämereyen, Gummen, Salben, deßgleichen wie man sie verfälscht. Besucht' die Gaukler, Taschenspieler und Marktschreyer, und betrachtet' sich ihr Treiben, ihre Finten, Gestus, Kapriolen und edles Mundwerk, sonderlich derer von Chaunys in Picardien; denn dieß sind von Haus aus die allergrößten Schwadronirer und Possenreisser, was den Punkt der grünen Affen anbelangt. Wenn sie sodann zum Abendbrod heimkamen, assen sie um Vieles mässiger als die andern Tag, und mehr austrocknende, dünnende Speissen, damit die unvermeidlich dem Körper mitgetheilte feuchte Luft dadurch verbessert würd, und ihnen nicht nachtheilig wär, weil sie nicht, wie gewöhnlich, eine Leibesübung zuvor gehabt.

So ward Gargantua guberniret und schritt tagtäglich weiter vor in diesem Gleise, profitirend, wie ihr selbst einseht, daß ein junger Mann seines Alters von guten Gaben, bey also fortgesetzter Übung wohl profitiren muß; die, ob sie gleich anfangs beschwerlich schien, doch im Verlauf so süß, leicht und ergötzlich ward, daß es vielmehr ein Kurzweil für einen König als eines Schülers Zucht zu seyn schien. Gleichwohl ihm eine Fristung von so schwerer Geistesarbeit zu geben, erkor Ponokrates in jedem Monat einen schönen hellen Tag aus, an dem sie morgensfruh aus der Stadt aufbrachen, und entweder gen Gentily oder gen Boulogne, Montrouge, oder Charantonsbrucken, gen Vanves oder Sainct Clou zogen. Da brachten sie den ganzen Tag in [86] aller nur ersinnlichen Lust mit Schäkern, Jauchzen, Spielen, Singen, Tanzen und Runda trinken hin, wälzten sich auf den grünen Wiesen, nahmen Spatzen aus, strichen Wachteln, fischten Krebs und haschten Frösch.

Aber obschon der Tag ohn Bücher und Lection verging, ward er darum nicht ohn Frucht verloren. Denn auf dieser lustigen Wiesen entsannen sie sich aus dem Kopf allerley artiger Vers vom Feldbau aus dem Virgil, Hesiodus, dem Rustico des Politianus, verfaßten allerley artige Sinnschriften zu Latein, und brachtens dann auf Französisch in Balladen und Rundreim. Wenn sie dann banketirten, schieden sie von dem gewässerten Wein, wie Cato de re rust. und Plinius lehren, mit einem Becher von Epheu das Wasser, wuschen den Wein in einem vollen Wasserbecken, zogen ihn darauf mit einem Trichter wiederum ab, vermochten das Wasser aus einem Glas ins andre, bauten vielerley kleine Automata oder sich selbst bewegende Werklein.

Fünf und Zwanzigstes Kapitel
Fünf und Zwanzigstes Kapitel.

Wie zwischen den Weckenbäckern von Lerné und des Gargantuä Landsassen der grosse Streit entstund, daraus ein schwerer Krieg erwuchs.


Zu selbiger Zeit, es war um die Weinles und Herbsten Anfang, hütheten die Hirten des Landes draussen der Reben, auf daß die Staaren die Trauben nicht frässen. Um [87] die Zeit kamen die Weckenbäcker von Lerné mit zehn bis zwölf Karren-Lasten Wecken, die sie zur Stadt führen wollten, den grossen Heerweg daher gefahren. Gedachte Hirten nun baten sie bescheidentlich ihnen für ihr Geld davon nach dem Marktpreis etliche abzustehen. Denn ihr sollt wissen, daß es zum Frühstück ein recht himmlisch Futter ist: frische Wecken mit Trauben, zumal zu den Zirbeln, Knusseln, Muskateller, Spantrauben und dem Rumor wenn einer etwann verstopften Leibes ist; denn sie treibens von einem Knebelspießlang, und oft, wanns denken ein Fürzlein zu lassen, fällt noch was anders für; daher man sie nur die Weinbergsdenker heißet. Ihrem Begehren aber wollten die Weckenbäcker keineswegs willfahren, ja (was noch noch ärger war) schimpften sie auch noch gröblich aus, und schalten sie Breitmäuler, fratzige Rothköpf, Zähnklaffer, Schabkrätzer, Haverlinger, Bettseicher, Duckmäuser, Tagedieb, Schlecker, Lubbel, grobe Hachen, Taugenix, Lümmel, Schwengel, Brockenschnapper, Leutfopper, Luleys, saubere Ziemer, Lappscheisser, Hoderlumpen, Mollköpf, Knollfinken, Hundstaschen, Hetzenschwätzer, Hanswürst, Zähnknapper, Kuhfläder, Dreckhirten, und noch mehr dergleichen ehrenrührige [88] Wort: und sagten ihnen dabey, sie wären nicht werth, solch edle Wecken zu fressen, sondern grob Kleyenbrod und Haberhecht thäts ihnen auch. Auf solchen Unbill trat einer von ihnen namens Forgier, ein wohlgestalter wackrer Mann und schmucker Junggesell herfür und antwortet ihnen sänftlich: Ey, seit wann sind euch die Hörner g'schossen, daß ihr so bockstolz worden seyd? Ihr pflegtets doch sonst uns gern zu geben, und jetzund weigert ihr euch? Das ist nicht nachbarlich, und wir machens nicht also, wenn ihr bey uns die gute Frucht hohlt zu euren Fladen und Butter-Wecken. Man hätt euch von unsern Trauben wohl noch obenein in Kauf gegeben. Aber bey dem heiligen Kindsdreck! es kann euch gereuen, und kann sich noch schicken, daß ihr einmal mit uns zu tun kriegt; so wollen wir euch mit gleicher Münz beschlagen, und da gedenket dran. – Darauf fing Marcket, Groß-Knüttelführer der Wecken-Brüderschaft an, und sprach zu ihm: wahrlich du machst dich mächtig batzig diesen Morgen; hast nächten g'wiß zuviel Hirsbrei gessen. Komm her, komm her ich will dir von meinen Wecken reichen. – Da trat Forgier in aller Einfalt zu ihm hin und zog einen Dreier aus seinem Leib-Gurt, vermeinend Marcket sollt ihm von seinen Wecken austhun. Aber er gab ihm mit seiner Geisel ein so feuchtes um die Bein, daß die Knöpf darinnen stunden, und flugs reiß aus, und wollt davon fliehn. Aber Forgier schrie Zeder-Mordio was er konnt, und warf ihm zugleich einen dicken Klippel nach, den er unter dem Arm trug, womit er ihn an die Kron-Rath des Haupts über der krotaphischen Ader der rechten Seit so gründlich traf, daß Marcket von der Mären fiel, und mehr einem todten Menschen glich als einem lebendigen.

Mittlerweilen liefen die Meyer, die da herum Nüß schwungen, mit ihren langen Bengeln herbey und draschen diese Weckenbäcker, wie grünes Sommerkorn zusammen. Deßgleichen kamen die andern Hirten und Hirtinnen auf des Forgier Geschrey mit ihren Schleudern und Schlingen und sausten mit grossen Wackensteinen so haarscharf hinter ihnen drein, daß man vermeint' es hagelt'. Hohlten sie endlich ein, und nahmen von ihren Wecken ohngefähr vier bis fünf Dutzend, zahltens ihnen jedoch nach dem gebräuchlichen [89] Anschlag, und schenkten ihnen noch dazu ein hundert Wallnüß und drey Korb Gutedel. Darnach halfen die Weckner dem Marcket wieder auf seine Gurr, denn er war schmählich blessiert, und kehrten wieder heim gen Lerné, liessen den Weg auf Pareillé für dießmal liegen, schwuren aber hoch und theuer und bedräuten alle Hirten, Schäfer und Meyer von Seuillé und von Sinays schwer. Als dieß vollbracht war, liessen sichs die Hirten und Hirtinnen bey den Wecken und edeln Trauben trefflich wohl seyn, schwenkten sich nach der muntern Bockspfeif miteinander im Kreis herum, und spotteten der großmauligen Herren Wecken-Ritter, daß sie so übel angeloffen, weil sie sich nicht mit der guten Hand frühmorgens das Kreuz gesegnet hätten: und wuschen dem Forgier mit groben Rüßlingen so säuberlich die wunden Bein, daß er bald heil ward.

Sechs und Zwanzigstes Kapitel
Sechs und Zwanzigstes Kapitel.

Wie die von Lerné, auf Geheiß ihres Königs Pikrocholus, unversehens die Hirten des Gargantuä überfielen.


Sobald die Bäcken wieder heim gen Lerné kamen, rannten sie stracks, eh sie weiter was aßen noch tranken, aufs Kapitoly, und trugen da ihrem König Pikrocholus, seines Namens dem Dritten, ihre Klag für, wiesen ihm ihre zerbrochenen Körb, zerknüllten Hüt, zerrissenen Röck, zerplackten Wecken, fürnehmlich den enormiter blessirten Marcket, und bezeugten, daß dieß alles von den Hirten und Meyern unsers Grandgoschier am grossen Fuhrweg jenseit Seuillé verübt wär worden.

[90] Da gerieth derselbe plötzlich in einen rasenden Zorn und ließ ohn alle weitere Nachfrag wie oder wann, durch sein ganzes Land Bann und Aberbann ausschreyn, und daß jedermann bey Stranges Straf um Mittag auf dem grossen Platz vorm Schloß gewappnet erscheinen sollte. Zu mehrerer Bekräftigung seines Fürhabens ließ er die Trommeln durch die Stadt um rühren, ging selbst aus, derweil man ihm den Imbiß rüstet', und ließ sein Geschütz auf Achsen ziehen, sein Feldpanier und Oriflamm entfalten, schwere Munition an Feld- und Mageng'schmeid aufschütten. Zwischen dem Essen bestellt' er die Aemter und Commissionen; und ward sofort auf seinen Befehl der Signor Zottlich zum Obersten über die Vorhuth ernannt, die sechzehntausend vierzehn Schützen, und dreyssigtausend eilf Waghäls stark war. Zum groben Geschütz, bestehend aus neunhundert vierzehn ehernen Stücken an Kanonen, Doppelkanonen, Basilisken, Culverinen, Feldschlangen, Kartaunen, Falkaunen, Spirolen, Passevolanten und anderm Caliber, ward der Großschildhalter Staarenstör befehliget; daß Hintertreffen erhielt der Herzog Batzenschraper, und in der mittleren Schlachtordnung hielt sich der König mit den Prinzen des Reiches selbst auf. Also aus dem gröbsten gerüstet, schickten sie vor ihrem Aufbruch noch dreyhundert leichte Pferd unter dem Hauptmann Schluchsenwind, auf Kundschaft aus, ob etwan wo ein Hinterhalt im Gau versteckt läg: fanden aber nach fleissiger Durchspähung die ganze Landschaft ringsum ruhig und still ohn einige Zusamenrottirung. Welches Pikrocholus nicht sobald vernahm, als er befahl, daß alle Fähnlein schleunig marschiren sollten. Da fielen sie sonder Zucht noch [91] Ordnung all durcheinander querfeldein; verdarben und verwüsteten alles wohin sie kamen, schonten weder reich noch arm, weder heiliger noch profaner Stätt, entführten Ochsen, Kälber, Küh, Stärken, Farren, Schaaf, Schöpsen, Geissen und Widder, Hühner, Kapphähn, Küchlein, Gesseln, Ganser, Gäns, Schwein, Säuen, Ferken, schlugen die Nüß ab, herbsteten den Wein, verschleppten die Rebstöck, schüttelten alles Obst von den Bäumen; es war ein Unfug, nicht zu sagen, den sie verübten. Und fanden auch nirgend Widerstand, sondern alles ergab sich ihnen auf Gnad und Ungnad und baten sie fußfällig, mit ihnen doch glimpflicher umzugehn, in Ansehung, daß sie von jeher ja gute Freund und Nachbarsleut gewesen wären und ihnen nie etwas zu Leid noch Schimpf gethan dafür man sie so jählings übel plagen sollt: und Gott würd sie dafür gewiß in kurzem strafen. Es ward ihnen aber auf ihre Bitten nichts weiter zur Antwort, als daß man sie ein ander Mal wobl Weckenessen lehren wollte.

Sieben und Zwanzigstes Kapitel
Sieben und Zwanzigstes Kapitel.

Wie ein Mönch von Seuillé den Abtey-Garten vor der Feind Plünderung schützet.


Und triebens immer schindend und plagend, raubend und stehlend also fort, bis sie gen Seuillé kamen; zogen Mann und Weib aus, nahmen was sie nur erlangen mochten: es war ihnen nichts zu heiß noch zu schwer. Wiewohl die die Pest in den mehresten Häusern war, liefen sie doch in alle hinein, mausten alles heraus und keiner nahm einen Schaden. Welches wohl ein fast erstaunlicher Casus war; denn die Priester, die Prediger, die Pfarrherrn, Aerzt, Feldscherer und Apotheker die die Kranken besuchten, Beicht hörten, warnten, warteten, curierten, trösteten und verbanden, waren schon all an dem Gift gestorben und diese [92] Teufelsräuber und Mörder kam auch nicht ein Schauder an. Woher kommt dieß, ihr Herrn? Ich bitt, denkt ihm doch nach. Als nun der Flecken so ausgesackt war, stürmten sie mit erschrecklichem Getümmel auf die Abtey los, fandens aber sehr wohl verriegelt und verwahrt: demnach das Hauptheer fürbaß auf den Furth von Vede zuzog, bis auf sieben Fähnlein Fußvolks, und zweyhundert Lanzen, die da blieben und die Garten-Mauern zerrissen, damit sie vollends den Herbst verdürben. Die armen Teufel, die Mönch, wußten nicht welchem Heiligen sie in der Angst sich geloben sollten. Gleichwohl aber auf allen Fall liessen sie ad capitulum capitulantes läuten. Darin ward beschlossen daß sie einen stattlichen Umgang halten wollten mit schönen Litaneyen contra hostium insidias und mit schönen Responsen pro pace.

In der Abtey war dazumal ein Klostermönch Bruder Jahn von Klopffleisch mit Namen, ein junger Hach, ein [93] Wagherz, rüstig, wacker, wohlgemuth, behend, keck, hitzig, lang und hager, wohl gespaltenen Munds, erheblicher Nas, ein derber Horashetzer, Vigilienbürster und Meßabzäumer: in Summa alles zusammenzufassen, ein echter Mönch, so jemals einer seit die mönchenzende Welt mit Mönchen bemönchelt gewesen, erfunden ward. Im übrigen ein Kreuz-Lateiner bis an die Zähn in Brevier-Materien. Selbiger als er den Lärm, den die Feind in ihrem Weingarten machten, vernahm, lief aus zu sehen was los wär. Und als er sie fand wie sie den Garten abherbsteten, daran ihr Tischtrunk des ganzen Jahrs hing, rennt' er wieder ins Chor der Kirch wo die andern Mönch, schier verdutzt wie die Glockengießer, in einem fort Im, im, pe, e, e, e, e, e, tum, um, in, i, ni, i, mi, co, o, o, o, o, o, rum, um sangen, und ruft: Ei scheiss auf euer Gesings! Potz heiliger Gott, so singt doch lieber, Adé, adé liebs Körbli, der Herbst der ist dahin. Ich sey des Teufels wo sie nicht schon in unserm Garten sind und Stöck und Trauben so rein ausfegen, daß bey des Herrn Leichnam! in vier Jahren nix drinn wird nachzubeeren seyn. Ey zum Sankt Jakobsränzl! was sollen wir armen Teufel trinken derweil? O du mein Herr Gott da mihi potum! – Da sprach der Prior des Klosters: Was will doch der Trunkenbold hie! Man führ ihn gleich in Verwahrsam! Also den Gottesdienst, Divina zu stören! – Mit nichten, antwort der Mönch, den Pottesdienst, die Vina lasset uns vor Zerstörung schützen. Denn ihr, Herr Prior, trinkt selbst gern vom besten; und das thut jeder Ehrenmann: ein adlich Blut haßt nimmermehr den guten Wein, ist ein claustralisch Apophthegma. Aber diese Responsen, die ihr da singt, bey Gott! die schicken sich itzunder schlecht. Warum sind unsre Horä zur Ernt- und Herbstzeit kurz, und um Advent, und den ganzen Winter über so lang?

Bruder Matz Schlehdorn, dessen Seel Gott tröst, ein wahrer Eifrer (oder ich sey des leibhaften Teufels) für unsern Glauben, sagt mir einst, ich entsinn mich noch wohl, die [94] Ursach wär, daß wir um die Zeit den Wein fein einbringen sollten und warten, im Winter aber ihn saugen. So folgt mir dann, ihr Herrn, die ihr den Wein lieb habt, und beym Kreutz Gottes, mir nach! Denn Sankt Tönig soll mich zum Kohlen brennen, wenn der auch nur einen Tropfen sieht, der nicht die Reben wacker beschützt hat. Heilige Marter Gottes! was? das Kirchengut? Ha nein, nein, Teufel! Dafür ließ Sankt Thomas von Engelland sein Leben: und wenn ichs nun auch dafür ließ, würd ich nicht eben auch wie er, ein Heiliger? Aber ich laß es darum noch nit, es sollns für mich wohl Andre lassen.

Mit diesen Worten warf er sein weit Gewand ab und erwischt' den Kreuzstock, der von hartem Sperbeer-Kernholz, lang wie ein Reisspieß, rund in der Faust, und etwas wenigs hie und da mit halb erloschenen Lilien bemalt war. Also in Hosen und Wams fuhr er hinaus, hing seine Kutt als Schärp um die Achsel und strich mit dem Kreuzstock haarscharf unter die Feind, die ohn all Ordnung, Fahnen, Trommeln noch Trommeten, im Garten umher den Wein abzwackten. Denn die Fähndrich und Bannerleut hatten ihre Banner und Fähnlein an die Mauern angelehnt, die Trommler ihre Trommeln oben entledert und mit Trauben geladen, und die Trommeten stacken voller Beeren-Büschel. Alles war in bunter Reih. Er aber stieß, ohn einmal Werda! noch Kopfweg! zu rufen, so gröblich darunter, daß er sie links und rechts wie die Schwein darnieder drasch nach der alten Parad. Etlichen zermürst' er das Hirn, andern zerschmiß er Arm und Bein, andern versprengt' er die Wirbel im Hals, andern zermatscht' er die Weichen und Lenden, knickt' Nasen, bohrt' Augen, spaltet Kiefern, schlug Zähn im Hals entzwey, zerknirscht' die Schulterblätter, sphaseliret' die Schienbein, entheftelt Hüften, barst Röhren. Wo einer sich unter die dichtesten Rebstöck verkriechen wollt, zerbläuet er ihm den ganzen Rückgrat und schlug ihn platt wie einen Frosch.

[95] Wenn einer sich durch die Flucht salviren wollt, gab er ihm eins auf die lambdoitische Commissur, daß ihm der Schedel in Stücken sprang. Wenn einer auf einen Baum stieg, und dacht er wär da sicher, spießt er ihn mit seinem Stock von unten durch den Hintern auf.

Wenn einer von alter Kundschaft her ihm zuschrie: Ha mein Bruder Jahn, mein Freund, ich ergeb mich, Bruder Jahn! – Das mußt du wohl, versetzt' er, aber, ergieb nur auch dein Seel allen Teufeln: und gab ihm stracks den Nickfang. Und wo einer sich die Tollheit gar so weit verblenden ließ, daß er ihm offen hätt trutzen wollen, da zeigt er die Kraft seiner Mäus und Fäust; denn Brust und Herz und Mediastinum durchrannt er ihnen auf Einen Stoß. Andern gab ers auf den Rippen-Schluß, daß ihnen der Magen überschlug, und plötzlich starben: Andre traf er so grimmig an den Nabel, daß die Kutteln barsten; Andern bohrt' er den Mastdarm durch die Geilen an. Glaubt nur, es war das gräulichste Spektakel, so je ersehen ward.

Etliche ruften Sankt Barbara, etliche zum Ritter St. Jörgen, etliche Sankt Schonemein, andre unsre Liebfrauen von Cunault, von Laureto, von der guten Mähr, von Lenou und von Riviere. Einige gelobten sich zum Sankt Jakob, Andre zum heiligen Schweißtuch gen Chambery, (doch brannt's drey Monat hernach so glatt weg, daß man auch nicht ein Fäslein davon hat retten mögen), Etliche gen Cadouin, Andre zum Sankt Johann von Angely, zu Sankt Eutropen von Xaintes, zum heiligen Mesmus von Chinon, Sankt Martin von Candes, Sankt Clouaud von Sinays, zu den Reliquien von Jourezay und tausend andern guten kleinen Heiligenmännlein. Etlich starben ohn zu sprechen, [96] Andre sprachen ohn zu sterben: Etlich starben sprechend. Andre sprachen sterbend. Welche schrieen mit lauter Stimm: Beicht! Beicht! confiteor, miserere! In manus. Es war ein solch Geschrey der Zermetzelten, daß der Prior des Klosters mit all seinen Mönchen selbst hinaus zog; und als sie die armen Leut im Garten so tödtlich blessirt und zerbläuet sahen, hörten sie ihrer Etlich Beicht. Während aber die Priester sich mit Beichten Zeit und Weil vertrieben, liefen die kleinen Mönchlein dahin wo Bruder Jahn war, und fragten ihn worinn sie ihm behülflich seyn könnten.

Da befahl er ihnen alle die abzumurxen, die auf der Erd lägen. Worauf sie ihre grossen Kappen auf den nächsten Rebhalter warfen, und stracks anhuben, die von ihm bereits Zerbläuten vollends zu würgen und abzuthun. Und wißt ihr auch mit was für G'wehr? Mit saubern Kneiflein: das sind die kleinen Taschenmesser, womit die Kinder bey uns zu Land die Nüß schälen. Hierauf pflanzt' er sich mit seinem Kreuzstock in die Bresch die der Feind gemacht hätt. Etliche Mönchlein schleppten die Fahnen und Banner in ihre Zellen, Hosenbendel draus zu machen. Und wenn die, so gebeichtet hatten, durch selbige Bresch davon ziehen wollten, drasch sie der Mönch mit Streichen darnieder und sprach dabey: die haben gebeichtet und bereuet und haben den Ablaß davon; sie fahren grad wie ein Sichel gen Himmel, ebenen Pfads wie der Weg auf Faye. Also ward dann durch seine Mannheit der ganze Heereshaufen erlegt, der in den Garten eingefallen, an dreyzehntausend sechshundert zwey und zwanzig, ohn Weiber und kleine Kinder: wie sich allzeit von selbst versteht. Nimmer hat sich der Klausner Maugis mit seinem Pilgerstab so tapfer wider die Sarazenen gehalten, von denen man in den Geschichten der vier Haymonskinder liest, als unser Mönch mit seinem Kreuzstock wider die Klosterfeind handirt'.

Acht und Zwanzigstes Kapitel
[97] Acht und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Pikrocholus die Clermaldsburg mit Sturm einnahm, und wie schwer und ungern Grandgoschier sich zum Kriegführen anließ.


Während der Mönch sich, wie gedacht, mit denen im Garten herumscharmüzzelt, zog Pikrochol mit seinem Volk in grosser Eil über den Furth von Vede und stürmt' die Clermaldsburg, allwo er nicht den mindesten Widerstand fand. Und weils schon Nacht ward, ging er zu Rath in selbiger Stadt mit seinem Volk Quartier zu schlagen und seine scharfe Cholera was abzukühlen. Des Morgens früh nahm er die Wäll und das Schloß mit Sturm ein, befestigt' es gut und versah es mit der benöthigten Ammunition, in Hoffnung daselbst einen Halt zu haben, so man ihn etwa wo andersher überfallen sollte. Denn der Ort war fest sowohl durch Kunst als von Natur, nach seiner Lag und Haltsamkeit.

Aber wir wolln sie nun da lassen, und wieder auf unsern guten Gargantua zu reden kommen, der in Paris den edeln Wissenschaften und den athletischen Leibesübungen obliegt; und auf seinen Vater, das liebe alte Biedermännlein Grandgoschier, das nach dem Abendbrod bey einem schönen, lustigen hellen Feuer ihm die Schellen wärmt und, während er harrt daß die Kästen platzen, mit einem angebrannten Stecken womit man das Feuer schürt, etwas auf den Heerd malt und seinem Weib und Hausgesind allerlei artige Geschichten von alten Abentheuern erzählte.

Um diese Stund erschien vor ihm der Hirten einer von der Rebhuth, namens Plackart und erzählt ihm ausführlich was für Malast und Unfug Pikrocholus der König von Lerné in seinem Land und Gebiet verübt, und wie er den ganzen Gau verheeret, geplündert und gebrandschatzt hätt, ausgenommen den Klostergarten von Seuillé, welchen Bruder Jahn Klopfleisch zu seinem grossen Ruhm vertheidigt; und wie ernannter König itzund zu Clermaldsburg wär, wo er sich sammt seinem Volk aufs best verschanzet.

Holo holo! ruft Grandgoschier da aus. Was ist dieß, lieben Leut? Träumt mir, oder ists wahr, was man mir [98] sagt? Pikrocholus, mein alter Stamm- und Bundesfreund seit ewigen Zeiten, kommt er mich zu befehden her? Was treibt ihn dazu an? Was reizt ihn? Was bewegt ihn? Wer hat ihn also zuberaten? Ho ho ho mein Gott! mein Heiland! hilf mir, rath, erleucht mich, was hier zu thun! Ich protestir, ich schwör vor dir, so wollest du mir gnädig seyn als ich ihm jemals ein Leids gethan, noch seine Leut geschädigt oder in seinen Staaten ein Unbill verübt hab. Sondern im Gegentheil hab ich ihm mit Gab und Gunst, mit Rath und That, überall treulich beygestanden, wo ich sein Bestes nur absehen mocht. So er nun solcherweis mich kränket, muß es vom bösen Geist herkommen. Guter Gott, du kennest mein Herz, denn dir kann nichts verborgen bleiben. Wäre er etwann toll geworden, und hättest mir ihn daher geschickt ihm das Gehirn zurechtzusetzen, o so verleihe mir Kraft und Weisheit, ihn unter das Joch deines heiligen Willens durch gute Zucht zurückzubringen! Ho ho ho meine lieben Leut, ihr guten Freund und treuen Diener, muß ich euch dann noch hie bemühn und um Beystand bitten? Ach! mein Alter sollt hinfüro nur Ruh erfordern, und all mein Lebtag hab ich mir nichts so eifrig gewünscht als Frieden zu haben: aber ich seh nun, es muß wohl seyn, daß ich itzunder noch meine armen schwachen müden Schultern mit der Last des Harnisch beschweren und in die zitternde Hand den Speer und die Axt zu Schutz und Schirm meines armen Volkes nehmen muß. Die Billigkeit erheischet es; denn von ihrer Arbeit werd ich erhalten, ihr Schweiß ernähret mich samt meinen Kindern und Hausgesind. Jedennoch will ich keinen Krieg anfangen, ich hab dann noch zuvor erst alle Weg und Mittel zum Frieden versucht. Deß resolvir ich mich.

Demnach berief er seine Räth und hielt ihnen das Geschäft so für, wies stund. Da ward beschlossen man sollt einen klugen Mann an Pikrochol senden, zu erforschen warum er sich so plötzlich aus seiner Ruh erhoben und in ein Land einbräch daran er keinerley Recht hätt. Weiter sollt man den Gargantua und seine Leut aufrufen lassen, daß sie des Landes in solcher Noth zu wahren und es zu schirmen kämen. Welches alles dem Grandgoschier gefiehl, und befahl ihm nachzukommen. Fertigt' also auf der Stell den [99] Basker, seinen Lakayen an Gargantua ab, in aller Schnell ihn abzurufen, und schrieb ihm wie folget.

Neun und Zwanzigstes Kapitel
Neun und Zwanzigstes Kapitel.

Inhalt des Briefs den Grandgoschier dem Gargantua schrieb.


Wiewohl der Eifer deiner Studien erfordert hätt, daß ich annoch in langer Zeit di nicht von dieser deiner philosophischen Ruh abziehen sollte, so hat dennoch das Vertrauen in unsre alten Freund und Bündner gegenwärtig die Sicherheit meines Alters hintergangen. Und weil nun dieß des Schicksals Schluß ist, daß ich von Denen, derer ich mich zumeist getröstet, betrübt soll werden: zwingt mich die Noth zum Schutz der Land und Leut die durch natürliches Recht dein eigen sind, Dich heim zu rufen. Denn gleichwie äusserliche Wehr unmächtig ist wo guter Rath nicht im Hause wohnet, so bleibt auch das Studiren vergebens und der Rath unnütz, wenn er nicht zur rechten Zeit durch Tugend vollstreckt und ins Werk gesetzt wird. Mein Zweck ist nicht Beleidigung, sondern Sühn; nicht Ueberfall, sondern Vertheidigung; nicht Eroberung, sondern Verwahrung meiner treuen Untersassen und Erblandschaften. In welche Pikrocholus ohn allen Grund noch Anlaß feindlich eingebrochen, und noch tagtäglich sein wüthigs Treiben mit freyen Leuten unerträglichem Unfug fortsetzt.

Ich hab mich verbunden geacht und hab ihm zu Begütigung seiner cholerischen Tyranney alles erboten was ich nur dacht daß ihm genehm wär, auch bey ihm zu mehren Malen durch gütliche Botschaft erkundigen lassen worinn, durch wen, und wie er sich für beleidigt hielt: hab aber nichts als frechen Trutz von ihm zur Antwort erhalten können, und daß er nur mein Land begehrt' weil es ihm [100] anstünd. Daraus ich dann ersehen hab, daß ihn dermalen der ewige Gott in die Gewalt seines Eigen-Dünkels und freyen Willens gegeben hat, welcher nicht anders als bös seyn kann wenn er durch göttliche Gnad nicht stets regiret wird, und ihn mir zur Beschwer gesendet, damit er soll bey gutem erhalten und zur Erkenntniß geführet werden. Derhalben, vorgeliebter Sohn, des ehesten so dir nur möglich, alsbald auf Lesung dieses Schreibens komm fördersamst zurück zum Beystand (nicht so wohl meiner, welches du gleichwohl, kindlicher Lieb nach schuldig bist) als der Deinigen, die du von Rechtswegen beschützen und schirmen magst. Mit mindest möglichem Blutvergiessen wolln wir die Sach zu schlichten suchen, und wo nur thunlich auf kürzerem Weg, durch Handstreich und durch Kriegeslisten alle Seelen erretten und fröhlig in ihre Heimath ziehen lassen.

Vielgeliebter Sohn, der Friede Christi unsers Erlösers sey mit Dir. Grüsse von mir den Gymnastes, Eudämon und Ponokrates. Den zwanzigsten September. Dein Vater Grandgoschier.

Dreyssigstes Kapitel
Dreyssigstes Kapitel.

Wie Ulrich Gallet an den Pikrocholus abgesandt ward.


Sobald der Brief dictirt und pitschirt war, hieß Grandgoschier dem Ulrich Gallet seinem Requetenmeister, einem weisen, bescheidenen Manne, dessen Tugend und guthen Rath er in mancherley und strittigen Fällen erprobt hätt, zum Pikrochol gehen, ihm fürzustellen was sie beschlossen. Der Ehrenmann Gallet reist' auch noch zur selbigen Stund ab, ging über den Furth und erkundigt' sich beym Müller wie es um den Pikrochol stünd. Der antwort daß ihm sein Volk weder Hahn noch Henn gelassen, und sich in Clermaldsburg [101] gesetzt hätt, und daß er ihm nicht wollt rathen, weiter zu gehen von wegen der Patrouillen; denn sie wären hundstoll. Dieß glaubt' er unschwer und blieb die Nacht beym Müller.

Morgens früh verfügt er sich mit der Trommet ans Schloßthor und fordert' die Wach auf daß man ihn mit dem König zu seinem Besten reden ließ.

Als dieß dem König angesagt ward, gab er schlechterdings nicht zu daß man das Thor ihm aufthät, sondern ging selbst auf den Wall, und sprach zu dem Gesandten: Was giebt es neues? Was wilt Du sagen? Da trug der Legat sein Sach für wie folget.

Ein und Dreyssigstes Kapitel
Ein und Dreyssigstes Kapitel.

Des Gallets Red an Pikrocholus.


Keine gerechtere Ursach zur Betrübniß kann dem Menschen begegnen, als wenn er von daher, wo er mit Recht auf Gunst und guten Willen gezählt hat, nur Ueberlast und Schaden erfährt. Und nicht ohn Ursach (obschon mit Unrecht) haben Viele denen dergleichen widerfahren, solche Unbill für minder erträglich als ihr eigen Leben erachtet, und dafern sie weder mit Gewalt noch sonst durch andre Hülf es bessern können, sich selber dieses Lichtes beraubt.

Ist derhalb nicht zu wundern wenn der König Grandgoschier mein Herr ob deinem tollen feindlichen Einfall groß Misfallen hegt, und schier im Geist erschüttert ist. Ein Wunder wär es, wenn ihm der unerhörte Muthwill den du und dein Volk an seinem Land und Leuten verübt, nicht zu Herzen ginge, darin auch nicht ein einig Beyspiel der Grausamkeit unerzeigt ist blieben. Welchs ihm schon an sich selbst so weh thut, aus herzlicher Lieb die er von jeher zu seinen Unterthanen hegt, daß keinem Sterblichen weher thun könnt: aber noch über Menschenermessen weit mehr weh thut ihm dergleichen Schmach und Trutz von dir und den Deinigen zu erfahren, die ihr seit aller Zeit und Gedächtniß, du und [102] deine Väter mit ihm und allen seinen Vorfahren eine Freundschaft geschlossen hattet, so ihr als heilig bis daher unter einander unverbrüchlich hieltet, pflogt und bewahrtet: dergestalt daß nicht allein er und die Seinigen, sondern selbst die barbarischen Völker in Poitou, Bretagne, Maine, und die über den Canarischen Inseln und Isabella drüben wohnen, eben so leicht das Firmament zu erstürmen und den Abgrund über die Wolken zu erhöhen vermeinet haben, als abzufallen von euerm Bund; auch ihn bey ihren Unternehmen dermasen respectiret haben, daß sie aus Furcht des Einen Teiles, niemals den Andern zu erbittern, zu reizen oder zu schädigen sich erdreistet.

Ja was noch mehr: diese geheiligte Freundschaft ist so weit durch die Welt erschollen, daß wenige Völker heut zu Tag auf der ganzen Vest und den Inseln des Weltmeers wohnhaft sind, die nicht eifrig darein mit eingeschlossen zu werden getrachtet auf jeden euch beliebigen Beding, weil sie den Bund mit euch so hoch als ihre eignen Land und Staaten schätzten. Also daß seit Menschengedenken kein Fürst und keine Partey jemals so frech noch trutzig gewesen ist, die es gewagt hätt, ich will nicht sagen in eure Länder, sondern in eurer Bundesfreund Länder einzufallen. Und wenn sie auch einmal aus übereiltem Rath was neues wider sie anfangen, haben sie doch, sobald sie den Namen und Titel eures Bundes gehört, ihr Unternehmen fahren lassen. Welche Tollheit treibt dich dann nun alle Bündniß zu brechen an, alle Freundschaft darnieder zu treten, und mit Verhöhnung alles Rechtes sein Land mit Krieg zu überziehen, der du noch weder von ihm noch den Seinen irgend beschädiget, erzürnt noch beschweret bist? Wo ist Treu? Wo ist Recht und Gerechtigkeit? Wo Menschlichkeit? Wo ist Furcht Gottes? Meinst du daß solche Schmach den himmlischen Geistern und Gott dem Höchsten verborgen seyn könn, der unsrer Taten gerechter Vergelter? So du es meinest, betrügst du dich: denn es kommt alles vor sein Gericht. Ist es etwann ein verhängtes Schicksal oder Einfluß der Gestirn die deine Ruh und Wohlfahrt wollten zu Grunde richten? Also kommen alle Ding an ihr End und Ziel; und wann sie die oberste [103] Spitz erreicht, müssen sie wieder hinunterstürzen, denn sie können in solchem Stand nicht lang beharren. Dieß ist das End Derer die ihr Glück und Gedeihen nicht nach Vernunft und Mässigkeit brauchen mögen.

Wäre es aber so fürbestimmt und müßt anitzt dein Glück und Ruh ein End nehmen, soll es zum Schaden meines Königs gereichen, deßjenigen welcher dich eingesetzt hat? So dein Haus einfallen muß, soll es in seinem Einsturz auf den Herd dessen fallen, der es gemehrt hat? Dieß wär so weit über alle Schranken der Vernunft, so ganz und gar gemeinem Verstand zuwider, daß es mit Menschenbegriffen kaum möcht zu fassen seyn. Wirds auch kein Fremder glauben wollen, bis ihn nicht die augenscheinlich beglaubigte That lehrt, daß denen nichts theuer noch heilig ist, die, ihren verkehrten Gelüsten zur Frohn, sich Gottes und der Vernunft entsagen.

Wo deinem Land und Leuten von uns ein Unrecht geschehn wär, wo wir deinen Widersachern Gunst oder Vorschub geleistet, dir in deinen Händeln nicht beygestanden, durch unsre Schuld dein Ehr und guten Namen hätten schmälern lassen, oder besser zu sagen, wo der Lügengeist dich zu plagen erpicht, durch trügliche Blendwerk und sinnbethörende Hirngespinst dir in das Ohr geraunet hätt als wenn wir irgend etwas unsrer alten Freundschaft unziemliches an dir verübt, so mußtest du zuvor die Wahrheit erforschen, dann uns deß erinnern, und hätten wir nach deinem Wunsch dich so vergnügt, daß du mit uns zufrieden solltest gewesen sein. Aber, heiliger Gott! Was ist dein Fürsatz? Wilt du so als meineidiger Tyrann das Reich meines Herren verwüsten und plündern? Hast du ihn also feig und blöde erfunden, daß er nicht wollte, oder so machtlos an Volk, Geld, Rath und Kriegskunst daß er nicht könnt sich zur Wehre setzen wider dein bösliches Ungetüm? Zieh ab von Stund an, und sey längstens bis morgen wieder in deinem Land, ohn allen Tumult noch Gewalt unterwegen. Und zahl Ein Tausend Bisanten in Gold für den Schaden so du im Land verübt hast. Die eine Hälft die zahlst du morgen, die andr auf nächste Mayen-Idus, und lässest [104] einstweilen uns hie zu Geiseln die Herzogen von Schwindelhirn, Arlottern und Kleinitz, nebst dem Fürsten von Schäbigsheim und dem Vicomten van der Filzlaus.

Zwey und Dreyssigstes Kapitel
Zwey und Dreyssigstes Kapitel.

Wie Grandgoschier um des Landfriedens willen die Wecken zurückerstatten ließ.


Hiemit schwieg der brave Mann Gallet. Aber Pikrocholus erwiedert auf seine ganze Rede nichts weiter als: Versuchts, versuchts, kommt her und holt sie: sie haben lange Schieber, sie werden euch Wecken backen lehren. – Also kehrt er wieder heim zum Grandgoschier, den er baarhäuptig auf seinen Knieen in einem Winkel seines Kämmerleins liegen fand, Gott bittend daß er Pikrochols Koller erweichen und ihn in Gutem wollt zur Vernunft bringen. Als er den braven Mann wieder sahe, frug er ihn: Ha mein Freund, mein Freund! Was bringst du für Zeitung? – Da ist, sprach Gallet, kein Ordnung mehr: denn dieser Mann ist gar von Sinnen und Gott verlassen. – Aber doch, spricht Grandgoschier, mein Freund! was Ursach dieses Frevels giebt er für? – Er hat mir, sprach Gallet, ganz kein Ursach dargethan, ohn daß er im Koller etlich Wort von Wecken ließ fallen. Ich weiß nicht ob man irgend seinen Weckenbäckern ein Leids gethan hat? – Dennoch, spricht Grandgoschier, will ichs zuvor erst hören, eh ich was weiters fürnehm. Befahl also dem Handel näher nachzufragen: da befand sich, daß seinen Leuten etliche Wecken genommen worden, und Marcket mit einem Klippel einen Streich aufs Haupt erhalten hätt. Wär aber gleichwohl alles richtig bezahlet worden, und hätt ernannter Marcket zuerst dem Forgier mit seiner Geisel die Bein zerhauen: auch war sein ganzer Rath der Meinung daß er notwendig sich wehren müssen. – Demungeachtet, sprach Grandgoschier, weil es an nichts als etlichen Wecken liegt, will ich ihn suchen zufrieden zu stellen, denn es will mir gar nicht ein, einen Krieg darum anzufangen. [105] Erkundigt' sich demnach wieviel man ihnen Wecken genommen hätt, und als er hört', vier bis fünf Dutzend: befahl er deren noch selbige Nacht fünf Karren voll zu backen, den einen mit lauter Wecken von guter Butter, gutem Ey-Gelb, gutem Saffran und edlem Gewürz, die man dem Marcket zustellen sollte. Auch für seinen Schaden gab er ihm siebenhunderttausend drey Philippsthaler, das Baaderlohn für den Verband seiner Wunden zu zahlen, und noch dazu den Meyerhof Pommadiere zu freyem Erb-Lehn ihm und den Seinen. Welches alles auszurichten und zu vollziehen Gallet gesandt ward, der unterwegs bei dem Weidicht einen Haufen grosser Schilf- und Rohrzweig abhaun und alle Karren und Kärrner damit ringsum bestecken ließ. Er selber hielt auch ein solches Rohr in der Hand, damit er sagen wollte daß sie nichts weiter als Frieden begehrten, und ihn zu erkaufen anhero kämen.

Als sie nun an das Schloßthor kamen, verlangten sie von Grandgoschier mit dem Pikrocholo zu reden. Aber er ließ sie nimmer ein, noch wollt er auch haussen mit ihnen sprechen, sondern ließ ihnen sagen er hätt Geschäft und sollten nur ihre Sach beym Hauptmann Staarenstör anbringen der eben auf der Mauer ein Geschütz postiert'. Zu diesem also sprach der Ehrenmann: Herr, den Zwist auf einmal zu schlichten und jeder Ausred daß ihr nicht wieder in unser Altes Bündniß trätet euch zu berauben, erstatten wir euch hie die Wecken darum der Streit ist. Fünf Dutzend nahm ihrer unser Volk: sie wurden zwar sehr wohl bezahlt. Allein wir halten den Frieden so hoch, daß wir fünf Karrn voll euch wiedergeben, von denen dieser hier für Marcket sein soll, der sich am meisten beschweret. Und überdieß, ihn gänzlich zu vergnügen, sehet da Siebenhunderttausend drey Philippsthaler, die bring ich ihm, und für den Schaden, den er etwann verlangen möcht, tret ich ihm noch den Meyerhof zu Pommadier' ab, ihm und den Seinen zu ewigem Freylehn und Eigentum. Da sehet die Verschreibung darüber. Und in Gottes Namen lasset uns von nun an Frieden halten! Zieht fröhlig heim in euer Land, steht diesen Platz ab, da ihr doch kein Recht dran habt, wie ihr selbst bekennet: und Freund' wie vor. – Der Staarenstör zeigt' alles dem Pikrochol an, und hetzt ihn immer ärger auf in seinem Sinn. Die Lümmels, sprach er, [106] haben einmal rechtschaffen Furcht. Der arme Wein-Schlucker Grandgoschier, er macht bey Gott! noch in die Hosen. Es ist sein Stärk nicht Krieg zu führen, wohl aber die Krüg zu leeren weiß er. Mein Meinung wär, man behielt dieß Geld und Wecken hie, und förderten im übrigen fleissig unser Schanzwerk und gutes Glück. Was! denken sie einen Gimpel zu körnen, daß sie mit Wecken euch ätzen wollen? Aber da sieht man was es ist: die gute Behandlung und die große Vertraulichkeit die ihr zeither ihnen stets erwiesen, machen euch zum Gespött vor ihnen. Schmier den Schelmen, so schiert er dich: schier den Schelmen, so schmiert er dich. – Sa, sa, sa! sprach Pikrocholus, beym heiligen Jack! sie sollens finden. Thut wie ihr sagt. Eins aber wollt ich euch dennoch rathen, sprach Staarenstör. Wir sind hie eben nicht sonderlich verproviantirt und mit Magenpflaster fast mager beschlagen. Wenn Grandgoschier uns belägern sollte, wollt ich von Stund an nur alle Zähn mir ausziehn lassen bis auf drey, und euerm Volk deßgleichen; damit kämen wir unserm Brodsack nur noch allzuzeitig auf den Grund. Ey was! antwort Pikrocholos, werden Futter vollauf han. Sind wir um Fressens willen hie, oder Streitens? – Um Streitens willen, freylich wohl, spricht Staarenstör, aber voller Wanst doch besser tanzt: und wo Hunger regiert, da bleibt die Stärk aus. – Genug geschwätzt! schrie Pikrocholus. Greift alles auf was sie mitgebracht. – Da nahmen sie Geld, Wecken, Karren und Ochsen und schickten sie ohn ein Wort wieder heim, als nur, sie sollten nicht wieder so nahe kommen aus Ursach die man ihnen morgen bedeuten würd. So zogen sie dann unverrichter Sachen wieder zum Grandgoschier und erzählten ihm alles, mit dem Bescheid es sey kein Hoffnung mehr übrig sie zum Frieden zu bringen ausser mit offenem Krieg und Gewalt.

Drey und Dreyssigstes Kapitel
[107] Drey und Dreyssigstes Kapitel.

Wie etliche Schranzen des Pikrocholus ihn durch übereilten Rath in die äusserste Gefahr brachten.


Nach ausgepfändeten Wecken erschienen vor dem Pikrocholo der Herzog von Kleinitz, Graf Bravo und Hauptmann Dünnschiß, und sprachen zu ihm: Gnädigster Herr, heut machen wir euch zum glücklichsten, streitbarsten Prinzen der je gelebt hat seit dem Tod Alexanders von Macedonien. – Bedeckt euch, sprach Pikrocholus, bedeckt euch. – Dank, Herr, sagten sie, wir thun nur unsre Schuldigkeit. Das Mittel ist dieses: Ihr lasset einen Hauptmann hie in Garnison mit kleiner Schaar zur Deckung des Platzes, der uns fest genug bedünkt theils von Natur, theils auch durch eure Verschanzungen. Euer Kriegsheer theilt ihr in zwey Theil, wie ihr selbst am besten zu thun verstehet. Das eine Theil davon fällt über diesen Grandgoschier und sein Volk her: schlägt ihn aufs Haupt im ersten Anschuß. Da find ihr Geld im Überfluß, denn der Filz hats bey der Schwere. Filz sagen wir, weil ein adlig Herz, ein rechter Fürst niemals auch nur einen rothen Heller haben muß. Thaler sparen ist Filzen-Handwerk.

Das ander Theil ziehet derweil auf Onys, Sainctonge, Angomoys und Gasconien, auf Perigort, Medoc, Eslanes. Ohn Widerstand gewinnen sie Städt, Vesten, Schlösser. Zu Bajonn, zu Sainct Jean de Luc und Fontarabien nehmt ihr alle Schiff, damit ihr gegen Galizien und Portugal streift und alle meeranstössige Land bis Ulisbona plündert, wo ihr Zufuhr jedes Kriegsbedarfes für einen Eroberer schon finden werdet. Hohl mich St. Velten, Spanien ergiebt sich euch, denn es sind eitel arme Letzköpf. Nun fahrt ihr durch die Sibyllische Eng und richtet da zwo [108] Säulen auf, viel stattlicher als des Herkules, zu ewigem Denkmal eures Names, und wird derselbe Paß darnach das Pikrocholinen-Meer geheissen.

Habt ihr das Pikrocholinen-Meer erst hinter euch, so stehet auch schon Barbarossa dort und will euer Sklav seyn. – Ich nehm ihn zu Gnaden an, sprach Pikrocholus. – Wohl, aber er muß sich taufen lassen, sagten sie. Erstürmet dann die Königreiche Tunis, Hippo, Algier, Bona, Corona, kühnlich die ganze Barbarey. Geht weiter, so fallen euch in die Hand Majorka, Minorka, Sardinien, Corsika samt den übrigen Inseln des ligustischen und balearischen Meeres. Wendet euch links und schaltet frey über das ganze Narbonische Gallien, Allobrogien, Provinz, Genua, Lukka, Florenz und Gott genad dir alsdann, Rom. Der arme Junker Papst ist schon des Tods für Schrecken. – Bey meiner Treu, ich werd ihm nicht lang den Pantoffel lecken, antwort Pikocholus.

Jetzo ist Welschland euch unterthan, da habt ihr Napel, Kalabrien, Apulien, Sizilien alles im Sack und Maltha mit. Ich wollt nur daß sich die schnakischen Herrn Weiland-Ritter von Rhodus euch ein wenig widersetzten, daß man ihnen das Wasser beschaun könnt. – Doch ging ich auch, sprach Pikrochol, gern gen Laureto. – Nix da, nix, das kommt auf dem Rückweg, sagten sie. Von da ab nehmen wir Candien, Cypern, Rhodus und die Cycladischen Inseln und werfen uns auf Morea. Wir habens schon, Sankt Trinian! Gott schütz Jerusalem: denn der Sultan kann sich nicht messen mit eurer Macht. – So werd ich, sprach er, den Tempel Salomonis bauen. – Nein, sagten sie, noch nicht! Verziehet noch ein wenig. Seyd doch nur niemals so jähling in euern Unternehmungen.

Wißt ihr was Kaiser Octavian sagt, Festina lente? Ihr müßt zuvor Kleinasien, Karien, Lycien, Pamphylien, Cilicien, Lydien, Phrygien, Mysien, Betunien, Charazien, Satalien, [109] Samagerien, Castamena, Luga, Savasta, bis an den Euphrat haben. – Werden wir, frug Pikrocholus, auch Babel und den Berg Sinai sehen? Es ist zur Zeit, antworten sie, noch nicht von nöthen. Heißt es nicht satt sich abgeplackt, wenn man das hirkanische Meer durchschifft hat, die beyden Armenien und die drey Arabien beritten? – Mein Treu! sprach er, wir sind verthan. Ach arme Leut! – Wie so dann? frugen sie. – Was werden wir trinken in dieser Wüst? denn wie man sagt, ist Kaiser Julianus mit seinem ganzen Heer drin Dursts gestorben? – Wir han dem allen schon Rath erfunden, versetzten sie. Im Syrischen Meer habt ihr neuntausend vierzehn große Schiff, mit dem besten Wein beladen den die Erd trägt. Die sind in Joppen bereits gelandet. Dort haben sich zwey und zwanzig hundert tausend Kameel und sechzehnhundert Elefanten eingefunden, die ihr auf einer Jagd bey Sigeilme, als ihr nach Libyen kamt, gefangen. Und ausserdem habt ihr auch noch die ganze Karavan von Mekka erbeutet. Brachten die euch nicht Wein satt? – Aber er war doch matt, sprach er, wir hatten drum kein kühl Getränk. – Ey daß mich doch bald was anders biß! antworten sie, ein Held, ein Landzwinger, einer der nach der ganzen Weltherrschaft aus ist und trachtet, kanns nicht immer gemächlich haben. Dankt Gott daß ihr mit euerm Volk gesund und frisch bis zum Tigris seyd kommen.

Aber, sprach er, was thut derweil unser ander Heer, das den armen filzigen Schlucker, den Grandgoschier geschlagen hat? – Sie feyern auch nicht, sagten sie; werden ihnen alsbald begegnen. Sie haben Bretanien, Normandi, Flandern, Hennegau, Brabant, Artoys, Holland, Seeland für euch erobert, und über den Leib der Schweizer und Landsknecht weg den Rhein überschritten: auch hat ein Theil davon Luxemburg, Lothringen, Champagne, Savoyen bis gen Lyon bezwungen, an welchem Ort sie eure Besatzungen [110] kehrend von ihren See-Victorien im mittelländischen Meere gefunden; und haben sich, nachdem sie Schwaben, Wirtemberg, Bayern, Oesterreich, Mähren und Steyermark gewältiget, wieder in Böhmen zusammengeschlagen. Sind darauf mit aller Macht vereinigt auf Lübeck, Norwegen, Schweden, Rügen, Dazien, Esterlingen, Gothland, Grönland bis an das Eismeer geflogen, wonach sie die Orkadischen Insuln erobert, auch Schottland, Engelland und Irland unterjochet haben: sind von da das Sand-Meer und die Sarmaten durchschifft und haben Preussen, Polen, Lithauen, Rußland, Walachey, Siebenbürgen, Hungarn, Bulcharey, Türkey besiegt, gebändigt, sind bereits in Konstantinopel. – Macht nur, sprach Pikrochol, daß wir bald zu ihnen kommen: denn ich will auch Kaiser von Trapezunt seyn. Solln wir nicht all diese Türkenhund und Mahometisten erwürgen? – Ey was Teufel anders? antworten sie: und ihre Land und Güter schenkt ihr dann denen die euch redlich gedienet, – Wie billig, sprach er, von Rechtswegen. Ich schenk euch Carmanien, Syrien und ganz Palästina. – Ha, riefen sie, da thut ihr wohl dran, gnädigster Herr! Wir danken schön. Gott woll euer Wohlfahrt allzeit mehren.

Damals war auch ein Alter vom Adel mit zugegen, in mancherley Wagniß und Kriegesläuften wohl erfahren, namens Echephron, der sprach, als er die Reden hört': Ich sorg fast sehr daß all dieser Anschlag werd ausfallen wie der Schwank vom Milchtopf, daran sich der Schuster im Traum bereichert, drauf als der Topf in Scherben brach, nichts zu schmausen hätt. Worauf zielt ihr doch mit diesen stolzen Eroberungen? Was wird das End all dieser Kreuz- und Querzüg seyn? – Wird seyn, antwort Pikrocholus, daß wir, wenn wir heimkommen, uns gemächlich zur Ruh begeben. – Und wenn ihr etwann, frug Echephron, zufälliger Weis nicht wieder kämet? denn der Weg ist weit und gefährlich; wärs nicht besser daß wir uns von Stand an zur Ruh begäben, eh wir in die Gefahr uns wagten? – O um Gott! schrie Bravo, seht mir doch den armen Fasler! Ich [111] mein wir hockten uns lieber gar auf die Ofenbank und brächten da unser Zeit und Weil bey den Frauen mit Perlen-Fädeln und Spinnen zu, wie Sardanapalus. Wer sich nichts wagt, hat weder Pferd noch Maul, spricht Salomon. – Und wer zu viel wagt, spricht Echephron, der verlieret Pferd und Maul, antwortet Malcon. – Basta, vorwärts! schrie Pikrochol: ich fürcht mich nur vor dieses Grandgoschiers Legion Teufeln, wenn sie etwann, derweil wir in Mesopotamien stäken, uns in die Schlepp kämen. Da rath zu. – Gar wohl, gar wohl, antwortet Dünnschiß. Ihr schickt den Moskovitern nur ein klein Depeschlein zu, das stellt euch in einem Umsehn Vierhundertfunfzigtausend erlesenes Kriegsvolk auf die Bein. O wenn ihr mich zu euerm Leutnant setzen wolltet, ich freß euch ein Dukaten für n'e Laus auf. Ich mord, ich tob, ich schmeiß, ich zerreiß, schlag tod ohn Gnod! – Auf! schrie Pikrochol, macht euch fertig, und wer mich lieb hat folge mir!

Vier und Dreyssigstes Kapitel
Vier und Dreyssigstes Kapitel.

Wie Gargantua von Paris aufbrach sein Land zu retten, und wie Gymnastes unter die Feind gerieth.


Um eben die Stund war Gargantua, der flugs nach Lesung des Briefes seines Vaters aus Paris gereist war,[112] auf seiner grossen Mär bereits über die Nonnen-Bruck gegangen, er selbst, Gymnastes, Ponokrates und Eudämon, die ihm auf Postpferden folgten. Sein übriger Anhang kam in gesetzten Tagereisen und führet ihm all seine Bücher und philosophisch Heergeräth nach. Als er gen Pareillé kam, zeigt ihm der Sennenmeyer von Gouguet an, wie Pikrocholus sich in Clermaldsburg verschanzt und den Hauptmann Kuttler mit vieler Mannschaft vorausgeschickt hätt, den Forst von Vede und Vaugaudry zu überrumpeln: und daß sie bis zur Billards-Kelter das Huhn im Topf ergaterten: der Muthwill wär schier unerhört und kaum glaublich, den sie im Land verübten: also daß er ihm Schrecken einjagt' und nicht gleich wußt was er beginnen noch sagen sollt. Aber Ponokrates rieth ihm beym Herren von Vauguyon erst einzusprechen, der von jeher ihr alter Bundesfreund gewesen war und ihnen in allen Stücken bessern Bescheid könnt geben: ritten also gleich zu ihm hin und fanden ihn auch wohl gesonnen ihnen zu helfen. Und war sein Rath daß er Etliche seiner Leut auf Erspähung des Landes ausschicken sollt zu erforschen wie der Feind sich hielt, damit man nach gegenwärtigem Stand der Ding einen Zuschnitt machen könnte. Gymnastes erbot seine Dienst dazu, ward jedoch für sicherer befunden daß ihn Einer begleiten sollt der alle Steg und Schleifweg, auch Gewässer der Gegend wohl innen hätt. So ritt er dann mit Vorleck, dem Knappen des von Vauguyon aus, und spionirten unerschrocken nach allen Seiten, während Gargantua mit seinen Leuten sich etwas letzt', ein wenig futtert', auch seiner Mär ein Mäslein Haber aufschütten ließ, das vierundsiebzig Wispel und drey Scheffel hielt. Gymnastes ritt mit seinem Gesellen so lang herum bis er die Feind ansichtig ward, die ganz zerstreut und ausser Ordnung alles raubten und stahlen was ihnen vor die Hand kam: und so weit sie ihn sahen rannten sie haufenweis auch schon herbey ihn auszuziehen. Er aber rief ihnen entgegen: Liebe Herren, ich bin ein armer Teufel! Ich bitt euch, habet Mitleid mit [113] mir. Ich hab noch etlich Thaler hie, die wolln wir mit einander versaufen: es ist aurum potabile: auch dieses Roß hie mag man verkaufen, euch meinen Willkomm zu bezahlen. Ist dieß getan, so behaltet mich bey euch. Denn der Mensch lebt nicht der Hühner besser mausen, spicken, sieden, braten, ja wills Gott transchiren und schnabuliren könnt als ich, der ich hie vor euch steh. Und für mein Proficiat trink ich hie aufs Wohlseyn aller guten Gesellen. Damit zog er sein Feldflasch aus, und ohn auch nur die Nas zu färben, thät er draus einen ziemlich derben.

Die Lümmel gafften ihn an und sperrten die Gurgeln schuhweit auf, ja hingen die Zungen wie Windhund lang, in Hoffnung nach ihm auch zu trinken; aber da kam ihr Hauptmann Kuttler just hergeloffen und wollt auch sehen was wär. Dem bot Gymnast sein Fläschlein und sprach: Nehmt Hauptmann, trinket frisch daraus! habs schon credenzt, es ist Gewächs von der Faye Moniau. – Was! schrie Kuttler, ich glaub der Cumpan da will uns foppen. Wer bist du? – Ein armer Teufel sprach Gymnast. – Ho, ho, spricht Kuttler, armer Teufel! So du das bist, ist billig daß du weiter trabest, denn arme Teufel gehn überall frey ohn Zoll und Geleit. Ist aber nicht bräuchlich, daß arme Teufel so wohl beritten seyn; darum Herr Teufel, steigt nur ab und her mit dem Klepper, und wenn er nicht gut zu reiten ist, so reit ich euch selber, mein Herr Teufel; denn solche Teufel reit ich gern.

Fünf und Dreyssigstes Kapitel
Fünf und Dreyssigstes Kapitel.

Wie Gymnastes den Hauptmann Kuttler nebst anderm Volk Pikrocholi säuberlich abfing.


Wie sie dergleichen Reden hörten, kam Etlich unter ihnen der Schreck an und kreuzten sich mit allen Händen, vermeinend [114] es wär ein verkappter Teufel. Und einer davon, Traut-Hänsel mit Namen, der Freymauser Hauptmann, zog alsbald sein Horasbüchel aus dem Latz und schrie laut: Hagios ho theos! Bist du von Gott, so rede: bist du des Andern, hebe dich hinweg! Er hub sich aber drum nit. Dieß hörten etliche von der Rott, und stahlen sich ab aus der Gemein; Gymnast sah alles wohl und merkt' sichs. Thät demnach als wenn er itzt vom Pferde wollt herunter steigen und während er so von der Steigseit hing, macht er behend die Bügel-Tour mit seiner Bastardkling an der Hüft, schlupft' unten durch, schnellt' in die Luft und stand mit gleichen Beinen im Sattel, den Steiß dem Pferdskopf zugekehrt. Sprach dann: Mein Casus geht den Krebsgang. Drauf macht' er in selbiger Position wie er stund, die Gambada auf einem Fuß, schwenkt sich links um, und traf genau seinen vorigen Stand bei einem Haar. – Ha! sagt' Kuttler, den thu ich euch für heut nicht nach, und das aus Ursach. – Quark! sprach Gymnast, ich hab gefehlt: der Sprung soll nicht gelten. – Itzt macht' er mit großer Kraft und Geschmeidigkeit die Gambad wie vor, zur Rechten, setzt' dann den Daumen der rechten Hand auf den Sattelbogen, und schwang sich mit dem ganzen Leib in Luft, daß er mit voller Last auf dem Muskel und Nerven des Daumens schwebt', und dreht' sich also dreymal um. Beym vierten Mal überschlug er sich mit ganzem Leib ohn anzustossen, hupft' zwischen des Pferdes Ohren, steift den ganzen Leib auf dem linken Daumen in Luft, und schlug in solchem Stand ein Mühlrad: klatscht mit der flachen Hand itzt mitten auf den Sattel, und gab sich dabey einen solchen Schwung, daß er aufs Kreuz zu sitzen kam wie die Jungfern.

Als dieß gethan war, schob er den rechten Fuß über den Sattel und setzt' sich in Reiter-Positur aufs Kreuz. Doch, sprach er, es ist besser ich setz mich zwischen die Sattelbogen; stemmt sich also mit beyden Daumen vor sich aufs Kreuz, [115] überschlug sich kopfüber in Luft und saß ganz strack in den Sattelbogen. Drauf mit einem Schneller erhob er sich wieder ganzen Leibes in die Luft, und stand so mit geschlossenen Beinen zwischen den Bogen: da rädelt' er wohl hundertmal herum, die Händ kreuzweis ausstreckend, und schrie dazu mit heller Stimm: Ich ras, hui Teufel! ich ras, ich ras, hui Teufel halt mich, halt Teufel halt!

Während er also voltigirt', sprachen die Lümmel in grosser Bestürzung einer zum andern: Beym heiligen Kindsdreck: Es ist ein Kobolt oder so ein verkappter Teufel. Ab hoste maligno libera nos, domine! und nahmen querfeldein Reiß aus und blickten immer hinter sich, wie der Hund mit dem Flederwisch.

Wie ist Gymnast seinen Vortheil ersah, springt er vom Pferd ab, zieht vom Leder und fegt mit schweren Lungenhieben unter die aller Flottesten drein, streckt sie zu ganzen Haufen, wund, zerbläut, zerfetzt, zerschroten darnieder; es setzt sich ihm nicht einer zur Wehr, vermeinten all es wär ein ausgehungerter Teufel, theils wegen der erschrecklichen Sprüng die er thät, theils auch der Reden halber, die Kuttler mit ihm führt', als er ihn einen armen Teufel hieß. Gleichwohl versuchts der Kuttler von hinten, mit seinem Landsknechtsdegen ihm den Schedel zu spalten; er war aber so wohl bestahlhauptet, daß er von dem Streich nichts als den Prall spürt'; kehrt sich also flugs herum, schoß einen Springstock auf ihn ab, und während sich Kuttler von oben wollt decken, zerschlitzt' er ihm mit einem Hieb den Magen, Grimmdarm und halbe Leber, daß er zur Erd fiel, und im Fallen mehr denn vier Häfen voll Supp, und unter der Suppen die Seel mit von sich gab.

Sechs und Dreyssigstes Kapitel
Sechs und Dreyssigstes Kapitel.

Wie Gargantua das Schloß am Furth Vede zerstört', und wie sie über den Furth gingen.


Als er ankam, erzählt' er wie er die Feind getroffen hätt, und den an ihrer ganzen Schaar von ihm allein vollführten [116] Streich: betheuert' es wären eitel Dieb, Strauchhähn und Räuber, die gar nichts verstünden vom Kriegshandwerk, und sollten sich nur frisch an sie machen, denn es würd ihnen ein leichtes seyn, sie wie das liebe Vieh zu schlachten. Demnach beschritt Gargantua, in Begleitung seiner obigen Freund, die große Mär, und unterwegens traf er einen gewaltigen hohen Baum an, den man gewöhnlich Sankt Martins-Baum nannt, weil er aus einem Pilgerstab also erwachsen war, den vor Zeiten der heilige Martin dorthin gepflanzet. Da sprach er: Siehe da was mir fehlt! Dieser Baum soll mir zum Spieß und Pilgerstecken dienen. Damit riß er ihn leichtfertig aus der Erden, streift' die Aest herunter und putzet' ihn zu seinem Vergnügen. Unterdessen stallt' seine Mär', sich die Blaas zu lehren, solches aber so überflüssig, daß auf sieben Meilen ein Fluth draus ward und aller Brunzt in den Furth von Wede lief. Den schwemmt' es so gewaltsam wider den Strom an, daß des Feinds Geschwader mit Mann und Maus elendiglich daselbst ersoffen, ohn Etliche, die ihren Weg links über den Berg genommen hatten.

Als Gargantua vor dem Forst von Vede ankam, warnt' ihn Eudämon, daß im Schloß noch etliche Feind verborgen lägen. Welchs zu erfahren Gargantua so laut er konnt rief: Seyd ihr drinnen oder nicht? Wenn ihr drinnen seyd, so seyds gewesen! Seyd ihr nicht drinn, darfs nicht der Wort. Ein Bengel aber von Schützenmeister hinter der Schuß-Schart richtet eine Kanon auf ihn, und traf ihn grausam an die rechte Schläf'; es thät ihm aber nicht weher als wenn er ihn mit einer Zwetschen geworfen hätt. Was ist dieß? sprach Gargantua, werft ihr uns hie mit Traubenkernen? der Herbst soll euch noch theuer kommen: denn er meint' nicht anders, die Stückkugel wär ein Traubenkern gewesen. – Diejenigen, die sich im Schloß mit dem Rapiamus erlustirten, liefen, als sie den Lärmen hörten, auf Thürn und Bollwerk und thäten aus Falkonetten und Büchsen mehr denn neuntausend fünfundzwanzig Schüss auf ihn, zielten ihm all nach dem Kopf, und hagelten so hageldicht, daß er ausrief: Ponokrates, mein Freund! die Fliegen da blenden mich: o lang mir doch einen Zweig von diesen Weiden her, sie zu verscheuchen! denn er sah die bleyernen Schusser und die Stein [117] aus dem Wurfgeschütz für Kühfliegen an. Ponokrates bedeutet ihn aber, daß es die Fliegen aus den Kanonen im Schlosse wären, die man ihm zuschöß. Da rannt er mit seinem großen Baum wider das Schloß an, zermalmt' mit schweren Stössen Thürn und Bollwerk, und schleift' es alles dem Boden gleich, dergestalt, daß Alle darinnen zerschmettert und erschlagen wurden.

Von da weiter kamen sie an die Mühlenbruck und fanden dort den ganzen Furth so gehauft voll Leichen, daß sie den Mühlgang verstaueten. Dieß war aber eben die in der Mär-Harnfluth Ersoffenen. Gingen also zu Rath wie sie drüber kämen, in Betracht der Stämmung dieser Cadaverum. Gymnastes aber sprach: Sind die Teufel hinüber kommen, will ich auch wohl hinüber. – Die Teufel, sagt Eudämon, sind 'nüber kommen als sie die verdammten Seelen hohlten. – Nun beym Sankt Trinian! rief Ponokrates, so muß er nothwendig auch hinüber. Ey! sprach Gymnast, das mein ich auch, oder will unterwegen bleiben. Gab damit seinem Pferd die Sporen und setzt' risch über, ohn daß das Pferd einmal vor den Todten gescheuet hätt. Denn er hätt es nach Aeliani Lehr gewöhnt, weder Seelen noch Leichnam zu fürchten: nicht daß er die Leut (wie Diomedes die Thrazier) umbracht, oder wie Ulysses, nach Homers Bericht, die Leiber seiner Feind den Pferden unter die Füß warf: sondern er legt' ihm ein Gespenst in sein Heu, und ließ es gewöhnlich darüber traben, wann er ihm seinen Haber gab. Die andern Dreye folgten ihm ohn Anstoß nach, bis auf Eudämon, dessen Pferd mit dem rechten Fuß einem grossen feisten Schelmen, der da rücklings ersoffen war, bis ans Knie in den Wanst einbrach, und ihn nicht wieder herausziehn konnte. Mußt auch so lang drinn stecken bleiben bis Gargantua mit seinem Stab die übrigen Kutteln des Schelmen vollends in Grund bohrt': da dann das Pferd den Schenkel 'raus renkt'. Und (was wunderbar in der Hippiatri zu merken) so war dieß Pferd von einem Ueberbein, das es an selbigem Fuß hätt, blos durch die Anrührung der Gedärm dieses groben Schliffels geheilt, und aus dem Grund curiret worden.

Sieben und Dreyssigstes Kapitel
[118] Sieben und Dreyssigstes Kapitel.

Wie dem Gargantua als er sich strälet', die Stückkugeln aus den Haaren fielen.


Nicht lange darauf, nachdem sie das Ufer der Vede erstiegen, kamen sie in Grandgoschierens Schloß an, der ihrer mit grossem Verlangen harrte. Herzten und drückten einander zum Willkomm mit offenen Armen; euer Leblang habt ihr nicht frohere Leut gesehen. Denn Supplementum Supplementi Chronicorum sagt, es wäre Gurgelmilte vor Freuden darüber gestorben: was dran ist, weiß ich nicht meines Orts, und kümmer mich auch fast wenig weder um sie noch sonst Eine. So viel aber ist lautere Wahrheit, daß, nachdem sich Gargantua mit frischen Kleidern angethan und mit seinem Sträl (der, hundert Stab lang, mit ganzen Elephantenzähnen bezahnt war), strählt', ihm auf jeden Zug über sieben Ballen Kugeln aus den Haaren fielen, so darinn bey Demolirung des Vedischen Forstes hangen geblieben. Welchs, als sein Vater Grandgoschier sahe, meint' er es wären Läus, und sprach zu ihm: Ey ey! mein lieber Sohn, bringst du die Sperber von Montagu uns so weit her? Ich dacht nicht daß du dorten hausirtest. – Da antwort ihm Ponokrates: Gnädigster Herr, denkt nicht daß ich ihn in dieß Läus-Collegium, welches den Namen Montagu führet, gethan hätt, lieber hätt ich ihn unter die Pracher von Sanct Innocenz geben wollen, wegen der schmähligen Unflätherey und Grausamkeit, die ich allda gesehn hab. Denn weit besser hält man die Sträfling unter den Mauren und Tartaren, die Mörder im peinlichen Gefängniß, ja wahrlich die Hund in Euerm Haus als diese armen Tropfen in selbem Collegio. Und wär Ich König zu Paris, der Teufel hohl mich wo ichs nicht ansteckt' und Prinzipal und Regenten zumal mit Feuer verbrennte, die solchen Abscheu vor ihren Augen verüben lassen. – Damit hub er eine der Kugeln auf, und [119] sprach: das sind Kanonenschläg die Euer Sohn Gargantua beym Forst von Vede verrätherisch von Euern Feinden aufs Haupt erhalten.

Aber sie habens wohl bezahlt; denn das Schloß hat sie all im Einsturz mit erschlagen, wie die Philister durch Simsons List, und wie die Achtzehn auf die der Thurn in Siloah fiel, von denen Lucä am dreyzehnten geschrieben stehet. Mein Rath wär, wir setzten ihnen nach, derweil das Glück noch mit uns. Denn die Gelegenheit hat all ihr Haar vorn auf der Stirn; ist sie entwischt, könnt ihr sie nicht mehr zurückerufen. Am Hinterhaupt da ist sie kahl, und kehrt nimmer wieder. – Wahrlich itzunder, sprach Grandgoschier, kann dieß nit seyn, denn ich will euch diesen Abend gastiren und heiss euch schönstens hie willkommen.

Auf diese Wort fing man das Nachtessen an zu rüsten, und briet zum Ueberschuß sechzehn Ochsen, drey Stärken, zweyunddreyssig Kälber, dreyundsechzig säugende Geißlein, fünfundneunzig Hammel, dreyhundert Milchferken im feinen Most, zweyhundert zwanzig Rebhühnel, siebenhundert Schnepfen, vierhundert Kapphähn von Loudun und von Cornouaille, sechstausend Küchlein und eben so viel Tauben, sechshundert Poularden, vierzehnhundert Häslein, dreyhundert drey Trappen und siebzehnhundert Schrothennen. Von Wildpret konnt man so bald nichts haben als eilf Keuler, die der Abt von Turpenay schickt', und achtzehn Stück Rothwild, welche der Herr von Grandmont herschoß, nebst hundert zwanzig Fasanen, die der Herr von Essars schickt' und etlichen Dutzend Ringeltauben, Wasservögeln, Krichenten, Rohrdommel, Regenpfeifer, Fluder, Frankolin, Böllhinen, Antvögel, Kibitzen, Flornen, Löffelgans, Möven, Reigel, Rohrhähn, Sichler, Störch, Grieltrappen, Oranen, Flambart (ist Phönikopterus), Scholucher, Kalekutische Hennen, vollauf [120] Kuskusu und Suppen die Hüll und Füll. Es hätt nicht Noth: zu leben gab es da überflüssig, und ward anständig zugericht durch Brühschleck, Quirlwein und Potporuri, Grandgoschiers Mundköch. Jonas, Michel und Spühlglas löschten den Durst aufs best.

Acht und Dreyssigstes Kapitel
Acht und Dreyssigstes Kapitel.

Wie Gargantua sechs Pilger im Salat aß.


Die Sach erheischt, daß wir berichten was mit sechs Pilgern sich begab, welche von St. Sebastian bey Nantes kamen und selbige Nacht, in Furcht vor den Feinden, zu einem Unterstand sich in das Bohnenstroh im Garten unter Kohl- und Lattichstauden verkrochen hatten. Gargantua spürt' ein wenig Durst, und frug, ob man nicht Lattich haben möcht, einen Salat zu machen.

Und als er hört' daß es im ganzen Land die schönsten und größten da hätt, denn sie waren so groß wie die Nuß- oder Pflaumenbäum, ging er für Lust selbst hin und bracht in seiner Hand so viel davon mit als ihm gut däucht'; und zu gleicher Zeit bracht er auch die sechs Pilger mit, die sich vor grosser Furcht und Angst weder zu reden noch husten trauten.

Wie er den Lattich nun am Brunnen vorläufig abwusch, sagten die Pilger mit leiser Stimm zu einander: Ey, ey, was da zu thun? Wir ersaufen hie unter dem Lattich. Sollen wir reden? Reden wir aber, so tötet er uns gewiß für Kundschafter. Während sie also noch rathschlagten, warf sie Gargantua mitsamt den Lattich in einen Küchen-Napf, so groß wie die Tonn zu Cisteaux, und aß sie mit Essig, Oel und Salz zu seiner Erfrischung vorm Abendbrod. Und hätt bereits fünf Pilger verschlungen: der sechst lag noch im Napf verborgen unter einem Lattichblatt, bis auf den Pilgerstab, [121] der drüber herfürguckt. Als den Grandgoschier sahe, sprach er zu dem Gargantua: Ich glaub da ist ein Schneckenhorn. Iß nit. – Warum? spricht Gargantua: sie seyn gesund diesen ganzen Monat. Ergriff damit den Stab und hub den Pilger daran zugleich mit auf und aß ihn lustig. Thät darauf einen schauderhaften Zug Zirbelwein, bis das Nachtessen fertig wäre.

Die so verschluckten Pilgersleut wandten sich so gut ihnen möglich, aus den Mahlsteinen seiner Zähn und meinten man hätt sie ins unterste Gewölb eines Kerkers hinabgestossen. Als aber Gargantua den großen Trunk thät, dachten sie nicht anders denn sie müßten ihm all im Maul ersaufen; auch hätt sie der Strom des Weins beynah in den Abgrund seines Magens geschwemmt: doch halfen sie sich mit ihren Stäben, und sprangen daran, nach Art der Michler so lang, bis sie am Rand der Zähn aufs Trockne kamen. Aber zum Unglück schmiß einer von ihnen, wie er mit seinem Pilgerstab das Land sondiert', ob sie festen Boden gewonnen hätten, so heftig in die Grub eines hohlen Zahnes, und traf den Nerven des Kiefers, daß dem Gargantua sehr weh geschah, und vor wüthendem Schmerz laut aufschrie. Doch dem Uebel zu steuern ließ er ihm seinen Zahnkriebel bringen, ging hin aus an den Wallnußbaum und hub euch die lieben Pilgervöglein da aus dem Nest.

Denn den einen erhascht' er beym Bein, den andern bey den Schultern, den dritten beym Bettelsack, den vierten bei der Sparbüchs, den fünften beim Skapulier; und den armen Schelm der ihn angebort hätt, ergrapt' er gar durch den Hosenlatz: doch war es ihm zum grossen Glück; denn er stach ihm damit einen Schanker-Schwären auf, der ihn schon seit sie durch Ancenys kamen, gepeinigt hätt. So flohen die entnisteten Pilger im vollen Trott über Heck und Zaun, und das Zahnweh legt' sich. Zu gleicher Zeit kam auch Eudämon, ihn zum Essen abzurufen, denn alles wär fertig. So will ich dann, sprach er, auf den Schrecken mein Uebel abschlagen. Und fing damit so überflüssig zu harnen an, [122] daß das Wasser den Pilgern den Weg verschlug und das große Mühlwehr durchwaden mußten. Von dannen weiter am Busch entlang, geriethen sie auf gleicher Straß all mit einander, bis auf Einen, Fournillier, in ein Zuggarn welches daselbst den Wölfen gestellt war. Entkamen aber wieder daraus durch die Geschicklichkeit ermeldten Fournillier's, der die Strick und Schnüren zerriß. Hieraus erlöset, lagen sie dieselbige Nacht in einem Schoppen unweit Couldray, und wurden da über ihr Unglück getröstet durch die guten Wort Eines unter ihnen, namens Renndichmüd, der ihnen darthät, daß diese Abentheuer schon im Psalm von David verkündiget worden: Cum exsurgerent homines in nos, forte vivos deglutissent nos, als man uns in dem Salat mit Salz aß. Cum irasceretur furor eorum in nos, forsitan aqua absorbuisset nos, als er den großen Soff thät. Torrentem pertransivit anima nostra, als wir das große Mühlwehr passirten. Forsitan pertransisset anima nostra aquam intolerabilem, seines Harnes, der uns den Weg verhieb. Benedictus Dominus qui non dedit nos in captionem dentibus eorum. Anima nostra, sicut passer, erepta est de laqueo venantium, als wir ins Wolf-Garn fielen. Laqueus contritus est, durch Fournillier, et nos liberati sumus. Adjutorium nostrum etc.

Neun und Dreyssigstes Kapitel
Neun und Dreyssigstes Kapitel.

Wie der Mönch vom Gargantua herrlich tractiret ward, und von den schönen Tischreden, die er führt'.


Als nun Gargantua bei Tisch saß, und die ersten Bissen hinunter hätt, fing Grandgoschier den Anlaß und die Ursach [123] des Krieges zwischen ihm und Pikrochol zu erzählen an, und kam auf den Punkt vom Bruder Jahn Klopfleisch, wie selbiger in Vertheidigung des Klostergartens victorisirt hätt, und erhub seine Thaten über die Thaten des Camillus, Cäsar, Scipio, Pompejus und Themistokles. Da begehrt' Gargantua, daß man sogleich nach ihm schicken sollte, mit ihm des weiteren Raths zu pflegen. Auf ihr Geheiß ging sein Hofmeister nach ihm, und führt' ihn auf Grandgoschiers Maulthier lustig mit seinem Kreuzstock daher. Als er ankam, da gabs nichts als Herzen und Küssen, tausend Umfangens, tausend Willkommen und Zärtlichkeit. He, Bruder Jahn, mein Freund! Bruder Jahn, mein grosser Vetter! Bruder Jahn, in des Teufels Namen, die Accollad, mein Freund! Umärmelt mich auch! Sa sa, Cujonel! ich erdrück dich vor Lieb. Und Bruder Jahn walzt' hin und her, nie hat man einen so höflichen, galanten Menschen ersehen. Sa, sa, spricht Gargantua, setz ihm einen Schemel hie neben mich, auf diese Eck! – Ist mir gar recht, antwort der Mönch, weils euch so lieb ist. He, Bub! Wasser! schenk, mein Sohn, schenk her, das wird mir die Leber kühlen. Gieb her, daß ich mich gurgel! – Deposita cappa, sprach Gymnastes, thut erst die Kutt ab. – Da sey Gott für! mein Junkherr, spricht der Mönch, es ist inStatutis ordinis ein Kapitel, dem würd der Haudel nicht gefallen. – Ey Quark, Quark, sprach Gymnast, für euer Kapitel. Die Kutt erdruckt euch die Achseln, thuts ab. – Laß, spricht der Mönch, laß mirs, mein Freund, denn bey Gott ich sauf nur deß besser drinn, sie erhält mir den Bauch ganz warm und lustig: wenn ichs fahren ließ, die Herren Buben schnitten nur Hosenbendel draus, wie mirs einmal zu Coulaines ergangen. Zudem so hätt ich auch weder Hunger noch Durst ohn Kutt: setz ich mich aber in diesem Rock zu Tisch, bey Gott! so sauf ich dich nieder samt deinem Gaul. Und nur frisch auf! Gott woll die Gesellschaft vor Schaden trösten. Ich hab zwar wohl zu Nacht gespeißt, werd aber drum nicht minder schlingen; [124] ich hab einen Magen, der ist gepflastert und hohl, wie Sanct Bendixens Stiefel. Allzeit steht er offen, wie eines Advokaten Schnappsack. Von allem Fisch, ausser vom Schleyn – nehmt Rebhuhnflügel, oder Nonnen-Bein. Heißt das nicht dudeldick gestorben, wenn man stante pene stirbt? Unser Prior ißt gern das Weiß an den Kappaunen. – Darinn, sprach Gymnastes, gleicht er just nicht den Füchsen, denn die fressen von den Kappaunen, Hühnern und Küchlein, die sie fangen, niemals das Weiß. – Warum? spricht der Mönch. – Weil sie, antwort Gymnast, keine Köch han, dies ihnen kochen, und wenn sie nicht competentlich gekocht sind, bleiben sie roth, und werden nicht weiß. Die Röth des Fleisches zeiget an, daß es nicht sattsam gesotten ist; ausgenommen die Hummern und Krebs, die man zu Cardinälen erst siedet. –Feste Dieu Bayard! rief hier der Mönch aus, unser Kloster-Siechwart muß also einen sehr schwachgesottenen Kopf han, denn die Augen sind ihm so roth als wie ein ellern Schaff. Dies Hasenbeinel ist gut fürs Podagra.

Aber ad vocem! (wie Faust aufs Aug,) warum sind Jungfern-Beinel stets frisch? – Dieß Problema, sprach Gargantua, steht weder im Aristoteles noch Alexander von Aphrodis, noch Plutarch. – Es geschieht, spricht der Mönch, aus dreyerley Gründen, dadurch ein Ort natürlich erfrischt wird. Primo, weil das Wasser fein nach der Läng daran ablauft. Secundo, weil es ein schattiger, dunkler und finsterer Ort, da nimmer kein Sonn hin scheint. Und drittens, weil er beständig durchs Wetterloch des Bisen-Windes, der Hemden-Zephyr, auch überdieß des Hosenlatzes durchluftet wird. Und holla, frisch auf! Bub zum Zapfen! Schlap schlap schlap. O des grundgütigen Gottes, der uns den [125] edlen Trunk erschafft! Gott tröst mich, wenn ich zu Christi Zeiten gelebt hätt, die Juden hätten ihn nimmer im Oelberg greifen sollen. Und der Teufel schneid mich, wo ich nicht den Herrn Jüngern die Spannadern glatt zerschnitten hätt, daß sie so hasenherzig liefen, nachdem sie doch gut zu Nacht gespeißt, und ihren lieben Meister in der Noth verliessen. Ich hass ärger denn Gift einen Menschen, der flieht, wo er die Kling sollt führen. Hum! daß ich nicht König in Frankreich bin, auf achtzig oder hundert Jahr! bey Gott, ich wollt die Läufer von Pavia stutzen wie Pudelhund. Daß das Quartanfieber drunter schlag! Solltens nicht eher da g'storben seyn, als ihren lieben guten König also in Nöthen stecken lassen? Ists nicht besser und ehrlicher, standhaft zu sterben in gutem Strauß, als schändlich fliehend am Leben bleiben? Junge Gäns wirds heuer nit setzen. Ha, mein Freund! lang mir doch von dem Spanferken. Diavol! ist auch kein Most mehr dran. Die weichen Eyer sind hart geworden. Germinavit radix Jesse. Ich will des Tods seyn, wenn ich nicht Dursts sterb. Dieser Wein ist nicht der bösest. Was für Wein tranket ihr zu Paris? Ich sey des Teufels, wo ich da nicht einmal über sechs Monat lang freye Herberg und offene Tafel gehalten hab. Kennt ihr den Bruder Claudi von Hault Barrois nicht? O des schmucken Gesellen! Aber was hat ihn für ein Muck gestochen daß er itzt, ich weiß nicht seit wann, nichts weiter als studiren treibt? Ich studir gar nicht, für mein Theil. In unserm Kloster wird halt nimmer studirt, aus Furcht vorm Ohrenfluß. Unser seliger Abt sagt', ein gelehrter Mönch wär wie ein ungestalt Meerwunder anzusehen. Bey Gott, mein gnädigster Herr und Freund, magis magnos clericos non sunt magis magno sapientes. [126] Ihr habt euer Lebenlang nicht so viel Hasen, als dieß Jahr giebt gesehen. Ich hab weder Habicht noch Falkenmännlein auftreiben können, wo ich auch darnach aufstellt'. Der Herr von Belloniere hätt mir zwar einen Sperber verheissen, aber neulich schrieb er mir, er hätt den Keuch kriegt. Die Rebhühner fressen uns heuer die Ohren noch ab. Ich hab kein Lust am Streichgarn, denn ich verschlag mich nur dabey. Wenn ich nicht allzeit lauf und hetz, ist mir nit wohl. Wiewohl mein Kutt brav Haar läßt, wenn ich so über Zäun und Sträuch spring. Ich hab einer edeln Windhund erhalten: schenk ihn dem Teufel, wenn ihm ein Has entgeht. Ein Lakey wollt ihn dem Herrn von Maulevrier zuführen: so legt' ich ihn nieder, und nahm ihn mit. Thät ich übel daran? – Mit nichten, sprach Gymnast, mit nichten, Bruder Jahn! ins drey Teufels Namen, mit nichten! – Darum halt dich nur fein an den Teufel weil er warm ist, versetzt' der Mönch. Potz heiliger Gott! was hätt der Hinker damit gethan! Bey des Herrn Leichnam! es ist ihm lieber, wenn man ihm ein gut Joch Ochsen schenkt. – Wie? sprach Ponokrates, Bruder Jahn! ihr flucht? – Ich thus nur mein Red damit zu schmücken, antwortet der Mönch. Es sind halt Färblein Ciceronischer Rhetorik.

Vierzigstes Kapitel
Vierzigstes Kapitel.

Warum die Mönch weltflüchtig sind, und warum man an etlichen längere Nasen find, als an andern.


Sowahr ich ein Christ bin, sprach Eudämon, ich sinn mich schier zum Narren über die gute Lebensart dieses Mönchs. Denn er macht uns hie all fröhlig und guter [127] Ding. Wie kommts dann aber, daß man die Mönch nur Freudenstörer zu schelten pflegt, und sie aus aller guten Gesellschaft stößt, wie die Immen die Horlsken von ihren Stöcken jagen? Ignavum fucos pecus, spricht Maro, a praesepibus arcent. – Darauf antwort' Gargantua: Es ist nichts wahrer als daß die Kutt und die Gugel allen Abscheu, Fluch und Verwünschungen der Welt auf sich ziehen, gleichwie der Wind Cäcias die Wolken anzeucht. Die peremptorische Ursach ist, weil sie den Dreck der Welt essen, das ist ihre Sünden. Drum stößt man sie als Unflath-Nager in ihre heimlichen Privet, das sind ihre Klöster und Abteyen, von der politischen Gemeinschaft abgesondert, wie die Privet in unsern Häusern. Wenn ihr aber wißt, warum ein Aff in einem Haus allzeit gefoppt und vexiret ist, werd ihr auch einsehen warum die Mönch in aller Welt bey Alt und Jung verabscheut sind. Der Aff, er hüthet nicht das Haus, wie der Hund; er zeucht nicht im Pflug, wie der Ochs; er bringt weder Woll noch Milch, wie das Schaaf, trägt auch kein Lasten, wie das Pferd. Sein ganzes Tun ist nur alles bescheissen und verderben. Daher er dann von jedermann verspottet und geschlagen wird.

So auch ein Mönch, (ich red hie nur von den müssigen Mönchen) er ackert nicht, wie der Bauer; er hüthet des Landes nicht, wie der Kriegsmann; heilet die Kranken nicht, wie der Arzt; er lehret und prediget nicht dem Volk, wie ein guter evangelischer Pfarrer und Schulmeister, führet dem Staat kein Waaren noch Nothdurft zu, wie der Handelsmann. Da habt ihr die Ursach warum sie allen ein Gräuel und Gespött sind. – Aber gleichwohl, sprach Grandgoschier, beten sie doch für uns. – Nichts weniger, antwort Gargantua. Wohl aber molestiren sie mit ihrem Glocken-Gepimpel die ganze Nachbarschaft. – Freylich, sprach der Mönch, ein Meß, ein Metten, ein Vesper wohl eingelitten, ist halb gelesen. – Mämmeln Legenden und Psalmen her, die schwere Meng, und verstehens nicht; zählen [128] ein Schock Paternoster ab, mit langen Ave Maria's gespickt, und denken nicht dran, und wissens nicht. Dieß heiss ich Gotts Gespött getrieben, nicht Gotts Gebet. Aber der Himmel erbarm sich ihrer, wo sie für uns beten, und nicht viel mehr aus Furcht um ihre fetten Bissen und Suppen zu kommen. Alle rechte Christen aller Ständ, Ort und Zeiten beten zu Gott und der Geist betet mit ihnen und spricht für sie, und Gott erhöret sie zu Gnaden. Ein solcher nun ist hie unser guter Bruder Jahn; derhalb wünscht ihn auch jeder sich zum Gesellen. Er ist kein Gleisner, geht nicht zerrissen; brav, resolut, lustig ist er, ein guter Kumpan. Er arbeit, schafft, beschirmt die Unterdruckten, tröstet die Traurigen, hilft den Angefochtnen, nimmt sich des Klostergartens an. – Ich thu wohl mehr, versetzt' der Mönch: denn wenn wir im Chor unsre Metten und Begängniß abthun, mach ich dazwischen Armbrustschnüren, schnitz Pfeil und Spannwinden, strick Netz und Garn zur Kanikel-Jagd. Müssig geh ich nimmer. Aber zu Trinken, holla, ho! zu Trinken, das Obst her! dieß sind Kästen vom Busch zu Estrocs. Ein gut Maas Neuen darauf gesetzt macht euch zu Furz Schalmeyen. Seyd hie noch nicht recht eingemöstelt. Bey Gott, ich trink aus allen Pfützen wie eines Promotoren Gaul. – Bruder Jahn, sprach Gymnastes zu ihm, thut aber doch dieß Tröpflein ab, das euch da an der Nas henkt. – Ha ha, spricht der Mönch, sollt ich darum ersaufen, weil mir das Wasser bis an die Nas steht? Nein, nein Quare? Quia es wohl herauslauft, nicht hinein; denn ich habs wohl verpicht mit Wein.

O mein Freund, wer doch Winterstiefel von solchem Leder hätt, der möcht keck Austern fischen gehn, denn niemals werden sie Wasser ziehen. – Wie aber, sprach Gargantua, kommt es doch daß unser Bruder Jahn so ein schön Näslein hat? – Daher, antwortet Grandgoschier, weil es Gott also wohl gefiel, der uns nach seinem ewigen Rathschluß in solcher Form und Weis erschafft, als wie ein Töpfer sein Geschirr. – Daher, antwort Ponokrates, weil er der erst auf dem Nasen-Markt war; da las er ihm die schönst und größt aus. – Gebts weiter, sprach der Mönch: nach ächter [129] Claustral-Philosophik ists daher kommen, daß meine Säugamm weiche Dütten hätt: wann sie mich säugt, da druckt' sich meine Nas ein, wie in Butter, und wuchs und lief drinnen auf, wie ein Teig in der Mulden. Die harten Dütten der Ammen machen den Kindern nur stumpfe Schaafsnasen. Aber lustig, lustig! Ad formam nasi cognoscitur ad te levavi. Ich eß mein Lebtag kein Confekt. Zum Zapfen, Bub! Item Rostschnitten!

Ein und Vierzigstes Kapitel
Ein und Vierzigstes Kapitel.

Wie der Mönch den Gargantua in Schlaf bracht und von seinen Horis und Brevier.


Nach geendeter Mahlzeit rathschlagten sie von dringenden Sachen, und fanden für gut, daß man um Mitternacht auf die Streif ausreiten sollt, die Feind zu versuchen, was sie für Wacht und Ordnung hielten: mittlerweil aber etwas ausruhn, damit man desto frischer wär. Gargantua aber konnt nicht schlafen, wie er sich auch legt' und krümmt'. Da sprach der Mönch zu ihm: Ich schlaf nimmer nach Herzens Wunsch als in der Predigt, oder beym Beten: ersuch euch also: laßt uns hie beyd miteinander die sieben Bußpsalmen fürnehmen, ob ihr nicht bald entschlafen seyn werdet. Die Erfindung gefiel dem Gargantua sehr wohl; fingen also den ersten Psalm zu beten an, und bey dem Vers Beati quorum waren sie nebeneinander entschlafen. Aber der Mönch verfehlt' niemalen vor Mitternacht sich zu ermuntern: so gar war er der Mettenstund im Kloster gewohnt, [130] und wie er wach war, ließ er auch niemand weiter schlafen, sondern fing aus voller Kehlen das Lied zu intonieren an: Ho Reinald, wach auf, erwache! O Reinald ermunter dich!

Und als sie nun all auf den Beinen waren, sprach er: Ihr Herren, man sagt, die Frühmetten fängt an mit Husten, und das Nachtessen mit Trinken. Laßt uns umdrehn, fangen wir itzo unsre Metten mit Trinken an, und heut Abend wann das Essen kommt, wolln wir dafür eins husten, was hast was kannst. – Wie? spricht Gargantua, so gleich trinken auf den Schlaf? das wär der Fürschrift der Aerzt zuwider, man muß sich den Magen zuvor fein säubern von allem Abgang und Ueberlast. – Das heiss ich mal gearzet, sprach der Mönch. Es fahren mir doch gleich hundert Teufel zu Leib, wo's nicht mehr alte Säufer auf Erden, denn alte Aerzte giebt. Ich hab mit meinem Hunger und Durst den Pact getroffen, daß er sich allzeit mit mir muß legen, und halt darüber den Tag lang pünktlich: wenn ich dann aufsteh, ist er auch wieder auf mit mir. Säubert ihr euch nur immerzu eures Kaates, so lang ihr Lust habt; ich muß zu meinem Gezerr schaun. – Was für ein Gezerr? was meint ihr damit? frug Gargantua. – Ey mein Brevier, antwort der Mönch: denn wie die Falkenierer etwann ihren Vögeln, ehe sie sie atzen, ein Hühnerfüßel zu zerren geben, ihnen das Pflegma aus dem Hirn zu purgiren und Lust zum Fraß zu machen, so ich des Morgens, wenn ich dieß kleine holdselige Brevierlein in die Hand nehm, laxir ich mir die ganze Lung und bin flugs wieder zum Trinken geneigt.

Auf welche Weis, frug Gargantua, betet ihr diese edeln Horas? – Nach der Weis von Fecan, spricht der Mönch, drey Psalmen, drey Lectionen, und wer kein Lust hat, der läßts gar bleiben. Ich unterwerf mich niemals den Stunden: die Stunden sind des Menschen halben, und nicht der Mensch für die Stunden gemacht. Darum mach ichs mit meinen Horasgebetlein wie mit den Steigriemen, kurz oder lang, nachdem mirs g'fällt. Brevis oratio penetrat coelos, [131] longa potatio evacuat scyphos. Wo steht das g'schrieben? – Mein Treu ich weiß nit, spricht Ponokrates, aber traun, du bist Goldes werth, liebs Kuttenmännel! – So schlag ich Euch nach, sprach de Mönch. Aber venite, apotemus!

Da wurden Karbonädel die Füll und schöne Prim-Suppen zugericht, und trank der Mönch nach Herzens Wunsche. Etliche thäten ihm Bescheid, die Andern enthielten sich. Zogen darauf ein jeder sein Wehr und Rüstung an und wappneten auch mit den Mönch, wider seinen Willen; denn er wollt kein ander Geschmeid als seine Kutt vor dem Magen, und in die Faust den Kreuzstock. Aber es half nix, er ward geharnischt von Kopf zu Fuß, ein langer Fochtel ihm umgehangen, und setzten ihn auf ein stattlich Reichs-Roß. Gleichergestalt Gargantua, Ponokrates, Gymnast, Eudämon und fünfundzwanzig der Wildesten von Grandgoschierens Hofgesind, all schwer gewappnet, die Speer in Fäusten, beritten wie Sankt Jörg, und jeder einen Schützen hintenauf.

Zwey und Vierzigstes Kapitel
Zwey und Vierzigstes Kapitel.

Wie der Mönch seinen Gefährten Muth einspricht, und wie er an einem Baume hing.


So ziehn die edeln Streiter dann auf ihre Abentheuer aus, mit gutem Vorsatz zu erspähen wo sie den Feinden zu Leibe gehen, oder wovor sie sich hüthen müßten wenn der Tag der grossen erschrecklichen Schlacht käm. Und der Mönch spricht Ihnen Muth ein und ruft: Seyd nur ohn Furcht und Sorgen, Kinder! Ich führ euch sicher. Gott mit uns, und Sankt Benedikt!

Hätt ich die Kraft wie den Muth, potz Chrysam! Ich wollt sie euch wie einen Antvogel rupfen. Ich fürcht mich [132] vor nichts als dem groben Geschütz: doch weiß ich einen Segen dafür, unser Kloster-Küster lehrt' mir ihn; der schützt den Mann vor allen Kugeln; aber er wird mir eben nix helfen, denn ich setz keinen Glauben darauf. Aber mein Kreuzstock soll Teufel thun. Bey Gott! wenn einer unter euch wär, der etwann Duck-Ent machen wollt, ich sey des Teufels wo ich ihn nicht an meiner Statt zum Mönch mach und ihm mein Kuttenhalfter umzäun. Es ist ein Arzeney darinn für feige Leut. Habt ihr nicht von des Herrn von Meurles Windhund gehört, der gar ins Feld nicht taugen wollt, bis er ihm eine Mönch-Kutt an Hals hing? Bey des Herrn Leichnam, von Stund an entwischt' ihm weder Has noch Fuchs, und was mehr ist: alle Betzen im ganzen Land belegt' er, und war zuvor doch kreuzlahm, de frigidis et maleficiatis.

Der Mönch ritt, während er diese Wort im Zorn sprach, unter einem Nußbaum unfern des Weidichts: da spießt' ihm ein dicker Nuß-Zanken durch das Helm Visier. Nichts desto weniger stach er grimmig sein Pferd an, welches sporenscheu war und vorwärts bäumt'. Da läßt der Mönch, der sein Visier loshaken will, den Zügel gehen und hängt sich mit der Hand an die Aest, derweil das Pferd unter ihm durchlauft. Solchergestalt verblieb der Mönch am Nußbaum hangen, schrie Hülf und Mordio und protestirt' Verrätherey. Eudämon ward ihn zuerst gewahr und rief den Gargantua: Herr, Herr! kommt und sehet da den Absalon hängen! Gargantua kam, beschauet sich die Art und Contenance des Mönchs wie er da hing, und sprach zum Eudämon: Dem Absalon vergleicht ihr ihn? Das trefft ihr schlecht: denn Absalon behing an den Haaren, aber dieser beschorene Mönch hie henkt an den Ohren. – Ins Teufels Namen, helft mir, schrie der Mönch: ists itzund Spottens Zeit? Ihr mahnt mich an die Decretalien-Prediger; die lehren auch, wenn einer seinen Nächsten in Todesnöthen sieht, soll er bei Straf des dreyzackigen Bannstrahls ihn viel eher zur Beicht ermahnen und an den Gnadenstand, als ihm helfen.

[133] Wenn ich nur solche G'sellen einmal im Wasser zappeln seh, hart am Ersaufen, will ich ihnen auch anstatt der Hülf und Handreichung einen lieben langen Sermon de contemptu mundi et fuga saeculi halten und wenn sie dann stocksteif sind, aus der Patsch ziehen. – Halt doch still mein Schätzel, sprach Gymnast, wart bis ich komm, ich will dich langen, du artiger kleine Monachus!


Monachus in claustro
Non valet ova duo:
Sed, quando est extra,
Bene valet triginta.

Ich hab wohl bey fünfhundert sehn henken, aber keinen der mit so feinem Anstand gebaumelt hätt wie du, und stünds mir auch nur halb so wohl, so wollt ich baumeln mein Leben lang. – Habt ihr einmal bald ausgepredigt? ruft der Mönch, so helft mir dann um Gottes Willen, wenn ihrs nicht um des Andern wollt. Bey dem Kleid das ich trag, es soll euch tempore et loco praelibatis theuer zu stehen kommen.

Da sprang Gymnast von seinem Gaul, stieg auf den Nußbaum, hub den Mönch mit einer Hand bey den Achselbändern, und hakt' mit der andern sein Visier vom Zanken los; ließ ihn also zur Erden fallen, und sich darnach. Sobald der Mönch unten war, riß er sich sein ganzes Waffengeschmeid vom Leib und schmiß es Stück für Stück ins Feld, nahm seinen Kreuzstock und setzt' sich wieder auf sein Pferd das ihm Eudämon unterdeß gefangen hätt. So ritten sie lustig ihres Weges immerfort auf das Weidicht zu.

Drey und Vierzigstes Kapitel
[134] Drey und Vierzigstes Kapitel.

Wie Gargantua auf des Pikrocholus Vortrab stieß, und wie der Mönch den Hauptmann Vorneweg umbracht, darauf von den Feinden gefangen ward.


Pikrocholus kam auf den Bericht derer die dem Gemetzel in welchem Kuttler entkuttelt ward, entronnen waren, vor schwerem Zorn schier ausser sich, als er vernahm wie die Teufel sein Volk überfallen hätten, und hielt Conseil die ganze Nacht, darinn Frühträubel und Staarenstör beschlossen, sein Heer wär mächtig gnug, daß er damit alle Teufel der Höll, wenn sie kämen, ins Bockshorn jagen könnte. Welches Pikrochol zwar gänzlich nicht glaubt', doch auch darein kein Mißtraun setzt'. Schickt' also unter Commando des Grafen Vorneweg sechzehnhundert Reiter aus, das Land zu erforschen, allesamt auf leichten Pferden zum Scharmützel, mit Weihbrunn alle wohl eingesprengt, und, als Feldzeichen, jeder von ihnen mit einer Pfaffen-Stol beschärpet auf alle Fäll, wenn die Teufel kämen, beyde durch Kraft des Gregorichs-Wassers als der Stolen, sie auszutreiben und zu verscheuchen. Selbige ritten also vor, bis Vauguyon, bis an das Siechenhaus, trafen aber nirgend auch nur eine redende Seele an, derhalb sie wieder auf der Höh zurücke ritten, und bey Couldray im Hirtenhäuslein und Schoppen die fünf Pilger fanden, welche sie weidlich verschnürt und geknebelt für Spionen mit sich führten, alles Schwörens, Klagens und Flehens so sie erhuben, ungeachtet. Von da gen Seuillé hinunter reitend wurden sie vom Gargantua gehört, und sprach zu seinen Leuten: Gesellen, hie kommt ein Trupp heran, und sind an Zahl weit über zehnmal mehr denn wir. Sollen wir einhaun? – Teufel was sonst? antwort der Mönch; schätzt ihr die Leut nach der Zahl, und nicht nach Tugend und Tapferkeit? Ruft drauf: Ho Teufel, haut ein! haut ein! Welches als die Feind vernahmen, meinten sie nicht anders es wären wahrhafte Teufel, und fingen an mit verhängtem Zaum davon zu streichen, bis auf den Vorneweg, der seinen Speer einlegt' und im vollen [135] Ritt dem Mönch hart auf die Brust rannt. Aber sowie er auf die erschreckliche Kutt anprallt', bog sich das Eisen um, wie wenn ihr mit einem dünnen Wachsstock wider einen Amboß schlüget. Darauf gab ihm der Mönch mit seinem Kreuzstock zwischen Hals und Halskraus aufs Akromienbein ein so mörderlichs, daß er ihn ganz verdutzt, und aller Besinnung und Bewegung beraubt unter die Füß seines Gaules streckte.

Und wie er die Stolen sah, die er als Schärp umhätt, sprach er zu dem Gargantua: Es sind eitel Priester, das ist nur erst ein Anfang zum Mönch: beym heiligen Jahn! ich aber bin ein ganzer Mönch: ich will sie euch wie die Mucken plätzen. Jagt' damit im gestreckten Galop hinterdrein bis er die Letzten ertappt', und senset sie der Kreuz und Quer wie Rocken zusammen. Unterdessen frug Gymnast den Gargantua ob sie ihnen nachsetzen sollten. Aber Gargantua sprach: Mit nichten. Denn nach rechter Kriegsart soll man niemals den Feind zur Verzweiflung treiben; weil solche Noth ihm die Kraft nur mehrt und den Muth erfrischt, der schon erloschen und kleinlaut war: auch für gehetzte hällige Leut kein besser Heil ist, als keine Hoffnung des Heils zu wissen. Wie viel Victorien sind den Siegern von den Besiegten schon aus den Händen entrungen worden, wenn sie sich nicht mit Billigkeit begnügen wollten, sondern bis zur Internezion und zum letzten Mann ihre Feind haben aufreiben wollen, daß auch nicht Einer überblieb der die Zeitung brächt. Thu allzeit deinem Feind Thür und Thor auf, und bau ihm eh eine güldene Brucken, daß er nur fortkomm. – Aber, sprach Gymnast, sie haben den Mönch. – Den Mönch? Ey, haben sie den? antwort Gargantua, nun auf Ehr! Es soll ihr eigener Schade seyn. Aber daß wir auf alle Fäll gleich zuspringen können, lasset uns noch nicht von hinnen, sondern still hie harren: denn ich glaub itzt deutlich zu sehen weß Geistes unsre Feind sind, und daß sie auf gut Glück vielmehr denn mit Verstand gebahren. – Während diese nun unter den Nußbäumen hielten, jagt' der Mönch immer vorauf, und schlug ohn Gnad todt alles was er antraf, bis er einen Reiter ereilt', der einen von den armen Pilgern hinter dem Sattel mit sich [136] führt' und wollt ihm eben den Garaus machen; da schrie der Pilger: Ha Herr Prior! mein Freund, Herr Prior, helft mir! ich bitt euch! Welches als die Feind erörtern, ritten sie zurück, und wie sie niemanden als den Mönch da sahen der diesen Spuk macht', beluden sie ihn mit Hieben wie einen Esel mit Holz; aber er spürt' gar nix davon, zumal was auf die Kutten fiel, so eine harte Haut hätt er. Drauf gaben sie ihn zween Schützen aufzuheben, drehten die Pferd um, und als sie sahen daß niemand wieder sie ankam, meinten sie Gargantua wär mit seinem Geschwader davon geflohen. Rannten demnach so rasch sie konnten auf die Nöß zu, ihnen nach; und ließen dort den Mönch allein mit seinen beiden Wächtern, den Schützen. Gargantua aber hört' das Getümmel und Pferdegewiehr, und sprach zu den Seinen: Ihr Gesellen, ich hör die Spur unsrer Feind und erkenn auch schon Etlich aus dem Schwarm, der wider uns ansprengt. Lasset uns hie zusammenschränken, die Straß in Reih und Glied einnehmen: so wolln wir sie empfangen ihnen zum Schaden, und uns zur Ehr.

Vier und Vierzigstes Kapitel
Vier und Vierzigstes Kapitel.

Wie der Mönch sich seiner Wächter entledigt, und wie des Pikrocholi Fürtrab zerstreut ward.


Wie sie der Mönch so außer Ordnung davon sah stieben, muthmast' er wohl daß sie über Gargantua und sein Volk herfallen wollten, und betrübt' sich aus der Maasen sehr daß er ihnen nicht beystehen sollte. Darauf beschaut er sich seine beyden Wächter und sah ihnen an den Mienen an daß sie dem Haufen gern nachgerannt wären, auch von der Beut etwas zu erfischen, und allzeit nach dem Thal zu schielten da sie hinunter geritten waren. Zudem syllogisirt und sprach er bey sich selbst: dieß Volk hie weiß nicht viel vom Kriegsbrauch, denn sie haben nicht einmal einen [137] Eyd von mir genommen, noch meinen Fochtel mir abbegehrt.

Zuckt' also plötzlich ermeldten Fochtel, und hieb dem Schützen zur rechten Hand die Venas jugulares und die sphagitidischen Hals-Arterien nebst der Gurgel mitten durch, bis an die beyden Adenen: dann zog er den Streich zurück und zerschlitzt ihm zwischen dem zweyten und dritten Wirbel das Spinal-Mark. Da fiel der Schütz bocksteif zur Erden. Und der Mönch warf seinen Gaul linksum und strich auf den andern, der, als er seinen Gesellen todt, und den Mönch im Vortheil sahe, mit lauter Stimm ihn anrief: Ha! Herr Prior, ich geb mich! mein Herr Prior, mein Freund! mein Herr Prior! – Und der Mönch dagegen ruft wieder: Mein Herr Posterior! mein Freund! mein Herr Posterior! Jetzt kriegt ihrs auf eure Posteriora. – Ha mein Herr Prior! sprach der Schütz, mein Herzblatt, mein Herr Prior! Gott mach euch doch nächster Tag zum Abt! Bey meinem Chorrock den ich trag, antwort der Mönch, und ich will dich zum Kardinal machen! Ranzionirt ihr die Geistlichen? Ich will dir stracks mit dieser Hand den rothen Hut aufsetzen. – Und der Schütz in einem fort: Mein Herr Prior, Herr Prior, Herr zukünftiger Abt, Herr Kardinal, ach mein Herr Alles. Ha ha hes, nicht doch mein Herr Prior, mein lieber gnädigster Herr Prior, ich geb mich! – Und ich geb dich hiemit allen Teufeln, sprach der Mönch, und hieb ihm den Kopf ab auf einen Streich, der ihm über den Ossibus petrosis den Schädel zerspaltet', auch die beyden Ossa Bregmatis und Commissuram sagittalem nebst einem grossen Theil des Kronbeins mit wegnahm, da ihm dann zugleich die beyden Meninges zerschnitten wurden und die zween hintersten Hirn-Ventrikul weit aufgethan: und blieb der Schädel hinten am Perikran-Fell über den Achseln hängen [138] in Gestalt eines Doktor-Hütleins, oben Schwarz, inwendig roth. Da fiel der Mann maustodt zur Erden. Auf solche That gab der Mönch seinem Pferd die Sporen, und ritt dem Pfad nach, welchen die Feind einschlugen, die den Gargantua und seine Gesellen am Heerweg trafen und durch das unglaubliche Gemetzel das dort Gargantua mit seinem großen Baum, Gymnast, Ponokrates, Eudämon und die andern verführten, bereits an Zahl so verringert waren, daß sie sich hurtig zu flüchten begannen, schier wie verrückt und besinnungslos vor Furcht und Grausen, als ob sie des Todes leibhaftiges Bild und Gespenst mit offenen Augen sähen. Und wie ihr einen Esel seht dem eine Junonische Bräm im Steiß sitzt, oder wann eine Flieg ihn sticht, ohn Weg noch Steg hin und wieder rennen, sein Bürd abschütteln, Zaum und Riemen zerreißen, er hat kein Ruh noch Othem, und niemand weiß was ihn bewegt, denn niemand siehet was ihn anficht: also sinnlos floh auch dieß Volk, und wußten keine Ursach der Flucht, nichts trieb sie als ein panischer Schrecken, der ihre Seelen überfiel. Da nun der Mönch sah daß ihr Sinn allein aufs Fersengeben stund, sprang er von seinem Roß und stieg auf einen grossen Felsen am Weg, nahm seinen langen Fochtel und schlug mit runden Volten ohn Fint noch Schonung unter diese Flüchtigen drein, deren er so Viele erschlug und darnieder fällte bis ihm sein Fochtel in zween Stücke sprang. Alsdann gedacht er bey ihm selbst, daß nun des Mords und Todtschlags genug wär und daß man auch Etlich müßt laufen lassen die Zeitung zu bringen. Nahm also von einem der Erschlagenen ein Axt in die Faust und stellt sich wieder auf seinen Felsen zum Zeitvertreib, die Feind laufen zu sehen und wie sie über die Leichnam stürzten. Doch mußten sie ihm all ihre Picken, Degen, Speer und Büchsen lassen: auch demontirt' er die so die Pilger gebunden führten, händigt' den Pilgern ihre Pferd aus, und behielt sie nebst Staarenstören welchen er gefangen nahm, vor dem Hag bey ihm.

Fünf und Vierzigstes Kapitel
[139] Fünf und Vierzigstes Kapitel.

Wie der Mönch die Pilger einbracht, und wie ihnen Grandgoschier gute Lehren gab.


Nachdem dieß Scharmützel beendigt war, zog Gargantua mit den Seinen, ausser dem Mönch, nach Haus und erschienen mit grauendem Tag vor Grandgoschier, der Gott für sie in seinem Bett um Heil und Sieg bat. Und als er sie alle frisch und gesund sah, umarmt' er sie herzlich und fragt' gleich wie es um den Mönch stünd. Gargantua aber antwort ihm daß zweifelsohn die Feind den Mönch hätten. So wird er ihnen, sprach Grandgoschier, keinen Segen bringen. Wie auch wahr war, und ist daher noch das Sprichwort im Brauch: Einem den Mönch stecken. – Alsobald befahl er, den Imbiß aufs best zu rüsten damit sie sich erfrischen sollten. Und als alles nun bereit war, rief man den Gargantua; es thät ihm aber so leid daß sich der Mönch nicht sehen ließ, daß er weder essen noch trinken mocht. Urplötzlich kommt der Mönch daher und ruft schon von der Hofthür: Frischen Wein! ho frischen Wein, Gymnast, mein Freund! – Gymnastes lief hinaus und sahe daß es Bruder Jahn war, der fünf Pilger nebst Staarenstören gefangen brachte. Gargantua ihm also flugs entgegen, empfingen ihn aufs freundlichste und führten ihn zum Grandgoschier, der ihn nach all seinen Fahrten frug. Der Mönch erzählets ihm auch alles, wie er gefangen worden wär, wie er der Schützen sich entledigt, und das Gemetzel so er am Heerweg verübt, auch wie er die Pilger ertappt und den Hauptmann Staarenstör einbracht hätt. Darauf huben sie all mitsamen fröhlich zu bankettiren an.

Indeß erkundigt' sich Grandgoschier bei den Pilgersleuten, von wannen sie wären, woher sie kämen, wohin sie wollten. Renndichmüd antwort' ihm für alle: Herr, ich bin von Sainct Genou in Berry, dieser hie von Paluau, dieser von Onzay, dieser von Argy, und jener dort von Villebrenin. Kommen vom Sanct Sebastian bei Nantes und ziehen itzt allgemach [140] wieder heim, denn wir machen nicht große Tagmärsch. – Aber, frug Grandgoschier, was wollet ihr bey dem Sanct Sebastian thun? – Wir hatten uns, sprach Renndichmüd, wegen der Pest dahin gelobt. – Ach arme Leut! sagt Grandgoschier, meint ihr die Pest komm vom Sanct Sebastian? – Ey freilich, antwort Renndichmüd, unsre Prediger lehrens uns. – Ja? sprach Grandgoschier, lehren euch wirklich die falschen Profeten solch Lügenzeugs? Lästern sie dergestalt die Gerechten und Heiligen Gottes, daß sie sie den Teufeln gleichzustellen wagen, die dem Menschen nur Böses anthun? Wie Homer schreibt daß durch Apollo die Pest ins griechische Lager sey kommen, und wie die Poeten ein ganz Geschwader Vejoves und schädliche Götter erlügen. So predigt auch einmal zu Sinays ein Kuttner, daß Sankt Anton das Feuer in die Bein schickt', Sankt Eutropius Wassersucht, Sankt Gildas Narrren, und Sankt Genou das Zipperlein macht'. Aber ich statuirt' an ihm, wie sehr er mich einen Ketzer schalt, ein solch Exempel, daß seit der Zeit auch nicht ein Kuttenzipfel mehr in meinem Land sich hat blicken lassen. Und nimmt mich wunder wie euer König in seinem Reich solch Aergerniß nur predigen läßt; denn man sollt sie härter bestrafen als die durch Zauber und andre Künst die Pest ins Land ziehen. Die Pest, die tödet nichts als den Leib, aber diese Gauner und Leutbetrüger vergiften die Seelen. – Während er annoch so sprach trat auch der Mönch ganz keck herzu und frug sie: Nu, woher des Landes, ihr armen Gäuch? – Von Sainct Genou, antworten sie. – Und wie lebt, sprach der Mönch, Abt Tranchelion, der gute Zecher? Wie schmeckts den Mönchen? beym Kreuz Gottes, während ihr auf der Romfahrt wallet, kehren sie euch die Weiber herum. – Hin han, sprach Renndichmüd, vor meiner hab ich kein Sorg nit, denn wer die am Tag sieht, wird sich [141] den Hals nicht drum brechen daß er bey Nächten zu ihr komm. – Da lauft ihr schief an, sprach der Mönch, und wenn sie so schwarz als Proserpina wär; bey Gott sie kriegt doch die Saccad wo Mönch im Gau sind. Ein guter Tischer bohrt alle Bohlen. Ich will die Räud han wo ihr nicht, wenn ihr heimt kommt, eure Weiber gesegneten Leibes findet; denn wo ein Kloster-Thurn auch nur den Schatten hinwirft, da verfängts.

Dies wär ja, sprach Gargantua, schier wie mit dem Nilwasser in Aegypten, wo ihr dem Strabo und Plinius Libr. VII. Cap. 3 glaubt. Was werden da erst gute Bissen und Kleider und Leiber wirken? – Nun so gehet dann, sprach Grandgoschier, ihr armen Leut, in des allmächtigen Gottes Namen, der euer steter Geleitsmann sey; und seyd hinfort nicht so geschwind zu diesem faulen unnützen Wandern. Stehet euerm Haushalt für, ein jeder schaff das Sein dazu er berufen ist, zieh seine Kinder, und thu wie ihn der liebe Apostel Sankt Paulus lehret.

So ihr dieß thut wird Gott und seine Engel und Heiligen euer Schild seyn und keine Pest noch sonst ein Uebel euch schaden dürfen. – Darauf führt sie Gargantua in den Saal, mit Speiß und Trank sie zu erquicken, aber die Pilger thäten nichts weiter als seufzen und sprachen zum Gargantua:

O wie glückselig ist doch das Land, das einen Solchen zum Herrn hat! Seine Reden die er uns itzund hielt, haben uns mehr belehrt und erbauet als alle Predigten daheim. – Das ist es, sprach Gargantua, was Plato Lib. V. de repub. meinet, daß alsdann ein Regiment wohl würd bestellt seyn, wenn entweder die Könige philosophiren, oder auch die Philosophen regieren würden. Drauf ließ er ihnen in ihre Taschen zu essen, und Wein in ihre Flaschen thun, und gab auch einem jedem ein Pferd zum Ausruhn auf der übrigen Reis, nebst etlichen Carolis zur Zehrung.

Sechs und Vierzigstes Kapitel
[142] Sechs und Vierzigstes Kapitel.

Wie Grandgoschier den gefangenen Staarenstör glimpflich behandelt.


Auch Staarenstör ward Grandgoschieren fürgestellt und über Pikrochols Thun und Treiben von ihm vernommen, was er mit seinem stürmischen Einfall bezweckt'. Da antwort er, es wär sein Fürsatz und Entschluß, das ganze Land zu erobern, wenn er könnt, wegen der seinen Wecken-Bäckern erwiesenen Schmach. – Dieß heiss ich zu viel unternommen, sprach Grandgoschier, wer zu viel faßt, hält wenig fest. Die Zeit ist nicht mehr, da man also die Land zum Schaden seines nächsten Christen-Bruders erobern konnte. Diese Nachahmung der alten Herkules, Alexander, Hannibal, Scipio, Cäsar und Solcher lauft dem evangelischen Bekenntniß zuwider, welches befiehlt, daß jeder sein eigen Land und Herrschaft bewahr, regier, erhalt und schütz, und nicht feindselig nach andern stehn soll. Und was die Sarazenen weiland, und die Barbaren Tapferkeit hiessen, das heissen wir heutzutag Raub und Gewalt. Besser hätt er daran getan, er wär in seinem Haus geblieben und hätt es königlich bestellt, statt daß er hie meines überfällt und feindlich plündert. Denn durch gute Bestellung hätt ers gemehrt; durch Plünderung meiner wird Er zerstört. Ziehet hin in Gottes Namen; dient guter Sach, stellt euerm König die Fehler für die ihr nun einseht, und rathet ihm nimmer zu euerm eignen Nutzen; denn mit dem gemeinen gehet auch das eigne zu Grund. Was eure Ranzion betrifft, schenk ichs euch gar, und will auch, daß man euch Pferd und Waffen wiedergeb. Also muß man mit alten Freunden und Nachbarn handeln, in Erwägung daß dieser unser Span im Grund kein wahrer Krieg ist.

Wie dann Plato Lib. V. der Republik, es auch nicht Krieg genannt wollt wissen, sondern Aufruhr, wenn die Griechen wider einander die Waffen kehrten: und wo durch Unfall solches dennoch geschehen wär, befiehlt er daß sie fein säuberlich verfahren sollten. Wollt ihrs ja Krieg nennen, ist ers doch nur oberflächlich, obenhin, er dringt nicht in den [143] innersten Schrein unsrer Herzen; denn unter uns ist keiner an seiner Ehr gekränket und wird in Summa nichts weiter begehrt als ein Versehen unsrer Leut, ich mein der euern wie der unsern, beyzulegen. Welches ihr, wenn ihrs auch wußtet, hättet sollen hingehen lassen, in Betracht die streitenden Parteyen mehr verächtlich den erheblich waren, zumal wenn man sich anerbot, ihren Beschwerden genugzuthun, wie ich gethan hab. Gott wird unsers Zwistes gerechter Schiedsmann seyn, zu dem ich fleh er woll mich eher durch Tod aus diesem Leben fordern und all mein Gut vor meinen Augen verderben, als daß ich oder mein Volk ihm sollt in ichtes zuwider seyn. – Nachdem er diese Wort gesprochen, rief er den Mönch und frug ihn vor Allen: Bruder Jahn, mein guter Freund, habt ihr den hie anwesenden Hauptmann Staarenstör gefangen genommen? – Herr, spricht der Mönch, er steht hie selbst, auch ist er alt und verständig genug: es ist mir lieber, ihr hörts von ihm, denn aus meinem Mund. – Darauf antwortet Staarenstör: Ja, Gnädigster, er ists in Wahrheit, der mich gefangen hat, und ich geb mich ihm frey zu seinem Gefangenen. – Habt ihr, frug Grandgoschier den Mönch, ihn ranzionirt? – Nein, spricht der Mönch, mich kümmert dieß nicht. – Wie viel, sprach Grandgoschier, wollt ihr für ihn zum Lösegeld? – Nix, nix, antwort der Mönch, ich thus nit darum. – Alsobald ließ Grandgoschier dem Mönch im Beyseyn des Staarenstör zweyundsechzigtausend Salus-Gülden für diesen Fang auszahlen: welches während dem geschah daß man dem Staarenstör den Imbiß auftrug. Grandgoschier fragt ihn daneben ob er bey Ihm bleiben wollt, oder lieber zu seinem König wieder heimziehn. Staarenstör antwortet, er wollt thun was er ihm riethe. – Nun, sprach Grandgoschier, so ziehet heim zu euerm König, und Gott sey mit euch. – Schenkt' ihm darauf einen schönen Vienner Degen mit güldener Scheid von schönem getriebenen Laubwerk, und eine güldene Halskett siebenhundert zweytausend Mark schwer, mit edeln [144] Steinen eingelegt, auf hundertsechzigtausend Dukaten an Werth geschätzt, und zehntausend Thaler zum Ehrenpräsent. Nach diesen Gesprächen stieg Staarenstör zu Pferd. Ihm gab Gargantua zu seiner Bedeckung dreyssig Schwergewappnete mit, und zwey Schock Schützen unter Gymnastens Befehl, auf daß sie ihn bis an das Thor der Clermaldsburg geleiteten wenns Noth hätt. Kaum war der hinweg, so gab der Mönch dem Grandgoschier die zweyundsechzigtausend Salus die er empfangen zurück, und sprach: Herr, itzo ists nicht Zeit dergleichen Gaben zu spenden. Wartet bis zu dem End des Kriegs, denn man weiß nicht was fürfallen möcht, und ein Krieg ohn gute Baarschaft hat kurzen Athem und ein schwach Zugloch. Der Feldzüg Nerven, das sind die Batzen. – Nun, so will ichs, spricht Grandgoschier, dir ehrlich auf die Letzt vergelten, und allen denen die mir treu gedienet haben.

Sieben und Vierzigstes Kapitel
Sieben und Vierzigstes Kapitel.

Wie Grandgoschier seine Schaaren versammelt' und Staarenstör Frühträubeln erschlug, dann auf Pikrocholus Befehl erschlagen ward.


Um eben die Zeit schickten auch die von Besse, von Bourg Saint Jacques, Riviere, Marché Vieulx, Trainneau, Parillé, Roches Sainct Pol, Vaubreton, Pautillé, Cravant, Brehemont, Bourdes, Grandmont, Pont de Clain, Lavillaumere, Huymes, Segré, Husse, Panzoust, Sainct Louant, Coldreaulx, Verron, Chose, Coulaines, Varenes, Bourgueil, von der Insel Bouchard, Croullay, Narsay, Cande, Montsoreau und noch mehr umliegenden Orten ihre Gesandten zum Grandgoschier, anzeigend wie sie die vom Pikrochol an ihm verübte Unbill erfahren und ihm an Volk und Geld und anderen Kriegsbedarf was nur in ihren Kräften stünd aus alter Bündniß zu Dienst entböten. Das Geld belief [145] sich laut mitfolgenden Katastern auf Einhundert vierunddreyssig Millionen, und dritthalb Goldgülden.

Des Volkes waren: funfzehntausend schwere Reiter, zweyunddreyssigtausend leichte Pferd, neunundachtzigtausend Hakenschützen, hundertvierzigtausend Ebentheurer, eilftausendzweyhundert Kanonen, Doppel-Kanonen, Basilisken, Spirolen. Schanzgräber vierzigsiebentausend, sämmtlich verproviantirt und besoldet auf sechs Monat und vier Tag. Welches Anerbieten Gargantua weder abschlug noch auch gänzlich annahm.

Sondern bedankt sich höchlich bey ihnen, fürgebend er wollt diesen Krieg mit guter Art schon dahin schlichten, daß so viele redliche Leut zu bemühen nicht Noth thun würde. Auch fertigt' er nur Einen ab, der ihm die Schaaren die er gewöhnlich in seinen Festen zur Devinier, zu Chavigny, Gravot und Quinqenais hielt, in guter Ordnung zuführen mußt, an Zahl zweytausendfünfhundert Küriser, sechsundsechzigtausend Fußknecht, sechsundzwanzigtausend Schützen, zweyhundert grobe Feldstuck, zweyundzwanzigtausend Schanzer, und sechstausend leichte Pferd, all in Banden und Fähnlein gemustert, so wohl versehen mit ihren Fourieren, Cassieren, Fahn- und Waffenschmieden und anderm nöthigen Heerestroß, so wohl erfahren in Kriegesübung, so wohl gewappnet, so ihren Fahnen gewärtig und folgsam, so flugs gehorchend auf Wort und Wink ihrer Hauptleut, so behend zum Anlauf, so strack zum Sturm, so klug im Treffen, daß sie mehr einer harmonischen Orgel und wohl gestelltem Uhrwerk glichen als einer Armee oder Heereszug.

Staarenstör, sobald er zurückkam, stellt' dem Pikrocholo sich vor, und erzählt' ihm nach der Läng was er gethan und gesehen hätt. Rieth ihm zuletzt nachdrücklichst an, mit Grandgoschieren sich zu vergleichen, welchen er als den treuesten Menschen von der Welt erfunden hätt, beyfügend daß es weder billig noch nützlich wär seine Nachbarsleut, von denen man lauter Liebes und Gutes genossen hätt, also zu kränken. Und, was die Hauptsach wär so würden sie aus diesem Handel nimmer ohn merklichen Schaden und Unglück entkommen, denn des Pikrochols Macht sey nicht von der Art, daß nicht Grandgoschier sie leichtlich möcht ins Bockshorn jagen. – Er hätt dieß Wort noch nicht ausgesprochen, [146] da fiel Frühträubel ihm überlaut in die Red und rief: Das ist fürwahr ein unglückseliger Fürst, der Diener hat die sich so leicht bestechen lassen, wie ichs am Staarenstör hie seh; denn sein Muth, merk ich, ist so umgewandelt, daß er sich lieber mit unsern Feinden verräterischerweis zum Krieg wider uns verbunden hätt, wenn sie ihn nur behalten wollten. Wie aber die Tugend von jedermann, so Freund als Feind, belobt und werth gehalten wird, also wird auch die Schelmerey gar bald erkannt und verdächtiget. Ja gesetzt, daß sich die Feind auch ihrer zu ihrem Vortheil gebrauchten, haben sie doch stets vor Schelmen und Verräthern Abscheu.

Auf solche Wort zog Staarenstör unwillig seinen Degen vom Leder, und durchstach damit Frühträubeln, ein wenig über der linken Brustwarz; daran er unverzüglich starb. Zog dann die Wehr aus dem Leib und sprach freymüthig: Also fahre hin, wer treue Diener verleumden will. Pikrocholus entbrannt darüber in jähen Zorn und sprach, als er den bunten Degen und schön verzierte Scheiden sah: Hat man dir darum die Kling gegeben, daß du in meiner Gegenwart mir böslich meinen so guten Freund Frühträubel solltest ums Leben bringen?

Darauf befahl er seinen Hatschieren ihn in Stücke zu hauen, welches auch auf der Stell so gräulich vollstreckt ward, daß das ganze Gemach mit Blute gepflastert war: und ließ darnach Frühträubels Leichnam ehrlich bestatten, aber den Körper des Staarenstör in den Graben über die Mauern werfen.

Die Zeitung dieser Frevel ward im ganzen Heer ruchbar, und Viele fingen wider Pikrochol zu murren an, bis endlich Einer Namens Rebenklau zu ihm sprach: Herr, ich weiß nicht, was noch zuletzt aus diesem Handel werden soll; ich seh wohl, euer Volk ist nicht besonders guten Muthes. Es ist ihnen kein Hehl daß wir hie schlecht mit Mundwerk versehen, auch schon an Zahl durch zwey bis drey Ausfäll um vieles vermindert sind.

Zudem stößt euern Feinden viel und mächtige Verstärkung zu: wenn wir erst einmal belägert würden, seh ich nicht ab wie unser aller Untergang zu vermeiden stünd. – Ey [147] Quark, Quark! sprach Pikrocholus, ihr seyd wie die Ael von Melun, schreyt eh man euch schindet. Laßts nur kommen.

Acht und Vierzigstes Kapitel
Acht und Vierzigstes Kapitel.

Wie Gargantua den Pikrocholus in Clermaldsburg angriff, und dessen Heer aus dem Felde schlug.


Gargantua führt' das Obercommando des ganzen Heers: sein Vater blieb in seiner festen Burg daheim und macht' ihnen Muth durch gute Wort und Verheissung reichlicher Gaben für die so tapfer fechten würden. Darauf rückten sie gegen den Furth von Vede vor, und setzten mit Hülf leicht fertiger Kähn und Brucken hinüber in einem Strich. Besichtigten da die Gelegenheit der Stadt, die hoch und sicher lag: da ward die Nacht über Raths gepflogen was zu thun wär. Gymnastes aber sprach zum Gargantua: Gnädigster Herr, es ist die Art und Natur der Franzosen daß sie nichts taugen als in erster Hitz und Anlauf; da sind sie ärger als Teufel; läßt man sie aber erst ruhen, dann sind sie weniger denn Weiber. Mein Rath wär, daß ihr euer Volk itzt auf der Stell, sobald es nur ein wenig verschnauft und gefuttert hat, Sturm laufen liesset. – Der Rath gefiel ihm; führt' also sein ganz Heer ins Feld und stellt' das Hülfsvolk gegen die Halden. Der Mönch nahm mit sich sechs Fähnlein Fußknecht und zweyhundert Küriser, mit denen setzt' er auf das behendeste über den Moor, und gewann die Höhen über dem Brunnen bis auf die Straß gen Loudun. In zwischen lief der Sturm an; Pikrochols Volk wußt nicht ob besser wär auszufallen und sie zu empfangen, oder die Stadt ohn Wank zu behaupten. Gleichwohl brach er wüthig herfür mit einem Banner Reiterey seines Hofgesindes, und ward allda zum Willkomm mit schwerem Geschütz empfangen, das wider die Höhen hagelte, [148] welchem mehr Spielraum zu gewähren die Gargantuisten sich thalwärts zogen. Die in der Stadt vertheidigten sich so gut sie konnten, aber die Schüß gingen überhin und trafen keinen. Etliche von dem Banner die dem Geschütz entkamen, setzten tapfer in unser Volk, aber schafften wenig, denn sie wurden all in die Glieder genommen, und da zu Boden gestreckt. Dieß spürend wollten sie wieder rückwärts, aber der Mönch hätt ihnen inzwischen den Paß verrannt; da gaben sie sich ohne Halt noch Ordnung in Flucht. Es wollten zwar Etliche sie verfolgen, aber der Mönch hielt sie zurück, besorgend daß sie auf der Jagd nach den Flüchtigen ihre Stellung verlören, und die aus der Stadt derweil auf sie anstürmen möchten. Verzog also eine gute Weil, und als kein Feind sich blicken ließ, schickt' er den Herzog Phrontistes an Gargantua ab, ihn zu ermuntern daß er vorruckt', die Höhen linker Hand zu besetzen, damit dem Pikrocholus die Einflucht zu diesem Thor verhauen wär. Welches Gargantua eilig thät, und vier Schwadronen der Legion Sebaste hinschickt'; aber sie hatten den Berg noch nicht sobald erreicht, als sie mit dem Pikrocholus und seinem Schwarm Bart gegen Bart zusammenstiessen.

Da hieben sie denn derbe drauf. Gleichwohl ward ihnen von denen auf den Mauern auch ein ziemlicher Schaden zugefügt mit dem Wurfgeschütz und der Artilleri. Sobald es Gargantua inne ward, eilt' er ihnen mit grosser Macht zu Hülf, und seine Stücke fingen dermaasen auf den Theil der Mauern zu spielen an, daß die ganze Kraft der Stadt dahin entboten ward. Als nun der Mönch dieß Theil das er belägert hielt, von Volk und Wachen entblöst sah, rückt' er heldenmüthig gegen die Burg und ließ nicht ab bis er oben stund nebst etlichen der Seinigen, deß Glaubens daß mehr Furcht und Schrecken Die stiften die sich in ein Treffen plötzlich mengen, als die nach bestem Vermögen schon drinn kämpfen. Gleichwohl macht' er eher nicht Lärm als bis seine ganze Schaar auf den Mauern droben stund, ohn die zweyhundert Küriser die draussen ließ für alle Unfäll.

Drauf erhub er mit seinen Leuten ein mörderlich Geschrey, erschlugen ohn Widerstand am selbigen Thor die Wachen, eröffnetens den Kürisern, und rannten in vollem Ungestüm [149] all miteinander nach dem Thor gen Morgen wo das Gemetzel war, und warfen alle feindlichen Haufen von hinten darnieder.

Da nunmehr die Belägerten an allen Enden ihre Stadt von den Gargantuisten erobert sahen, ergaben sie sich dem Mönch auf Gnad und Ungnad. Der Mönch nahm ihnen ihre Wehr und Degen ab, logiert' und sperrt' sie sämmtlich in die Kirchen ein, nahm aber zuvor alle Kreuzstöck' 'raus und stellt' an die Pforten Wächter die niemand ausliessen. Oeffnet' ihnen dann das Thor gen Osten und zog dem Gargantua zu Hülf hinaus. Pikrochol aber meint' die Hülf käm Ihm aus der Stadt, und wagt' sich tolldreist weiter denn zuvor heran, bis Gargantua ausrief: Bruder Jahn, mein Freund, Bruder Jahn! Zur guten Stund bist du gekommen. – Da, als Pikrochol und sein Volk nun einsah daß alles ohn Rettung verloren, rissen sie aus nach allen Winden. Gargantua setzt' ihnen nach bis gen Vaugaudry, mit Mord und Todtschlag. Dann aber ließ er zum Rückzug blasen.

Neun und Vierzigstes Kapitel
Neun und Vierzigstes Kapitel.

Wie den Pikrocholus auf der Flucht das Unglück ereilt', und was Gargantua nach der Schlacht tät.


Pikrocholus entfloh also verzweifelnd nach der Bouchards-Insel, und auf dem Weg gen Riviere stolpert' und fiel ihm seine Mär, darob er sich so schwer entrüstet', daß er in seinem Koller sie mit seinem Degen darnieder stach. Und weil er niemanden fand der ihm wieder zu Pferd half, wollt er aus einer Mühlen in der Näh einen Esel nehmen. Aber die Müller zerdraschen ihn mit Knütteln breyweich, zogen ihm die Kleider aus und hingen ihm einen armseligen Kittel zur Bedeckung über. Also zog der arme Cholerikus fürbaß auf Port Huaulx, setzt' da über Wasser, und erzählt' den Leuten sein Unglück. Da ihm denn eine alte Runkunkel [150] wahrsagt' daß ihm sein Königreich wieder erstattet werden würd, wenn die Katzraben kämen. Seit der Zeit weiß man nicht wo er hinaus ist kommen. Doch hab ich gehört, daß er itzunder ein armer Lidlöhner zu Lyon sey, cholerisch wie zuvor, und immerfort horcht' er bey allen Fremden herum, ob die Katzraben noch nicht kommen wollten: weil er bey ihrer Ankunft, nach der Prophezeyung der alten Hex, steif und fest hofft in seine Staaten wieder eingesetzt zu werden.

Nach Abzug des Feindes zählt' Gargantua zuvörderst sein Volk, und fand daß dessen nur wenig im Feld geblieben war, nämlich etliche Fußknecht aus dem Fähnlein des Hauptmanns Tolmeros und Ponokrates, der einen Büchsenschuß ins Wams gekriegt hätt. Darauf ließ er sie sich abfüttern Bandenweis, einen jeden nach seinen Fähnlein; gab auch seinen Kriegszahlmeistern Befehl die Mahlzeit ihnen gutzuthun und zu bezahlen, in der Stadt sich alles Unfugs zu enthalten, dieweil sie sein wär, und nach dem Essen auf dem Burgplatz zu erscheinen, da man den Sold ihnen auf sechs Monat auszahlen würde. Wie auch geschah. Ließ dann auf dem gedachten Platz alle die von Pikrochols Partey noch überblieben vor sich fordern, und redet' im Beyseyn aller seiner Fürsten und Hauptleut zu ihnen wie folget:

Funfzigstes Kapitel
Funfzigstes Kapitel.

Die Anrede die Gargantua an die Überwundenen hielt.


Unsre Ahnherrn, Väter und Vorvordern solang wir denken können, sind immer der Meinung und Neigung gewesen, daß sie ihrer gewonnenen Schlachten Triumphgedächtniß und Ehrenmal lieber mit Siegestrophäen und Zeichen in die Herzen der Überwundnen durch Gnad, als in die eroberten [151] Länder durch Baukunst haben stiften wollen. Denn sie achteten der Menschen lebendige durch Freundlichkeit gewonnene Erinnrung höher als die stummen Ueberschriften der Bögen, Säulen und Pyramiden, welche dem Verderbnis der Luft und eines Jeden Mißgunst blosstehen. Wohl noch entsinnen mögt ihr euch der Langmuth die sie in dem Treffen bei Sainct Aulbin zum Sperberbaum und bei der Zerstörung von Parthenay an den Bretanischen bewiesen. Habt auch gehört und hörend bewundert wie glimpflich sie mit den Barbaren von Spagnola verfahren sind, die den Meer-Gau von Olone und Thalmondois verheert, geplackt und geplündert hatten. Der ganze Himmel ward des Frohlockens und Lobes voll, so ihr und eure Väter damals erhoben habt, als der Canarische König Alpharbal, seines Glückes Nimmersatt, in das Land Onix wüthend einfiel, alle Armorischen Insuln und angrenzende Gauen mit Seeraub heimsucht'. Er ward in gutem Krieg zersprengt, besiegt, gefangen von meinem Vater, dessen Schirm und Erhalter Gott sey. Aber was mehr? Statt daß andre König und Kaiser, ja selbst solche die sich Katholische schelten lassen, ihn elend gehalten, hart eingekerkert, aufs äusserste ranzioniret hätten, hielt er ihn fürstlich, brüderlich, losirt' ihn zu ihm in seinen Palast und schickt' ihn voll unglaublicher Barmherzigkeit in sicherm Geleit, beladen mit Gaben, mit Ehrengeschenken, mit Gunstbezeugungen aller Art wieder heim. Was war das End davon? Kaum war er in seine Staaten kommen, so ließ er alle Fürsten und Ständ des Reichs berufen, schildert' ihnen die Freundlichkeit die er bey uns erfahren, und bat sie darauf bedacht zu seyn, daß, wie die Welt an uns ein Beyspiel ehrlicher Billigkeit gesehen hätt, sie auch an ihnen nun ein gleiches billiger Ehrlichkeit [152] finden möchte. Da ward einmüthiglich beschlossen daß man uns all ihr Land, Gebiet und Herrschaft übertragen wollt' damit zu schalten nach unserm Gefallen. Alpharbal kehret, in eigner Person stracks mit neuntausend achtunddreyssig grossen Lastschiffen zu uns zurück, beladen nicht nur mit seines Hauses erblichem Krongut, sondern fast allen Schätzen des Landes. Denn als er eben, mit West-Nord-Ostwind, abfahren wollt und seinen Schiffen die Segel aufzog, da warf ein jeder zu Hauf in selbe Gold, Silber, Kleinod, Edelstein, aromatisch Rauchwerk, Spezereyn, Gewürz, Meerkatzen, Pelikanen, Zibeten, Psittich, Bisamthier, Dornschwein. Wer nicht was er nur Bestes in Leib und Leben hätt dazu warf, ward gar für keiner ehrlichen Mutter Sohn geachtet. Wie er nun ankam, wollt er meinem Vater die Füße küssen; dieß ward nicht ziemlich befunden noch gestattet, er vielmehr von ihm gesellig umfangen. Er präsentiret' seine Geschenk, man nahms nicht an, als übermässig; bot sich selbst samt seinen Nachkommen zu freywilligen Knechten an; man gabs nicht zu, denn es schien nicht billig. Uebergab nach dem Schluß der Ständ sein Land und Staaten nebst Verreichung der drüber errichteten Instrument und Cessionstraktaten, ratifiziert, signirt, besiegelt von allen darinnen Betheiligten. Dieß ward ihm rundweg abgeschlagen und die Contrakt ins Feuer geworfen. Das End war, daß mein Vater anfing vor Wehmuth zu jammern und helle Tränen über die wohlgemeinte Einfalt der Canarier vergoß, und durch schickliche Wort und erlesene Sprüch die Wohlthat die er ihnen erwiesen herabsetzt', denn er hätt ihnen, sagt' er, auch nicht eines Knopfs werth Gutes gethan, und so er auch ehrlich an ihnen gehandelt, sey er also zu thun verbunden. Aber desto höher erhub es Alpharbal. Was war nun der Schluß? Statt zwanzighunderttausend Thalern die wir von ihm als Lösegeld nach höchster Streng tyrannisch hätten er pressen und seine ältesten Söhn als Geiseln dafür behalten mögen, haben sie sich zu immerwährend steuerpflichtigen Nachbarn bekannt und jeglichs Jahr zwo Millionen löthigen Goldes zu vierundzwanzig [153] Karat uns zu entrichten verbunden. Sind uns im ersten Jahr allhie baar ausbezahlt. Das andre Jahr zahlten sie freywillig dreyundzwanzighunderttausend; das dritte sechsundzwanzighunderttausend; das vierte, drey Millionen Thaler: und sind also gutwillig immer höher gestiegen, daß wir ihnen ein mehreres Steuern zu verbieten gezwungen seyn werden. Dieß ist die Natur der Dankbarkeit. Denn die Zeit, die alle Ding anfrißt und mindert, mehret dagegen und häuft die Wohlthat; weil ein vernünftigen Menschen gern erwiesener offener Freundesdienst in edlem Gedächtniß und Erinnrung allzeit fortwächst. Wollen also mit nichten aus der angestammten milden Art unsrer Väter schlagen, sondern hiemit euch los und ledig, frank und frey wie zuvor erklären.

Ueberdem soll man jedem zum Abzug in den Thoren drey Monat zahlen, daß ihr wieder in eure Heimath und Freundschaft kommen könnt, und mein Marschalk Alexander mit sechshundert Reisigen und achttausend Fußvolk soll euch sicher geleiten, damit euch die Bauern kein Leides thun. Gott sey mit euch. Vom Grund des Herzens ist mir leid daß nicht Pikrocholus hie zugegen: denn ich hätt ihn gemahnen wollen, daß dieser Krieg nicht mir zur Lust, noch Hoffnung mein Gut und Namen zu mehren erhoben worden. Aber weil er verschollen ist und man nicht weiß wie oder wo er abhanden kommen, will ich daß seinem Sohn sein Reich unangetastet verbleiben soll. Welcher, da er noch allzu jung, (denn er ist noch nicht gar fünf Jahr alt) von den ältesten Landesfürsten und klugen Männern des Königreichs erzogen und guberniert soll werden. Und weil ein solch verlassen Reich gar leicht zu Grund gerichtet wird, wenn man den Geiz und Begehrlichkeit der Verweser desselben nicht im Zaum hält, will und verordn ich: Ponokrates soll mit dazu benötiger Vollmacht, über all seine Lehrer und Pfleger Aufseher seyn, und um das Kind getreulich bleiben, bis er es selber zu regieren geschickt und tauglich befinden wird.

Ich bedenk daß allzu weichlich schlaffe Nachsicht gegen die Uebertreter, ihnen nur desto mehreren Anlaß giebt von neuem zu sündigen, bestärkt durch diesen schädlichen Trost der Vergebung.

[154] Ich bedenk wie Moses, der seiner Zeit der sanfteste Mann der Erden war, doch die Empörer und Meutenmacher im jüdischen Volk nachdrücklich bestraft hat. Ich bedenk auch den Julius Cäsar, der ein so gütiger Kaiser war, daß Cicero von ihm sagt, sein Glück hab nichts erhabeners gehabt als daß er konnt, und seine Tugend nichts bessers als daß er auch immer wollt einen jeden begnadigen und verschonen. Derselbige gleichwohl hat ihrer Orten die Unruhstifter hart gestraft.

Nach deren Fürgang will ich dann daß ihr vor euerm Abzug mir zuvörderst diesen saubern Marcket aushändiget, dessen eitler Dummtrotz dieses Krieges erster Zunder und Saamen gewesen; zweytens auch seine Gesellen die Weckenbecker welche sich säumig finden lassen ihm auf der Stell sein thörigt Gehirn zurecht zu rucken. Drittens endlich alle Räth, Hauptleut, Beamten und Dienerschaft des Pikrocholus, die ihn etwann zu solchem uns beschwerlichen Ausfall angereizt, darinn bestärkt, oder zugerathen.

Ein und Funfzigstes Kapitel
Ein und Funfzigstes Kapitel.

Wie die siegreichen Gargantuisten nach der Schlacht belohnet wurden.


Nach Beendigung dieser Red wurden dem Gargantua die von ihm begehrten Unruhstifter ausgeliefert, bis auf Bravo, Dünnschiß und Kleinitz, welche sechs Stunden vor Anfang des Treffens entflohen waren, der Eine bis zum Col de Laignel in Einem Strich, der Andre bis ins Vire-Thal, der Dritt bis gen Logroine, ohne Umsehn noch Othemholen unterwegs, und zween Bäcken die in der Schlacht geblieben waren. Gargantua thät ihnen weiter kein Leids, als daß er sie in seiner neu errichteten Buchdruckerey an die Pressen stellt' und den Bengel ziehn ließ. Gab drauf [155] den Todten ein ehrlich Begräbniß im Nöß-Thal und auf dem Hexenbrenner. Die Verwundeten ließ er heilen und pflegen in seinem grossen Nosokomio. Demnächst gedacht er was der Stadt und den Bürgern etwann zu Leid geschehen wär, und ließ ihnen allen ihren Schaden auf ihre eidlich erhärtete Aussag vergütigen. Baut' auch ein festes Schloß daselbst mit guten Wachen wohl bemannet, damit es künftig auf plötzliche Ueberläuf besser gedeckt wär.

Beym Abschied dankt' er huldreich allen Söldnern seiner Legionen die mit im Treffen gewesen waren, und schickt' sie in ihre Winter-Quartier und Garnisonen, ausgenommen etliche von der Decumanischen Legion, die er im Streit sich tapfer hätt herfürthun sehen, und die Hauptleut der Fähnlein, die er mit sich zum Grandgoschier nahm.

Unmöglich zu beschreiben wär wie hoch erfreut der Biedermann war als er sie kommen sah: er gab ihnen alsobald den köstlichsten, reichsten, auserlesensten, herrlichsten Schmaus, den man seit König Asveri Zeiten ersehen hat. Zum Schluß der Tafel vertheilt' er ihnen Mann für Mann seinen ganzen Credenz, der achtzehnhunderttausend vierzehn Bisantinen Goldes wog, an grossen, antikischen Gefässen, grossen Häfen, grossen Becken, grossen Schaalen, Kelchen, Känteln, Kandelabern, Körben, Schifflein, Blumentöpfen, Zucker-Tellern und anderm mehr dergleichen Geschirr von lauter massivem Gold; den Schmelz, die Edelstein und Arbeit daran nicht mitgerechnet, die den Zeug nach Aller Schätzung überstiegen. Weiter ließ er ihnen baar aus seiner Chatoull einem Jeden zahlen zwölfhunderttausend Thaler. Auch noch überdem beschenkt' er Jeden auf ewige Zeiten (ausser im Fall sie ohn Erben stürben) mit einem seiner Schlösser und Lehen der Nachbarschaft, nachdem sie ihm am gelegensten waren. Dem Ponokrates schenkt' er Clermaldsburg, Gymnasten Couldray, dem Eudämon Montpensier, dem Tolmerus Rivau, dem Ithybolus Monsoreau, dem Akamas Cande, Chironakten Varene, dem [156] Sebastos Gravot, dem Alexander Quinquenais, dem Sophron Ligre, und so weiter mit seinen übrigen Lehengütern.

Zwey und Funfzigstes Kapitel
Zwey und Funfzigstes Kapitel.

Wie Gargantua für den Mönch die Abtey Thelem erbauen ließ.


Blieb itzt allein der Mönch noch zu bedenken übrig, den Gargantua zum Abt von Seuillé machen wollt: aber er schlug es aus. Dann wollt er ihm die Abtey zu Bourguel schenken, oder auch die zu Sainct Florent, welche ihm selbst die liebste wär, oder auch beyde, wenn er sie gern hätt: aber der Mönch gestand ihm frey daß er von Mönchen [157] weder Vogt noch Vormund seyn möcht. Denn, sprach er, wie sollt ich Andre regieren, der ich mich selbst nit regieren kann? Wenn es euch aber bedeucht als hätt ich euch angenehme Dienst geleistet oder möcht sie in Zukunft noch leisten, so vergönnet mir eine Abtey nach meinem eigenem Sinn zu stiften. Die Bitt gefiel dem Gargantua und bot ihm sein ganzes Land Thelem am Loir-Fluß, zween Meilen vom grossen Forst von Port Huault belegen dazu an. Da bat er den Gargantua, daß sein Orden das Widerspiel aller andern seyn dürft. So muß man, sprach Gargantua, erstlich schon keine Mauern darum ziehen; denn alle andern Abteyen sind erschrecklich vermauert. – Freylich, spricht der Mönch, und von Rechtswegen. Wo Mauern sind, da ist hinten und vorn nur Murren und Knurren, Trauern, Versauern, Neid, einer macht wider den andern Meut. – Ferner, weil es in etlichen Klöstern dieser Welt Brauch ist, daß wenn ein Weibsbild (ich mein ein frommes und sittsames) hineinkommt, man die Spur ihnen nachfegt da sie getreten sind, so ward geordnet, daß wenn von ungefähr etwann ein geistlicher Bruder oder Schwester dorthin käm, man hinwieder ihnen säuberlichst alle Schritt und Tritt nachfegen sollte. Und weil in den Stiftern dieser Welt alles nach Stunden eingetheilt, verschränkt und clausuliret ist, so ward beschlossen daß da weder Uhr noch Zeiger seyn sollt, sondern ein jedes Geschäft nach Schick und Gelegenheit verrichtet würde. Denn, sprach Gargantua, der einzige Zeitverlust, den er wüßt, wär das Stunden-Zählen. Was hätt man davon? Und wär die größte Narrheit der Welt sich nach dem Schall einer Glocken zu richten, statt nach des Geistes Stimm und Sinn.

Item, weil man derzeit niemand ins Kloster stieß als blinde, lahme, hokrige, häßliche, mißgeschaffne, unreimische, thörigte, verhexte, vertrackte Weiber, deßgleichen nur die verkrüppelten, blöden, lendenlahmen, hauslästigen Männer: – (Ad vocem! fiel der Mönch hie ein: Ein Weib, das [158] weder schön noch fromm ist, wozu nutzt es? – Ins Kloster zu stecken, antwort Gargantua. – Recht, sprach der Mönch, und Hemden zu machen:) so ward verfügt daß man da niemand als schöne, wohlgestalte, wohlgeartete Frauen, und niemand als schöne, wohlgestaltete, wohlgeartete Männer aufnähm. Item, weil Männer in Frauenklöster nicht anders als heimlich kommen könnten, oder im Sturm, ward decretirt, daß da kein Weib seyn sollt, es wär denn ein Mann dabey, noch auch ein Mann wo nicht ein Weib wär. Item, weil so Männer als Weiber, einmal ins Kloster aufgenommen, nach ihrem Probjahr lebenslang darinn zu verharren gezwungen werden, ward festgesetzt daß jeder Mann und jedes Weib da aufgenommen, wanns ihnen gut däucht' frey und gänzlich wieder heraus marschiren dürften. Item, weil die Ordensleut gemeinlich drey Gelübd thun, nämlich Keuschheit, Armuth und Gehorsam: so ward versehen, daß man allda in Ehren möcht beweibt seyn, daß ein jeder reich wär, und in Freyheit leben sollte. Anlangend das rechtmässige Alter, nahm man die Frauen mit zehn bis funfzehn, die Männer mit zwölf bis achtzehn Jahren.

Drey und Funfzigstes Kapitel
Drey und Funfzigstes Kapitel.

Wie die Abtey der Thelemiten erbauet und fundiret ward.


Zu Bau und Einrichtung der Abtey ließ Gargantua siebenundzwanzighunderttausend achthundert einunddreyssig Langewollen-Hammel baar ausbezahlen, und jedes Jahr bis alles ausgebaut wär, wies er auf das Gefäll der Dive sechzehnhundert neunundsechzigtausend Sonnenthaler an, und eben so viele Siebensternthaler. Zu Fundirung und Unterhalt derselben gab er auf ewige Zeiten dreyundzwanzighundert [159] neunundsechzigtausend fünfhundert vierzehn Rosenobel unablöslich amortisirte Grundrent, zahlbar jährlich an der Abtey-Thür, und fertigt' ihnen gute Stiftbrief darüber aus. Des Gebäudes Figur war hexagonisch, dergestalt daß auf jedes Eck ein dicker runder Thurm zu stehen kam, sechzig Schritt im Durchschnitt ihres Umfangs, und an Dick und Umriß waren sie all einander gleich. Auf der Seit gen Mitternacht lief der Loir-Fluß, an dessen Ufer stund einer von den Thürnen namens Arktike, von da gen Morgen ein andrer, namens Kalaer. Der folgende hieß Anatole. Der folgende Mesembrine, der nächstfolgende Hesperie: Der letzte Kryere. Dreyhundert zwölf Schritt betrug von einem Thurm zum andern der Zwischenraum: zu sechs Gestocken alles erbauet, die Keller im Grund mit eingerechnet. Das zweyte Stock war korbhenkelförmig gewölbt, die andern mit Flandrischem Gyps in Lichtstock-Art bekleidet. Das Dach aus feinem Schiefer mit Bley-Rücken voller kleiner Thier- und Männerfigürlein wohl assortirt und überguldet, wie auch die Regentraufen, die aus der Mauer zwischen den Fensterbögen sprangen, diagonalisch mit Gold und Azur bemalt bis zu ebener Erden, da sie in weite Röhren liefen, welche sämmtlich unter dem Haus in den Fluß ausgingen.

Selbigs Gebäud war tausendmal prächtiger als weder Bonivet noch Chambourg oder auch Chantilly, denn es waren darinn neuntausend dreyhundertzweyunddreyssig Gemächer, jedes mit Hinterkammer, Closet, Kapell, Garderob und Austritt in einen grossen Saal versehen. Zwischen jedem Thurn in Mitten der Mauern des Hauses selbst war [160] eine Schneckentrepp quer durch das Haus gebrochen; die Stufen derselben theils Porphyr, theils numidischer Stein, theils Serpentin, zweyundzwanzig Schuh lang; die Dick betrug drey Finger; der Satz von einer Treppen-Ruh zur andern zu zwölfen gerechnet. In jeder Ruh waren zwo schöne antikische Bögen durch die der Tag einfiel, und kam man durch sie in ein durchbrochnes Gemach von gleichem Umfang mit der Treppen, stieg dann weiter bis über das Dach, da sie in einem Pavillon zu Tag ausging. Nach allen Seiten trat man von dieser Schneckentrepp in einen grossen Saal, und aus den Sälen in die Gemächer und Zimmer. Zwischen den Thürnen Arktike und Kryere waren die schönen grossen Libereyen in Griechisch, Lateinisch, Hebräisch, Französisch, Toskanisch, Hispanisch, nach den Sprachen in die verschiednen Stockwerk vertheilt. Zumittelst war eine wunderbare Schneckentrepp, auf welche man von aussen herein durch einen sechs Klafter breiten Bogen passirt', und war von solchem Umfang und Ebenmaas, daß sechs Reisige die Speer in den Hüften, bis auf das Dach des ganzen Hauses nebeneinander drauf reiten konnten. Zwischen den Thürnen Anatole und Mesembrine waren schöne geräumige Gallerien mit lauter alten Heldenthaten, Historien und Erdbeschreibungen gemalt. Zumittelst war eben ein solches Thor und Stieg wie auf der Wasser-Seiten gemeldet worden, und über dem Thor mit grossen alten Lettern geschrieben was folget:

Vier und Funfzigstes Kapitel
Vier und Funfzigstes Kapitel.

Aufschrift des grossen Thors zu Thelem.


Hie kommt nicht her ihr Gleisner und Zeloten,
Meerkaterpfoten, feiste Schleckerbruth,
Duckmäuser-Roten dämischer denn Gothen,
Und Ostrogothen, Gog- und Magogsboten,
[161]
Lotter-Bigoten, Kuttner weich beschuht
Im Bettelhut, Maulbrocker von der Knut,
Arm Blut voll Wuth, Wellbinder fauler Streich,
Kramt, Schinder, hie nicht aus eur Schelmenzeug.
Eur Schelmenzeug
Erfüllt mein Reich
Mir mit Gestank.
Wie falscher Sang
Verstimmt mein Geig
Eur Schelmenzeug.
Hie kommt nicht her Hay-Schlund und Praktikant,
Vogt, Bazochant Blutegel der Gemeine,
Kein Pharisäer, Schreiber, Offiziant
Mit hohler Hand, der mir das arme Land
Gleich Hunden spannt und zauset an der Leine.
Hol er das Seine sich am Rabensteine,
Hang dort und greine! hie ist kein Exzeß
Für eure Küch, hie braucht man nicht Prozeß.
Prozeß und Streit
Hie nicht gedeiht,
Wo wir uns letzen
Euch müssen hetzen
Die Läng und Breit
Prozeß und Streit.
Hie kommt nicht her, Filz, Lollhart, Wucher-Pack
Mit Heller-Plack, ihr die ihr scharrt und schabt,
Kreck-Kater, Knauser, satt vom Nebelschmack,
Krumm-Nack, Platt-Nasen, die an tausend Pack
In Topf und Sack nicht zur Genüge habt,
Euch nimmer labt wenn man euch drin begrabt
Und voll begabt; dem Teufel in die Tatzen,
Ihr Memmen fahrt mit euern Hungerfratzen.
Fratzen von Solchen
Nicht Menschen, Molchen
[162]
Weiset von hier
Fort zum Barbier.
Denn wir erdolchen
Fratzen von Solchen.
Hie kommt auch nicht ihr tollen Köder her
Von Ungefähr, Brummbär und Eifersüchter,
Ihr Spukgesichter kommet nimmermehr,
Kobolde, Währwölf, Hahnreys Meuterheer,
Zu fürchten mehr als Krokodillgelichter;
Ihr räudgen Wichter bis ins Mark voll Gichter:
Für eure Trichter andre Tonnen sucht,
Grindkrustige voll Schund und Schandenzucht.
Zucht, Lust und Preis
Gehn sie im Gleis.
Im fröhligen Bund
Sind All gesund,
Krönt ihren Fleiß
Zucht, Lust und Preis.
Hie aber kommt und tretet frey herein
Ihr Ritter fein, ihr edeln Herrn zumal!
Hie ist der Saal wo man die Renten sein
Wohl mag verleihn, auf daß wir Groß und Klein
Erhalten seyn bey Tausend an der Zahl.
Ihr mein Spezial und meines Herzens Wahl,
Froh, cordial, freysam in That und Rath,
Mit Einem Wort, erlesne Kamarad.
Kamrad erlesen,
Von munterm Wesen,
Mit lauterm Sinn
Freun sich hierinn
An Ernst und Spässen
Kamrad erlesen.
Hie kommet her die ihr des Herren Wort
Dem Feind zum Tort mit flinkem Geist verkündet.
Hie sollt ihr haben feste Burg und Hort,
Wenn Geistermord mit Glossen fort und fort
Die Gnadenpfort uns zuschließt und verspündet.
[163]
Kommt! gründet hie den Glauben, weckt und zündet!
Alsbald verschwindet, wann ihr schreibt und sprecht,
Was sich verschworen wider Gottes Recht.
Recht Gottes dauern
In heilgen Mauern
Wird sofortan.
Wo Weib und Mann
Den Feind belauern,
Muß Gott-Recht dauern.
Hie kommt ihr hohen Frauen auch genaht,
Auf frischer That! Glück sey mit euerm Chor,
Ihr Schönheitsflor, der Himmelsäuglein hat;
So kerzengrad, sittsam in Mien und That:
Auf diesem Pfad sprießt Ehre nur hervor.
Für euch erkor der Meister dieses Thor
Und Haus zuvor. Was ihr euch wünscht und wollt
Erfrug er, und begabt' es reich mit Gold.
Mit Gold beschenket,
Nicht schmollt noch kränket
Man den ders beut.
Den Edeln freut
Wenn man sein denket
Mit Gold beschenket.
Fünf und Funfzigstes Kapitel
Fünf und Funfzigstes Kapitel.

Wie die Wohnung der Thelemiten war.


In Mitten des Hofs war ein herrlicher Brunnen von schönem Alabasterstein; darauf standen die drey Grazien mit den Hörnern des Ueberflusses: und gaben das Wasser aus Brüsten, Ohren, Mund, Augen und andern Oeffnungen des Leibes von sich. Der innere Bau des Hauses über dem Hofe stund auf mächtigen Pfeilern von Calzedon und Porphyr mit schönen antikischen Bögen, innerhalb welcher schöne [164] lange geräumige Gallerien waren, verziert mit Schildereyen, mit Hörnern vom Hirsch, Rhinozeros, Einhorn, Flußpferd, mit Elefantenzähnen und andern Merkwürdigkeiten. Das Frauenquartier ging vom Thurn Arktike bis zum Thor Mesembrine: im übrigen wohnten die Männer. Vor dem gedachten Frauenquartier, zu ihrer Augenweide waren zwischen den beyden ersten Thürnen außerhalb, die Uebungsplän, der Hippodromos, das Theater, die Schwimmplätz nebst den prächtigen Bädern zu dreyen Böden, wohl versehen mit allem Bedarf, und mit Myrrhen-Wasser die Hüll und Füll. Auf der Fluß-Seit war der schöne Lustgarten, und mitten darinn das artige Labyrinth belegen. Zumittelst der beyden andern Thürn das Ballspiel und der grosse Ballen. Dem Thurne Kryere gegenüber war der Fruchtgarten voller Obstbäum all am Quincunx angepflanzet: hinter demselben das grosse Gehäg von allen Arten Gewildes wimmelnd. Zwischen den dritten Thürnen war der Schießrain für Bogen, Büchs und Armbrust. Küchen und Kellnerey vor dem Thurn Hesperie, zu Einem Stock. Dahinter der Marstall: vor den Küchen die Falknerey von kunsterfahrnen Falkonieren versehen, und ward alljährlich von den Candiern, Sarmaten und Venetianern versorgt mit allen Sorten Mustervögeln, Adlern, Falken, Sperbern, Habichten, Sackern, Laneten, Schweimern, Schmerlein und andern, so wohl dressirt und abgericht, daß sie, wann sie zur Lust vom Schloß ins Feld ausflogen, auf alles stiessen was ihnen fürkam. Die Jägerey lag etwas weniges weiter nach dem Gehäge zu.

Alle Zimmer, Säl und Gemächer waren nach den Jahreszeiten verschiedentlich tapezirt, die Böden all mit grünem Tuch bedeckt, die Betten von Stickerey.

In jeder Hinterkammer hing ein krystallener Spiegel in feines Gold gerahmt, ringsum mit Perlen eingefaßt; und war so groß daß man sich drinn in Lebensgröß von Kopf zu Fuß beschauen konnte. Vor den Sälen des Frauenquartiers stunden die Haaraufputzer und Parfümirer, durch deren Händ die Männer gingen, wann sie die Frauen besuchen wollten. Dieselben besprengten alle Morgen die [165] Zimmer der Frauen mit Rosenwasser, mit Engel- und Pommeranzblüthwasser und reichten einer jeglichen das köstliche Räucherpfännlein dar, von allen Spezereyen duftend und aromatischem Wohlgeruch.

Sechs und Funfzigstes Kapitel
Sechs und Funfzigstes Kapitel.

Wie die Ordensbrüder und Schwestern von Thelem gekleidet gingen.


Die Frauen in der ersten Zeit der Stiftung kleideten sich nach ihrem eignen Wohlgefallen und Belieben. Nachmals aber wurden sie reformirt wie folgt, mit ihrer freyen Genehmigung: Sie trugen Hosen von Scharlach oder Granatfarb; selbige Hosen gingen genau drey Finger breit bis übers Knie, und war der Saum daran aufs schönst gestickt und ausgezackt. Die Hosenbendel waren von eben derselben Farb wie die Armbänder und beschlossen das Knie zu oberst und unterst. Die Socken, Schuh und Pantöfflein, von Karmesin- oder Violettsammt, krebsnasenförmlich ausgeschlitzet.

Ueber das Hemd ward angezogen die schöne Vasquine von feinem Heiden-Camlot: darüber warfen sie die Verdugale von Tafft, weiß, roth, lohfarben, grau, etc. Darüber den Rock von Silbertafft mit Stickereyen in feinem Gold, hohlnädlich verschlungen; oder auch nachdem ihnen gut und der Wittrung gemäß schien, von Atlaß, Damast, Sammt, orangen, lohfahl, grün, aschgrau, bläulich, hellgelb, weiß, karmesinroth, Goldbrokat oder Silberstoff mit Besatz und Cantille nach den Festen. Die Roben waren nach der Jahreszeit, von Goldstoff mit Silberfrisur, von rothem Atlaß mit Golden-Cantill, von weissem, blauem, schwarzem oder bräunlichem Tafft, von Seiden-Sarsch, Seiden-Camlot, Sammt, Silberstoff, Silberbrokat, Franzgold, von Sammt oder Atlaß in den verschiedensten Mustern mit Gold durchfadmet.

[166] An manchen Tagen im Sommer trugen sie statt den Roben schöne Marlotten mit Putz wie oben, oder auch Bernen à la Moresque, von Violet-Sammt mit Goldfrisur auf Silber-Cantille, oder mit güldnen Schnüren, auf den Knötlein mit kleinen indianischen Perlen besetzt. Und immer den schönen Federstutz, nach den Farben der Aermel-Aufschläg, wohl besetzt mit güldenen Flunkern. Im Winter Roben von Tafft in obigen Farben, verbrämt mit Luchs, mit schwarzem Hermelin, Kalabrischem Marder, Zobel und anderm köstlichen Pelzwerk. Die Paternoster, Halsgeschmeid, Ring, Ketten waren von feinen Juwelen, Karfunkeln, Rubinen, Balasen, Demanten, Saphiren, Smaragden, Türkisen, Granaten, Agathen, Beryllen, Perlen und auserlesenen Tropfen. Der Hauptschmuck war nach der Zeit: im Winter Französisch, im Frühjahr Spanisch, im Sommer Toskanisch, ausgenommen die Fest und Sonntag, da sie Französisch gingen, weil es ehrbarer ist, und mehr nach keuscher Matronen Art.

Die Männer waren nach Ihrer Weis gekleidet: Hosen, zu unterst, von Stammet oder Tuch-Sarsch in Granaten, Scharlach, weiß oder schwarz: zu oberst von Sammt in gleichen oder ähnlichen Farben, gestickt und gemützert nach ihrer Erfindung. Das Wams von Gold-, von Silberstoff, Sammt, Damast, Atlaß oder Tafft in denselben Farben, ebenmässig gestickt, staffirt, gemützert. Die Nestel von Seiden gleicher Farb; die Stift daran von feinem Goldschmelz. Die Schauben und Leibröck von Goldbrokat, Goldstoff, Sammt, Silberbrokat beliebig durchfadmet. Die Mäntel eben so kostbar wie bey den Roben der Frauen. Die Gürtel von Seiden nach der Farb des Wamses. An der Hüft ein Jeder sein schönes Schwert mit güldnem Griff, mit sammtener Scheiden von Farb der Hosen, die Spitz von Gold mit künstlicher Arbeit. Der Dolch deßgleichen. Das Barett von schwarzem Sammt mit vielen güldnen Spangen und Bollen besetzt; darüber die weisse Feder, zierlich geschärtelt mit güldnen Flindern, daran hingen Berlocken von schönen Rubinen, Smaragden etc.

[167] Aber so groß war die Einigkeit zwischen den Männern und Frauen, daß sie tagtäglich überein gekleidet gingen: und um hiegegen nie zu verstossen, waren besondre Cavalier dazu angestellt, es jeden Morgen den Männern zu melden welche Farb an selbigem Tag den Frauen zu tragen gefällig wäre. Denn alles und jedes ward nach der Frauen Belieben gethan; und denkt nur nicht daß mit so reichem, stattlichen Anzug je Einer oder Eine von ihnen irgend Zeit verloren hätt. Denn die Garderobemeister hatten sämmtliche Kleider auf jeden Morgen so flink bei der Hand, und die Kammerfrauen waren so trefflich eingeübt, daß sie in einem Augenblick von Kopf zu Fuß gekleidet waren.

Und um sothane Geschmeid und Anzüg in desto besserer Ordnung zu halten, stund in der Näh des Thelemer Waldes ein großes mächtiges Gebäud einer halben Meilen lang, fein hell und wohlbelegen: darinn wohnten die Goldschmiede, Juwelirer, Sticker, Schneider, Sammetweber, Goldzieher, Tapeten- und Teppichwirker, und arbeiteten da ein jeder in seinem Handwerk, lediglich für diese Ordensbrüder und Schwestern. Selbigen ward der Zeug und Stoff von dem Herren Nausikletus geliefert, der ihnen jedes Jahr sieben Schiff aus den Kanibalen- und Perleninseln mit Barren Goldes, roher Seiden, Perlen und Steinen beladen zufuhr. Wenn etliche Perlen veralten wollten und etwann den weissen Glanz verloren, erneuerten sie sie durch ihre Kunst wiederum damit daß sie sie einem schönen Hahnen zu fressen gaben, wie man den Falken Purganz eingiebt.

Sieben und Funfzigstes Kapitel
Sieben und Funfzigstes Kapitel.

Wie der Thelemiten Lebensart regulirt war.


Ihr ganzes Leben ward nicht geführt nach Satzung, Regel noch Statuten, sondern nach eigner freyer Wahl. Stunden [168] vom Bett auf wann ihnen gut schien; tranken, assen, arbeiteten, schliefen wann sie dazu das Verlangen ankam. Keiner weckt' sie, keiner zwang sie weder zum Trinken noch zum Essen, noch sonst etwas. Denn also war es vom Gargantua eingerichtet. In ihrer Regel war nicht mehr als dieser einige Fürbehalt:


THU WAS DU WILLT.


Weil wohl geborene, freye, wohl erzogene Leut in guter Gemeinschaft aufgewachsen, schon von Natur einen Sporn und Anreiz der sie beständig zum Rechtthun treibt und vom Laster abhält in sich haben, welchen sie Ehre nennen. Diese, wenn sie durch niedrigen Zwang und Gewalt unterdruckt und knechtisch behandelt werden, richten nun den edlen Trieb aus welchem sie frey nach Tugend strebten, auf Zerbrechung und Abwerfung dieses Sklavenjoches. Denn wir trachten allzeit nach dem Verbotenen, und uns gelüstet nach dem was versagt ist. – Aus dieser Freyheit erwuchs in ihnen ein löblicher Wettstreit Alles zu thun wovon sie sahen daß es dem Einen angenehm war. Wenn Einer oder Eine sprach: Lasset uns trinken, so tranken sie Alle. Sprach er: Lasset uns spielen, so spielten sie Alle. Sprach er: Kommt ins Feld spazieren, so gingen alle gleich hinaus. Wollten sie auf die Vogelbaitz oder Jagd, so setzten sich die Frauen auf schöne Zelter, das Prunk-Roß zur Hand, und jede trug, zierlich behandschuht auf ihrer Faust einen Sperber, Habicht, oder Schmerling. Die Männer trugen die andern Vögel. So adlich waren sie all erzogen, daß unter ihnen auch nicht Einer noch Eine war, die nicht hätt lesen, schreiben, singen, musizieren, fünf bis sechs Sprachen reden und sowohl reimweis als in ungebundener Red darinn dictiren können. Niemals hat man so wackre galante Ritter ersehen, so fertig zu Fuß und Roß, so rüstig und regsam, so wohl in allen Waffen bewandert als es da gab.

Niemals hat man so stattliche Frauen, so artige, so wohlgelaunte, zur Hand, zur Nadel, ja zu jeder ehrlichen freyen weiblichen Kunst geschicktere Frauen gesehen als da.

Daher dann, wann die Zeit erschien daß Einer auf seiner Freund Begehren oder sonst einen andern Grund, aus diesem Stift austreten wollte, er eine der Frauen mit sich nahm, [169] die ihn etwann zu ihrem Getreuen erkoren hätt, und wurden dann zusamen vermählt, und hatten sie in Thelem treu und einig gelebt, so fuhren sie im Ehestand noch besser damit fort und liebten einander am letzten Tag ihres Lebens wie an dem ersten Hochzeittag. – Ich will auch nicht vergessen, euch noch ein Räthsel hie beyzuschreiben, das man im Fundament der Abtey auf einer großen ehernen Platten gefunden hat, und lautet wie folget:

Acht und Funfzigstes Kapitel
Acht und Funfzigstes Kapitel.

Räthsel-Prophezey.


Ihr armen Menschen denen Heil von nöthen,
Ermuntert euch und merkt auf meine Reden!
Wenn uns zu glauben sicher ward vergönnt
Daß durch Gestirn am Himmelsfirmament
Des Menschen Geist von selber mag gedeihn
Zur Wissenschaft Zukunft zu prophezeyn,
Und wenn man kann durch göttliche Gewalt
Vom Dermaleinst erkennen die Gestalt,
Bis auch entfernter Jahre Lauf und Schick
Ermessen wird mit scharfem Geistesblick:
Thu ich wer Ohren hat, zu wissen Jeden
Daß nächsten Winter, ohne mehr Verspäten,
Ja eher noch, hie wo wir sind und stehn
Ein Menschenhäuflein wird zu Tag erstehen
Der Ruhe Feind, und ohne Sitzefleisch.
[170]
Am hellen Tage ziehn sie mit Geräusch
Frey um und wiegeln alles Volk im Land
Zu Rotten auf, Partey und Widerstand.
Und wenn man ihnen glaubt und folgsam ist,
Hetzt dieß Geschlecht in offenbarem Zwist,
Was auch daraus entstehn mag und entstammen,
Die nächsten Freund und Vettern selbst zusamen.
Der kecke Sohn hält es für kleine Sünden
Sich wider seinen Vater zu verbünden:
Die Hohen selbst aus edelm Blut erzeugt,
Sehn von Vasallen sich bekämpft, verscheucht.
Gehorsam, Ehrerbietung, Dienerpflicht
Verlieren all ihr Ansehn und Gewicht:
Denn, ist ihr Wort, trifft jeden doch die Reih
Daß er erhöht, und dann erniedrigt sey.
Und wird ein solch Handiren seyn und Raufen,
Mishelligkeit und Hin- und -widerlaufen,
Daß keiner Zeiten wunderreiche Schrift
Von ähnlicher Verwirrung uns bericht.
Alsdann wird mancher ehrenwerthe Mann,
Weil er im Jugendmuth zu hitzig rann
Und solchem Trieb gefröhnet ungescheut,
Des Todes seyn nach kurzer Lebenszeit.
Und wird auch Keiner diesem Werk entsagen.
Wenn er erst einmal daran fand Behagen,
Bis er im Kampfgewühl mit Lärmen wild
Die Luft, das Land mit Schritten hat erfüllt.
Zu gleichen Theilen ehret man alsdann
Den Ehrvergeßnen und den Ehrenmann,
Weil alles wird am Glauben und Verlangen
Der tollen Meng und dummen Einfalt hangen;
Davon den Gröbsten man zum Richter macht.
Weh uns! welche grause Wassersfluth erwacht!
Fluth sag ich, und geschieht mit gutem Grund:
Denn diese Krankheit wird nicht eh gesund
Und wird davon die Erde nicht befreyt,
Bis Wasser jählings herschießt weit und breit,
Das mitten in des Handgemenges Hitze
Die Härtesten erweiche und besprütze:
Und das mit Fug, weil also kampfgewohnt
[171]
Ihr blutig Herz auch nicht der Thiere schont.
Von armen Heerden und unschuldgem Vieh
Verworfne Därm und Sehnen bringen sie
Den Göttern nicht zum Opfer, sondern weihn
Sie irdischem gemeinen Dienst allein.
Nun mögt ihr selbst erachten wie fortan
Das Ganze wohl im Gleise mag bestahn,
Und welche Ruh bey also blindem Wüthen
Des runden Triebwerks Körper sey beschieden.
Die, denen er die höchste Huld erweist,
Die Reichsten bläun und martern ihn zumeist
Und werden allerweis und wegen ringen
Ihn einzufangen und ins Joch zu zwingen:
Bis daß der Arme, gar zu Fall gebracht,
Nicht Zuflucht weiß als Den der ihn gemacht.
Und was das Härteste zu seiner Pein:
Eh noch die Sonne wird im Westen seyn,
Wird sich Verfinstrung über ihn ergiessen,
Mehr denn bey Nacht und Sonnenfinsternissen,
Die ihm die Freyheit raubt auf Einen Schlag,
Und höchste Himmelsgunst, den heitern Tag,
Ihn mindestens zur Wüste wird entstellen.
Doch lang vor dieser Noth und Unglücksfällen
Wird ein so furchtbar Bidmen jedermann
Ganz öffentlich an ihm verspüret han,
Daß Aetna damals minder ward bewegt
Als er auf Titans Sohn sich niederlegt',
Auch die Erschüttrung von Inarime
So jähling zu erachten nimmermeh,
Als die Gebirge voller Aergerniß
Typhöus abhub und ins Wasser schmiß.
Also in wenig Augenblicken scheitert
Sein Glück, so wird er hin und her geschleudert,
Daß wer ihn kurz zuvor ins Garn gebracht,
Der Folgemann ihn drum nicht streitig macht.
Dann ist die gute güldne Zeit nicht fern,
[172]
Da sich zu Ende neigt dieß lange Zerrn;
Denn vor den Wasserströmen nur gedacht
Wird jeder auf den Rückzug seyn bedacht.
Wiewohl, bevor sie auseinander gehn
Man offenbar in Lüften wird ersehn
Ein grosses Feuer hitziglich entzündet,
Davor der Spuk und Wasserschwall verschwindet.
Und wird von solchen Händeln seyn der Schluß,
Daß die Erwählten sich im Ueberfluß
Und Himmels-Manna alles Guten letzen,
Und daß man ausserdem sie reich mit Schätzen
Begabt; die Andern aber auf die letzt
Nackt auszieht, wie man recht und billig schätzt;
Damit, nach so gestillten Sturm und Drange
Ein jeder sein bescheiden Theil empfange.
Also gegeben. Ehret hoch den Mann
Er bis ans Ende treu beharren kann.

Nachdem dieß Denkmal zu End verlesen, erseufzt' Gargantua tief, und sprach zu den Versammelten: Es ist nicht von heut daß man die treuen Bekenner des evangelischen Glaubens verfolget. Aber selig wer sich nicht ärgert und, unzerstreuet und unverruckt durch seine fleischlichen Gelüsten, stetig dem Ziel und Zweck nachjagt, den Gott durch seinen lieben Sohn uns fürgesteckt hat. Darauf sprach der Mönch: Was meint ihr denn in euerm Sinn daß dieses Räthsel sagen und bedeuten woll? – Was anders, sprach Gargantua, als den Verfall und die Erhaltung göttlicher Wahrheit? – Nun beym Sankt Goderan, rief der Mönch, dieß stimmt zu meiner Auslegung schlecht: es ist des Propheten Merlin Stylus: thut ihr Allegorien und Verständniß drein so tief ihr wollt, und grübel die ganze Welt darüber so lang sie mag, ich, meines Theils, seh keinen andern Sinn [173] dahinter als eine Beschreibung des Ballenspiels unter verblümten Redensarten. Die das Volk aufwiegeln, das sind die Partien-Macher, welches gemeinlich gute Freund sind: und wenn sie die beyden Gäng gemacht, kommt der aus dem Spiele der darinn war, und der Andre hinein. Man glaubt dem Ersten welcher sagt ob der Ballen über oder unter der Schnur gegangen. Das Wasser ist der Schweiß. Die Schnüren der Racketten sind gemacht aus Hammel- und Ziegendärmen. Das runde Triebwerk ist der Ballen oder Fangball. Nach dem Spiel erfrischt man sich bei einem guten Feuer und ziehet frische Hemder an, zecht auch und banketiret gern, doch lustiger die gewonnen haben. Und geht dann hoch her.

Zweytes Buch

[Zehn-Reim]
Zehn-Reim

Meister Hugo Salel's an den Author dieses Buches.


Wenn man den Author welcher sich befliß

Mit Nutzen Süssigkeit zu mischen, preist:

Wird man dich loben: dessen sey gewiß.

Ich habs erkannt; dieweil Dein Sinn und Geist

In diesem Büchlein was uns frommt zumeist

So wohl geschildert hat mit heitern Mythen,

Daß mich bedünkt ich sehe Demokriten

Und hör ihn lachen über unsre Streich.

Drum laß nicht ab! und bleibt Dein Lohn hienieden

Dir aus, er harret Dein im Himmelreich.

[176]
Des Authors Prologus
Des Authors Prologus.

Sehr treffliche und mannhaftige Degen, edle freye gestrenge Herren und all ihr andern die ihr euch gern jedweder Anmuth und Tugend befleisigt: ihr laset, aset und ermaaset unlängst die grosse unschätzbare Chronik des ungeheuren Riesen Gargantua, und habt als wahre Gläubige daran so steif und fest geglaubt als an ein heiligs Evangelium oder unfehlbaren Bibeltext; auch manchmal euch die Zeit damit nebst den ehrsamen Frauen und Fräulein vertrieben, wann ihr ihnen, just müssig, daraus fein lange und schöne Geschichten erzähltet. Derhalben gebühret euch denn groß Lob und ein unsterblichs Ehrengedächtniß. Und wenn es meinem Willen nachging, sollt sich ein Jeder seiner besondern Geschäft entschlagen, um sein Gewerb nichts kümmern, all sein sieben Sachen gar aus dem Sinn thun, um lediglich hierinn zu leben mit äusserlich ganz unzerstreuten gesamelten Sinnen, bis mans zuletzt auswendig wüßt. Daß, wenn die Kunst zu Drucken etwann durch Zufall abkäm, oder künftig die Bücher all zu Grunde gingen, ein Jeder es seinen Kindern haarklein einlernen möcht und von Hand zu Hand auf Erben und Nachfahren weiter pflanzen, wie eine heilige Kabbala. Denn es ist weit mehr Furcht darinn als sich ein ganzer Haufen grober Hachen und Grindköpf träumen läßt, die von diesen kleinen Fröhligkeiten viel [177] weniger verstehn als Raclet vom Institut. Ich hab wohl manche hohe, gebietende Herrn gekannt die, wenn sie auf die grosse Thierhatz oder Entenbaitz ausritten und sich begab daß sich das Wild nicht auf dem Bruch betreten ließ, oder der Falk irr ward und ihnen der Vogel vor ihren Augen entging, waren sie wohl wie ihr leicht einseht, unwirsch genug: doch ihre Hülf und Zuflucht gegen Erkältung einstweilen war dann die Recapitulation der unschätzbaren Thaten unsers Gargantua. Andre sind auf der Welt (und dieß sind keine Flausen) die vom Zahnweh hart geplagt ihr ganz Vermögen ohn allen Nutzen an die Aerzt und Baader schon verschwendet hatten; sie haben kein kräftiger Mittel erfunden als vorernannte unsre Chronik säuberlich zwischen zween warmen Läpplein auf die schmerzhafte Stell gelegt, mit etwas Güldenpulver besinapt. Aber was soll ich erst von den armen Gichtbrüchigen und Venerischen sagen? O wie oftmals haben wir sie gesehen wenn man sie eben gesalbt und über und über eingeschmiert hätt daß ihnen die Gesichter wie Schlösser an einem Fleisch-Scharren leuchteten, und die Zähn im Halse klappten wie ein Spinett oder Orgelklavier wenn man drauf spielt, und ihnen der Schaum vorm Mund stand wie einem Eber den der Brack im Garne zaust! Was thätens dann? Ihr einziger Trost war, eine Seit aus obigem Buch verlesen hören. Und haben ihrer darunter gesehen die sich zu hundert Pipen voll steinalter Teufel verschworen haben, wo sie aus Lesung dieses Buchs nicht merkliche Schmerzenslinderung schöpften wenn man sie eben in Limbo hielt. Nicht mehr noch minder als die Weiber in Kindesnöthen, wann man ihnen das Leben der heiligen Margret vorliest. Ist dieß ein Kleines? Zeiget mir in welcher Facultät, Sprach oder Wissenschaft ihr wollt das Buch, das solche Tugend, Eigenschaft oder Fürzug hätt, und ich zahl die Darm-Schwemm. Nein, nein, ihr Herrn, es ist unvergleichlich, ohn Beyspiel, hat seines Gleichen nicht. Ich behaupts bis zum Feuer [178] exclusive. Und die es etwann leugnen wollten, soll man für Lästrer, Prädestinirer, Betrüger und Leutebescheisser halten. Zwar find man schon noch in etlichen Büchern vom hohen Pferd, gewisse verborgne Proprietäten und Eigenschaften, darunter zu rechnen: Stürzebecher, der rasende Roland, Robert der Teufel, Fierabras, Wilhelm ohn Furcht, Huon von Bourdeaulx, Monteville, Matabrune: aber sie kommen diesem nicht bey, von dem wir hie reden. Auch hat die Welt durch unumstößliche Erfahrung den großen Gewinn und Nutzen erkannt, der ihr aus dieser Gargantua's-Chronik erwachsen ist: denn die Buchdrucker haben in zween Monden mehr davon verkauft als man neun Jahr lang wird Bibeln kaufen. Derhalb ich dann (als euer unterthäniger Sklav) auf Mehrung eurer Kurzweil bedacht, anitzo euch ein ander Buch von gleichem Schrot und Muster darbring, nur daß es noch etwas manierlicher und glaubhafter ausfallen wird denn jenes. Denn denkt nur nicht (wo ihr nicht gar mit Vorsatz irren wollt) ich spräch davon wie die Juden vom Gesetz. Bin unter solchem Stern nicht geboren: und ist mir noch nimmer arrivirt daß ich je gelogen oder ichtes das nicht streng wahr wär, betheuert hätt. Agentes et consentientes, ist zu sagen: wer kein Gewissen hat, der hat gar nix. Ich bericht davon wir ein lustiger Onokrotalus, wollt sagen wie ein Podromus der verliebten Martyr, und Noth-Notarius ihrer Liebesnoth. Ich schreib wie Sankt Johann von der Apokalyps, quod vidimus testamur: nämlich, von den erschrecklichen Heldenthaten und Ebentheuern Pantagruels, dem ich seit ich die Kinderschuh vertreten hab bis diese Stund um Lohn gedienet; da ich dann mit seinem [179] Urlaub einen Rutsch in mein Küh-Land auf Besuch gemacht hab, mich umzuschauen wer noch etwann von meinen Leuten das Leben hätt. Drum, diesem Fürwort ein End zu machen: gleichwie ich mich zu meinem Theil mit Leib und Seel, mit Darm und Dung in hunderttausend Spraukorb voll ansehnlicher Teufel wünsch wo auch nur ein einig Wort in der ganzen Geschicht erlogen ist: so baitz Euch wieder Sankt Tönigs Feuer, Sankt Asmus Haspel zerwirr euch die Därm, der Klamm, der Wolf schlag euch zu Leib, Blutscheiß, und Fiekbohn, rickrack zu! so dicht wie Haar an einer Kuh gepfeffert mit Quecksilber fahr euch in den Hintern immerdar, und müsset wie Sodom und Gomorrha in Feuer und Schwefel zum Abgrund gehn, wo ihr nicht festiglich alles glaubet was ich in gegenwärtiger Chronik euch nach der Reih berichten werd.

[180] Zehn-Reim

des Authors fröhligem Geist zu Ehren neu gestellet.


Fünfhundert Zehn-Reim, tausend Dreh-

Und Wirbelsang-Rouladen

Anmuthig wohl gerathen

Von Marot oder Saingelais,

Ohn Säumen baar erlegt in Näh

Und Beyseyn der Dryaden,

Hymniden Dreaden,

Bezahlten nicht, noch Pantalais

Mit ganzen Ballen von Balladen

Den muntern klugen Rabelais.

[181]
Erstes Kapitel
Erstes Kapitel.

Von Ursprung und Alterthum des grossen Pantagruel.


Es wird kein unnütz noch überley Ding seyn, weil wir doch einmal Rasttag haben, euch an den ersten Quell und Ursprung daher uns der gute Pantagruel stammt, zu erinnern. Denn ich seh, es habens alle gute Historienschreiber in ihren Chroniken also gehalten, nicht nur die Griechen, Araber und Heiden, sondern selbst die Authoren der heiligen Schrift, und insonderheit der Hochwürdige Sankt Matthäus und Lukas. Gebührt euch demnach wohl zu merken daß im Anfang der Welt (ich sprech von länger denn vierzig mal vierzig Nächten her, nach alt-Druidischer Rechnungsart) bald nachdem Kain seinen Bruder Abel erschlagen und die Erd mit dem Blut des Gerechten getränket war, ein so ausnehmend fruchtbar Jahr in allem was nur ihr Schooß gebieret, und sonderlich in Mispeln ward, daß man es, weil man denken konnt, das Jahr der grossen Mispeln hieß, weil ihrer drey auf den Scheffel gingen. In selbigem Jahr hat man die Kalenden aus griechischen Breviariis funden. Der März fiel in der Fasten aus, und die Hundstag waren im Mayen-Monat. Im October, glaub ich, oder auch im September (daß ich nicht irr, denn davor will ich mich sorglich hüthen) war die in den Annalen so berufene Woch, die man die Woch der drey Donnerstäg heißt, weil ihrer drey darinn fielen von wegen der lüderlichen Bissexten oder Schalttäg, da die Sonn, ut debitoribus, was weniges zur Linken neigt', der Mond mehr denn fünf Klafter breit [182] von seinem Lauf wich, und offenbar das Zittern am Firmament ersehen ward, welches Aplanes geheissen ist. Dergestalt daß die mittelste von den Plejaden ihre Schwestern verließ, und sich zum Gleicher neigt'; und der Stern den man die Kornähr nennt, der Jungfrau untreu ward und nach der Wag zulief. Welches doch schauderhafte Fäll und so hartnüssig schwierige Materien sind, daß sie kein Sterngucker aufknacken mocht. Müßten auch etwas lange Zähn han, wenn sie bis da hinan reichen wollten.

Zieht nun das Facit, daß die Welt nach selbigen Mispeln die Finger leckt'; denn sie waren lieblich von Ansehn und wunderköstlich in Geschmack. Aber gleichwie der Biedermann Noah, dem wir so hoch verpflichtet und gehalten sind für Anpflanzung des Rebenstocks, von wannen uns dieser nektarische, köstliche, theure, himmlische, liebliche Göttersaft kommt, den wir das Traubenblut nennen, dennoch in dem Getränke sich betrog, weil er desselben grosse Tugend und Kraft nicht kannte: eben so assen auch Männer und Weiber zu jener Zeit mit grossem Gelust von dieser schönen und dicken Frucht, bekamen aber die unterschiedlichsten Zufäll darnach. Denn es befiel sie samt und sonders eine erschreckliche Geschwulst, wiewohl nicht all an einem und demselben Ort. Denn etliche schwollen an den Bäuchen: denen wurden die Bäuch so prall wie dicke Tonnen: von ihnen stehet geschrieben: Ventrem omnipotentem, und waren alles brave Leut und gute Schäker: aus dieser Raß entsprang Sankt Panzart und Karneval. Andre schwollen an den Schultern, und waren so bucklich, daß man sie Montiferi oder Bergträger nannt: ihr sehet deren noch auf der Welt in mancherley Würden und Geschlechten, auch stammt Aesöpel aus dieser Raß, von dem[183] ihr die schönen Thaten und Rathen in Schriften habt. Andern schwoll der Läng nach das Glied an, welches der Laborator Naturä genannt wird, dergestalt daß es ihnen verwundersam lang, groß, kraus, grob, mastig und strotzig ward, nach der Alten Weis: und konnten sich desselben, fünf bis sechs Mal um den Leib geschlagen, statt Gurtes bedienen: ja wenn es eben auf dem Sprung stand und ihm der Wind zum Gransen stieß, ihr hättet sie dem Ansehn nach für Leut mit eingelegtem Spieß nach dem Quintan-Pfahl rennend gehalten. Und deren Raß ist untergangen, wenn anders man den Weibern traun darf: denn die wehklagen in einem fort daß man nicht mehr findt diese grossen etc.,: ihr wißt ja wie das Lied weiter lautet. – Andre wuchsen im Punkt der Geilen so überschwenglich, daß ihrer drey aufs Kuchenmaas gingen: von denen kommen die Lotharinger Säck, die niemals im Latze bleiben wollen; sie schiessen stracks zum Hosenboden.

Andre wuchsen in die Bein, und wenn ihr sie sähet vermeintet ihr es wären Kraniche oder Flambärt, oder Leut die auf Stelzen liefen. Die kleinen Chorbuben nennen sie in ihren Notenbüchlein Läufer.

Andern wuchs die Nas so dick, daß sie aussah wie ein Blasenhut-Schnabel, ganz buntgesprenkelt pockenfunklich voll junger Nasen pullulirend, ganz purpurn, um und um mit Schmelzwerk und Bollen beknospet, ja wappenröthlich bordirt: wie ihr den Chorherrn Panzoult, und den Arzt Piedeboys in Angiers gesehen habt. Und von dieser Raß haben nicht Viel auf Tisanen gehalten, sind aber samt und sonders sehr dem September-Säftlein hold gewesen. Naso und Ovidius haben daher ihren Ursprung, und Alle von denen geschrieben stehet: Ne reminiscaris.

Andre wuchsen in die Ohren; die wurden ihnen dermaasen [184] lang, daß sie sich aus dem Einen Hosen, Wams und Kaftan machten, das Andre wie einen spanischen Mantel trugen, und hab gehört das Erbstück wär noch im Bourbonischen anzutreffen; daher man sie die Bourboner Ohren zu nennen pflegt. Die Andern wuchsen am ganzen Leib: von denen sind die Riesen kommen, aus deren Stamm Pantagruel.

Und der erste war Chalbroth.

Chalbroth zeugete Sarabroth.

Sarabroth zeugete Faribroth.

Faribroth zeugete Hurtaly. Der war ein starker Suppen-Esser und regiert' zur Zeit der Sündfluth.

Hurtaly zeugete Nimrod.

Nimrod zeugete Atlas welcher des Himmels Einfall auf seine Achseln nahm.

Atlas zeugete Goliath.

Goliath zeugete Eryx, der das Becher-Spiel erfunden hat.

Eryx zeugete Tityus.

Tityus zeugete Eryon.

Eryon zeugete Polyphemus.

Polyphemus zeugete Cacus.

Cacus zeugete Aethion, welcher zuerst venerisch ward, weil er im Sommer kein kühl Getränk hätt, wie Bartachin meldet.

Aethion zeugete Enceladus.

Enceladus zeugete Cöus.

Cöus zeugete Typhöus.

Typhöus zeugete Alöus.

Alöus zeugete Otus.

Otus zeugete Aegeon.

Aegeon zeugete Briareus mit den hundert Händen.

Briareus zeugete Porphyrio.

Porphyrio zeugete Adamastor.

Adamastor zeugete Antäus.

Antäus zeugete Agatho.

Agatho zeugete Porus, mit welchem Alexander der Grosse Krieg führt'.

Porus zeugete Aranthas.

Aranthas zeugete Gabbara, welcher zuerst das Bescheidthun erfand.

[185] Gabbara zeugete Goliath von Secundillen.

Goliath zeugete Offot, der eine mächtig gute Nasen hätt am Spund zu zapfen.

Offot zeugete Artachees.

Artachees zeugete Oromedon.

Oromedon zeugete Gemmagog, Erfinder der Polaken-Schuh.

Gemmagog zeugete Sisyphus.

Sisyphus zeugete die Titanen, von denen Herkules abstammt'.

Herkules zeugete Enack, der sehr geschickt war die Reitläus aus den Händen zu ziehen.

Enack zeugete Fierabras, den Olivier der Pair von Frankreich, Rolands Wappenbruder bezwang.

Fierabras zeugete Morgan, der in dieser Welt zuerst die Brill zum Knöcheln aufsetzt'.

Morgan zeugete Fracassus, von welchem Merlin Coccaius geschrieben, des Ferragu Vater.

Ferragu zeugete Muckenschnapp, welcher zuerst die Kunst erfand die Rindszungen im Kamin zu räuchern. Denn vor ihm salzt' die Welt sie ein wie die Schunken.

Muckenschnapp zeugete Bolivorax.

Bolivorax zeugete Longis.

Longis zeugete Jachloff; der hätt Geilen von Pappelholz, den Hahn von Spierling.

Jachloff zeugete Heufraß.

Heufraß zeugete Isenbrand.

Isenbrand zeugete Schluchsenwind.

Schluchsenwind zeugete Sausenbraus, welcher der Flaschen Erfinder war.

Sausenbraus zeugete Mirlangalt.

Mirlangalt zeugete Galaffer.

Galaffer zeugete Falurdin.

Falurdin zeugete Roboaster.

Roboaster zeugete Sortibrant von Conimbra.

Sortibrant zeugete Brushant von Mommiere.

Brushant zeugete Bruyer, welcher vom Dänen Oger, dem Fränkischen Pair überwunden ward.

[186] Bruyer zeugete Mambrin.

Mambrin zeugete Springbock.

Springbock zeugete Huckelback.

Huckelback zeugete Kernhahn.

Kernhahn zeugete Grandgoschier.

Grandgoschier zeugete Gargantua.

Gargantua zeugte Pantagruel den Adlichen, meinen Herrn und Meister.

Ich merk schon, es kommt euch, wenn ihr dieß lest, ein sehr vernünftiger Zweifel an und fragt: Wie mag dem also seyn, sintemalen zur Zeit der Sündfluth die ganze Welt zu Grund ist gangen bis auf den Noah und sieben Personen, die mit ihm in der Arch gewesen, darunter obiger Hurtaly nicht mit genannt wird? Die Frag, in Wahrheit, ist wohl erdacht und ziemlich plausibel. Aber die Antwort wird euch genügen oder mein Hirn ist übel verkielholt. Und weil ich zu derselben Zeit nicht mit dabey war, daß ichs euch nach Herzens Wunsch selbst sagen möchte, citir ich euch einstweilen das Ansehn der guten Massoreten-Gäuch und schönen ebräischen Dudelsackspfeifer welche bezeugen, daß allerdings ernannter Hurtaly nicht mit beim Noah in der Arch gewesen sey; (auch wär er nicht hineingegangen, denn er war zu groß) sondern er hab rittlings oben darauf gesessen, ein Bein hüben, das andre drüben, wie ein Bub auf dem Steckenpferd, und wie der dicke Stier von Bern, der bey Marignan ums Leben kam, eine grosse Stein-Kanon statt Kleppers zu reiten pflegt' – es war ein gutes frommes Rößl von stillem Schritt, es stolpert' gar nit. – Solchergestalt schützt' er, nächst Gott, die Arch vor Fahr, denn er gab ihr den Schwung mit den Beinen, und drehet' sie mit seinem Fuß wohin er wollt, wie man ein Schiff am Steuer [187] lenket. Die drinnen waren, schickten ihm durch einen Kamin zu leben genug, als erkenntliche Leut für das Gute welches er ihnen erwies. Und parlamentirten jezuweilen mitsamen, wie Ikaromenippus mit dem Jupiter im Luziano. – Habt ihr auch alles wohl verstanden? Nun so trinkt einen guten Schluck ohn Wasser drauf. Denn wo ihrs nicht glaubt, glaub ichs auch nicht, glaubs ein Andrer.

Zweytes Kapitel
Zweytes Kapitel.

Von Geburth des gestrengen Pantagruel.


Gargantua erzeugt in seinem fünfhundert vierundzwanzigsten Jahr seinen Sohn Pantagruel mit seinem Weibe Hängemunden, der Tochter des Amauroten-Königs in Utopien, die im Kindbett starb: denn er war so unmäßig groß und stämmig daß er nicht zur Welt konnt kommen ohn seine Mutter also mit zu ersticken. Aber damit ihr die Ursach und Bedeutung seines Namens, der ihm in der Tauf ertheilet ward, gründlich verstehen mögt, so sollt ihr wissen: es war im ganzen Land Afrika dasselbe Jahr so grosse Dürr, das sechsunddreyssig Monat, drei Wochen, vier Tag, dreyzehn Stunden und etwas weniger darüber ohn Regen verstrichen, bey so erschrecklicher Sonnengluth, daß die ganze Erd davon verdorrte.

Und kann zu Eliä Zeiten nicht ärgere Hitz als damals gewesen seyn. Denn es gab weder Blatt noch Blüth an einem Baum auf Erden mehr. Dem Gras entging das Grün, die Ström versiechten, die Quellen vertrockneten. Die armen Fischlein, ihres natürlichen Elementes entsetzt, vagirten auf Erden umher und schrieen erbärmlich. Die Vögel fielen aus der Luft für Mangel an Thau. Wölf, Hirschen, Füchs, Damhirschen, Eber, Hasen, Wiesel, Iltis, Dächs, Kanickel,[188] Marder und andres Wild fand man mit aufgesperrtem Maul in den Feldern liegen.

Hinsichtlich der Menschen aber war der Jammer erst groß: ihr hättet sie sehen die Zungen hängen, wie die Windhund wann sie sechs Stunden gelaufen. Mehrere sprangen in die Brunnen; andere verkrochen sich in Kühbäuch des Schattens halber, und nennt sie Homerus Alibantes.

Das ganze Land saß auf dem Sand. Die Müh und Angst der Sterblichen dem schauderhaften Verdursten zu steuern, war kläglich anzusehen. Denn man hätt alle Händ voll zu thun daß nicht der Weihbrunn in den Kirchen gar aufgeleckt ward. Doch wußten die Herren Cardinäl und der heilige Vater dafür bald so guten Rat, daß Niemand mehr denn einen Segen davon zu nehmen sich getrauet'. Ja, wenn ein Mensch herankam, hättet ihr wohl an zwanzig arme Durster hinter dem der das Wasser austheilt' offenen Mundes daherziehn sehen, ob sie ein Tröpflein erschnappen möchten, wie der reiche Mann, auf daß nichts umkäm. O seelig wer in diesem Jahr einen kühlen und vollen Keller hätt'!

Der Weltweise meldet, indem er die Frag aufwirft: warum das Meerwasser salzig sei, daß zu der Zeit als Phöbus seinem Sohn Phaeton die Führung seines Licht-Wagens anvertraut hab, ernannter Phaeton, ungeschickt in der Kunst, und die ekliptische Lini zwischen den beyden Wendekreisen der Sonnen-Sphär zu treffen nicht fähig, von seinem Weg ab, und der Erden so nah zu Leib gekommen sey, daß er alle darunter belegene Land aufs Trockne gesetzt und ein gut Theil des Himmels versengt hab, welches die Philosophenvia lactea, und die Lifferloffer Sankt Jakobsstraß zu nennen pflegen. Wiewohl die Flottesten von den Poeten der Meinung sind daß es der Ort sey, dahin der Juno Milch gefallen als sie den Herkules säugen thät. Da dann [189] die Erde so erhitzt ward, daß sie in einen unmässigen Schweiß fiel und das ganze Meer ausschwitzt', welches von da ab salzig ist: denn Schweiß ist allzeit salzig, wie ihr für wahr befinden werdet, wenn ihr euern eignen kosten wollt, oder auch den der Venerischen, während man sie im Schwitzbad lauget. Ist mir all eins.

Beynah ein Gleiches begab sich nun im selbigen Jahr. Denn eines Freytags als alle Welt der Andacht pflog und ein schöner Umgang mit Litaneyen und Inprofundis schockscheffelweis gehalten ward, Gott den Allmächtigen beschwörend daß er in solchem Misgeschick mit seinem Auge der Erbarmung sie gnädiglich ansehn wollt: da sah man handgreiflich dicke Wassertropfen der Erd entquellen, wie wann eins stark schwitzet. Und fing das arme Volk sich schon zu freuen an, als wenn es ihnen zum Heil und Labsal gewesen wär. Denn Etliche sprachen, weil die Luft nicht einen Tropfen Feucht mehr hätt, davon noch Regen zu hoffen stünde, hülf nun die Erd dem Mangel nach: andre Leut, die Studirten, meinten es wär halt Antipoden-Regen, wie Seneca im vierten Buch Quaestionum naturalium schreibt, wo er vom Quell und Ursprung des Nils spricht. Aber sie waren angeführet. Denn als nach abgehaltenem Umgang alles den Thau zu schöpfen lief und in vollen Zügen trinken wollt, fanden sie daß es nichts andres war denn Herings-Lake, so bitter und salzig wie kein Seewasser nimmermehr. Und weil auf eben diesen Tag Pantagruel geboren ward, gab ihm sein Vater diesen Namen; denn Panta bedeutet auf Griechisch Alles, und Gruel in Hagarenischer Sprach so viel als durstig: anzuzeigen, daß alle Welt in seiner Geburtsstunde durstig gewesen; auch weil er zugleich im prophetischen Geist zum voraus sah daß er dereinst Beherrscher der Durstigen seyn würd. Welches ihm ausserdem [190] noch durch ein offenbares Zeichen in eben der Stund erwiesen ward. Denn als seine Mutter Hängemunde mit ihm im Kreissen begriffen war, und die Hebammen seines Empfanges harrten, kamen aus ihrem Leib voraus achtundsechzig Saumroßtreiber, und jeder führt' am Halfter ein Maultier mit eitel Salz beladen nach. Auf diese folgten neun Dromedar mit Schunken und geräucherten Rindszungen, sieben Kamel voll kleiner Ael, drauf fünfundzwanzig Karren mit Zwiebeln, Lauch, Porré, Knobloch und Schalotten. Welches die Hebammen baß erschreckt' und ihrer Etliche sprachen zusammen: Hie hats gut Futter, weil wir zeither so schläfrig getrunken, nicht wie die Unken. Dies Zeichen bedeutet uns nur Glück. Es sind Wein-Sporen. – Und wie sie so noch unter einander plauderten, siehe! da trat heraus Pantagruel, über und über rauch wie ein Bär. Und Eine prophezeyet' und sprach: Er kommt mitsammt dem Haar zur Welt, er wird erstaunliche Dinge tun und, wenn er lebt, zu Jahren kommen.

Drittes Kapitel
Drittes Kapitel.

Wie Gargantua um sein Weib Hängemunden Leid trug.


Wer aber über Pantagruels Ankunft gar außer sich und schier verdutzt war, das war sein Vater Gargantua. Denn eines Theils sah er sein Weib Hängemunden todt, und andern Theils seinen Sohn Pantagruel geboren, so schön und groß – da wußt er nicht was er beginnen noch sagen sollte. Und war der Zweifel der ihn in seinen Gedanken peinigt': ob er müßt weinen für Traurigkeit über sein Weib, oder lachen für Freuden über seinen Sohn. Auf beyden Seiten hätt er sophistische Argument, und würgt' daran; denn er [191] verstund sich sehr wohl darauf in modo et figura, aber er konnt sie nicht lösen; und blieb also drinn hangen wie die Maus im Pech, oder ein Habicht in der Schlingen.

Muß ich itzt heulen? sprach er. Ja. Denn warum? Mein theures Weib ist todt, die beste hin, die beste her, die man auf Erden nur finden mocht. Ich werd sie nimmer wiedersehen, krieg auch so eine halt nimmer wieder: ist mir ein unschätzbarer Verlust! O du mein Gott, was thät ich dir, daß du mich also hart bestrafest? Warum nahmest du mich nicht eher von hinnen? Denn ohne Sie zu leben ist mir nur ein Siechthum. Ha Hängemunde, mein Schatz, mein Herzblatt, meine Freundin, mein lieb klein Schneckel! (wiewohl sie dessen gut und gern drey Morgen und zween Ruthen hätt), mein zartes Lämmlein, meine Mütz und treue Stütz, mein Strumpfsock, meine Papusch, mein Hos! mein Hosenlätzel! mein altes Schätzel! ach niemals werd ich dich wiedersehen. Ha du armer Pantagruel! Du bist um deine liebe Mutter, um deine süsse Amm gekommen, um deine vielgeliebte Dam. Ha falscher Tod bist du so tükisch, handelst du also schmählich an mir, daß du mir diese rauben mußt, der die Unsterblichkeit mit Recht gebühret hätt?

Und wie er dieß sprach, heult' er wie eine Kuh. Doch plötzlich lacht' er wieder hell auf wie ein Kalb, wenn ihm Pantagruel einfiel. Ho! Ho! rief er, mein kleiner Sohn, mein Cujonel, liebs Hosseloddel, wie bist du so artig! Wie dank ich Gott daß er mir einen so schönen, muntern, lachenden, artigen Sohn gegeben. Ho ho ho, wie bin ich fröhlig! ho, zu Trinken! Lassen wir alle Traurigkeit fahren: bring vom besten, spühl die Gläser, deck den Tisch, jag die Hund 'naus, blas das Feuer auf, stecks Licht an, mach die Thür zu, schneid die Suppen ein, laß die Armen 'rein, gieb ihnen, was sie haben wollen. Da nimm mein Kleid, daß ich mirs leicht mach, daß ich mich besser umthun kann und die Gevatterinnen bedienen.

Bey diesen Worten hört' er die Mementos und Litaneyen der Priester welche sein Weib zu Grabe trugen. Da vergaß er der guten Fürsätz wieder, ward plötzlich wie weit weg verzückt und sprach: Herr Gott! muß ich mich dennoch [192] von neuem betrüben? Dieß verdrießt mich. Ich bin nit mehr jung, ich werd nun alt, das Wetter ist bös, ich könnt ein Fieber davon han, so läg ich auf der Nas. Bey meinem Ritterwort, besser ist, man weint was weniger und trinkt dafür was Wein mehr. Mein Weib ist todt. Wohlan! So Gott mir – da jurandi – mein Heulen weckt sie doch nimmer auf; hats gut, ist im Himmel zum wenigsten, wenn nicht noch höher; sie betet für uns, ist selig, kümmert sich weiter nicht um unsre Müh und Herzeleid: es wird uns eben nix bessers gereicht. Nu Gott helf weiter, ich muß schaun wie ich zu einer andern komm. Aber was ich euch sagen wollt, sprach er zu den Hebammen, (na wo seyns? kann euch nit sehen, ihr lieben Leut) gehet ihr mit bey ihr zur Leich; ich will derweil meinen Sohn hie boyen, denn ich spür einen grausamen Durst, und könnt leicht krank werden. Aber trinket zuvor noch eins! es wird euch gut thun, dieß glaubt mir auf mein Ehrenwort. – Ihm also folgsam gingen sie mit zu der Leich und zum Begräbniß, und der arme Gargantua blieb bey Haus und macht' derweil das Epitaphium welches er ihr wollt setzen lassen, lautend wie hie geschrieben stehet:


Sie starb daran, die edle Hangmundine,
Am Kindesweh, mein Weiblein schlecht und recht:
Denn ihr Gesicht glich einer Violine,
Ihr Leib war Spanisch, Bauch von Schweizer-G'schlecht.
Nun bittet Gott daß er ihr schenken möcht
Nach seiner Huld all ihre Schuld hienieden.
Hier liegt ihr Leib; sie lebt' in ihm gerecht,
Und starb im Jahr und Tag da sie verschieden.
Viertes Kapitel
[193] Viertes Kapitel.

Von des Pantagruels Kindheit.


Ich erseh aus den alten Historienschreibern und Poeten daß manche Leut zwar seltsamer Weis zur Welt sind kommen, das zu erzählen weitläufig wär: leset darüber, wenn ihr Zeit habt, das siebente Buch im Plinius nach: aber dergleichen wunderbare Geburth wie des Pantagruel, habt ihr doch nimmer noch erhöret. Denn es war schier unglaublich wie er an Leib und Leibeskräften zunahm in kurzer Zeit, und Herkules der die zween Schlangen in der Wieg erdruckt', war nichts dagegen; denn die Schlangen waren doch nur klein und gebrechlich: Pantagruel aber in seiner Wieg vollbracht die schauderhaftesten Ding. Ich red hie weiter nicht davon, wie er auf einen jeden Imbiß die Milch von viertausend sechshundert Kühen sog, und wie zu Fertigung eines Pfännleins darinn sein Brey gekocht ward, alle Pfannenschmiede von Saulmur in Anjou, von Villedieu in Normandi und von Bramont in Lothringen angestellt wurden; welchen Brey man ihm sodann in einem grossen Stein-Trog fürsetzt', der noch gegenwärtig zu Bourges beym Rathhaus stehet. Es waren ihm aber die Zähn bereits so fest gewachsen, daß er aus nurgedachtem Trog ein grosses Stück herausbiß, wie noch deutlich daran wahrzunehmen.

Eines Morgens als man ihm auch seiner Milchküh eine zum Säugen bracht (denn andre Ammen hätt er niemals, so viel uns die Geschicht lehrt) macht' er sich aus den Wiegenbändern darinn er geschnüret lag, einen Arm frey, packt' euch mein Kühlein unterm Knie, und aß ihm beyde Eiter und den halben Bauch ab samt Leber und Nieren, ja hätt es gänzlich aufgezehrt, wenn es nicht mörderlich geschrien hätt als ob es die Wölf an den Beinen zausten. Auf solchs Geschrey lief alles zu und entzogen die Kuh dem Pantagruel; ging aber doch nicht so säuberlich ab, daß er das Knie nicht in der Hand behalten hätt, wie ers just hielt. Das aß er rein auf, wie ihr eine Wurst ässet: und als man ihm den Knochen wollt nehmen, schlang er ihn alsobald [194] hinunter gleich wie ein Seerab ein kleines Fischlein, erhub darauf die Stimm und sprach:bon bon bon bon! weil er noch nicht viel reden konnt, damit er wollt zu verstehen geben, daß ers trefflichbon befunden hätt und nichts mehr als noch einen solchen Bissen ihm wünscht'. Wie seine Wärter dieses sahen, banden sie ihn an starke Kabel, wie die, so man zu Tain schlägt zum Transport des Salzes gen Lyon, oder auch wie die Tau am grossen Franken-Schiff zu Port de Grace in Normandi. Als aber einmal ein grosser Bär den sein Vater hielt, entsprungen war und auf ihn zu kam, ihm das Gesicht belecken wollt, denn die Zofen hatten ihm just das Schnäuzel nicht allzusauber gewischt, entschlug er sich der Kabel so flink wie Simson unter den Philistern, packt' euch den Monsieur Bären an, und pflückt' ihn wie ein Hühnel in Stücken, worauf er ihn zu seiner Mahlzeit als guten warmen Braten verspeißt'. Da ließ Gargantua, besorgt daß er ihm einen Schaden thun möcht, vier schwere eiserne Ketten schmieden, nebst in die Wiegenränder wohl verfugten Streben, ihn dran zu legen. Und findet ihr von diesen Ketten noch eine zu Rochelle, womit man alle Abend die beyden grossen Hafen-Thürn sperret: die andre ist zu Lyon, die dritt zu Angiers, und die vierte ward von den Teufeln geholt, den Luzifer daran zu legen, der um die Zeit in einer Cholik die ihn aus der Maasen peinigt', weil er eines Schergen Seel im Fricassee zum Imbiß gegessen, entspringen wollt' – demnach ihr dann wohl glauben dürft was Nikolaus de Lyra über eine Stell im Psalter sagt, wo geschrieben stehet: Et Og regem Basan, das selbiger Og als kleiner Bub schon so stark und kräftig gewesen sey, daß man ihn mit eisernen Ketten in seiner Wieg hab anbinden müssen. – Und also blieb er dann still und geduldig, denn die Ketten konnt er nicht so leicht zerreissen, zumal er in der Wiegen nicht satt Schwungraum für die Arm hätt. Nun aber merket was einmal an einem hohen Fest sich zutrug, als eben sein Vater Gargantua [195] allen Prinzen seines Hofs einen schönen Schmaus gab. Ich glaub gern, das sämmtliche Gesind im Haus hätt mit den Gästen so viel zu schaffen, das man sich um den armen Pantagruel nicht groß kümmert', und ihn also in Stichibus ließ. Was thät er? Was er thät, ihr lieben Leut'? Nun höret. Erst versucht er mit den Armen die Ketten der Wieg entzwey zu reissen; aber es ging nicht, denn sie waren zu fest; dann strampft' er mit den Beinen so lang bis er der Wieg den Boden eintrat, der doch aus einem starken, sieben Kubikspann dicken Pfosten gemacht war: und wie er jetzt die Füß heraushätt, ruckt' er sich so weit er konnt herunter, bis er mit den Füssen die Erd erreicht'. Darauf erhub er sich mit Macht, und trug also gebunden die Wieg auf dem Rückgrat davon wie eine Schildkröt die an einer Mauer hinan kreucht; daß man ihn auf den ersten Anblick für ein groß Kraak von fünfhundert Tonnen, so aufrecht stünd, gehalten hätt. Solchergestalt begab er sich in den Saal wo banketiret ward und erschreckt' die da Versammelten fürwahr nicht wenig. Weil ihm aber die Händ inwendig geschlossen waren, konnt er nichts zu essen erreichen, sondern bückt' sich mit schwerer Müh ob er etwann mit der Zung ein Mumpfel erwischen möcht. Welches als sein Vater sahe, ward er wohl innen daß man ihn ohn Nahrung gelassen, und befahl auf den Rath der versammelten Fürsten und Herren daß man die Ketten ihm abnehmen sollte: zumal auch des Gargantuä Leibärzt der Meinung waren daß, wenn man ihn so in der Wieg hielt, er sein Lebtag am Stein und Gries würd zu leiden haben. Als er nun los war, ließ man ihn mit niedersitzen: da hieb er sehr tapfer ein, und schlug gedachte seine Wieg in mehr denn fünfhunderttausend Stücken mit einem einzigen Faustschlag, denn er im Ärger mitten darauf verführt': mit Protest in seinem Leben nie einen Fuß mehr drein zu setzen.

Fünftes Kapitel
[196] Fünftes Kapitel.

Von Jugendthaten des edlen Pantagruel.


So nahm Pantagruel täglich zu und gedieh sichtbar. Darob sein Vater sich aus natürlicher Lieb erfreuet', und ihm, wie er noch klein war, eine Armbrust zur Kurzweil machen ließ, nach den Vöglein damit zu schiessen. Heutzutag führt sie den Namen der grossen Armbrust zu Chantelle. Darnach thät er ihn auf Schulen, daß er da lernen und seine jungen Jahr zubringen sollte. Kam derowegen Studienhalber gen Poictiers, und profitirt' da viel. Und weil er an selbigem Ort die Schüler zuweilen gar müssig sah, daß sie nicht wußten wie sie die Zeit sich vertreiben sollten, da jammert' es ihn, und eines Tages brach er von einem grossen Felsen, Passelourdin, oder Fuchsensprung genannt, einen mächtigen Steinblock ab, von ungefähr zwölf Lachtern im Geviert, und vierzehn Stab dick, und stellt' ihn spielend auf vier Pfeilern mitten ins Feld hin, daß die Schüler, wenn sie sonst weiter nichts wüßten, sich die Zeit damit vertrieben auf selbigen Stein hinan zu klettern, mit Flaschen, Schunken und Pasteten oben wacker zu banketiren, auch ihre Namen mit einem Messer drein zu schreiben: itzt nennt man ihn den Hübelstein. Und zum Gedächtniß daran wird bis auf diesen heutigen Tag bey der Universität zu Poictiers Keiner in die Matrikel verzeichnet, er hätt denn zuvor aus dem Rösselbrunn zu Croustelles getrunken, den Fuchsensprung ersprungen, und auf dem Hübelstein sich umgeschaut.

Nach diesem, einmal bey Durchlesung der edeln Chronik seines Hauses, fand er daß Gottfried von Lusignan, Vom grossen Zahne zubenannt, seiner Stiefmutter Sohnes Frauen Oheims Tochtermanns Baasen ältester Schwester Stiefvetters Großvater, zu Maillezais begraben läg. Schwänzt' [197] also eines Tags die Schul, ihm den Besuch zu machen als ein braver Knab, und brach mit etlichen seiner Gesellen zu Poictiers auf, kamen sodann durch Legugé, besuchten den edeln Abt Ardillon, durch Lusignan, durch Sansay, Celles, Colonges, Fontenay le Comte, begrüßten den gelahrten Tiraqueau, und von da gen Maillezais, wo er das Grab des erwähnten Gottfrieds mit dem grossen Zahn besichtigt', jedoch ein wenig vor ihm erschrak als er sein Bild sah: denn er ist dorten als ein wüthiger Mann geschildert, der seinen Malchus halb aus der Scheid ruckt. Wollt also davon die Ursach wissen. Die Chorherrn aber am selbigen Ort wußten ihm weiter nichts zu sagen als pictoribus atque poetis etc. nämlich, daß den Malern und Poeten alles erlaubt wär nach ihrem freyen Belieben zu malen. Er aber ließ sich an dem Bescheid nicht genügen, sondern sprach: er ist nicht ohn Ursach also gemalt; und hat man ihm bey seinem Tod, fürcht ich, ein Unbill zugefügt, dafür er seine Anverwandten zur Rach auffordert. Ich werd mich darnach genauer befragen und thun, was rechtens. – Drauf reist' er weiter, aber nicht wieder gen Poictiers, denn er wollt auch die andern Universitäten in Frankreich sehen; ging also auf Rochelle, von da zur See gen Bourdeaulx, wo er niemand groß studiren sah, ausser die Bootsknecht auf dem Sand das Kockenspiel. Von da gen Thoulouse, an welchem Ort er trefflich tanzen und mit dem Beydenfäuster handiren lernt', wie der Scholaren Brauch auf selbiger Universität ist. Verweilet' aber allda nicht lang als er sah daß sie ihre Lehrer lebendig wie die Rauchhering brieten, und sagt'; das wolle Gott nicht daß ich eines solchen Todes stürb! bin so schon durstig gnug von Natur, brauch mich nicht erst noch mehr zu erhitzen. Nach diesem kam er gen Montpellier, wo er sehr auserlesene Wein von Mirevaulx, und lustige Gesellschaft fand; gedacht daselbst die Arzeneykunst zu studiren, erwog aber daß es ein gar zu[198] leidigs und melancholisches Handwerk wär, und daß die Aerzt nach Klystiren röchen wie alte Teufel. Also wollt er die Recht studiren: doch weil er sah daß von Legisten am Ort nichts war als drey Grindige und ein Kahlkopf, so gesegnet' er ihn, und macht' unterwegs den Pont du Guard und das Amphitheater zu Nismes in noch nicht gar drey Stunden, welches doch mehr ein Götterwerk als von Menschenhänden verfertiget scheint, und kam nach Avignon. Da war er noch nicht drey Tag, so ward er verliebt. Denn die Frauensleut pflegen dort gern des Bürzelspiels, weil es päpstlich Land ist. Welches als sein Präzeptor namens Epistemon sahe, nahm er ihn von da weg und führt' ihn gen Valence im Delphinat. Aber er fand daß dort das Studium nicht weit her war, und daß die Bengels aus der Stadt die Schüler draschen. Dieß verdroß ihn; und als einmal an einem schönen Sonntag alles im Freyen draussen zu Tanze war, wollt auch ein Schüler sich in den Tanz mit mengen, welches die gedachten Bengels nicht leiden wollten. Kaum sah es aber Pantagruel, so gab er ihnen die grosse Pürsch bis zum Rhonestrand so viel ihrer waren; da wollt er sie ersäufen, aber sie pattelten sich wie die Maulwürf wohl einer halben Meilen tief unter die Rhon in das Erdreich ein. Das Loch ist noch allda vorhanden. Verreist' drauf, und mit drey Schritten und einem Satz kam er nach Angiers, wo es ihm ganz wohl gefiel, und wär daselbst ein Weil verblieben, wenn sie die Pest nicht heraus gejagt hätt.

Also kam er dann gen Bourges, wo er eine gute Weil studirt' und in juristischen Scienzien was für sich bracht. Und pflegt' mitunter zu sagen, die Rechtsbücher kämen ihm für wie ein wunderherrlich prunkendes Triumphgewand und Ehrenkleid von Gold, das aber mit Koth verbrämt wär. Denn, sprach er, es giebt in der ganzen Welt keine schönere, auserlesnere noch zierlicher geschriebene Bücher als die Text [199] der Pandekten sind, aber der Saum daran, ich mein des Accursi Gloß, ist so gar schmutzig, niederträchtig und voll Stanks, daß es ein rechtes Vomitiv und ein unfläthiger Abschaum ist. – Von Bourges weiter ging er gen Orleans; da fand er ein gutes Lümmel-Häuflein von Scholaren, die gaben ihm groß Traktament zum Willkomm, und in kurzer Zeit lernt' er von ihnen den Ballenschlag so aus dem Grund, daß er drinn Meister ward: denn die Studenten allda sind trefflich wohl geübt darinn: und führten ihn auch dann und wann auf die Inseln über, zum Boselspiel. Und daß er ihm den Kopf etwann mit vielem Studiren zerbrochen hätt, das ließ er fein bleiben aus Furcht blödsichtig davon zu werden: zumal ein Professorischer Quidam in seinen Lectionen öfters lehret' daß nichts den Augen so schädlich sey als das Augen-Uebel. Und eines Tags, als seiner guten Bekannten und Mitschüler einer zum Lizenziaten der Recht creirt ward, der, ob er schon von Gelehrsamkeit nicht über sein bescheiden Theil hätt, dafür ein desto besser Tänzer und fertiger Ballenschläger war, schrieb er das Symbolum und Devis der dortigen Lizenziaten; es lautet:


Einen Ball im Hosenschlitze,
In den Händen eine Pritsche,
Ein Gesetzlein in der Mütze,
Einen Lender in den Klaun
Wird man zum Bakalar gehaun.
Sechstes Kapitel
Sechstes Kapitel.

Wie Pantagruel einen Limousiner traf, welcher die Franzen-Sprach verhunzte.


Eines Tags, ich weiß selbst nicht mehr wanns war, spaziert' Pantraguel nach dem Abendbrod mit seinen Gesellen [200] zum Thor hinaus da man nach Paris zu gehet. Da begegnet er einem Schüler der ganz Schmuck und wohlgemuth des Weges kam, und nachdem sie einander gegrüsset, frug er ihn: Woher, mein Freund, um diese Stund? Antwort der Schüler: Aus der almen, inclytischen und celebern Academi, die man Lutezien vocitiret. – Was soll das heissen? frug Pantagruel einen von seinen Leuten. – Er meint, aus Paris, antwort' einer. – Also kommst du aus Paris? fuhr er fort. Und womit vertreibt ihr euch die Zeit, ihr Herren Studenten, in eurem Paris? Antwort der Schüler: Wir transfretiren die Sequan im Dilucul und im Crepuscul; wir deambuliren auf den Compiten und Quadrivien der Urb; wir despumiren die latialische Verbocination, und als verisimilische Amorabunden, captiren wir die Benevolenz des omnijudiken, omniformen und omnigenen feminischen Sexes. An manchen Dieculn invisiren wir Lupanarien am Champ Gaillard, Matcon, Bourbon, Hueleu oder im Sackgäßlein; da inkulkiren wir in venerischer Ekstas unsre Vereter in die penitissimen Rezeß der Pudenden amicabilissimischer Meretriculn. Dann cauponiziren wir in denen meritorischen Tabernen zum Tannenapfel, zur Magdalenen, zum Schlössel, oder auch beym Bundschuh, schöne vervecinische Spatuln perforaminiret mit Peterzilg. Und wenn durch Fortefortun etwann in unsern Marsupien Rarität oder Penuri des Pecuns entsteht und sie des ferruginischen Metalles exhauriret wären, dimittiren wir unsre Codiken und Vesten pignorischer Weis zur Zech, und prästoliren auf Zukunft derer Tabellarier von unsern patriotischen Laren und Penaten. – Was, rief Pantagruel, ist dieß für eine Teufelssprach? Du bist, so wahr mir Gott helf, ein Ketzer! – Ey, nicht doch, Senior, antwort der Schüler: denn libentissimlich, sobald nur vom Tag ein minutulisches [201] Streiflein illucesciret, demigrir ich in einen der schön architektirten Münster; und da mit schönem lustralischen Wasser mich irrorirend, knuspr ich mein Brösel ein und andrer missalischen Prezen unsrer Sacrificuler, und eluir und abstergir, indem ich meine horarischen Preculn dazu submirmilliren thu, meine Anim von ihren nocturnischen Inquinamenten. Ich reverir die Olympicolen, ich venerir den supernalischen Astripotenten latrialisch. Ich diligir und redamir all meine Proximer. Ich servir die dekalogischen Institut und discedir, nach Facultatul meiner Viren, um keines Unguiculs Lat davon. Zwar veriform ist, daß, weil Mammon in meinen Loculn keiner Gutten supergurgitiret, ich denen Egenen die ihre Stip hostiatimisch quäritiren, Elemosyn zu supererogiren ein wenig rar und lent bin. – Ey Quark! Quark! sprach Pantagruel. Was will der Narr? Ich glaub er macht uns hie eine Sprach der Teufel für, und will uns mit Zauberey verhexen. – Darauf sagt einer von seinen Leuten: Gnädigster Herr, ohn Zweifel will der Galan die Parisische Sprach nachäffen; aber er radebrecht nur das Latein, und hälts für hohen Pindarischen Schwung: meint Wunder was er für ein Meister in französischer Redkunst sey, wenn er die gemeine Sprechart verachtet. – Da frug ihn Pantagruel ob es wahr wär. – Der Schüler versetzt': O Senior Missari, mein Spirit ist keineswegs dazu apt nat, daß ich, wie dieser flagitiosische Nebulon spricht, unsere Gallische Vernacul crurifragiren sollt. Vielmehr, viceversalisch, navir ich Oper und enitir mit Velen und Ramen selbe durch latinicomische Redundanz zu locupletiren. – [202] Nun, sprach Pantagruel, bey Gott; ich werd euch reden lehren. Aber zuvor sag an, wo bist du her? – Drauf sprach der Schüler: Die primäre Orig meiner Aven und Ataven ist in den Lemovicischen Regionen indigenisch gewesen, allwo das Corp des hagiotaten Sanct Martialis requiesciret. – Ich versteh dich, sprach Pantagruel. Du bist mit Supp und Salz nichts weiter als ein ehrlicher Limousiner und wilt all hie Parisisch thun. Itzt komm, ich will dir die Kolb wohl lausen. Darauf nahm er ihn bey der Gurgel und sprach: Radebrechst du das Latein? so will ich beym Sanct Johann dich würgen bis du das Brechen kriegst unds wieder ausbrichst: denn ich will dir den Hals vom Rumpf brechen. – Da fing der arme Limousiner zu schreyen an und sprach: Jo Junkherr! so höre se do! helfa'n Sankt Marzel! au, au, oeiz lossa goih um Gottes Genod, und komm mir net z'noh! – So! sprach Pantagruel: Itzo redest du wie dir der Schnabel gewachsen ist, und ließ ihn los. Denn der arme Lateiner hätt sich die ganze Hos bekackt, die nicht mit rundem Boden, sondern auf Stockfischschwänzenart gemacht war: daß Pantagruel ausrief: Sankt Alipentin! so blas mir doch wo anders drein! Puh! Welch ein Stinkratz! Zum Geyer wär das Rettig-Maul! Pfui, wie er müfft! und ihn laufen ließ. Es blieb ihm aber sein Lebtag über ein solcher Gram und ward dermasen durstig darnach, daß er öfters zu sagen pflegt', Pantagruel hätt ihn bei der Kehl. Und etliche Jahr darauf verstarb er am Rolandstod, durch Gottes Finger und offenbares Strafgericht, uns einzuschärfen, was schon der Weise und Aulus Gellius längst gelehrt, daß wir nach üblicher Landesart zu reden uns befleissigen sollen, [203] und wie auch Cäsar verlegene Wort mit gleicher Sorgfalt zu meiden gebot wie Schiffer die Meeresklippen meiden.

Siebentes Kapitel
Siebentes Kapitel.

Wie Pantagruel gen Paris kam, und von den schönen Büchern der Liberey zu Sanct Victor.


Nachdem Pantagruel in Aurelians sehr brav studirt hätt, wollt er auch die grosse Universität zu Paris sehen. Vor seiner Abreis aber zeigt' man ihm an, daß bey Sanct Aignan im besagten Aurelians eine unmäßig grosse Glock schon über zweyhundert vierzehn Jahr in der Erden läg'; denn sie wär so groß, daß man mit keinerley Art von Hebzeug sie auch nur über Grund könnt rücken, obschon man alle Mittel und Weg dazu versucht hätt die Vitruvius de architectura, Albertus de re aedificatoria, Euclides, Theon, Archimedes und Hero de ingeniis lehren, es zög aber alls noch nicht. Demnach er der bescheidenen Bitt der Bürger und Einwohner dasigen Ortes ganz gern willfahrende versprach, sie auf den ihr bestimmten Thurn zu henken, hinging wo sie lag, und mit dem kleinen Finger euch die Glock so leichtlich aus der Erd hub wie ihr ein Sperber-Schellen hübet. Eh er sie aber im Thurn wieder aufhing, wollt er zuvor noch der Stadt damit ein Ständlein bringen, trug sie also und läutet' sie aus freier Hand durch alle Gassen zu grosser Lust des Volkes. Aber er richtet' damit ein sehr empfindlichs Unheil an: denn während er die Glock so umtrug und durch die Gassen läuten ließ, ward aller gute Wein in Orleans taub davon und schlug gar um, welches [204] die Leut erst abends darauf verspürten; denn auf den tauben Wein ward alle Welt so unmässig durstig, daß ihnen der Speichel in einem fort so weiß wie Malthesische Baumwoll vom Mund ging, und schrieen: Wir han den Pantagruel! und er hat uns die Kehlen versalzen!

Hierauf ging er gen Paris mit seinen Leuten, und bey seinem Einzug lief alle Welt hinaus ihn zu sehen; wie ihr denn wohl wißt daß das Volk in Paris ein Laff von Haus aus in B dur und moll ist: betrachteten ihn mit grossem Entsetzen, ja nicht ohn Furcht daß er ihnen das Stadthaus etwann wo andershin, in irgend ein Land a remotis trüg, wie sein Vater weiland die Glocken von Unser Frauen für seine Mär zum Halsband nahm. Und nachdem er daselbst eine Zeit lang gewohnt und alle sieben freye Künst mit allem Fleiß getrieben hätt, sagt er' es wär eine gute Stadt darinn zu leben, nicht aber zu sterben, weil sich die Pracher zu Sanct Innocenz an den Knochen der Todten die Aerß wärmten. Die Liberey zu Sanct Victor fand er sehr herrlich versehen, insonderheit mit etlichen Büchern so er da vorfand, von denen hie das Befundregister folget, et primo:


Bigua Salutis.

Hosackus juris.

Pantofla decretorum.

Malogranatum vitiorum.

Der theologische Garnknäul.

Das Plackholz der Prediger verfugt durch Turlupin.

Die Barrenhod der Tapfern.

[205] Das Bilsenkraut der Bischöf.

Memmendreckius de Affibus et Pavianis, cum commento Dorbellis.

Decretum universitatis Parisiensis super gorgiositatem muliercularum ad placitum.

Die Erscheinung der heiligen Gehl-Trud bey einer Nonn in Kindsnöthen zu Poissy.

Ars honeste farzandi in societate per M. Ortuinum.

Der Pönitenz Langschub.

Der Geduld-Strumpf oder alias Stiefel.

Formiciarium artium.

De Bouillonis usu, et honestate schöppeliundi, per Silvestrem Prieratem Jacobinum.

Der Gefoppte am Hof.

Der Notarien-Korb.

Das Ehstandsränzel.

Das Grubenlicht der Beschaulichkeit.

Die Flausen der Recht.

Der Wein-Stachel.

Der Käs-Sporn.

Schuhbutzium Scholarium.

Tartaretus de modo cacandi.

Die römische Baß-Posaun.

Bricot de differentiis Supparum.

Die After-Salb der Disciplin.

Der Demuth Pottschuh.

Der Dreyfuß guter Bußgedanken.

Der Großmuth Siedpfann.

Die Häkeleyen der Beichtiger.

[206] Das Knötel der Pfarrer.

Reverendi patris fratris Lubini, Gewaeschiae provincialis, de Spekseitiis schnappandis libri tres.

Pasquilli, doctoris marmorei, de capreolis cum Artischoco comedendis, tempore papali ab ecclesia interdicto.

Die heilige Kreuz-Findung, zu sechs Personen agiret durch die haarfeinen Clerici.

Die Brill der Rom-Fahrer.

Majoris, de modo worstifaciundi.

Der Prälaten Dudelsack.

Beda, de optimitate Kuttelium.

Der Advocaten Beschwer über die Reformation der Sportuln.

Der Procuratoren-Katzbalg.

Von Speckerbsen cum commento.

Des Ablaß Mast-Bissen.

Praeclarissimi juris utriusque doctoris Meister Plackarti Batzigrapii de fetzipletzendis glossae Accursianae Lappalibus repetitio enucidiluculidissima.

Stratagemata Freyschützii de Baignolet.

Freymauserus, de re militari, cum figuris Toffelii.

[207] De usu et utilitate abtegendi equos et equas, authore Magistro nostro de Quer-Kuh.

Das Bauerngrob der Dorfscholzen.

Magistri Nostri Rippenbrateselinklauii, de Senfo post prandium serviendo, lib. quatuordecim, appostillati per M. Vaurillonis.

Das Hodagium der Promotoren.

Jabolenus de cosmographia purgatorii.

Quaestio subtilissima, utrum Chimaera, in vacuo bombinans, possit comedere secundas intentiones: et fuit debatuta per decem hebdomadas in concilio Constantiensi.

Der Advocaten Hay-Schlund.

Schmatramenta Scoti.

Die Kahlmaus der Cardinäl.

De calcaribus removendis decades undecim, per M. Albericum de Rosata.

Ejusdem de castrametandis crinibus lib. tres.

Des Anton von Leven Einzug in Griechenland.

Marforii Baccalarii cubantis Romae, de strigilandis immummulandisque cardinalium mulis.

[208] Apologia Deß und Deß wider Die und Die so behaupten wollen daß des Papsts Maulthier nicht fressen könnt, ausser zu seinen bestimmten Stunden.

Prognosticatio quae incipit, Silvii Klingelsack, capriolata per M. N. Schnakentraumium.

Caldaunaei, episcopi, de emulgentiarum profectibus, enneades novem, cum privilegio papali ad triennium, et postea non.

Das Jungfern-Scherwenzel.

Der Wittwen Kahlarß.

Die Mönchs-Gugel.

Des Cölestinerordens Brimboria.

Der Manducanten Mauth-Gefäll.

Der Schliffel Zähnknapper.

Die Ratzfall der Gottesgelahrten.

Das Stiefelholz der Artemagistri.

Die Küchenjungen des Ockam mit einfacher Tonsur.

Magistri N. Tellerolecis, de grabelationibus horarum canonicarum, lib. quadraginta.

[209] Purzikekelium confratriarum, incerto authore.

Die Schalaun der Lollenbrüder.

Der Spanier Stinkbrodern, superantiquikapuzuliret durch Fra Inigo.

Die Brummkreß der Topfschlecker.

Hasifusicitas rerum Italicarum, authore magistro Bruslefer.

Raimundus Lullius de Narripossagiis principum.

Fitzliputzelium Kuttaismi, actore M. Jacobo Hogstraten haereticometra.

Warmhodionis de magistro nostrandorum magistro nostratorumque Trink-Liniis, lib. octo galantissimi.

Der Bullisten, Copisten, Scriptoren, Abbreviatoren, Referendarien und Datarien Pferdskracher compiliret durch Regis.

Immerwährender Kalender für Gichtische und Venerische.

Manieries Schlotfegiundi per M. Eccium.

Der Krämer Spuckat.

Die Gemächlichkeiten des Mönchlebeus.

[210] Das Mengelmuß der Bigoten.

Die Geschicht der Irrwisch.

Die Bettelstraß der Tausendbatzer.

Der Offizialen Gimpel-Schneis.

Der Cassierer-Driesel.

Wischiwaschata Sophistarum.

Antipericatametanaparbuzidiamphicribrationes mendicantium.

Der Reimdreher Windelschneck.

Der Alchymisten Blasbalg.

Das Zwickzwack der Bettelmönch verschnappsackt durch Bruder Fassatis.

Die Beinschellen der Religion.

Die Ballenpritsch der Bumbaumer.

Des Alters Armstütz.

Des Adels Beißkorb.

Das Affenpaternoster.

Die Daumschnüren der Andacht.

Der Quartanfasten Klostopf.

Der Politik Mörser.

Der Kläusner Mucken-Fächel.

Das Käppel der Penitenziarier.

Das Tricktrack der Klopfbrüder.

Bengelis de vita et honestate Hosiprangerum.

Liripii sorbonici moralisationes, per M. Lutpoldum.

Das Krimskrams der Reisenden.

Pottig der Potativbischöf.

[211] Zedrimordiones doctorum Coloniensium adversus Reuchlin.

Der Damen Schellenspiel.

Die Martingalische Kackerhos.

Vulpischwenzium Heyducorum per F. Pediflink.

Die fröhligen Schuhpletzer.

Mummschanz der Kobolt und Poltergeister.

Gerson, de auferibilitate papae ab ecclesia.

Die Alpenschleif der Graduirten und Ernannten.

Jo. Dytebrodii, de terribilitate excommunicationum libellulus acephalos.

Ingeniositas invocandi diabolos, et diabolas, per M. Gingulphum.

Das Potpourry der Perpetuonen.

Die Ketzer-Moresk.

Die Gramanzen Cajetani.

Netzenschnut, doctoris cherubici, de origine Rauchhandionum et Duckmaeuserium ritibus, lib. septem.

Neunundsechzig Breviarien vom dicken Schmeer.

Die Gauchmär der fünf Bettelorden.

Das Pelzwerk der Tirlupin extrahiret aus dem in die englische Summa incornifistibulirten Fahlstiefel.

Punktirbuch der Gewissensfäll.

[212] Der Präsidenten Prallwanst.

Asinikopium der Aebt.

Sutoris, adversus quendam qui vocaverat eum Schubiacum, et quod Schubiaci non sunt damnati ab ecclesia.

Cacatorium medicorum.

Der astrologische Schlotfeger.

Campi clysteriorum per § C.

Der Apotheker Furzzang.

Der Chirurgi Steißkuß.

Justinianus de capucis tollendis.

Antidotarium animae.

Merlinus Coccaius, de patria diabolorum.

Von denen etliche bereits gedruckt sind, und die übrigen soeben unter der Preß befindlich zu Tübingen der guten Stadt.

Achtes Kapitel
Achtes Kapitel.

Wie Pantagruel zu Paris von seinem Vater Gargantua ein Schreiben erhielt; nebst Abschrift desselben.


Pantagruel studirt' sehr brav, wie ihr leicht denken könnt, und bracht auch was stattlichs für sich, denn er hätt einen [213] dreymal genäheten Geist und ein Gedächtniß wie zwölf Kufen und Oelschläuch weit: und eines Tages während er so daselbst sich aufhielt, überkam er von seinem Vater ein Schreiben welches lautet' wie folgt:

Vielgeliebter Sohn, unter den Gnadengütern und Vorzügen womit der allmächtige Protoplastes Gott, die Natur des Menschen in ihrem Ursprung begabt und ausgerüstet hat, scheinet mir der vor allen herrlich und einzig zu seyn, durch welchen sie in ihrem sterblichen Zustand schon eine Art von Unsterblichkeit zu erlangen und im Verlauf des flüchtigen Lebens ihren Namen und Saamen zu verewigen befähigt wird. Welches durch unsers Leibes Abkunft im rechtmässigen Ehstand geschieht, wodurch uns einigermaasen ersetzt wird was wir durch unsrer ersten Eltern Uebertretung verloren haben: zu denen gesagt ward, weil sie nicht des Schöpfers Geboten folgsam gewesen, so sollten sie sterben und durch Tod diese so wunderwürdige Bildung darinn der Mensch er schaffen war, wiederum vernichtet werden.

Nun aber verbleibt, auf diesem Wege saamlicher Fortpflanzung, in den Kindern was den Eltern verloren ging, und in den Enkeln, was den Kindern abhanden kam, und immer so fort bis zur Stund des jüngsten Gerichtes, da Jesus Christus Gott dem Vater sein Friedensreich ohne alle Fährd und Sündenbefleckung wird wieder bringen. Denn alsdann wird alle Zeugung und Verderbniß aufhören, und werden die Element ihres ewigen Wechsels entbunden seyn, weil der so lang ersehnte Friede geschlossen und vollzogen ist und alle Ding ihr End und Ziel gefunden haben.

Derhalb ich dann wohl eine gerechte und billige Ursach Gott meinem Erhalter zu danken hab, daß er mich dahin aufgesparet, mein graues Alter in deiner Jugend wiederum neu erblühen zu sehen. Denn wann dereinst, nach Dessen Rath der alles leitet und regiert, auch meine Seel diese irdische Wohnung verlassen muß, werd ich mich doch nicht gänzlich für gestorben achten, vielmehr von einem Orte nur an einen andern zu gehen meinen, maasen ich in dir und durch dich mit meiner sichtbaren Leibesgestalt auf dieser Erde lebend, sehend, in der Gemeinschaft wackerer Leut und meiner Freund, so wie ich pflag, zurückverbleibe. Welche Gemeinschaft [214] an meinem Theil, mit göttlicher Gnad und Beystand, ich bekenn es, zwar nicht frey von Sünd (denn wir sündigen all und rufen unabläßlich zu Gott um Tilgung unsrer Missethat) doch frey von Schimpf gewesen ist.

Wenn demnach, wie in dir das Bild von meinem Leibe bleibt, nicht auch der Seele Sitten leuchten sollten, würd man nicht glauben wollen daß du der Hort und Wächter von unsers Namens Unsterblichkeit wärest, und die Freud die mir daraus erwuchs, wär klein, wenn ich nun sehen und denken müßt, daß der geringste Theil von mir, welches der Leib ist, überblieb, und der beste die Seel', die unsern Namen unter den Menschen im Segen erhält, entartet und verkümmert wäre.

Solches sag ich nun nicht etwann aus Mißtraun gegen deine Tugend die ich vorlängst erprobt, vielmehr um dich zu immer besserem Wachsthum im Guten dadurch aufzumuntern. Und was ich dir itzunder schreib, ist nicht sowohl dahin gemeinet, daß du dieß Tugendleben erst führen, sondern also zu leben oder gelebt zu haben dich freuen solltest, und deinen Muth auch für die Zukunft dazu bestärken. Welchen Fürsatz ins Werk zu richten und auszuführen, dir wohl erinnerlich seyn kann daß ich nichts gespart hab, sondern immer dir so dabey zu Handen gegangen, als wenn ich weiter auf dieser Welt keinen Schatz hätt als dermaleinst in meinem Leben nur dich vollkommen tüchtig zu sehen, so in Tugenden, Zucht, und Mannheit, wie in allen freyen und wohlanständigen Künsten und Wissenschaften, und dich also nach meinem Tod wie einen Spiegel meiner selbsten, deines Vaters, zu hinterlassen; wenn nicht in Wahrheit ganz so herrlich als ich mirs wünscht, doch in der Hoffnung.

Aber obschon mein seeliger Vater hochgesegneten Angedenkens, Grandgoschier alles Eifers bemüht war daß ich in jeder Vollkommenheit und politischen Weisheit erwachsen möcht, auch meine Anstrengung und Fleiß seinem Verlangen gar wohl entsprach, ja ihm zuvor eilt', so war dennoch, wie du von selbst einsiehst, die Zeit den Künsten damals nicht so gelegen, noch günstig wie sie jetzo ist. Ich konnt nicht solche Lehrer haben wie du hast: die Zeiten waren finster, schmeckten noch nach der Gothen Qual und Barbarey, die alle gute Literatur zu Grunde gerichtet. Aber mit Gottes [215] Hülf ist den Künsten bei meiner Zeit ihr Licht und Ansehn wiedergegeben; ich seh, es hat sich damit um ein so merklichs gebessert, daß ich jetzt mit genauer Noth in die erste Claß der kleinen Schulfüchs recipiret werden möcht, der ich in meinem Mannesalter für den Gelahrtesten des Jahrhunderts (und nicht mit Unrecht) gegolten hab.

Welches ich nicht aus eitler Ruhmredigkeit von mir sag, obschon ichs in einem Schreiben an Dich geziemend thun könnt, wie du dafür des Marcus Tullius Ansehen hast in seinem Buch vom Alter, und Plutarchens Ausspruch in der Schrift: Wie wir uns ungehässig selbst berühmen kön nen, sondern um dir zum Höhertrachten Lust zu machen.

Anitzt sind alle Disciplinen wieder herhestellt, die Sprachen erneuert, Griechisch, ohn welches eine Schand wär sich einen Gelahrten nennen zu wollen, Hebräisch, Chaldäisch, Latein: es sind die so correcten zierlichen Bücher mit Druckschrift nun in Umlauf kommen, die man durch göttliche Eingebung in meinen Tagen erfunden hat, gleichwie im Wiederspiel das Geschütz auf des Teufels Antrieb. Die ganze Welt ist voll gelahrter Männer, hochbelesener Lehrer, voll reichbegabter Büchersäl, und dünket mich daß eine solche Bequemlichkeit der Studien wie man itzo siehet, weder zu Plato noch Cicero Zeiten, noch Papiniani gewesen sey. Und wird sich künftig in Gesellschaft gar keiner mehr herfürtraun dürfen, der nicht in der Minerva Werkstatt recht aus dem Grund poliret ist. Ich seh, es sind die Strassenräuber, Stallbuben, Waghäls und Henkersknecht itzund gescheiter als die Doctoren und Prediger zu meiner Zeit.

Ja was sage ich? Selbst die Frauen und Mägdlein hat nach diesem Lob und himmlischen Manna guter Erkenntniß gelüstet, und ist so weit kommen, daß ich in meinem Alter noch, darinn ich steh, die griechische Schrifft bin zu erlernen genöthigt gewesen, die ich in meinen jungen Jahren zwar nicht, wie Cato, verachtet, aber doch zu ergreifen nicht Zeit [216] gehabt. Und find ein groß Gefallen daran die Moralien des Plutarch zu lesen, die schönen Platonischen Gespräch, die Monument des Pausanias und Alterthümer Athenäi, in Erwartung der Stund da Gott mein Schöpfer mich nach seinem Rath abfordern und aus dieser Welt zu seinen Freuden berufen wird.

Darum, mein Sohn, ermahn ich dich deine Jugend mit allem Fleiß den Studien und der Tugend zu widmen. Du bist in Paris, hast deinen Lehrer Epistemon: die können dich, beyde sowohl durch löblich Beyspiel als lebendigen mündlichen Rath unterweisen. Ich versteh und will daß du die Sprachen gründlich erlernest: erstens Griechisch, wie Quinctilian will; zweitens Lateinisch und demnächst Hebräisch wegen der heiligen Schrifften, auch Chaldäisch und Arabisch aus dem Grund; und deinen Stylus, im Griechischen nach Platon's Muster formirest, im Lateinischen nach Cicero. Von Historien müss' es nichts geben, das dir nicht all im Gedächtniß treu geläufig wär; wozu dir die Cosmographi der Scribenten darüber wird behülflich seyn. Von freyen Künsten, als Musik, Arithmetik und Geometri hab ich dir schon als du noch klein warst, in deinem fünften bis sechsten Jahr einen Vorschmack gegeben. Geh weiter darinn: und in der Astronomi, bemeistre dich aller ihrer Canonum. Mit divinatorischer Astrologi und Lullius-Künsten gieb dich nicht ab, denn es ist eitel Unfug und Thorheit. Von bürgerlichen Rechten will ich daß du die schönen Text auswendig im Kopfe habest und sie mir mit Philosophi wohl conferirest.

Anlangend die Kenntniß natürlicher Ding, verlang ich daß du dich darauf mit Fleiß verlegest, daß kein Meer, See, Fluß noch Quell sey, davon du nicht die Fische wüßtest. Alle Vögel des Himmels, alle Bäum, Gebüsch und Sträuch der Wälder, alle Kräuter der Erden, alle Erz im Schoos des Abgrunds, alle Gestein soviel das ganze Morgenland und Mittag hegt, nichts müsse dir verborgen bleiben.

Dann forsche wieder emsiglich die Bücher der griechischen, arabischen und lateinischen Aerzte durch, auch die Thalmudisten und Cabalisten nicht zu verachten, und sammle dir durch öfters angestellte Sectiones eine vollkommene Erkenntniß der andern Welt welches der Mensch ist. Fange zu einigen Stunden des Tages die heiligen Schrifften zu treiben [217] an, erst griechisch das neue Testament und die Brief der Apostel, dann hebräisch das alte. Ja mit Einem Wort, tauche dich in ein Meer des Wissens. Denn hinfüro, da du nun groß und ein Mann wirst, kannst du in dieser gelehrten Ruh und Zufriedenheit nicht lange mehr weilen, wirst das Waffenhandwerk und Ritterthum erlernen müssen zu Schutz und Schirm meines Hauses, zu Vertheidigung unserer Freund in all ihren Händeln wider die Ueberläuf der Bösen. Ist also kürzlich mein Begehr daß du dich selbst versuchen sollst wie viel du gelernt hast, welches du nicht besser thun kannst, als durch Verfechtung etlicher Sätz in allerley Wissenschaft öffentlich wider all und jeden, wie auch durch Umgang mit den Gelahrten, so zu Paris als anderwärts.

Weil aber nach Salomons wahrem Wort die Weisheit nicht kommt in die Seelen der Bösen, und Wissen ohn Gewissen nichts anders als der Seelen Tod ist, so soll du Gott dienen, Ihn lieben, fürchten und auf Ihn dein ganzes Sinnen und Hoffen setzen, und stark im Glauben durch die Lieb, Ihm also fest verbunden seyn, daß dich die Sünd ihm nimmermehr entreissen mag. Trau nicht dem Irrsal der Welt. Hänge dein Herz nicht an Eitelkeit: denn dieses Leben ist vergänglich, aber des Herren Wort bleibet ewig. Sey allen deinen Nächsten gern zu Diensten, liebe sie wie dich selbst. Ehre deine Lehrer, fliehe die Gemeinschaft derer, denen du nicht willst gleich seyn, und die Gaben die du von Gott empfangen hast, laß sie dir nicht umsonst verliehn seyn. Und wenn du vollends dort alle Weisheit erworben zu haben spüren wirst, komm wieder zu mir, daß ich dich seh und meinen Segen dir geb eh ich sterbe.

Mein Sohn, der Friede und die Gnad unseres Herren sey mit dir. Amen. Aus Utopien am siebenzehnten des Märzmonats, dein Vater Gargantua.

Auf Sicht und Lesung dieses Schreibens fasset Pantagruel frischen Muth und ward zum Lernen mehr als je zuvor entzündet, dergestalt, daß ihr, wenn ihr ihn hättet studieren und in Erkenntnis wachsen sehen, von seinem Geist hättet sagen müssen, daß er unter den Büchern wär was die Flamm im dürren Reissig; so unermüdlich risch und lodernd.

Neuntes Kapitel
[218] Neuntes Kapitel.

Wie Pantagruel den Panurg fand, den er sein ganzes Leben lang lieb hätt.


Als eines Tags Pantagruel vor der Stadt, nach der Abtey Sanct Anton zu spazieren ging, mit seinen Leuten und etlichen Schülern in philosophischem Zwiesprach begriffen, traf er euch einen Menschen an, von schöner Statur und wohl formirt in allen Leibesproportionen, aber an mehreren Stellen elend zerlumpt und so übel zugericht, daß er den Hunden entlaufen schien, oder vielmehr einem Aepfelbrecher aus dem Percher-Land ähnlich sah. Sobald Pantagruel ihn von weitem erblickte, sprach er zu seinen Gefährten: Seht ihr den Menschen der dort von der Charenton-Brucken auf uns zukommt? Er ist bey meiner Treu nicht arm als durch Unglück: denn ich sage euch, seiner Physionomi nach zu schliessen, hat die Natur ihn aus einem reichen und adligen Geschlecht erzeugt. Aber die Fata der Wißbegierigen haben ihn so in Dürftigkeit und Mangel gebracht. – Und wie er nun eben bis mitten unter sie gekommen war, rief er ihn an: Mein Freund, ich bitt euch, wollet allhie ein wenig verziehen und mir auf meine Fragen Bescheid thun: es soll euch auch fürwahr nicht reuen, denn ich hab eine gar grosse Neigung euch beyzustehen in eurer Noth dar inn ich euch seh': ihr jammert mich sehr. Darum, mein Freund, sagt mir: wer seyd ihr? von wannen kommt ihr? wohin denkt ihr? was sucht ihr? und wie heisset ihr? – Der Gesell antwortet ihm hierauf in Germanischer Sprach: Junker, Gott geb euch Glück und Heil zuvor. Lieber Junker, ich laß euch wissen, das da ihr mich von fragt, ist ein arm und erbärmlich Ding, und wer viel darvon zu sagen, welches euch verdruslich zu hören, und mir zu erzelen wer, wiewol die Poeten und Orators vorzeiten haben gesagt in iren Sprüchen und Sentenzen, daß die Gedechtnus des Ellends und Armuot vorlangst erlitten ist ain grosser Lust.[219] – Da sprach Pantagruel: Mein Freund, ich versteh nicht dieses Kauderwelsch; drum redet eine andre Sprach, wenn ihr wollt, daß man euch versteh. – Und der Gesell antwortet ihm: Albarildim gotfano dechmin brin alabo dordio falbroth ringuam albaras. Nin portzadikin almucatin milko prin alelmin en thoth dalheben ensouim: kuthim al dum alkatim nim broth dechoth porth min michais im endoth, pruch dalmaisoulum hol moth danfrihim lupaldas im voldemoth. Nin hur diavosth mnarbotim dalgousch palfrapin duch im scoth pruch galeth dal Chinon, min foulchrich al conin butathen doth dal prin.

Versteht Ihr was? frug Pantagruel die Versammelten. – Ich glaub, antwortet' Epistemon, es ist die Sprach der Antipoden; der Teufel selber kriegt da nix los von. – Drauf sagt Pantagruel: Gevatter, ich weiß nicht ob euch etwann die Mauern verstehen, doch von uns hie kein Mensch ein Wort. – Da sprach der Gesell: Signor mio, voi vedete per essempio che la cornamusa non suona mai, s'ella non ha il ventre pieno: cosi io parimente non vi saprei contare le mie fortune, se prima il tribulato ventre non ha la solita refettione. At quale è adviso che le mani e li denti habbiano perso il loro ordine naturale e del tutto annichillati. – Es ist all eins; eins wie das andr', antwort Epistemon. – Da sprach Panurg: Lord, if you be so vertuous of intelligence, as you be naturally releaved to the body, you should have pity of me: for nature hath made us equal, but fortune hath some exalted, and others deprived; nevertheleß is vertue often deprived, and the vertuous men despised: for before the last end none is good. – Noch weniger, antwort Pantagruel. – So sprach Panurg: Jona [220] andie guaussa goussy etan beharda er remedio beharde versela ysser landa. Anbat es otoy y es nausu ey nessassust gourray proposian ordine den. Nonyssena bayta facheria egabe gen herassy badia sadassu noura assia. Aran hondavan gualde cydassu naydassuna. Estou oussyc eg vinan soury hien er darstura eguy harm. Genicoa plasar vadu. – Habt ihrs itzt weg? antwort Eudämon, gelt, Genicoa?

Stoß mich der Schott Sanct Trinian, rief Karpalim, wenn ichs nicht bald verstanden hätt! – Panurg antwortet: Prust frest frinst sorgdmand strochdt drnds pag brlelang Gravot Chavigny Pomardiere rusth pkaldracg Deviniere bey Nays. Hod kalmuch monach drupp del meupplist rincq drlnd dodelb up drent Loch minc stz rinq jald die Win ders Franzkan bur jocst plckholzen. – Darauf sagt' Epistemon: Redest du christlich, Freund, oder Patelinisch? Nein, es ist die Laternensprach. – Panurg fuhr fort: Heere, ik en spreeke anders geen täle dan kersten däle; my dunkt noghtans, al en seg ik u niet een woordt, mynen noot verklärt genögh wat ik begeere: geeft my uyt bermhertigheyt yets waar van ik gevoet magh zyn. – Deßgleichen, sprach Pantagruel. – Panurg versetzt': Senor, de tanto hablar yo soy cansado, porque sublico a vuestra reverentia que mire a los preceptos evangelicos, para que ellos movan vuestra reverentia a lo que es de conscientia, y sie ellos non bastaren, para mover vuestra reverentia a piedad, yo suplico que mire a la piedad natural, la qual yo creo que le movera como es de razon: y con esso non digo mas.[221] – Darauf antwortet' Pantagruel: Ey Freund, ich zweifel keineswegs daß ihr nicht mehrere Sprachen könnt reden, aber saget uns was ihr wollt, in einer die wir verstehen können. – Da sprach der Gesell: Min Herre, endog ieg med ingen tunge talede, ligesom börn, oc uskellige creature. Mine klädebon oc mit legoms magerhed uduiser alligeuel klarlig huad ting mig best behof gioris, som er sandelig mad oc dricke. Huorfor forbarme dig ofuer mig, oc befal at giue mig noguet, af huilcket ieg kand styre min giöendis mage, ligeruiis som mand Cerbero en suppe forsetter. Saa skalt du lefue länge oc lycksalig. – Ich glaub, sprach Eusthenes, so haben die Gothen geredt; und, geliebt' es Gott, würden wir so mit dem Arsche reden.

Itzt sprach der Gesell: Adon, scalôm lecha: im ischar harob hal hebdeca bimeherah thithen li kikar lehem; chanchat ub laah al Adonai cho nen ral.

Darauf antwortet Epistemon: Jetzt hab' ichs verstanden, es war Hebräisch und gut rhetorisch ausgedruckt.

Der Gesell sprach weiter: Despota tinyn panagathe, diati sy mi ouk artodotis? horas gar limo analiscomenon eme athlion, ke en to metaxy me ouk eleis oudamos, zetis de par emou ha ou chre. Ke homos philologi pantes homologousi tote logous te ke remata peritta hyparchin, hopote pragma afto pasi delon esti. Entha gar anankeï monon logi isin, hina pragmata (hon peri amphisbetoumen), me prosphoros epiphenete. – Was? was? sprach Karpalim, [222] Pontagruels Leiblakay, dieß ist ja Griechisch: ich habs verstanden. Ey wie dann? hast du in Griechenland hausiret?

Und der Gesell sprach: Agonou dont oussys vous denagnez algarou: nou den farou zamist vou mariston ulbrou, fousques voubrol tam bredaguez moupreton den goulhoust, daguez daguez nou cropys fost pardonnoflist nougrou. Agou paston tol nalprissys hourtou lod ecbatonous, prou dhouquys brol pany gou den bascrou noudous caguous goulfren goul oustaroppassou.

Dieß mein ich zu verstehen, sprach Pantagruel: denn es ist entweder meine Utopische Landessprach, oder kommt ihr doch dem Schall nach ziemlich nah. – Und wie er nun eben ein Gespräch anfangen wollte, sprach der Gesell: Jam toties vos per sacra perque deos deasque omnes obtestatus sum, ut si qua vos pietas permovet, egestatem meam solaremini, nec hilum proficio clamans et ejulans. Sinite, quäso, sinite, viri impii, quo me fata vocant abire, nec ultra vanis vestris interpellationibus obtundatis, memores veteris illius adagii, quo venter famelicus auriculis carere dicitur.

Aber, mein Freund, sprach Pantagruel, könnt ihr denn nicht Französisch reden? – Ey freylich, Herr, antwort der Gesell: ist Gott sey Dank meine leibliche Sprach, meine Muttersprach, denn ich bin im Garten von Frankreich, in Tourain' geboren und groß erzogen. – Nun dann, so sagt uns, sprach Pantagruel, euern Namen und wo ihr her kommt; denn meiner Treu ich hab euch schon so sehr ins Herz geschlossen, daß wenn ihr mir willfährig seyn wollt, so sollt ihr mir nicht von der Seiten kommen, und ihr und wir wolln ein neues Freundespaar werden, wie Aeneas und Achates.

[223] Gestrenger Herr, spricht der Gesell, mein eigentlicher und wahrer Taufnam ist Panurg und komm itzunder aus der Türkey, wohin ich nach dem Unglückszug vor Metelin, in Gefangenschaft kam; und wollt euch gar gern meine Fata erzählen, die wunderlicher als die Fahrten des Ulysses gewesen sind: weil es euch aber einmal beliebt mich bey euch zu behalten, auch ich das Erbieten gern ergreif mit Betheuerung nimmer von euch zu lassen, und wenn ihr zu allen Teufeln ginget: so werden wir wohl ein andermal bey guter Weil und gelegnerer Zeit davon reden können. Denn für itzo hab ich fast dringende Essenslust, leeren Magen, scharfe Zähn, verdürrte Gurgel, brüllenden Hunger; alles ist darauf eingericht. Wenn ihr mir Arbeit geben wollt, wird es ein Fest seyn mich mumpfen zu sehen. O um Gottes Willen bestellet es! – Da befahl Pantagruel daß man ihn in sein Quartier brächt und ihm tüchtig zu leben auftrüg: wie auch geschah. Und aß zu Abend meisterlich, ging mit den Hühnern zu Bett und schlief bis andern Tags zur Tischstund, da er dann wieder mit drey Schritten und einem Sprung vom Bett am Tisch war.

Zehntes Kapitel
Zehntes Kapitel.

Wie Pantagruel einen ausnehmend dunklen und schwierigen Rechtsstreit unparteiisch und so gerecht entschied, daß man sein Urtheil erstaunenswerth fand.


Pantagruel, der Brief und Ermahnungen seines Vaters wohl eingedenk, wollt auch einmal sehen wieviel er gelernt hätt. Schlug also Theses an alle Ecken der Stadt, aus allen Wissenschaften, neuntausend siebenhundert vierundsechzig an der Zahl an, in welchen er die wichtigsten Zweifel [224] in jeder Scienz beregt'. Und respondiret' erstlich in der Futtergass allen Artisten, Oratoren und Professoren, und setzt' sie all auf den Hintersten. Darauf turnirt' er in der Sorbonn mit allen Theologen ganzer sechs Wochen lang von morgens vier Uhr bis abends sechs, allein mit Ausnahm zweyer Stunden Stillestands zur Atzung und Leibesrecreation: daß man nicht etwann denk er hätt die Sorbonischen Gottesleut am Schoppen und ihrer gewöhnlichen Kehl-Netz wollen behindern. Und assistirten dabey die mehresten Herren der Obergerichtshöf, Requetenmeister, Präsidenten, Räth, Rentbeamten, Secretarien, Advocaten und Andre, nebst den Schöffen der Stadt, den Medizinern und Canonisten. Und denket nur daß sich dieselben meistentheils sehr straff ins Zeug geworfen hatten; aber mit all ihren Subtilitäten und Finten jagt' er sie gleichwohl ins Bockshorn, und bewies ihnen augenscheinlich daß sie samt und sonders nichts weiter als eingemantelte Kälber wären. Darob dann aller Leute Mund seiner erstaunlichen Weisheit voll ward, bis auf die guten Waschweiblein, die Kuppeltruden, Messerhöken, Brätelbraterinnen und mehr solchs Volk, die, wenn er des Weges kam, ausriefen: Das ist er! woran er sein Gefallen fand, wie Demosthenes der griechischen Redner Oberhaupt, wenn eine alte grumme Vettel auf ihn mit dem Finger zeigt' und sprach: das ist Der!

Um eben die Zeit nun war ein Prozeß vorm Oberhofgericht anhängig zwischen zween Hohen vom Adel, dem Herrn von Leckarß Klägern eines Theils, und dem Herrn von Saugefist, Beklagten am andern, deren Sach in Rechten also steil und schwierig befunden ward, daß das Parlament davon nicht mehr zu sagen wußt als vom Hochdeutsch. Da dann auf Befehl des Königs aus allen Parlamenten in Frankreich vier der Gelahrtesten und Dicksten versammelt worden waren, nebst dem hohen Rath und allen ersten Doctoren der Universitäten, nicht nur in Frankreich, sondern auch aus England und Italien, als Jason, Philipp Decius, [225] Petrus de Petronibus, und ein Haufen andrer alter Haubitzen mehr. Und waren also schon ganzer sechsundvierzig Wochen versammelt gewesen, ohn daß sie's hätten erknacken mögen noch deutlich hinter dem Casus kommen, daß sie ihn auf dem Wege Rechtens nur einigermaasen in Schick gebracht. Darob sie zuletzt so giftig wurden, daß sie vor Schaam elendiglich in die Hosen machten. Doch eines Tags, nachdem sie sich beynah die Köpf zerspintisiret, nahm einer von ihnen, namens Du Douhet, der gelahrteste, klügste und erfahrenste von allen, das Wort und sprach: Ihr Herren, wir sitzen nun schon so lang hie und schaffen nix als daß wir unser Geld verthun, ersehen der Sach weder Grund noch Boden: je mehr wir studieren, je minder verstehen wir davon: dieß ist uns doch führwahr eine grosse Schmach und Gewissenslast; und werden meines Bedünkens nicht mit Ehren aus diesem Handel scheiden, denn unser ganzes Consultiren ist nur eitel Faseley. Doch höret was ich erwogen hab. Ihr habt wohl von dem grossen Menschen, dem Meister Pantagruel reden hören, dessen Gelehrsamkeit alles Maas der heutigen Welt übersteigen soll, wie man aus seinen öffentlich mit aller Welt gehaltnen grossen Disputationen ersehen hat, Ich bin der Meinung daß wir ihn rufen und über diese Sach mit ihm Raths pflegen; denn es kommt doch kein Mensch damit zu Rand, wenn Er's nicht thut. Deß waren denn all die Räth und Doctoren auch wohl zufrieden, sandten eiligst aus nach ihm, und baten er woll den Prozeß fein gründlich durchsichten, beuteln und reutern, und ihnen nach wahrem Rechtsbefund darüber sein Bericht erstatten. Stellten ihm auch zu eignen Händen die Protokoll und Akten aus, an denen vier starke Eselshengst zu schleppen hatten.

Pantagruel aber frug sie: Ihr Herren, sind die zween Junker, die diesen Prozeß mit einander führen, annoch am Leben, oder nicht? – Und sie bejahetens. – Nun dann, zum Teufel, sprach er, was soll mir dann all der Papierwust [226] und dieß Geschmier das ihr da bringt? Ists nicht gescheiter man hört sie selber ihre Sach mit lebendiger Stimm ausführen, als daß man die Meerkätzereyen liest, die doch nichts weiter als Lug und Trug, Cepolistische Teufels-Cautelen und Rechtsverdrehereyen sind? denn ich weiß wohl, ihr selbst und alle durch deren Händ der Prozeß gegangen, habt pro et contra was ihr nur konntet darein gemantscht, und statt daß anfangs ihr Handel leicht zu entscheiden und klar war, habt ihr ihn erst noch recht verdunkelt mit albernen unverständigen Clausuln, den abgeschmackten Meinungen eures Accursi, Baldi, Bartoli, de Castro, de Imola, Panormi, Hippolyti, Bertachin, Alexander, Curtii und andrer alter Köder mehr, die niemals auch nur das kleinste Gesetz in den Pandekten verstanden haben, und weiter nichts als samt und sonders grosse Zehntkälber gewesen sind, unwissend in jedem Erforderniß zu einer gründlichen Rechtserkenntniß. Denn sie haben (wie weltbekannt) weder Lateinisch noch Griechisch verstanden, sondern blos Gothisch und Barbarisch: und gleichwohl sind erstlich die Gesetz von den Griechen entlehnet, wie ihr dafür das Zeugnis Ulpiani habt, 1. posteriori de origine juris, und alle Gesetz sind voller griechischer Wort und Sinnsprüch. Und zweytens sind sie im allerfeinsten und zierlichsten Latein verfaßt das in der ganzen lateinischen Sprach nur zu finden ist, davon ich ungern weder den Cicero noch Sallustius, noch Varro, Plinius, [227] Seneca, Titus Livius noch Quinctilian ausnehmen möcht. Wie hätten dann nun diese alten Träumer wohl die Gesetzestext verstehen wollen, da ihnen niemals ein gutes Buch in lateinischer Sprach vor Augen ist kommen? Wie auch an ihrem Stylo ersichtlich, denn es ist mehr ein Schlotfegerstylus, vielmehr ein Küchen- und Topflatein als das Latein eines Rechtsgelahrten.

Zudem, so sind uns die Gesetz aus dem innersten Schoos der moralischen und natürlichen Philosophi entsprungen: was können doch also die Narren davon wissen, die bey Gott! in der Philosophi noch nicht so weit sind als mein Maulthier? Und was die Humaniora, Geschicht und Kenntniß der Antiquitäten betrifft, davon strotzen sie wie die Kröt von Federn; es nutzt ihnen just so viel als wie der Kuh Muskatennuß: und gleichwohl sind davon die Recht ganz voll, ohn dieß nicht zu verstehen; wie ich in Schriften nächster Tag ausführlicher zu zeigen denke.

So ihr denn also ein Erkenntniß in diesem Prozeß von mir haben wollt, verbrennet mir vor allen Dingen all dieß Papier, und zweytens lasset die beyden Junker in Person hie vor mich kommen, da ich dann, wenn ich sie werd vernommen haben, euch meine Meinung unumwunden ohn allen Hinterhalt sagen will.

Dem widersprachen nun zwar Etliche unter ihnen, wie ihr denn wißt daß es in einer jeden Gemein mehr Narren als gescheite Leut giebt, und der grössere Theil allzeit den bessern überwiegt, wie Titus Livius von den Karthaginensern schreibet. Aber der vorermeldte Du Douhet hielt ihnen mannhaften Widerpart, behauptet', Pantagruel hätt recht: all diese Akten, Salvationen, Repliken, Dupliken, Exceptionen, Appelationen und Teufelszeugs wär weiter nichts als Rechtsverschleif und Prozeßhemmsal und würd der Teufel sie allesamt mit einander holen, wo sie nicht anders zu Werke gingen, nach evangelisch philosophischer Billigkeit. In Summ, es wurden all die Papier verbrannt, und lud man die beiden Innker persönlich für.

Da sprach Pantagruel zu ihnen: Seyd ihr es, die ihr den grossen Streit mit einander habt? – Ja, gnädigster[228] Herr: antworteten sie. – Und welcher von euch ist der Kläger? – Ich bins, sprach Herr von Leckarß. – Nun, mein Freund, so erzählet uns also Punkt für Punkt euern Handel rein nach der Wahrheit: denn bey dem hohen Sacrament! wo ihr auch nur ein Wort dran lügt, hol ich den Kopf euch von den Schultern, und will euch weisen daß man in Rechten und vor Gericht nur die lautere Wahrheit sagen soll. Drum hüthet euch also wohl euerer Sach etwas zuzusetzen oder davonzuthun! Saget an.

Eilftes Kapitel
Eilftes Kapitel.

Wie die Herren von Leckarß und Saugefist ohn Anwält vor Pantagruel plädirten.


Also begann denn Leckarß wie folget: Gnädigster Herr, es ist wohl wahr daß eine brave Frau meines Hofes Eyer zu Markt trug – bedeckt euch, Leckarß, sprach Pantagruel. – Grossen Dank, Herr, sagt' der Junker: doch weiter im Text: zwischen den beyden Wendezirkeln kam sie sechs Kreuzer weiter zenithwärts und einen Stüber, in Betracht die Rhiphäischen Berg dieß Jahr sehr unfruchtbar an Gimpel-Schneisen gewesen waren, mittelst eines Grammanzen-Aufruhrs der sich zwischen den Kauderwelschen und den Accursinern erhoben, wegen der Rebellion der Schweizer, die sich auf Pumpzig an der Zahl zum Heereszug gen Agnilaneuf versammelt hatten im ersten Loch des Jahrs da man die Supp den Ochsen, und den Jungfern den Kohlenschlüssel zum Haberschmaus für die Hund verabreicht'. Die ganze Nacht ward (Hand am Pot) nix weiter geschafft als daß man Bullen expedirt' auf Posten zu Fuß und Knecht zu Roß um alle Kähn in Beschlag zu nehmen, denn die Schneider wollten ein Blaserohr aus den gestohlenen Flecken machen, [229] den Ocean zu überdachen, der damals nach der Heubinder Meinung mit einem Krautgemüs schwanger ging. Aber die Physici meinten es wär an seinem Wasser kein Zeichen zu sehen so deutlich wie am Fuß des Trappen, Hellebarden mit Senf zu pappen, wofern nicht die Herrn Oberrichter der Syphylis aus Be Moll verböten hinter den Laubwürmern drein zu stolpern, und also während des Gottesdienst spazieren zu gehen; denn die Schliffel hätten schon einen guten Fürsprung im güldenen Strehntanz nach dem Dreyachtelschritt, ein Bein am Feuer, den Kopf in der Mitt, wie der edle Ragot zu sagen pflegt'. Ha, ihr Herren, Gott helf uns weiter nach seinem Rath, und, wider des Unglücks böse Tück zerbrach ein Kärrner nasenstüblings sein Peitsch: es war auf dem Rückweg von Biecocque, als man den Meister Eselsdumm von Gänsblum zum Licenziaten in aller Bengeley creirt', wie die Canonisten sagen: Beati Bengeles, quoniam ipsi stolperuerunt. Aber beym Sanct Fiacre von Brye! Wißt ihr warum die Fasten so spät fällt? daran ist weiter gar nix schuld, als weil wir nie kein Pfingsten han, da nicht mein Beutel derb müßt dran. Doch heisa frischzu! ein kleiner Regen kann einen grossen Sturmwind legen, wenn nicht der Scherg das Schwarz der Scheiben so hoch hing, daß der Schreiber die Gänsfederfinger nicht orbiculariter darnach lecken müßt. Auch sehen wir deutlich, es verschnupft einen Jeden, man schaut dann ocularisch nach der Perspectiv den Camin an, bey der Stell wo das Zeichen des Weins zu den vierzig Reifen hängt, die man braucht auf zwanzig Quinquennellen-Strümpf. Zum mindesten, wer wollt den [230] Vogel nicht fahren lassen vor Krapfen, eh er ihn aufdeckt: denn das Gedächtniß verrauchet oft, wenn man die Hosen verkehrt anzeucht. Sa sa, Gott schütz den Thibalt Muff. – Hier sprach Pantagruel: Sacht, mein Freund, nur sacht! sprecht langsam, ereifert euch nicht. Ich versteh den Casus, fahret fort. – Itzt, gnädiger Herr, sprach Leckarß weiter, konnt sich gedachte brave Frau, wärend sie ihre Stoßgebetlein und Audi nos hermurmelt', doch nicht vor einer faschen Fint verwahren, die ihr in Kraftsupp der Universitätsprivilegien gezogen ward, wenn sie sich nicht fein englisch verbettwärmt' in einem Carreausieben-Sack, und einen Springstock auf ihn abschloß just dahin, wo die alten Fähnlein zu Kauf stehn, deren die flandrischen Maler benöthigt sind, wenn sie die Wetzstein gründlich satt füttern wollen; und nimmt mich baß wunder warum die Welt nicht legen will, da doch so gut Brüth-Wetter ist. – Hier wollt der Herr von Saugefist einfallen und etwas dazwischen reden. Aber Pantagruel fuhr ihn an: Potz hundert Millius! ziemt es dir ungeheissen zu reden? Ich schwitz hie Angstschweis daß ich nur eures Streites Hergang vornehmen will, und du krölst mir noch die Ohren voll? Ruh, ins drey Teufels Namen, Ruh! Du sollst nach deinem Gefallen reden, wenn dieser fertig ist. Fahret fort, ihr, Leckarß, und übereilet euch nicht.

In Betracht also, sprach Leckarß, daß die pragmatische Sanction auch eben nichts erwähnt' hievon, und der Papst einem Jeden Freyheit ließ nach Vergnügen zu farzen, wenn der Barchent unbestreift blieb, die Armuth möcht so groß sie wollt auf Erden seyn, dafern man das Kreuz nur nicht rips raps schlüg: erlaubt' der in Mailand zu Brüthung der Lerchen frisch aufgeschliffne Regenbogen der braven Frau das Hüftweh auf Protest der kleinen Kuttenfischlein, so damals zum Verständniß der alten Stiefel-Structur von nöthen waren, darniederzulatschen. Derhalb Hans Kalb, ihr löblicher Vetter vom Holzscheit ab, ihr rieth nicht so auf ihre Gefahr der [231] Bumbaum-Wäsch Vorschub zu thun ohn das Papier erst anzubrennen, auf Hunkus Trunkus Lerum Plebs: denn Non de ponte vadit qui cum sapientia cadit; sintemalen die Herren Rentanten über die Citation der deutschen Pickelflöten noch uneins waren, davon man erbauet die Fürsten-Brill, neu gedruckt zu Antwerpen. Und schauns, schauns meine Herren, dieß macht uns eben den bösen Bericht: ich glaubs dem Gegner in sacer verbo dotis. Denn, des Königs Willen nachzuleben, hätt ich mit einem Magenpflaster mich von Kopf zu Fuß geharnischt, weil ich hingehn und zusehn wollt wie meine Winzer ihre hohen Mützen zerschlitzert hätten, um besser Kniewackels aufzuspielen; denn das Wetter war etwas mißlich wegen des Durchlaufs, dessenthalben man bey der Heerschau etliche Freyschützen heimgeschickt, ohneracht die Kamin hoch genug waren nach Proportion der Mauk und Fesselgeschwür, Freund Baudichon. Und so geschah es daß in ganz Artoys ein schönes Casserollen-Jahr ward, zu nicht geringer Verbesserung der Herren Holzbauern, da man ohn blank zu ziehen, strotzenden Bauchs daß die Knöpf vom Koller sprangen, Katzraben fraß. Und wenn's mir nach ging, und jedermann so gut bey Stimm wär, würd man den Ballen viel besser schlagen, und würden die kleinen Häkeleyen derer Pantoffel-Etymologen viel leichter in die Sein' ablaufen zu ewigem Dienst der Müllerbruck, wie weiland der Canarier König decretiret; der Spruch ist noch in unsrer Canzeley vorhanden. Demnach, Gestrenger, bitt ich schön, Eur Hoheit woll in dieser Sach erkennen und sprechen was Rechtens ist, nebst Kosten, Zinsen und Schadenersatz. – Darauf frug ihn Pantagruel: Habt ihr noch sonst was zu sagen, mein Freund? – Nein, gnädigster Herr, antwortet' Leckarß, ich bin am Tu autem, und hab mein Treu nichts dran verändert noch verstellt. – Nun, sprach Pantagruel, so saget dann ihr, mein Herr von Saugefist, uns euer Begehr, und fassets kurz, aber lasset darum nichts aus was zur Sach dient.

Zwölftes Kapitel
[232] Zwölftes Kapitel.

Wie Herr von Saugefist vor dem Pantagruel plädirt.


Drauf hub der Herr von Saugefist an wie folget: Gnädigster Herr, und ihr andern Herren, wenn die Bosheit der Menschen so leicht nach kategorischem Urtheil erkannt würd, als man die Mucken im Milchnapf sieht, so wird das Vier Ochsen-Land von den Ratzen nicht so zerfressen seyn als es ist, und manche zu schimpflich gestutzte Ohren würden annoch auf Erden seyn. Denn obschon was die Geschicht des Facti und den Buchstaben anbetrifft, des Gegners Bericht auf ein Härlein wahr ist, so sieht man doch gleichwohl, meine Herren, die Listen, Schlich und die feinen Häklein, und sieht wo der Hund begraben liegt.

Muß ich mir etwann gefallen lassen daß, wenn ich schlecht und recht mein Supp eß, nichts übels weder thu noch denk, man mit der Thür mir in das Haus fall, den Kopf toll mach und das alte Lied in die Ohren dut:


Wer trinket wann er ißt sein Supp,
Nach seinem Tod thut keinen Schluck?

Ey heilige Dam! wie viel stattliche Hauptleut haben wir nicht auf offener Wahlstatt, wenn es die eisernen Hostien regnet' vom Gnadenbrod der Confraterschaft, daß sie die Bärenhaut besser kleidet', die Cither schlagen, ärschlings blasen, und ihre kleinen Taschensprüng zu ebener Erd verführen sehen in schönen wohl zerschlitzten Schüchlein nach Krebsbartschnitt? Doch heut zu Tag hat sich die Welt gar von den Flausen der Lucester-Sarschballen entstrippt; der Ein verludert, der Ander fünf, vier, zwey. Und wenn sich der Hof nicht drein legt, giebts heuer ein so schlecht Aehrenlesen als mit den Bechern war oder seyn wird. Geht eine arme Person zum Baader, den Schnabel mit Kühmist ihr heitzen zu lassen oder Winterstiefel zu kaufen, und die Schaarwach [233] oder auch Landpatroull kriegt einen Clystier-Decoct oder den Kackstoff eines Leibstuhls auf ihre Polletter, muß man derhalb die Batzen kippen und die hölzernen Brat-Spieß schmoren? Manchmal denkt der Mensch und Gott lenkt, und wenn die Sonn hinunter ist, sitzt alles Vieh im kühlen Schatten. Man soll mir nicht glauben, wo ichs nicht handlich durch klare Mittagsleut erweis. Anno Sechs und Dreyssig hätt ich mir einen deutschen Stutzschwanz gekauft; der Schwanz stund ihm fein hoch und kurz; die Woll so ziemlich, im Grän gefärbt, wie mir die Goldschmied versicherten; aber gleichwohl hing der Notar sein Cetera dran. Ich bin kein Studirter, daß ich den Mond mit den Zähnen könnt herunter langen, aber im Buttertopf, wo die vulkanischen Instrument besiegelt wurden, ging das Gerücht, der gepökelte Ochs, der spüret den Wein in stockfinstrer Mitternacht ohn Licht aus, und wenn er gleich zu unterst im Sack des Kohlenbrenners stäk, behost und verwaldrappt mit dem Pferdschmuk und den Reiterschienen die man braucht zu einer gründlichen Fricassur des Bauerngrobes oder Schöpskopfs. Und hierauf zielet auch wohl das Sprichwort: wenn man bey der Liebsten sitzt, schauet sichs gut den schwarzen Kühen im verbrannten Holze zu. Ich gab den Fall den Herren Gelahrten zu rathen auf, die schlossen mir in Frisesomorum die Antwort draus, es ging zu Sommerszeiten nichts über das Ernten in einem mit Feder, Dint, Papier und Federmesser von Lyon am Rhonestrom wohl versehenen Keller, hum dum drum: den plötzlich, sowie ein Harnisch Lauch riecht, frißt der Rost ihm die Leber an. Dann thut man nichts als widerbelfern, dreh und duck dich, wenn man nach Tisch das Mittagsschläflein erfingern möcht, und daher kommt es daß das Salz im Preis so steiget. Glaubt mir's, ihr Herren, zu der Zeit als vorernannte brave Frau den Suppenlöffel mit Leim bestrich, des Schergen Bericht mehr zu bekleiben, und als das Worstgeschling in den Säcken der Wuchrer tergiversiret', da gab es wider die Kannibalen kein[234] probateres Mittel, als: man nahm ein Bund Zwiebeln mit dreyhundert Steckrüben gebunden, nebst etwas wenigem Kalbsgekrös vom feinster Korn der Alchymisten, calcinirt' und verkittet' sich die Pantoffeln bausback mickelmack mit einer guten Prügelsupp, und schlupft' in ein klein Maulwurfslöchel, den Speck stets wohl in Acht genommen. Und woll'n euch die Würfel nicht anders fallen, als immer zwey Aß, und die schweren Ternen, Kopf weg! das Aß kommt! frisch mit der Dam in die Bett-Eck, dudelt sie fallala, und trinket daß die Funken stieben, depiscando Froschibus mit schönen kothurnischen Reiterstiefeln: es gilt den kleinen Huschgänslein die sich am Flackerspiel ergötzen, derweil das Erz geschmiedet wird und den Confort-Schwaflern das Wachs ausschmilzet. Zwar ist an dem, daß die vier Ochsen von denen die Red ist, einigermaasen ein etwas kurz Gedächtnis hatten, doch was die Kenntniß der Skal betrifft, war ihnen kein Schlinggrab noch Savoyischer Entrich furchtbar: die guten Leut bei mir zu Haus versahen sich viel Guts zu ihnen und pflegten zu sagen: diese Kindlein bringens noch weit im Algorithmus, es verhilft uns zu einer Rechts-Rubrik, der Lupus entgehet uns nicht, wenn wir die Zäun nur oben über die Windmühl machen, davon der Gegner geredet hat. Aber der große Teuker schmollt' drein und schickt' die Deutschen von hinten her, welchs wahre Teufel mit Saufen waren: Her! Trink, trink! Das ist, kotz, verlore bigott, ein armseligs Kriegel! Denn »Stroh-Hühner wer kauft!« zu rufen, schickt sich nirgend als zu Paris auf der kleinen Bruck, und wenn ihnen gleich die Schöpf so hoch gewachsen wären als Schlamm-Widhopfen; es wär denn gar, daß man die Puffen mit frischgeschliffener Schwärz der Versalischen oder Cursivbuchstaben schröpft, [235] was mir all eins ist, wenn nur die Kinnkett nicht Würm drinn heckt. Und den Fall gesetzt, die Murrner hätten auch bey der läufischen Hundshochzeit zum Garaus geblasen eh der Notar auf kabbalistisch seinen Rapport darüber erstattet, so folgt noch nicht (Salvo des Hofes besserm Ermessen) daß sechs Morgen großklaftriges Wiesenland, wenn man nicht in den Tiegel bläst, drey Butten feiner Dinte gäben; zumal bey König Karls Begräbniß das Fell auf dem Platz ein Zweyer und eps galt, ich mein damit mein Seel das Schaaffell. Und seh's auch täglich in allen guten Schalmeyen: geht man aufs Wachtelpfeifen aus, thut drey Besenstrich im Kamin, und stellt sein Vollmacht, man schafft auch nix weiter damit als daß mans auf der Hüften spannt und ins Arßloch bläst, wenns etwann gar zu heiß drinn wär, und sie's ihm schnürt: den Augenblick, wie er nur seinen Zettel zeigt', wurden die Küh ihm dargereicht. Und ist auch Anno siebzehn schon zu Martingall in Sachen Taugnix von Schrollenstrunz also erkannt, darauf der Hof zu reflectiren gebeten sey. Ich sag zwar nicht, daß man nicht pleno jure billig diejenigen aus dem Posseß sollt werfen die das Weihwasser saufen wollten, wie man mit einem Weberbaum thut, daraus man die Stuhlzäpflein denen macht, die nicht abstehen wollen ausser für baare klingende Münz.Tunch, ihr Herren, quid juris pro minoribus? denn der gemeine Brauch des Salischen Gesetzes ist, daß der erste Mordbrenner der die Kuh schnappt, die während des simpeln musikalischen Chorgesangs muckwadelt statt die Schuster-Sohlen zu ut-re-fa-miren, zur Gauchmär-Zeit der Penuri seines Gliedes mit Moos aufhelfen muß, gelesen wenn man um Mitternacht sich bey der Metten den Schnupfen holt, um diesen weissen Anjouer Weinen, die einem nach Bretagner Art Wams wider Wams ein Beinel stellen, die Wipp zu geben. Schließlich wie oben, nebst Kosten, Zinsen und Schadenersatz.

Als nun der Saugefist ausgeredet, frug Pantagruel den vön Leckarß: Wollt ihr was repliziren, mein Freund? Er [236] aber sprach: Mit nichten, Herr, ich hab die lautere Wahrheit gesagt; und machet nun in Gottes Namen unserm Handel einmal ein End, denn unser Zehren hie ist gar theuer.

Dreyzehntes Kapitel
Dreyzehntes Kapitel.

Wie Pantagruel in dem Prozeß der beyden Junker das Urthel sprach.


Darauf erhub sich Pantagruel, rief alle Präsidenten, Räth und Doctores die da versamelt waren herbey und sprach zu ihnen: Wohlan, ihr Herren, ihr habt nunvivae vocis oraculo den Handel gehört, davon die Red ist; was dünkt euch dazu? Und sie antworteten: Freylich han wirs ja wohl gehört, allein verstanden, für'n Teufel auch nicht ein Wörtlein davon. Bitten euch demnach una voce unterthänigst um die Gunst, daß ihr nach Eurer Einsicht wollt das Urthel sprechen: wir ratihabiren's ex nunc prout ex tunc, und werdens einmüthiglich genehmigen. – Nun wohl, ihr Herren, sprach Pantagruel, weil es euch denn also geliebt, so wills ichs thun, find aber das Ding nicht gar so schwierig als ihrs macht. Euer Paragraphus Cato, Lex Frater, Lex Gallus, Lex Quinque pedum, LexVinum, Lex Si Dominus, Lex Mater, Lex Mulier bona, Lex Si quis, Lex Pomponius, Lex Fundi, LexEmptor, Lex Praetor, Lex Venditor und noch viele andre mehr, sind meines Bedünkens weit schwieriger. – Und auf diese Wort schritt er im Saale ein bis zweymal auf und nieder, wie man sah, in tiefen Gedanken, denn er stöhnt' wie ein Esel wann ihn der Gurt druckt, willens einem Jeden unwandelbar und ohn [237] Ansehn der Person sein Recht zu thun; setzt' sich drauf wieder an seinen Ort und hub das Urthel zu sprechen an wie folget: Auf Vernehmen, Anhörung und reifliches Erwägen des Streites der Herren von Leckarß und Saugefist erkennt das Gericht daß: In Betracht des Staubhaars der vom Sommersolstizio kühnlich abnutirenden Kahlmaus um die Schaumbläslein zu naschen, welche der Bauer durch bösen Plack der lichtscheuen Nachtraben schachmatt macht', die in dem Diarhomer-Clima eines Pavians zu Roß welcher die Armbrust in der Hüft spannt, inquiliniret sind, der Kläger des Gallion so die brave Frau, ein Bein beschuhet, das andre barfuß aufbließ, zu kalfatern wohl befugt gewesen, dafern sie ihm auf ihr Gewissen steif und fest so viel Lapalien wieder erstattet, als Haar an achtzehn Kühen sind, und eben so viel faule Fisch. Desselbengleichen wird er auch des Casus privilegiati derer Norbeln für los und ledig gezählt, darein man ihn verfallen wähnet', weil er nicht fröhlig zu Stuhle gehen konnt, auf Decision des am Nuß-Licht, wie es in seinem Land Mirebalays gebrannt wird, furzparfumirten Handschuhpaares; da man die Bolein los läßt nebst den ehernen Ballen, womit die Rußbartel ihr Gemüs kontestabiliter buken, gesattelt mit Loir in dem auf Ungarisch gestickten Sperberschellengeläut das ihr Schwager memorialiter in einem limitrophischen Korbe trug roth vorgestossen, zu dreyen Sparren in Muckenseicherey verlendlahmt, mit der Eck-Ent aus welcher man nach dem wurmförmigen Papageyen mit Plackholz schießt. Wasmaasen er aber Beklagtem vorwirft daß er ein Käsfraß, ein Aliflicker und Mumien-Pechsalber wär, welches, wie Kläger zu Recht erwiesen, bumbaumlich für unwahr erfunden ist, als condemniret ihn das Gericht in drey Glas Molken, landesüblich verschmiert, zirmirlimanzulirt und justimundiret, Beklagtem zahlbar auf nächsten May in Mitt Augusten. Doch ist Beklagter das Heu und Werg zur Stopfung der Guttural-Beinschellen eingemummelt in die am Rädlein so fein gedrechselten Regenröck, zu leisten schuldig: und Freund' wie vor, ohn Kosten, aus Ursach.

Nach Fällung dieses Urthels gingen beyde Theil mit dem Bescheid zufrieden von dannen, welches schier ein unglaublich [238] Ding war: denn seit dem grossen Regen hätt man noch nicht erlebt und wirds auch schwerlich in dreyzehn Jubeljahren erleben, daß zwo uneinige Parteyen in einem Rechtsstreit ebenmässig das Endurtheil gut heissen sollten. Die übrigen anwesenden Räth und Doctoren aber sassen dort wohl noch an drey Stunden steif und starr in stummer Verzückung ausser sich für Staunen ob des Pantagruels übermenschlicher Weisheit, welche sie aus Entscheidung dieses so schweren und kitzlichen Handels klar er kannten. Und sässen noch allda, wenn man nicht Essig und Rosenwasser die Füll gebracht hätt zu Erweckung ihrer fünf Sinnen und Lebensgeister, da dann Gott ewig Lob für sey.

Vierzehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel.

Wie Panurg erzählt welcher Gestalt er den Türken entkommen.


Das Urtheil des Pantagruel ward alsbald ruchbar und weltbekannt, mit Gier gedruckt, in den Archiven des Palastes hinterlegt: dergestalt daß das Volk von ihm zu sagen anfing: Salomo, welcher, auf Muthmasung, das Kind der rechten Mutter zusprach, hat bey weitem kein solches Wunder der Weisheit gethan als unser guter Pantagruel: wie glücklich sind wir, daß wir ihn bey uns im Lande haben! Und wollten ihn flugs zum Requetenmeister und obersten Präsidenten machen. Aber er schlug es alles aus, und dankt' ihnen höflich. Denn, sprach er, die Last der Dienstbarkeit bey diesen Aemtern ist allzu groß, und hält allzu schwer daß die sie Führenden seelig werden, wegen des Verderbens der Menschen. Und glaub ich, wenn die leeren Stühl der Engel mit keiner andern Art Leuten wieder besetzet werden sollen, daß wir noch keinen jüngsten [239] Tag in dreyssig Jubeljahren haben, und Herr Eusanus mit seiner Rechnung übel bestehen wird. Ich warn euch deß bey Zeiten. Habt ihr aber etwann ein Paar Maas guten Wein zur Hand, den werd ich gern zum Gotteslohn von euch annehmen. – Das thäten sie gern, und schickten ihm vom besten der Stadt: da trank er dann ganz munter. Aber der arme Panurg trank heldenmässig, denn er war hohl wie ein ausgenommener Rauchhering, auch trippelt' er so leicht auf seinen Füssen einher wie ein schmächtig Kätzlein. Und wie er so in der Hälft eines mächtigen Humpens voll Rothwein nach Luft schnappt', da ermahnt' ihn Einer und sprach: Gevatter, nur sacht! ihr ziehet ja wie ein Besessener. – Zum Teuker auch! antwort Panurg, du hast es nicht mit deinen kleinen Pariser Schluckern, die nicht mehr nippen wie ein Fink, und denen man erst die Schwänz muß streichen, wenn sie die Schnäbel nur netzen sollen, wie den Spatzen. Heisa Camrad, wenn ich so tapfer steigen könnt als ich zu Thal laß, ich wär längst überm Mondenhimmel hoch oben bey Empedokles. Aber zum Teufel, ich weiß nicht was dieß heissen soll; es ist ein sehr guter und köstlicher Wein, aber je mehr ich davon trink, je mehr mich durst. Ich glaub, der Schatten des gnädigen Herrn Pantagruel heckt durstige Leut, wie der Mond die Husten und Schnupfen. – Darüber mußten Alle lachen, die es hörten.

Als Pantagruel dieß sahe, sprach er: Nun, Panurg was giebts? was lacht ihr? – Gnädigster Herr, antwortet' er, ich erzählt' ihnen eben wie diese armen Teufelstürken so elend dran sind, daß sie auch nicht ein Tröpflein Wein zu saufen kriegen. Wenn in des Mahumeths Alkoran auch sonst nichts Unrechts weiter stünd, ich möcht seinen Glauben schon darum nicht. – Nun aber, sprach Pantagruel, erzählt mir wie ihr ihnen entkamet. – So helf mir Gott, gestrenger Herr, versetzt' Panurg, wo ich euch auch nur ein Wörtlein dran lüge.

[240] Die Türken-Lümmel hätten mich am Bratspieß gesteckt, wie ein Canikel um und um gespickt, dieweil ich so hundsdürr war, daß ohn dieß mein Fleisch fast zäh und nicht zu essen gewesen wäre; brieten mich solchergestalt lebendig. Derweil ich nun also gebraten ward, befahl ich mich der göttlichen Gnad, denn ich gedacht an den guten Sanct Laurentium, und hofft' beständig zu Gott daß er mich dieser Pein überheben würde, wie bald darauf auch wunderbarer Weis geschah. Denn während ich vom Grund der Seelen mich Gott befahl und rief: mein Herr Gott hilf mir, mein Herr Gott rette mich! o du mein Herr Gott, erlöse mich aus diesen Martern die mir hie diese Höllenhund um deines Glaubens Befolgung anthun – siehe! da entschlief der Brater nach Gottes Rathschluß, oder auch eines frommen Mercurii, der den hundertäugichen Argus schlau in Schlaf wiegt'. Wie ich nun merk daß er nicht mehr am Spiesse drehet', schau ich ihn an und seh, er schläft: itzt nehm ich einen Feuerbrand am andern End wo er nicht glühet, zwischen die Zähn, und werf ihn meinem Bratenwender in den Schoos, und einen andern, so gut ichs treffen mocht, unter ein Feldbett, das beym Kamin stund, darauf der Strohsack meines Herren Braters lag. Urplötzlich schlägt das Feuer zum Stroh, vom Stroh ins Bett, vom Bett ins Dach, das mit Tannen-Balken nach Lichtstock-Art verschlagen war. Die Lust war aber daß das Feuer, so ich dem Strauchdieb von Bratenwender erst in den Schoos geworfen hätt, ihm schier sein ganzes Bauchhaar verbrannt und in die Geilen zu schlagen anfing; aber der Stinkhals rochs nicht eher als mit der Feuersbrunst zugleich, da er dann wie ein verdutzter Bock aufsprang und was er konnt dal Baroth! dal Baroth! aus dem Fenster schrie, welches Feuer! Feuer! bedeutet, und graden Weges auf mich los, denn er wollt mich vollends gar ins Feuer werfen; hätt auch bereits die Strick zerhauen damit mir die Händ gebunden waren, und schnitt mir schon an den Beinen herum. Itzt aber kam der Herr des Hauses auf das Feuer-Geschrey und den Rauch von der Gassen, wo er eben mit etlichen andern Bascha's und Mufti's spazieren ging, so eilig er konnt zu Hülf und Rettung seiner Sachen herbeygelaufen.

[241] Und wie er kommt im vollen Schuß, zuckt er den Spieß daran ich stak, und sticht meinen Brater mitten durch; daran er starb, aus Mangel an Wartung oder sonst; denn er stach ihm den Spieß etwas weniges über dem Nabel in die rechte Seit durch den dritten Lobus der Leber, stieß dann überwärts, daß ihm der Spieß durchs Zwergfell ging und mit Zerschlitzung des Herzbeutels, über den Achseln zwischen dem linken Schulterblatt und den Rückenwirbeln wieder zu Tag kam. Ich nun, wiewohl ich, als er mir den Spieß aus dem Leib zog, bey den Feuerböcken zur Erden fiel, auch mir der Fall zwar etwas weh thät, nahm doch weiter nicht sonderlichen Schaden davon, denn der Speck hielt die Gewalt des Stosses auf. Mein Bascha aber, als er den Casus desperat, sein Haus verbrannt, sein Hab und Gut unwiederbringlich verloren sahe, ergab sich allen Teufeln, denn er rief Grilgoth, Astarot, Rappalus, und Gribullerich zu neun Malen in einem Athem.

Als ich das sahe, stund ich für mehr denn fünf Gröschel Angst aus, denn ich dacht; itzt werden gleich die Teufel kommen, den Narren da holen; wären sie auch wohl Manns genug dich mitzunehmen? halb bin ich schon gebraten: mein Speck wird mein Unglück seyn: denn diese Teufel sind auf Speck erpicht, dafür haben wir schon das Ansehen des Philosophen Jamblichus und Murmalt's in der Apologi De Buckliacis et Excretis pro magistros nostros. Aber ich schlug das Zeichen des Kreuzes und rief: Hagios, athanathos, ho theos, und keiner kam mir zu nah. Als dieß mein Lump von Bascha inn ward, wollt er sich mit meinem Bratspieß den Garaus machen und's Herz abstossen: setzt ihn sich auch an die Brust an, aber er kam nicht durch damit, weil er zu stumpf war: er stieß so derb er konnt drauf zu, schafft' aber drum nix. Also tret ich dann vor ihn hin und sprech zu ihm: Messer Bougrino, du verlierst nur dein Weil damit; [242] denn auf die Art wirst du dich niemals ums Leben bringen, wohl aber dir einen Schaden thun, daß du daran dein Leben lang wirst unter den Händen der Baader siechen. Willt du aber, so stech ich dich hie ganz ordentlich ab, daß du davon gar nicht einmal was spüren sollst: und kannst mirs glauben, denn ich hab wohl schon Andre erstochen, denen es wohl bekommen ist. – Ha, sprach er, Freund, ich bitt dich drum, und so du's thun willt, schenk ich dir auch meinen Seckel; da nimm ihn, es sind sechshundert Seraphinen und etliche feine Demanten und Rubinen drein. – Und wo sind sie? frug Epistemon. – Beym heiligen Jahn, antwort Panurg, schon ziemlich weit, wenn sie stets reisen. Wo ist der Schnee vom vorigen Jahr? das war der allergrößte Kummer des Pariser Poeten Franz Villon. – Nu mach ein End, ich bitt dich, sprach Pantraguel, daß wir endlich erfahren wie du den Bascha abgethan hast. – Auf Ehrenwort, antwort Panurg, ich lüg kein Wörtlein. Fand daselbst einen halbverbrannten Hader, damit schnür ich ihn fest zusammen, bind ihm mit meinen Stricken dann so recht auf bäurisch Arm und Bein, daß er sich weder regen noch rühren konnt; darauf jag ich ihm meinen Bratspieß durch die Gurgel, und häng ihn damit an ein Paar starken Krampen auf, woran die Hellebarden staken. Und mach ein lustig Feuer drunter, und röst euch meinen Herrn Mylourd, wie man die Pickling im Kamin dörrt. Lang mir dann seinen Seckel zu, nebst einem kleinen Jägerspieß von den Krampen, und fort im vollen Trott, und Gott bewußt ist der Bocksstank den ich von mir gab. Unten auf der Gassen fand ich das Volk bey hellen Haufen versammelt mit vielem Wasser zum Feuerlöschen, und wie sie mich halb gebraten sahen, gossen sie aus natürlichem Mitleid all ihr Wasser über mich her, und erfrischten mich auf das lieblichste, das mir ein grosses Labsal war; brachten mir dann auch was zu leben, aber ich aß nicht, denn sie gaben mir nichts zu trinken, als pures Wasser nach ihrer Art. Sonst thätens mir aber nichts zu leid, ausser ein kleiner vertrackter Türk, er war vorn bucklich, der schnappt' mir heimlich nach meinem Speck: aber [243] ich zog ihm mit meinem Spiessel ein so Feuchtes über die Finger, daß ers nicht noch einmal probirt'. Und eine junge Korinthierinn, die mir ein Tröpflein mit emblischen Beenüssen, überzuckert nach Landesart, zugesteckt hätt, die beschaut sich meinen armen verhozelten Backfisch, wie er am Feuer zusamengeschnurrt war, denn er ging mir kaum noch bis ans Knie. Ist aber wohl zu merken daß mir die Braterey ein Lendenweh aus dem Grund vertrieb, daran ich länger denn sieben Jahr schon laboriret, just an der Stell wo mich mein Brater, als er einschlief, hätt angehen lassen.

Itzt während sie so um mich stunden und mich begafften, triumphirt' das Feuer hell auf, man wußt nicht wie, und stunden schon über zwey tausend Häuser in Flammen: bis endlich Einer von ihnen es merkt' und schrie: Potz Mahoms Bauch! die ganze Stadt brennt, und wir stehen hie und gaffen. – Damit rannt dann jeder nach seinen vier Pfählen, ich aber grad aufs Thor zu, und als ich nicht weit davon auf einen kleinen Holm gekommen, schau ich hinter mich, wie Loths Weib, und seh die ganze Stadt in Feuer, darob mir so wohl zu Muth geschah, daß ich mich schier vor Freuden bekackt hätt. Aber Gott straft' mich auch dafür. – Wie so dann? frug Pantagruel. – Denn während ich, antwort Panurg, dem lustigen Feuerlein so recht fröhlich zuschaut' und mir den Bauch strich und sprach: O ihr armen Flöh, ihr armen Mäus, werd einen harten Winter han; das Feuer spukt euch schon im Stroh – siehe da schossen euch über sechshundert, ja mehr denn dreyzehnhundert eilf Hund all miteinander groß und klein, von dem Feuer gescheuchet, zur Stadt heraus und stracks im vollen Schuß auf mich, weil ihnen mein halbgar gebratnes Armsünderfleisch in die Nasen stach: und hätten mich auf der Stell verschlungen, wenn mir mein guter Engel nicht im Augenblick ein trefflich Mittel wider das Zahnweh inspirirt hätt. – Und weßhalb, frug Pantagruel, hattest du vor dem Zahnweh Furcht? Stak dir dein Fluß noch in den Gliedern? – Zum Plunder auch! antwort Panurg, giebt es auch wohl ein ärger [244] Zahnweh als wenn euch die Hund bey den Beinen haben? Aber alsbald besinn ich mich auf meinen Speck, den werf ich mitten unter sie, und meine Hund nicht faul, fallen übereinander her, hauen und reissen sich um den Speck mit Klaun und Zähnen; liessen mich mit dieser Manier meine Straß ziehen, und ich ließ sie einander zausen. Also entkam ich dann frisch und gesund, und vivat die Brätel-Braterey!

Funfzehntes Kapitel
Funfzehntes Kapitel.

Wie Panurg eine fast neue Mod die Mauern von Paris zu bauen angab.


Pantagruel spaziert' einmal, von seinem Studiren sich zu erholen, nach der Vorstadt Sainct Marceau; wollt da die Guobelins-Possen sehen. Panurg war mit ihm, der allezeit das Fläschlein und etliche Schunkenschnitten unter dem Mantel bey sich führt': denn anders ging er niemals aus, nannt es sein Leibwehr, einen andern Degen trug er gar nicht; und als ihm Pantagruel einen geben wollt, dankt er schön', denn, sagt' er, er erhitzt mir nur die Milz. – Wenn man dich aber nun anfiel, sprach Epistemon, womit wolltest du dich wehren? – Mit guten Stiefeltritten, versetzt' er, nur die langen Stoßklingen müßten verboten seyn. – Auf dem Rückweg schaut sich Panurg die Mauern der Stadt Paris an und sprach spottweis zum Pantagruel: Seht nur einmal die schönen Mauern! O wie so fest und wehrhaft sie sind zu Käfigen für die jungen Huschegänslein. Bey meinem Bart! für einen Ort wie dieser sind sie lausig genug; denn wenn eine Kuh einen Furz läßt, fallen euch mehr denn sechs Klaftern ein. – O mein Freund, sprach Pantagruel, weißt du auch was Agesilaus zur Antwort gab als man ihn frug, warum die große Stadt Lacedämon nicht [245] mit Ringmauern umgeben wär? Er wies auf die so kriegserfahrenen, wohl bewappneten tapfern Bürger und Einwohner der Stadt und sprach: da sind die Mauern! anzuzeigen daß die beste Mauer aus Knochen bestehn müss, und keine Stadt noch Festung sich eines stärkeren Schirms noch Bollwerks als der Tugend ihrer Bürger und Einwohner zu getrösten hab. So ist denn eben auch diese Stadt durch die Meng ihres streitbaren Volkes so stark, daß sie um andre Mauern nicht sorgen darf.

Zudem, wenn man sie so wie Strasburg, Orleans oder Ferrara ummauern wollt; es wär nicht möglich, des grossen Aufwands und unerschwinglichen Kosten halber. – Schon gut, und doch, antwort Panurg, läßt es nicht übel, so ein steinern Gebiß zu haben, wenn der Feind kommt: und wärs auch nur daß man rufen könnt: wer ist da drunten? Und was ihr sagt von den zu diesem Mauerbau erförderlichen schweren Kosten, wollt ich, wenn mir die Herrn bey der Stadt ein gut Maas Wein verehrten, ihnen wohl eine ganz neue Mod angeben, wie sie sie leichten Kaufes erbauen könnten. – Und wie? frug Pantagrul. – Nun so haltet mir reinen Mund, antwort' Panurg, wenn ichs euch lehre. Ich seh, es sind die Fitzlibutzli der Weiber hie zu Land wohlfeiler als die Baustein: von diesen müßt man die Mauern bauen nach gutem Proporz und symmetrischer Architektur, die größten in die erste Reih, dann nach Verjüngung des Eselrückens die mittelmäsigen, und zuletzt die kleinen. Darauf zwischendurch schläng sich ein kleines Gürlandenwerk, in Demantspitzen, wie an dem grossen Thurn zu Bourges, von eben so vielen steifen Plempen wohnhaft im geistlichen Hosenlatz. Wer Teufel wollt solche Mauern zwingen? Kein Erz hält so lang Stich. Und dann, wenn sich die Culverinen erst dran reiben, Blitz! dann sollt ihr sehen, wie die gebenedeyte Frucht der grossen Pocken hagelsdick flugs daran niederrieseln wird, risch wie zehn Teufel! Ueberdem, so schlüg auch das Wetter niemals drein: denn warum? sie sind sämmtlich consacrirt und geweihet. Nur einen Kummer hab [246] ich. – Ho ho ha ha! und welchen? sprach Pantagruel. – Daß die Fliegen drauf so über die Maasen erpicht sind, und sich bald darein versammeln würden und ihr Geschmeiß und Unrath drein thun; da wär die Arbeit gleich verschimpft, und der heilige Vater bestünd mit Schanden. Aber ich weiß einen Rath dafür. Man müßt sie mit feinen Fuchsschwänzlein oder mit derben Farrenwadeln aus der Provinz, gehörig fegen. Hierüber will ich euch itzund gleich, auf unserm Weg zur Suppenschüssel, ein artig Beyspiel aus des Fratris Lubini libro de compotationibus mendicanitum erzählen.

Zur Zeit als die Thier noch reden konnten (s'sind keine drey Tag her) ging ein armer Leu im Wald von Bievre spazieren, betet' im Gehen so sein Brevierlein sacht für sich hin, und führt' ihn der Weg auch unter einem Baum vorbey, darauf ein Schelm von Köhler saß und Holz schlug. Als er den Leuen sahe, warf er mit der Axt nach ihm, und blessirt' ihn enormiter am Schenkel. Darauf hinkt' und haspelt nun der Leu im Wald umher nach Hülf, und lief so lang bis er einen Zimmermann antraf, der ihm seinen Schaden freundlich besahe, bestens säubert', so gut er konnt mit Moos verband und ihm rieth die Wund ja wohl zu fegen, damit die Fliegen nicht drein schmeißten, während er säh wo der Zimmermann das Loch gelassen, und das Kraut pflückt' das gut dafür wär. Wie nun der Leu also geheilt im Wald umherstrich, begab sichs zu derselbigen Zeit daß auch ein steinalt Mütterlein im nämlichen Wald Holz lesen ging, und dürres Reissig zusammenstoppelt'. Als die den Leuen kommen sah, fiel sie vor Schrecken rücklings darnieder, dergestalt daß ihr der Wind Rock, Jup und Hemd bis über die Achseln in die Höh streift'. Welches als der Leu ersah, kam er voll Mitleids herbeygelaufen, ob sie sich irgend Schaden gethan hätt, und gewahret' da ihr Wasistdas. Da rief er laut: ach armes Weib! wer hat dich also übel blessiret? Und während er das sprach erblickt' er einen Fuchs, den rief er an: Gevatter Fuchs! He, ho hallo! komm her, komm hieher! denn es thut Noth.

[247] Als nun der Fuchs gekommen war, sprach er zu ihm: Ach lieber Freund, o mein Gevatter, wie hat man doch dieß brave Weib hie zwischen den Beinen so schändlich blessiret! o der handgreiflichen Solution des Continui! Schau nur die Wund an, wie groß sie ist: gehet sie nicht vom Steiß bis zum Nabel? vier bis fünf Spannen mißt sie gut, ja sechstehalben. Das ist ein Axthieb! Ich sorg, es ist ein alter Schaden. Drum, daß die Fliegen nicht drein kommen, fege ihn tüchtig, ich bitt dich darum; innewendig und aussewendig: du hast einen guten langen Schwanz, fege, mein Freund, ich beschwör' dich, fege, derweil ich lauf und Moos herbeyhol, daß wirs verstopfen; denn also muß man Einer dem Andern helfen und beystehn; ist Gottes Gebot. Nun fege derb, so! fege gut, Freund: denn dieser Schaden will oft gefegt seyn, sonst kann die Person nicht Ruhe finden. So fege denn gut, mein liebes kleines Gevatterlein, Gott hatt dich stattlich mit Schwanz versehen, du hast ihn groß und stark nach Advenant; nun fege tüchtig und laß dichs nicht verdriessen. Ein guter Feger der mit dem Fächel continuirlich fegenzend fegt, wird von den Vögeln nimmer befenchelt. Fege, Fischlein, fege zu, liebs Gäuchel, ich werd auch nicht lang aus seyn. – Lief damit fort, brav Moos zu suchen, und war noch nicht weit weg, da rief er dem Fuchs schon wieder: Nur immer zu, Gevatter, fege! fege nur! und laß nicht ab brav zuzufegen, mein Gevatter! du sollt mir auch Groß-Feger bey der Königin Maria werden ums Wochenlohn, oder beim Kastilianischen Peter. Nur fege, fege nur und nichts weiter! – Der arme Fuchs hielt sich sehr brav, er fegt' zum schönsten links und rechts, innewendig und aussewendig; aber die arge Hexe pfeitzt' und fistet, das stank wie hundert Teufel. Der arme Fuchs war übel daran, denn er wußt nicht mehr auf welche Seit er vor dem Fist-Weihrauch der Alten entschlupfen sollt: und wie er sich so dreht' und wendet', sah er daß zuhinderst noch ein ander Loch war, zwar nicht so groß als das er fegt', daraus ihn dieser so giftige und stinkende Wind anfaucht'. [248] Der Leu kam endlich wieder mit Moos beladen, mehr denn auf achtzehn Ballen ging, und hub mit einem Stock den er sich mitgebracht, es in die Wund zu stopfen an; und hätt bereits an sechzehn Ballen und einen halben hineingefuttert. Da erschrak er: Teufel! ist diese Wund auch tief: es gehen mehr denn zween Fuder Moos drein: nun, es ist Gottes Will, nur zu! und stopft' und stopft'. Da warnt' ihn aber der Fuchs: O mein Gevatter Leu, mein Freund, ich bitt doch, stopfe hie nicht alles Moos her, hebe dir ein wenig auf, denn dahinten ist noch ein ander Löchlein, das müffzet wie fünfhundert Teufel, ich bin von dem Schwaden schier erstickt, so stinket es. – Also sollt man auch diesen Mauern die Fliegen abwehren, und Feger dazu anstellen um das Tagelohn.

Darauf sprach Pantagruel: Wie weißt du aber daß die heimlichen Glieder der Frauen so wohlfeil sind? Denn in dieser Stadt giebt es viel ehrbare, züchtige Frauen und Fräulein. – Et ubi findimus? antwort Panurg. Will euch hievon, nicht etwann meine besondere Meinung, sondern die reine Wahrheit sagen, wie sich die Sach natürlich verhält. Daß Ich ihrer vierhundert und siebzehn versohlt hab seit ich hie am Ort bin, und ist doch noch nicht über neun Tag, dessen berühm ich mich weiter nicht; doch waren euch stolze Himmelsbräut und Heiligenfresserinnen darunter. Heutmorgen aber bin ich einem frommen ehrlichen Menschen begegnet, der trug in einem Quersack, wie Aesöpels seiner, zween junge Dirnlein, zwey bis drey Jahr alt aufs höchst gerechnet, die eine hinten, die andre vorn. Er wollt von mir ein Almosen haben, aber ich gab ihm zum Bescheid daß ich mehr Eyer denn Geld im Sack hätt, und frug ihn darauf: Mein lieber Mann, sind diese Dirnlein da auch noch Jungfrauen? – Bruder, sprach er, es sind nunmehr zwey Jahr daß ich sie so im Sack trag, und die da vorn, so viel ich glaub, weil ich sie immer vor Augen hab, mag wohl noch eine Jungfer seyn, ich nähm aber drum nicht das Sacrament drauf. Was aber die hinterst anbelangt, von der weiß ich buchstäblich gar nix.

Du bist mir, sprach Pantagruel, führwahr ein artiger [249] Gesell; und will dich in meine Farben kleiden. – Und ließ ihm einen stattlichen Anzug nach damals üblicher Landsart machen, ausgenommen daß Panurg den Latz an seinen Hosen drey Schuh lang, und nicht rund zu haben begehrt', sondern viereckt; wie auch geschah: und trug ihn schwunghaft. Und pflegt' öfters zu sagen, die Welt hätt noch den Nutzen und hohen Ersprieß der langen Lätz gar nicht erkannt: die Zeit würd aber eines Tages ihnen noch lehren wie alle Ding zu ihrer Zeit erfunden wären.

Gott, sprach er, tröst den guten Kerl, dem der lange Latz sein Leben gerettet. Gott tröst Ihn, dem der lange Latz auf einen Tag hundertsechzigtausend neun Thaler einbracht. Gott tröst auch Den, der mittelst des langen Hosenlatzes eine ganze Stadt vom Hungertod erlöset hat! Und helf mir Gott, ich schreib auch noch einmal ein Buch von Commodität der langen Lätz, wenn ich nur etwas mehr Zeit dazu find. Auch verfaßt' er in Wahrheit darüber ein schön groß Buch mit den Figuren: ist aber noch nicht gedruckt, daß ich wüßt.

Sechzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel.

Von Sitten und Lebensart Panurgens.


Panurg war mittlerer Leibesstatur, weder zu groß noch zu klein; er hätt eine etwas gebogene Adlernas, in Figur eines Scheermesserstiels, und stund damal in seinem fünfunddreyssigsten Jahr oder da herum. Fein war er euch zum Vergulden wie ein bleiern Schwertlein, dabey von Person ein gar stattlicher Mann, nur etwas weniges lüderlich und von Natur mit der Krankheit behaftet, die zu der Zeit Geldmangel hieß, der Kummer ohn Gleichen.

[250] Gleichwohl hätt er an dreyundsechzig verschiedne Mittel sich Geld zu machen, so viel er jederzeit bedurft, davon das gewöhnlichst und ehrlichste noch der Weg des heimlichen Mausens war. Ein Taugnichts, Gauner, Saufaus, Strotter und Pflastertreter wie keiner mehr in ganz Paris; im übrigen der bravste Knab auf Gottes Erden. Und allzeit macht' er sich mit den Häschern und der Schaarwach was zu thun.

Einsmals bracht er drei bis vier handveste Bauernlümmel zusamen, ließ sie des Abends sich besaufen wie die Templer, dann führt' er sie bis oben auf Sanct Genoveven oder an das Collegium von Navarre, und zu der Stund wenn die Schaarwach da hinan zog, (welches er schon von weitem spürt' indem er seinen Degen aufs Pflaster und das Ohr dran hielt, und wenn er den Degen erzittern hört', so war es ein untrüglich Zeichen daß die Wach nicht weit mehr war) just also um die Stund nahm er mit seinen Gesellen einen Schuttkarren, und gaben ihm einen derben Schub, daß er mit aller Macht zu Thal schoß und so die arme Schaarwach sämtlich wie die Schwein in den Koth hinstreckte. Dann wischten sie von der andern Seit davon: denn in weniger als zween Tagen hätt er alle Gassen, Gäßlein und Schlippen von Paris im Kopf auswendig wie sein Deus det. Ein ander Mal streut' er auf einen schönen freyen Platz, darüber gedachte Wach passiren mußt, eine Zeil Kanonenpulver aus, und als sie mitten drauf war, steckt ers in Brand, und hätt sein Kurzweil dran, zu sehen wie sie so zierlich Reißaus nahmen, als ob ihnen das Sankt Tönigsfeuer schon in den Beinen säß. Vor allen turbirt' er aber die armen Magistri und Theologen. Wo er einen von diesen auf der Gaß fand, da unterließ er niemals ihm einen bösen Schabernack zu spielen. Bald steckt er ihnen einen Schund in ihre dicken Gugel-Kragen, bald schmückt' er sie hinten mit Fuchsschwänzlein, mit Hasenohren, oder trieb sonst Unfug. Eines Tages, als die sämtlichen Theologen zu Untersuchung der Glaubensartikul in die Sorbonn [251] beschieden waren, macht' er einen bourbonischen Klos aus lauter Knoblauch, Galbanum, Assa Fötida, Bibergeil, ganz warmen Menschenkoth, und rüht' ihn mit Eiter aus Chankerbeulen an: damit salbt' und schmiert' er am frühen Morgen alles Gitterwerk in der Sorbonn ein, daß kein Teufel hätt bleiben mögen. Und kotzten all die strengen Herren ganz öffentlich vor aller Welt, als ob sie das Kalb zur Welt anbänden; und starben ihrer an zehn bis zwölf an der Pestilenz, vierzehn wurden räudig, achtzehn schäbig, und mehr denn siebenundzwanzig kriegten das fränkische Uebel davon. Er aber frug den Henker nichts darnach. Auch trug er gewöhnlich eine Peitsch unter seinem Rock und fuchtelt' damit die Pagen unbarmherzig durch, wenn er sie ihren Herrn den Wein zutragen sah, damit sie flinker auftreten sollten. In seinem Wams führt er über sechsundzwanzig kleiner Ficken und Täschlein, allzeit voll und wohl versehen: das ein mit etwas Scheidewasser und einem kleinen scharfen Messer, wie es die Kürschner zu brauchen pflegen, damit schnitt er die Beutel ab: das ander mit scharfem Trauben-Agrest, den er den ihm Begegnenden ins Gesicht sprützt': ein andres mit Kletten voll feinen Gäns- oder Hühnerflaums befiedert, die warf er den armen Leuten auf Röck und Mützen und fertigt' ihnen öfters artige Hörnlein draus, welche sie durch die ganze Stadt, ja Etliche Zeit ihres Lebens trugen. Dergleichen setzt' er auch den Weibern zuweilen hinten an ihre Hauben, in Gestalt eines männlichen Gliedes. In einem andern ein Haufen Dütlein voll lauter Flöh und Läus, die er den Prachern zu Sanct Innocenz abfing, und sie mit feinen Röhrlein oder Schreibfederspulen den zartesten Fräulen die er traf in die Mieder schnellte; zumal in den Kirchen: denn niemals ging er oben aufs Chor, sondern blieb allezeit unten im Schiff bey den Weibern, sowohl in der Mess und Vesper, als während der Predigt.

[252] In einem andern ein ganz Besteck voll Hamen und Heftel, womit er öfters in Gesellschaft wenns gedrang ging, Männer und Weiber mit einander copulirt', zumal wo etwann Eine ein Kleid von Armesintafft trug: wenns dann zum Aufbruch kam, zerrissen sie sich die ganzen Kleider. In einem andern, ein Feuerzeug mit Schwefel, Zundel, Stein und übrigem Zubehör.

In einem andern zwey bis drey Brenngläser, mit denen er dann und wann Männer und Weiber in der Kirchen schier toll macht' und ausser aller Fassung brachte. Denn, Weiber scheuchen, schinden und placken, und Weiber mit weichen Hinterbacken, das reimt sich, meint' er, ziemlich gut.

In einem andern war Nadel und Zwirn, damit trieb er tausend Teufelsstreich. Als eines Tags im grossen Vorsaal des Parlaments ein Franziskaner die Herren-Meß zu lesen hätt half er ihn kleiden und ausstaffiren; nähet' ihm aber während des Anziehns die Stol an Rock und Hemd fest an, und schlich sich dann weg, als die Herren vom Rath zu Anhörung der Meß erschienen und ihre Plätze einnahmen. Als aber nun beym Ite, missa der arme Frater die Stol wollt abthun, zog er auch Kleid und Hemd mit vom Leder, denn sie hingen sehr wohl zusammen, streift' sich bis an die Achseln auf und zeigt allen Leuten öffentlich sein Fitzlibutzli, das traun nicht klein war. Und in einemfort zerret' und zog der Frater, aber je mehr er zerrt', je mehr deckt' er sich auf, bis endlich einer der Ratsherren sprach: Was! will uns etwann der saubere Pater hie seinen Steiß statt der Monstranz zum Küssen reichen? Ey so küss ihn doch das Sanct Tönigs Feuer! – Von der Zeit an ward verordnet daß sich die armen Meßpfäfflein nicht öffentlich mehr entkleiden durften, sondern in ihrer Sakristey, fürnehmlich wo Weiber zugegen wären, denn man verführet' sie nur damit zu begehrlicher Sünd. Und frug die Welt: Woher kommt es doch, daß die Säck dieser [253] Patrum so lang sind? Aber Panurg löst' das Problem sehr wohl, und sprach: Was die Ohren der Esel so lang macht, ist daß ihre Mütter ihnen kein Mützlein aufsetzen, wie Alliacus in seinen Suppositionen lehret. Gleichergestalt auch, was die Säck der armen Pfäfflein so lang macht, ist: daß ihre Hosen nicht Böden haben, da ihnen dann ihr armes Glied, verhängten Zaumes ins Freye schießet, und also bis an die Knie bammelt wie einer Frau ihr Paternoster. Warum man es aber ebenmäßig auch dick bey ihnen findt, ist Ursach, daß durch dieß Bammeln die Leibessäft in mehrberegtes Glied hinabziehn. Denn nach den Legisten ist Agitation und immerwährende Bewegung eine Ursach der Attraction.

Item, ein ander Täschel war voller Federweiß, das streut' er den geschniegeltsten Dämlein denen er aufstieß, in den Rücken, daß sie vor aller Welt sich entblösen und ausziehn mußten, und Etliche tanzten wie Hähn auf glühenden Kohlen darnach, oder ein Schusser auf einer Trommel; Andre rannten wie toll gassatim, er immer hinter ihnen drein: und die sich entkleideten, denen warf er seinen Mantel über den Rücken, als ein galanter und sittiger Mann. Item, in einem andern hätt er ein kleines Fläschel mit altem Oel, und wo er Männer oder Weiber in schönen Kleidern kommen sah, beschmiert' und verschimpft' er ihnen damit die besten Stellen am ganzen Gewand, stellt' sich als ob ers befühlen wollt, und sprach: ey schauns, das feine Tüchel, den feinen Atlaß, den feinen Tafft, mein Fräulein! Nun, Gott geb euch doch was euer edles Herz begehret. Habt ein neu Kleid, und neuen Freund dazu gefunden: Gott erhalts euch. Und damit legt' er ihnen die Hand aufs Koller, daß der böse Schandfleck auf ewige Zeiten darinn verblieb, so unverwüstlich fest gegraben in Leib und Seel und guten Namen, kein Teufel hätt ihn heraus können schaben. Sprach darauf noch zu guter letz: Sehet euch für, daß ihr nicht fallet, mein Fräulein, denn ihr habt da ein großes schmutzigs Loch vor euch! – In noch einem andern war nichts als lauter klargestoßnes Euphorbium, und darein taucht' er ein [254] feines Schneutztuch von zierlicher Stickerey, das er der schönen Nätherinn am Palais entwendet als er ihr einen Floh von der Brust fing, den er ihr gleichwohl doch selber erst darauf gesetzt. Und wenn er dann in einer Gesellschaft mit ehrbaren Frauen zu sprechen kam, bracht er alsbald die Red auf das Weißzeug, legt' ihnen die Hand auf den Busen und frug: Was für Gespinnst ist dieß? von Flandern? oder von Hennegau? Zog darauf sein Schneuztuch herfür, und sprach: da schauns, schauns, hie ist eine Arbeit drinn! dieß hab ich aus der Fickardi, es ist von Vecheln; und schüttelt's ihnen derb unter die Nasen, daß sie vier Stunden in einem Athem weg niesen mußten. Er aber unterdessen farzt' dazu wie ein Karrngaul: und die Weiber lachten und sprachen: Wie? ihr farzt, Panurg? – Nicht doch, Madam, antwortet' er, ich mach hie nur den Conterbaß zu eurer Nasenmelodey.

Wieder in einem andern war ein Dietrich, Haken, Pelikan und solches Geräth, wovor kein Kasten und keine Tür so fest war, die er nicht damit aufgehäkelt hätt. Ferner ein andres voll kleiner Becher, womit er gar künstlich zu spielen verstund; denn in den Fingern seiner Hand war er geschmeidiger als Minerva und Arachne: auch war er vor diesem mit Theriak hausiren gegangen. Und wenn er einen Gulden oder sonst eine andre Münz wo wechselt', hätt der Wechsler wahrlich schlauer als Meister Muck seyn müssen, wenn ihm Panurg nicht mindestens jedes Mal fünf bis sechs schwere Kreuzer dabey ganz öffentlich am hellen Tag vor aller Augen hätt blasen sollen. Dem Wechsler geschah kein Leid noch Schaden, er spürt' nur eben den Wind davon.

Siebzehntes Kapitel
[255] Siebzehntes Kapitel.

Wie Panurg Ablaß kauft' und die alten Weiber verheyrathet', und was für Prozeß' er in Paris hätt.


Eines Tages traf ich Panurgen ein wenig still und kammhängig an, dacht also wohl: er hat kein Geld mehr, und sprach zu ihm: Panurg, ihr seyd krank, euer Ansehen giebts, und ich kenn auch das Uebel; es ist der Durchlauf in euerm Beutel: aber grämt euch nur weiter nicht; ich hab noch sechs Gröschel und einen halben, da Vater und Mutter nix von weiß, die werden euch in der Noth nicht fehlen, so wenig als der fränkische Grind. – Darauf gab er mir aber zur Antwort: Ey schad aufs Geld! ich werd bald nicht mehr wissen wohin mit; denn ich hab einen Stein der Weisen, der zieht mir das Geld aus den Beuteln wie der Magnet das Eisen herbey. Aber, sprach er, wollen wir zween zusamen gehen und Ablaß kaufen? – Nun, sag ich drauf, ich bin sonst eben nicht hitzig darnach in dieser Welt; weiß nit wie's in der andern seyn wird; doch lasst uns gehen in Gottes Namen; um einen Pfennig, nicht mehr noch minder. – Aber, sprach er, leiht mir dazu einen Pfennig auf Zinsen. – Nix, nix, sag ich, ich schenk ihn euch aus gutem Herzen. – Grates vobis dominos, antwortet' er. So gingen wir denn zusamen aus, und fingen bey Sanct Gervasen an; da nahm ich mir mein Ablaßbrieflein am ersten Schrein und weiter nicht, weil ich hierinn mit wenig fürlieb nehm: und murmelt' darauf mein Stoßgebetel und Sanct Brigitten-Horas her. Er aber kauft' an allen Schreinen und zahlt einem jeden Ablaßmann überall Geld hin. Von da weiter begaben wir uns zu Unser Frauen, zu Sanct Anton, Sanct Johann und in die andern Kirchen mehr, wo Ablaß feil war; ich meines Orts kauft weiter nichts, er aber, wo er nur hinkam an allen Schreinen küsst' er die Reliquien und gab Jedem. Zuletzt, auf dem Heimweg [256] führt' er mich zu Wein ins Wirthshaus zum Schloß, und wies mir zehn bis zwölf seiner Täschel ganz mit Geld gespickt. So kreuz und segn' ich mich und frag ihn: Woher habt ihr dieß viele Geld in der kurzen Zeit? Da gab er mir zur Antwort drauf, er hätts aus den Ablaßbecken genommen: denn, sprach er, immer den ersten Pfennig den ich ihnen gab, den steckt ich so sänftlich drein, daß er ein schwerer Albus zu seyn schien, nahm darauf mit der einen Hand zwölf Pfennig, oder auch wohl zwölf Dreyer oder Zweyer zum wenigsten, und mit der andern drey bis vier Groschen, und immer so in allen Kirchen, wo wir gewesen sind. – Nun, sprach ich, so fahrt ihr kopfüber zur Höll wie ein Teufel, und seyd ein Dieb und ein Kirchenräuber. – Ja doch, sprach er, wie ihr meint, aber ich mein es anders: die Ablaßhöker schenken mirs ja, wenn sie mir die Reliquien zum Küssen reichen und dabey sagen: Centuplum accipies, für einen Pfennig nimm dir hundert. Denn accipies ist zu verstehen nach der Hebräer Redensart, die das Futurum statt Imperativi gebrauchen, wie ihr in dem Gebot habt Diliges dominum, id est, dilige. Wenn also der Ablaßmann zu mir sagt, centuplum accipies, so meint er, centuplum accipe; und so erklärens auch Rabbi Kimi, Rabbi Aben Ezra, alle Massoreten, et ibi Bartolus. Zudem hat mir ohnhin Papst Sixtus einst fünfzehnhundert Liver Renten auf sein Domainen und Kirchenschatz verschrieben; denn ich curirt ihn damals von einem bösen Chanker-Schlier, der ihm so zusetzt' daß er daran Zeit seines Lebens zu hinken meinte. Ich mach mich also auf eigne Hand aus seinem Kirchenschatz bezahlt, denn's giebt doch keinen.

Hui, fuhr er fort, Freund! wenn du wüßtest wie ich mein Pfeifel bey dem Kreuzzug geschnitten hab, du würdest erstaunen. Der hat mir mehr denn sechstausend Gülden [257] eingebracht. – Wo Teufel, sag ich, sind die aber? du hast ja nicht einen Deut mehr davon. – Da wo sie hergekommen waren, antwortet' er, sie haben blos die Herren verwechselt. Doch hab ich wohl dreytausend davon mit Heyrathsstiften und Ausstattungen verthan, nicht etwa junger Dirnen, denn es fehlt ihnen so nicht an Männern, sondern alter unsterblicher Vetteln, die keinen Zahn mehr im Schnabel hatten. Ich dacht bey mir: die guten Weiblein haben doch ihre Zeit in der Jugend sehr wohl genutzt, des Bürzelspiels mit männiglich in offenen Schranken steißaufwärts gepflogen bis keiner mehr mocht; bey Gott ich will sie vor ihrem End noch Einmal getrumpft sehn. Und damit gab ich ihnen, der Einen hundert Gülden, der Andern zwey Schock, der Dritten dreyhundert, je nachdem sie recht gräulich, grausig und scheußlich waren: denn je furchtbarer und gräßlicher, je mehr man ihnen geben mußt; sonst hätt sie der Teufel nicht kacheln mögen. Flugs also hol ich mir von der Gaß einen derben stämmigen Ballenbinder und schließ die Eh gleich selbst mit ihm; doch eh ich ihm noch die Alten zeig, halt ich das Geld ihm hin und sprech: komm her mein Bruder, schau dieß ist dein, wenn du mal hackepetern willt daß die Federn stieben. – Von Stund an fingen die armen Gäuch zu rossen an wie alte Maulhengst. Ich setzt ihnen brav zu essen für, zu trinken vom besten, stark gewürzt, damit die Alten in Brunst geriethen und hitzig würden. Das End vom Lied war, sie schackten wie alle gute Geister: und nur den aller erschrecklichsten und schauderhaftesten Fratzen darunter henkt ich einen Sack vors Gesicht.

Ausserdem hab ich auch mit Prozessen viel sitzen lassen. – Was für Prozeß konntest du haben? frug ich ihn, hast du doch weder Haus noch Hof. – Mein Freund, sprach er, es hatten die Jungfern hie in der Stadt auf Eingebung des höllischen Feinds eine Art von Mieder oder steifer Krägen erfunden von hohem Schnitt, die ihnen die Häls so gar versteckten, daß man auch nicht eine Hand mehr mocht drunter bringen; den der Schlitz war hinten dran, und vorn alles zu; womit die armen, traurigen, contemplativischen Amanten [258] gar übel zufrieden waren. An einem schönen Dienstag nun geb ich ein Schreiben zu Gericht ein, ich werf mich gegen ernannte Jungfern zum Kläger auf und remonstrir wie ich dabey viel Abbruch litt, betheuernd daß ich mir ebenfalls mit gleichem Recht meinen Hosenlatz wollt hinten an den Arß nähen lassen, wenn nicht das Gericht ein Einsehen hätt. Mit einem Wort, die Jungfern stellten Syndicat aus, produzirten Fundament' und gaben Blankett zu Führung ihrer Sach: aber ich setzt ihnen so scharf zu, daß von Rechtswegen die hohen Mieder ihnen zu tragen verboten wurden, wofern sie nicht vorn etwas weniges geschlitzert wären. Es kostet' mich aber ein schön Stuck Geld. Dann hätt ich auch einen fast schmutzigen säuischen Handel wider Herrn Stinkwitz und Consorten, daß sie nicht mehr heimlich des Nachts weder das Tönnel, Oxhost noch Quart der Sentenzen sollten lesen dürfen, sondern am hellen lichten Tag, und zwar in den Schulen der Futtergaß, vor den Augen aller Artemagistri und Sophisten; dabey ward ich wegen einer Förmlichkeit im Schergen-Bericht, zu den Kosten verurtheilt. Ein andermal stellt ich beim Parlament eine Klag an wider die Maulthier derer Präsidenten, Räth und Andrer; des Innhalts, daß wenn man sie unten im Schloßhof müssig stehen und ihren Kappzaum nagen ließ, die Räthinnen ihnen schöne Geiferlätzlein machen sollten, daß sie mit ihrem Geifer nicht das Pflaster beschmutzten; es könnten sonst die Pagen nicht mehr nach Herzenslust und ihrer Hosen unbeschadet, drauf knieen wenn sie knöchelten oder Totstrafmir zusamen spielten. Da ward mir ein schönes Urthel zu Theil, aber es kam mich etwas hoch. Itzt überschlag auch noch dazu, was mich die kleinen Schmäuslein kosten, die ich den Schloß-Buben immerfort aus meiner Taschen geb. – Und wofür? frug ich. – Mein Freund, antwortet' er, du hast auch keinen Spaß auf der Welt; ich aber hab dessen mehr als der König: und wenn du dich mit mir verbünden wolltest, wir gäben Teufel an. – Nein, nein, sag ich, Sanct Luft schütz mich dafür, denn du wirst eines Tags gehangen. – Und du, sprach er, wirst eines Tags beerdigt. Was ist ehrlicher, Luft oder Erd? [259] O armes Schaaf! Hing nicht der Herr Christus selbst in der Luft?

Aber zur Sach. Derweil die Buben nun schmausen, halt ich ihnen die Maulthier, und schneid unmerklich dem einen und andern die Steigriemen auf der Schrittseit entzwey, dergestalt daß sie nur noch an einem dünnen Fäslein hangen. Itzt, wenn der dicke Wanst von Rath oder was er ist, im vollen Schwung aufsitzen will, so fallen sie euch vor allen Leuten, wie die Schwein, der Läng lang hin, und geben uns für mehr denn hundert Franken zu lachen. Ich aber lach noch einmal so gut, denn wenn sie erst nach Hause kommen, dann lassen sie den Monsieur Buben auspauken wie grünes Sommerkorn. Da schmerzt mich dann die Zech nicht groß, die ich für sie hab aufgehen lassen. In Summ, er hätt, wie schon gedacht, dreyundsechzig Mittel und Weg ihm Geld zu machen, aber deren zweyhundert und vierzehn es zu verthun, die Gurgelwäsch nicht mit gerechnet.

Achtzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel.

Wie ein grosser Gelahrter aus Engelland mit Pantagruel argumentiren wollt, und vom Panurg überwunden ward.


In eben diesen Tagen kam auch ein grundgelahrter Mann mit Namen Thaumastos, auf das Gerücht und den Ruf von Pantagruels unvergleichlicher Weisheit aus Engelland an, in der einigen Absicht ihn zu sehen und kennen zu lernen, und zu erproben ob seine Weisheit fürwahr so groß wär als man sie rühmt'. Rückt' also bald nach seiner Ankunft in Paris, dem Pantagruel vors Quartier, der in dem Hof Sanct Denys wohnt' und mit Panurgen just zu der Zeit auf peripatetisch im Garten spazierend philosophischen Zwiesprach hielt. Zwar bei dem ersten Eintritt schrack er vor [260] Furcht zusamen, da er ihn so groß und stark sah, grüßt' ihn aber alsbald fein höflich nach der Sitt und sprach zu ihm: Wohl ist es wahr, was Plato der Weltweisen Fürst sagt, daß, wenn das Bild der Wissenschaft und Weisheit leibhaft, und den Augen der Sterblichen vernehmlich wär, sie alle Welt zur Bewunderung ihrer Schönheit entzücken würde. Sintemalen schon ihr Ruf in Lüften verbreitet, wenn er den Schülern und Freunden von ihr (den Philosophen) zu Ohren kommt, sie nimmer ruhen noch mit Gemächlichkeit schlafen läßt; also entzündet und spornt er sie, den Orten und Männern zuzulaufen, in denen Wissenschaft ihre Tempel erbaut zu haben und ihre Orakel mitzutheilen versichert wird. Wie es uns deutlich gelehret worden an der Königin von Saba, die von den Grenzen des Aufgangs und dem Perser-Meer gezogen kam, des weisen Salomons Haushalt zu sehen und seine Klugheit zu vernehmen. Am Anarcharsis der aus Scythien um Solons Villen bis nach Athen ging. An Pythagoras der die Wahrsager in Memphis, an Plato, der die ägyptischen Magier und den Archytas von Tarent besucht'. An Apollonius von Tyana, welcher bis zum Berg Kaukasus durch die Scythen, Massageten und Inder, über den großen Strom Physon, ja bis zu den Brachmanen zog, den Hiarchas zu sehen: und von da weiter in Babylonien, Chaldäa, Medien, Assyrien, Parthien, Syrien, Phönizien, Arabien, Palästina, Alexandrien bis tief in Aethiopien, die Gymnosophisten mit Augen zu schauen. Ein gleiches Beispiel haben wir auch am Titus Livius, welchen zu hören und zu sehen viel lehrbegierige Leut nach Rom aus den entlegensten Gauen von Frankreich und Spanien kamen. Ich wag mich nicht in Reih und Glied mit so vollkommenen Männern zu stellen: möcht aber doch für einen Lehrbegierigen gelten, für einen Freund nicht nur des Wissens, sondern auch der Wissenden. Derhalb, sowie zu mir der Ruf von deiner unschätzbaren Weisheit erschollen, hab ich verlassen [261] Vaterland, Haus, Hof und Freundschaft und hieher mich aufgemacht, nicht achtend weder des Weges Läng, der See Unbilden noch Neuheit eines fremden Lands, nur dich zu sehen und mich mit dir über etliche Punkte zu berathen in der Philosophi, Geomanti und Cabal, darin ich Zweifel heg und mein Gemüth nicht beschwichtigen kann. So du mir aber die möchtest lösen, ergeb ich mich dir von Stund an zum Knecht, nebst meinem Saamen für und für; denn andre Gaben hab ich nicht, die ich für wichtig achten möcht es dir zu lohnen. Also will ichs denn schriftlich fassen und auf morgen allen Gelahrten hie in der Stadt zu wissen thun, daß wir vor ihnen drum disputieren öffentlich.

Nun aber merke dir die Art, wie ich zu disputiren meine: ich disputir nicht pro et contra, wie die dummen Sophisten hie am Ort und anderwärts, deßgleichen auch nicht nach der Akademiker Art durch Declamation, noch auch durch Zahlen, wie Pythagoras thät und Picus Mirandula in Rom thun wollte. Sondern ich will disputiren durch Zeichen allein, ohn alle Wort, weil es so steile Materien sind, daß keine menschliche Sprach im Stand ist sie auszudrucken wie ich möcht. Woll also deine Magnificenz sich dabey einzustellen geruhen: wird seyn im grossen Saal von Navarre, morgens sieben Uhr.

Auf Endigung sothaner Red antwort' ihm Pantagruel geziemend und sprach: Lieber Herr, von den Gaben die ich von Gott empfangen hab, möcht ich, soviel an mir ist, niemandem mitzutheilen mich weigern. Denn alles Gute kommt von Ihm, und ist Sein Wille daß es weiter fortgepflanzet werden soll, wenn man mit Leuten zusamen ist, welche dieß himmlische Manna echter Erkenntniß zu empfangen würdig und geschickt sind. Wie ich nun schon vorerkannt daß unter diesen du heutzutag der Erste bist, entbiet ich dir daß du mich auch allstündlich und in allen Stücken, nach meinen schwachen Kräften, dir auf dein Begehr zu dienen willig sollst finden: wenn ich schon zwar eher von dir müßt lernen, denn du von mir. Jedennoch aber, wie du verlangt hast, [262] wollen wir deine Zweifel gemeinsam miteinander beherzigen, und deren Lösung bis auf den Grund des unerschöpflichen Brunnens suchen, darinn nach Heraklitus, die Wahrheit verborgen ist. Auch lob ich höchlich die Art der Unterredung die du erkohren hast, nämlich durch Zeichen ohne Wort: denn damit werden du und ich einander verstehen, unbelästigt von diesem albernen Händegeklatsch, das die Sophisten hie erheben just wenn man bey einem gelehrten Gespräch im besten Argumentiren ist. Werd also morgen nicht verfehlen zu rechter Zeit und an dem Ort, den du mir vorbeschieden hast, mich einzufinden, bitt dich aber: laß allen Streit und Lärmen von uns ferne seyn, nicht unsern Ruhm, noch Lob vor Menschen damit suchen, sondern die Wahrheit lediglich. – Darauf versetzt' Thaumastos: Herr, erhalt dich Gott in seinen Gnaden und lohn es dir daß deine hohe Magnificenz sich also tief zu meiner kleinen Dürftigkeit erniedern will. So Gott befohlen, bis morgen. – Gott befohlen, sprach Pantagruel.

Ihr Herren, die ihr dieß Büchlein leset, glaubt nicht daß jemals in der Welt zwey tiefnachdenklichere Leut, und verzückteren Geistes gewesen wären als selbige ganze Nacht sowohl Thaumastos als Pantagruel. Denn Thaumast sprach zu dem Burgvoigt des Cluny-Hofes, wo er hausirt', daß er in seinem Leben noch nicht so durstig wie diese Nacht sey gewesen. Mir ist, sagt' er, als wenn mich schier Pantagruel bey der Gurgel hätt. Schafft uns zu trinken, ich bitt euch drum, und frisches Wasser, daß ich mir den Gaumen ausspühl!

Andrer Seits warf sich Pantagruel baß ins Zeug, und wälzt' ohn Umsehn die ganze Nacht in einem fort.

Das Buch des Beda, de Numeris et signis.

[263] Das Buch Plotini, de Inenarrabilibus.

Das Buch des Proclus, de Magia.

Die Bücher des Artemidorus, peri Oneirocriticon.

Des Anaxagoras, peri Semeion.

Ynarii, peri Aphaton.

Die Bücher des Philistion.

Hipponax, peri Anecphoneton,

und einen Haufen mehr: bis endlich Panurg ihm zusprach: Gnädiger Herr, entschlagt euch nur all dieser Gedanken und legt euch schlafen: denn ich seh, ihr habt euch den Geist schon so erhitzet, daß euch dieß strenge Studiren bald ein ephemerisch Fieber muß zuziehn. Trinkt lieber noch zuvor ein fünfundzwanzig bis dreyssig gute Schluck, dann legt euch aufs Ohr und schlaft getrost: denn morgen werd ich dem Herren Engelländer schon respondiren und demonstriren; und wo ich ihn euch nicht ad metam non loqui in das Bockshorn jag, so heißt mich einen schlechten Kerlen.

Wohl, sprach Pantagruel, er ist aber erstaunlich gelehrt, mein Freund Panurg! wie wirst du ihn können zufrieden stellen? – Gar leicht, antwortet' Panurg, ich bitt euch, redet nur weiter nicht davon, und laßt mich machen. Kann ein Mensch wohl so gelehrt seyn wie die Teufel? – Fürwahr nicht, sprach Pantagruel, ausser durch Gottes besondere Gnad. – Und gleichwohl, sprach Panurg, hab ich mit denen manch schönes Mal disputirt und sie in den Sack hinein und wieder heraus gebeutelt. Drum macht euch weiter nur keine Sorg um diesen stolzen Engelländer, denn er soll morgen Käslab scheissen vor aller Welt. – Darauf zecht' und knöchelt' Panurg mit den Pagen die ganze Nacht durch,[264] verspielt' seine letzten Hosen-Nestel im Primus Secundus und Riberle: und endlich zu der bestimmten Zeit führt' er seinen Herrn und Meister Pantagruel an den bewußten Ort. Und glaubt nur dreist daß Alt und Jung und was nur Bein in Paris hätt, da nicht aussenblieb. Ein jeder dacht: dieser Teufel Pantagruel, der all die Sorbonischen Laffen und Querköpf so abgetrumpft hat, itzo wird man ihm's Maul auch wischen. Denn dieser Englische ist ein zweyter Teufel von Vauvert. Wir wolln doch sehn wer das Feld behält.

Also nachdem sich alles versammelt, erwartet sie Thaumastos dort, und als Pantagruel mit Panurgen in den Saal trat, fingen all diese Schulfüchs, Artemagistri und Intranten, nach ihrer Kalbsgewohnheit, mit den Händen zu klatschen an.

Aber da erhub Pantagruel seine Stimm so furchtbar laut, daß es klang wie ein Doppel-Kanon, und sprach Ruh! in des Teufels Namen, haltet Ruh ihr Schurken, oder bey Gott, wenn ich mich hie geheyet, hol ich euch allen die Köpf herunter. – Von diesen Worten waren sie sämmtlich wie die wilden Enten verdutzt, und keiner getraut' sich auch nur zu räuspern, und wenn er gleich funfzehn Pfund Flaumenfedern im Hals gehabt hätt. Und waren all von der einigen Stimm schon so durstig worden, daß sie die Zung einen halben Schuh lang aus dem Schlund hingen, gleich als hätt Pantagruel ihnen die Kehlen versalzen.

Jetzt nahm Panurg das Wort und sprach zum Engelländer: Lieber Herr, bist du kommen, strittigerweis über die Sätz so du gestellt hast, zu disputiren, oder aber um Lernens und der Wahrheit willen? – Darauf antwort' ihm Thaumastos: Herr, ich hab weiter keinen Betrieb als Wissenschaft, und redliches Verlangen, dessen daran ich nun mein Lebelang gezweifelt hab, belehrt zu werden, als der ich niemals weder ein Buch noch Menschen funden, die meine [265] vorberegten Zweifel mir hätten zu Dank erledigen mögen. Was aber den streitigen Wort-Zank anlangt, so mag ich ihn nicht, auch ists ein gar armselig Ding, und lass ihn lieber den sophistischen Krippenbeissern, die in ihren Disputationen nicht Wahrheit, sondern nur Widerspruch und Hader suchen.

Also, versetzt Panurg, wenn ich nun, der ich doch nur ein kleiner Schüler meines gnädigen Herren und Meisters Pantagruel bin, dir überall und in allen Stücken genugthun möcht, wär es nicht ziemlich diesen meinen Meister damit zu behelligen. Wär also besser, daß er sich als Schiedsmann unsers Colloquii auf das Katheder stellt' und dir aushülflichen Bescheid erteilte, wo es dir etwann bedünken sollt, als hätt ich deinen Wissensdurst nicht sattsam gestillet. – Wahrlich, sprach Thaumast, dieß ist sehr wohl gesprochen. Laßt uns zur Sach.

Nun merket wohl, daß sich Panurg an seinen langen Hosenlatz ein schönes Quästlein von rother, weisser, grüner und blauer Seiden gehangen, und eine stattliche Pommeranz innewendig hinein gesteckt hätt.

Neunzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel.

Wie Panurg den englischen Zeichenfechter ad Absurdum führt'.


Itzt, während nun alles mäuslein still umherstand und die Ohren spitzt', erhub der Engländer beyde Händ getrennet hoch in Luft empor, wobey er alle Spitzen der Finger in der Figur zusammenkniff, die man um Chinon Hühner-Arß nennt, und mit den Nägeln der einen vier mal gegen die andre schlug: dann that er sie auf, und schlug sie, daß es klatscht', einmal zusamen, schloß sie wiederum, und schlug zweymal wie vorhin; thät sie dann vier mal wieder auf. Darnach legt' er sie lang und platt an einander, wie in andächtigem Gebet.

[266] Alsbald erhub Panurg die Rechte, steckt' dann den Daumen selbiger Hand ins rechte Nasenloch, hielt die vier Finger ausgestreckt und in ihrer Reih parallelisch zusamengeschlossen gegen das Nasenbein, wobey er das linke Aug ganz zudruckt', und mit dem Rechten blinzelt', daß die Brau und Wimper tief heruntergepreßt ward. Dann hub er die linke Hand in die Höh, den Daumen aufrecht, die vier Finger fest aneinander und ausgereckt, und hielt sie so in gleichem Strich zur Positur der rechten, also daß zwischen beyden Händen ein und ein halber Schuh breit Raum verblieb. Hierauf neigt' er in gleicher Gestalt die zwo Händ zur Erden, und endlich hielt er sie in die Mitt, als wollt er damit dem Englischen grad nach der Nasen zielen.

Und wenn Mercur, sprach der Engelländer. – Da fiel ihm aber Panurg ins Wort und rief: ihr habt gesprochen, Maske! – Itzt macht' der Engländer dieses Zeichen: Die linke Hand hielt er ganz offen hoch in die Luft, dann ballet' er die vier Finger daran zur Faust zusamen, und setzt' den Daumen ausgestreckt an das Nasenbein. Hub gleich darauf die rechte Hand ganz offen empor und neigt' sie auch ganz offen wieder, indem er den Daumen an den Ort legt', wo sich der kleine Finger der linken zusamenballt', und bewegt' die vier Finger an selbiger langsam in der Luft. Dann thät' er umgekehrt mit der Rechten wie er zuvor mit der Linken gethan, und mit der Linken, wie mit der Rechten.

Panurg, hievon nicht sehr erschreckt, zog seinen trismegistischen Latz mit der linken an Luft, und mit der Rechten langt' er aus ihm ein kleines Schnitzel weisse Rindsripp und ein Paar Stücklein Holz von gleicher Gestalt, das eine schwarzes Ebenholz, das andre Brasilianisch incarnat. Die legt' er zwischen den Fingern der Hand in guter Symmetri zusamen und schlugs aneinander, daß es klang wie wenn die Räudigen in Bretagne mit ihren Klappern hausiren gehen, nur etwas besser und lieblicher: und zog dabey die Zung im Mund ein, mit der er lustig schnalzt' und immer den Engelländer starr dazu ansah.

Die Theologen, Aerzt und Wundärzt dachten, dieß Zeichen sollt bedeuten daß der Engländer räudig wär. Die Räth, Legisten und Decretisten dachten, er wollt etwann [267] daraus folgern daß eine Art des menschlichen Glücks im Stand der Räudigkeit bestünd, wie weiland unser Herr gelehrt hat. Der Engländer aber verzagt' drum nicht, hub beyde Händ empor in der Art, daß er die drey Mittelfinger zusamenballt' und die Daumen zwischen die Zeigefinger und mittelsten steckt', die Ohrfinger aber lang ausgestreckt ließ: also hielt er sie dem Panurg hin, darauf legt' er sie dergestalt zusamen, daß der rechte Daumen den Linken, und der kleine Linke den Rechten bedruckte.

Panurg hierauf sprach nicht ein Wort, erhub die Händ und macht' dieß Zeichen: die Nägel des Zeigefingers und Daumens der linken Hand fügt' er zusamen, also daß gleichsam eine Schnall im Zwischenraum formiret ward: ballet' alle Finger der Rechten, bis auf den Zeigefinger zusamen, welchen er durch die zween vorgedachten der Linken öfters stieß und zog. Dann streckt' er den Zeiger und Mittelsten der rechten Hand aus, spreizet' sie so weit er konnt auseinander, und reckt' sie nach Thaumasten: setzt' darauf den linken Daumen an den Winkel des linken Auges, während er die ganze Hand wie eine Fischfloß oder wie einen Vogelfittig der Läng lang ausdehnt' und possierlich hin und her schwenkt': eben so mit der Rechten am rechten Augenwinkel, und trieb es so in einemfort wohl eine reichliche Viertelstund.

Da fing Thaumast zu zittern an und ward ganz bleich, und macht' ihm dies Zeichen: Mit dem mittelsten Finger der Rechten schlug er gegen den Handteller-Muskel, der unter dem Daumen ist; drauf steckt' er den Zeigefinger der rechten Hand durch eben solch eine Schnall in der Linken, aber er steckt' ihn nicht, wie Panurg, zu oberst, sondern zu unterst hinein.

Jetzt schlägt Panurg die Händ zusamen und haucht darein, steckt abermals den Zeigefinger der rechten Hand in die Schnall der Linken, zieht und schiebt ihn wiederholentlich zwischendurch, hängt dann das Kinn lang, und betrachtet Thaumasten aufmerksam. Die Leut, die nichts von diesen Zeichen verstunden, sahen doch wohl daß er damit Thaumasten pantomimisch wollt fragen, was er darauf zu sagen hätt. Auch fing Thaumastos schon in Wahrheit dicke Tropfen zu schwitzen an, und schien in tiefer Beschaulichkeit [268] wie ausser sich verzückt: darnach bedacht er sich, legt' alle Nägel der linken Hand an die Nägel der Rechten, sperret' die Finger in halben Cirkeln auseinander und hub in dieser Positur die Händ so hoch er konnt empor.

Panurg hierauf schob flugs den Daumen der rechten Hand unter die Kiefern, und den rechten Ohrfinger in die linke Schnall, und klappt' dazu mit seinen Zähnen gar melodisch, daß die untern gegen die obersten rasselten.

Thaumast, vor schwerer Angst, stund auf; aber bey dem Aufstehn entfuhr ihm ein gewaltiger Bäckerfurz, denn die Hef kam hinterdrein, und seicht' den schärfsten Käslab, daß es wie alle Teufel stank, und was nur Händ hätt sich die Nasen zuhielt, denn er beschiß sich für Schwulitäten. Alsdann erhub er die rechte Hand gekrümmt; daß alle Spitzen der Finger zusammentrafen, und legt' die Linke platt auf die Brust. Worauf Panurg seinen langen Latz mit dem Quästlein fürzog, anderthalb Schuh lang ausreckt' und mit der linken Hand in die Luft emporhielt. Mit der Rechten nahm er die Pommeranz, warf sie bis sieben Mal in die Luft, zum achten aber fing er sie in die rechte Faust, und hielt sie ruhig hoch in die Höh, fing darauf an mit seinem schönen Latz zu schlenkern, und wies ihn Thaumasten.

Alsobald begann Thaumastos beyde Backen, wie ein Sackpfeiffer aufzublähen, und faucht' als ob er eine Schweinblas hätt aufblasen wollen. Worauf Panurg einen Finger der Linken ins Arßloch steckt' und mit dem Mund die Luft einsog, wie wenn man Austern in Schaalen ißt oder Suppen schlürfet; dann öffnet' er den Mund ein wenig und schlug flach mit der rechten Hand drauf, daß es laut und tief klang, gleich als ob der Schall von der oberen Fläch des Zwergfells durch die Luftröhr käm, und dieses thät er an sechzehn Mal. Thaumastos aber faucht' immer zu wie eine Gans. Itzt steckt' Panurg den rechten Zeiger in den Mund, klemmt' mit den Muskeln des Mundes ihn fest ein, und zog ihn wieder heraus, daß beym Herausziehn ein lauter Schall verspüret ward, wie wenn die Kinder mit schönen Rüben aus Holderbüchsen schiessen, und thät es neunmal.

Da rief Thaumastos: Ha, ihr Herren! das grosse Mysterium! Itzund hat er die Arm drinn bis zum Elenbogen! [269] Zog dann einen Dolch, den er bey sich trug, und hielt ihn mit der Spitz zu unterst. Drauf nahm Panurg seinen langen Latz und schlenkert' ihn gegen seine Schenkel so stark er konnt, verschränket' dann die beiden Händ wie einen Strähl über dem Kopf und streckt' dazu die Zung so lang er konnt herfür, verdrehet' dabey die Augen im Kopf wie eine sterbende Geiß. – Ha! sprach Thaumast, ich merk schon, doch wie nun? und macht' ein Zeichen mit seinem Dolch, davon er das Heft sich auf die Brust setzt' und, mit ein wenig rückwärtsgebogenen Fingerkoppen, die flache Hand auf die Spitz hielt. Hierauf neigt' Panurg das Haupt zur Linken, steckt' den mittelsten Finger ins rechte Ohr, den Daumen hielt er steilrecht in die Höh. Kreuzt dann die beiden Arm auf der Brust, und hustet fünfmal; zum fünften stampft er mit dem rechten Fuß die Erd, hebt dann den linken Arm empor, ballt alle Finger zusamen, den Daumen gegen die Stirn gekehrt, und schlägt mit der Rechten sechsmal an die Brust. Aber Thaumast, wie nicht zufrieden hiemit, legt seinen linken Daumen an die Nasenspitz und schließt die übrigen Finger derselben Hand. Da legt Panurg die zween Mittelfinger an beyde Mundwinkel, zieht den Mund so weit er kann auseinander und zeigt sein ganz Gebiß, wobey er noch mit beyden Daumen die Augenwimpern gar tief herabdruckt', daß er traun nach Urtheil der Versamelten eine sehr leidige Fratzen schnitt.

Zwanzigstes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel.

Wie Thaumast Panurgens Tugenden und Gelehrsamkeit rühmt'.


Jetzo stund Thaumastos auf, zog sein Barettlein und bedankt' sich bey dem Panurg aufs freundlichste. Dann sprach er mit erhobener Stimm zur ganzen Versammlung: Liebe Herren, heut kann ich wohl mit Wahrheit sagen wie es im Evangelio heißt: est ecce plusquam Salomon hic. [270] Ihr habt hie einen Schatz ohn Gleichen in eurer Mitt an dem hohen Meister Pantagruel, von dem der Ruf mich aus den innersten Gauen Englands hieher gezogen, um mit ihm von unauflöslichen Problemen der Alchymi, Magi, Kabal, Geomanti, Astrologi und Philosophi zu conferiren, die ich im Sinn hätt. Aber itzo bin ich dem Ruf zu zürnen geneigt, der gegen Ihn mir neidisch gesinnt scheint, weil er auch nicht den tausendsten Teil dessen was er in Wahrheit ist, berichtet. Ihr habt all gesehen wie mich schon sein bloser Schüler zufrieden gestellt und mir davon mehr offenbart hat als ich frug, auch ausserdem viel andre unschätzbare Zweifel erlediget: worinn ich euch betheuern kann daß er mir den wahrhaftigen Brunnquell und Schacht der Encyklopädi eröffnet hat, ja dergestalt, daß ich zuvor bey keinem Menschen auch nur die ersten Anfangsgründ davon zu finden verhofft. Dieß war, als wir uns ohn ein Sterbenswörtlein durch Zeichen mit einander besprachen. Werd aber bald was hie geredt und von uns ausgemacht ist worden, in Schriften fassen, damit man es nicht für Gespött halt, und es drucken lassen, auf daß ein Jeder dran lernen mag, wie Ich gelernt hab. Da ihr dann ermessen werdet was erst der Meister hätt sagen mögen, wo der Schüler sich also mannhaft erwiesen hat. Denn non est discipulus super magistrum.

In alle Weg sey Gott gelobt und euch dienstschuldigst für die Ehr gedankt, die ihr uns bey dem Actus erwiesen. Gott lohn es euch ewiglich. – Gleiche Danksagungen erstattet' auch Pantagruel öffentlich dem ganzen Cötus, und führt' Thaumasten von da mit sich zum Imbiß heim. Da glaubt dann daß gebechert ward bis ihnen die Knöpf von den Bäuchen sprangen (denn dazumal knöpft' man die Bäuch, wie itzt das Koller mit Knöpfen ein) bis die Leut einander frugen, woher kommst du? Ey heilige Frau, da ging es an ein Weinschlauchsangen, ein Flaschentraben! Da ward getutet: lauf und schaff Bursch, ins Teufels Namen! Wein her! Bring hier! Stell hin! Setz auf! Nicht Einer war drunter, der nicht mindest fünfundzwanzig bis dreyssig Ohm getrunken hätt; und wie? sicut terra sine aqua; denn es [271] macht' warm und hatten sich dazu noch durstig disputiret. Anlangend nun die Auslegung der Thaumastischen Streitsätz und Verständniß der Zeichen womit sie disputirten, so wollt ich euch dieselben wohl nach ihrem mündlichen Bericht erklären: aber ich hab gehört, daß Thaumastos ein großes Buch hierüber zu London in Druck gestellt hat, darinn er unvergessen alles und jedes erläutert. Dieserhalb will ichs für itzo bewenden lassen.

Ein und zwanzigstes Kapitel
Ein und zwanzigstes Kapitel.

Wie Panurg in eine hohe Pariser Dam verliebt war.


Panurg kam nachgerad zu Ansehn in Paris durch diesen Sieg über den Engelländer, und trug von Stund an seinen Hosenlatz höher, ließ ihn oben mit Flunkern sticken nach der Romanischen Hosen-Mod, und das Volk lobpries ihn öffentlich und macht' ihn auf einen Gassenhauer, den Kind und Katz im Kapploch sang. Auch war er in allen Damen- und Fräuleinsocietäten sehr gern gesehen. Da schwoll ihm bald der Kamm so hoch, daß er sich an eine der ersten Damen der Stadt zu machen wagte.

Flugs also mit Beyseitesetzung eines langen Schwalls von Präambuln und Schwüren, wie unsre Jammer-Amanten und contemplativischen Fastnachtsritter – denn sie kommen dem Fleisch nicht zu nah – gemeinlich brauchen, sagt' er einst zu ihr: Madam, gemeinem Wesen wär es ersprießlich, Euch ergötzlich, euerm Stammbaum zur Ehre gereichend, und mir notwendig, daß ihr euch mit meiner Rass belegen liesset. Und glaubet mirs, denn die Erfahrung wird es euch lehren. – Bey diesem Wort stieß ihn die Dam auf hundert Meilen weit von sich, und sprach: Verhaßter Narr, geziemt euch diese Sprach zu mir? Wen meint ihr daß ihr für euch habt? Nun packt euch fort, und kommt mir nur nie mehr vor Augen! Denn wenig fehlt, so lass ich euch Arm und Bein zerschlagen.

[272] Hum, sprach er, mich sichts wenig an, ob man mir Arm und Bein zerschlägt, wenn ihr und ich nur unser Späßlein einmal zusamen haben könnten; ich mein das Sägemännelspiel im Tiefenborn: denn sehet hier! (und wies auf seinen langen Latz) hier wohnt Hans Heydi, der sollt euch traun einen Hopser spielen, daß ihr ihn bis in das Mark der Gebein verspürtet. Er ist gar wacker, findet euch die kleinen Allotria und Kernschlier im Ratzenwinkel so trefflich aus, es braucht ihm niemand nach zu fegen.

Die Dam antwortet': Fort, ihr Unflath! nur fort! wo ihr mir noch ein Wort sagt, ruf ich die Leut herbey und lass euch hie bläuen daß ihr zu Boden stürzet. – Ho, sprach er, ihr seyd doch nicht so schlimm als ihr euch stellt: nicht doch! da müßt ich mich sehr in euerm Gesicht betrügen. Denn eher führ ja die Erd gen Himmel, und fiel der höchste Himmel zum Abgrund, ja alle Ordnung der Natur müßt umgekehrt seyn, wenn in einer so hohen und zarten Schönheit wie ihr, auch nur ein Tröpflein Gall oder Bosheit wohnen sollte. Zwar spricht man wohl, das Weib das schön ist, lebt nicht mehr, die nicht auch widerspenstig wär; aber dieß gilt nur von den niedern plebejischen Schönen. Eure Schönheit ist so ausbündig, einzig, himmlisch, daß ich glaub, es hat die Natur euch als ein Muster damit geziert, uns sehen zu lassen, wieviel sie thun kann, wenn sie all ihre Macht und Weisheit gebrauchen will. Es ist eitel Honig, eitel Zucker und himmlisch Manna was an euch ist. Den güldenen Apfel hätt Paris Euch, und nicht der Venus, noch Juno noch Minerven sollen zuerkennen; denn nimmermehr war so viel Herrlichkeit in Juno, so viele Weisheit in Minerven, soviel Holdseligkeit in Venus, als in Euch. O ihr himmlischen Götter und Göttinnen, wie seelig wird Der seyn, dem ihr in Gnaden gönnet, Diese zu halsen, Diese zu küssen, an Dieser seinen Speck zu reiben! Ha bey Gott! und der bin Ich, das seh ich klar, denn schon liebt sie mich inniglich. Ich erkenn's, ich bin dazu von den Feen prädestiniret. Frisch also, keine Zeit verloren, drauf und dran und aufgebockt!

Und damit wollt er sie umfangen, aber sie stellt sich als wenn sie die Nachbarn aus dem Fenster zu Hülf wollt rufen: also entwich Panurg sofort und sprach noch auf der [273] Flucht zu ihr: Wartet Madam, ich komm gleich wieder, ich hol sie selbst, bemühet euch nicht. – Ging damit weg, grämt' sich nicht groß um den erhaltnen Abschied, ließ sich auch das Essen nicht schlechter drauf schmecken.

Tages darauf begab er sich um die Stund da sie zur Messen ging, an die Kirch und reicht' ihr in der Thür mit einer tiefen Verneinung den Weihbrunn. Darauf kniet' er traulich neben ihr nieder und sprach: Madam, wißt, ich bin so verliebt in euch, es läßt mich weder brunzen noch ferchen. Ich weiß nicht was euch dazu dünket; wenn ich ein Unglück davon hätt, was sollt draus werden? – Geht, geht! sprach sie, mich kümmerts nicht, und laßt mich hier mein Gebet verrichten. – Aber, sprach er, anagrammatisiret einmal: »Schwarz Hänsel roch Lauch.« – Ich weiß nicht, sprach sie. – Es heißt, antwortet' er, »Rauch Loch, harts Schwänzel,« und damit bittet Gott, daß er mir allzeit geben woll was euer edles Herz begehrt: und habt die Gnad, reicht mir doch mal dieß Rosenkränzel. – Da nehmt, sprach sie, und plagt mich nicht weiter.

Mit diesen Worten wollt sie ihm ihren Rosenkranz, der von Cedernholz mit grossen güldnen Marken war, langen; aber Panurg zog hurtig eins von seinen Messern und schnitt ihn glatt ab, trug ihn dann auf den Trödelmarkt, und frug sie: wollt ihr etwann mein Messer? – Nein, nein, sprach sie. – Es steht euch aber doch gern zu Dienst, mit Sack und Pack, mit Darm und Dung. – Der Dam inzwischen ward nicht gar wohl um ihren Rosenkranz zu Muth, denn er war ihr in der Kirch mit eine von ihren Herzstärkungen, und dacht bey sich: dieß Großmaul da ist irgend ein hergelaufner Schwindler aus der Fremd, ich werd sobald meinen Rosenkranz nicht wieder sehen. Was wird mein Mann dazu sagen? er wird mir zürnen: aber ich werd ihm sagen, es hätt ihn in der Kirch ein Dieb mir abgeschnitten: das glaubt er leicht, wenn er das Band noch am Gürtel siehet.

Nach dem Essen ging Panurg mit einem grossen Beutel [274] voll Palais-Ducaten und Rechenpfennig im Ärmel, wieder hin zu ihr, und fing an: welches von uns Beyden hat wohl das andre lieber, ihr mich, oder ich euch? – Da antwort sie: Was mich betrifft, hass ich euch nicht, denn ich hab alle Menschen lieb, wie Gott befiehlt. – Ja aber, sprach er, ich mein ob ihr nicht in mich verliebt seyd? – Hab ich euch nicht schon so vielmal gesagt, antwortet' sie, daß ihr mir nicht mehr solche Reden führen sollt? Sprecht ihr mir nur noch Ein Wort davon, werd ich euch zeigen ob Ich es bin, der ihr von Unzucht schwatzen dürfet. Hinweg! und meinen Rosenkranz gebt mir zurück, daß nicht mein Mann mich darnach frägt.

Wie dann, Madam? antwortet' er, euern Rosenkranz? Das lass ich bleiben, bey meinem Veit; aber ich schenk euch wohl einen andern. Wie hättet ihrs lieber? von Gold mit Schmelzwerk, in Form grosser Kugeln, oder mit artigen Liebesknoten? ganz massiv, wie starke Barren? oder wollt ihrs von Ebenholz, oder von grossen Yacinthen, grossen geschnittnen Granaten mit Marken von feinen Türkisen? oder von edeln Topasen mit feinen Saphiren markirt? oder etwann von schönen Balasen mit grossen Marken von Diamanten achtundzwanzigfach brillantirt? Nein, nein, es ist noch viel zu wenig. Ich weiß ein schön Kränzel von feinen Smaragden, mit Marken von grauem geflecktem Ambra, am Schloß hats eine persische Perl pommeranzengroß, es kostet nicht mehr als fünfundzwanzigtausend Ducaten. Ich will euch ein Präsent damit machen, denn Baarschaft hab ich; und dazu klirrt' er mit seinen Rechenpfennigen drein, als wenn es Sonnenthaler wären. Oder wollt ihr ein Stück Sammet, scharlach, karmesinviolett? Ein Stück broschirten Atlaß oder auch karmesinroth? Wollt ihr Ketten, Ring, Flunkern, Gold-Schmuck? Sagt nur Ja: bis fünfzigtausend Ducaten ist mirs ein [275] Kinderspiel. – Mit solchen Reden macht' er ihr nun den Mund zwar wässrig, doch sprach sie: nein, ich dank euch, ich will nichts von euch. – Nun, so mir Gott: antwortet' er, ich aber will von euch was, und es kostet euch nichts, macht euch nicht ärmer. Schauet her! (hier wies er auf seinen langen Latz) hier ist Hans Hupfel, der sucht Quartier, und damit wollt er sie umhalsen. Aber sie fing zu schreyen an, wiewohl jedoch nicht überlaut. Jetzt kehrt' Panurg sein falsch Gesicht herfür und sprach: So wollt ihr denn in gutem mich nicht ein wenig machen lassen? Ey Schad für euch, ihr seyd der Ehr und des hohen Glückes gar nicht werth. Aber bey Gott, itzt will ich die Hund über euch schicken daß sie euch reiten! Und damit floh er im scharfen Trott auf und davon, aus Furcht vor Schlägen, denn er war stockscheu von Natur.

Zwey und Zwanzigstes Kapitel
Zwey und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Panurg der Pariser Dam einen Streich spielt', der nicht zu ihrem Vortheil war.


Nun merket wohl: den Tag darauf fiel eben das hohe Frohnleichnamsfest, an welchem alle Weiber sich in ihren höchsten Kleiderstaat werfen: wie denn auch vorerwähnte Dam auf diesen Tag ein stolzes Kleid von karmesinrothem Atlaß trug, nebst einem prächtigen weissen Sammt-Rock. Panurg, am Feyerabend zuvor spionirt' in allen Gassen so lang umher bis ihm gelang eine orgoosische Lyciskam aufzutreiben; die band er sich an seinen Gurt fest, führet' sie auf seine Kammer, füttert' sie den Tag und die Nacht durch bestens, früh am Morgen aber schlug er sie todt, [276] und nahm davon das, was den griechischen Geomanten bewußt ist; hackt' es in kleine Stückel so fein er konnt, verbarg es wohl, und ging damit an den Ort hin, wo die Dam, um zu dem Zug zu stossen, erscheinen mußt', wie es der Brauch am selbigen Fest ist. Als er sie nun kommen sahe, reicht' er ihr mit höflichem Gruß den Weihbrunn dar; darauf nach einer kleinen Weil, als sie ihr Sprüchlein ausgebetet pflanzt' er sich zu ihr in ihre Bank, und gab ihr ein beschrieben Blatt mit einem Rundreim, lautend wie folget:

Rund-Reim.
Für dießmal, als ich euch o holde Schöne!
Mein Leid geklagt, wiest ihr mir scheel die Zähne,
Verstiesset ohn Erbarmen mich von euch;
Der ich doch nie mit einem bösen Streich
In Wort noch Werk, Schimpf oder Scherz euch höhne.
Misfällt euch aber so mein Liebsgestöhne,
Schickt mir nicht Mäkler, diesen oder jene,
Sagt lieber selbst: Freund, trollt euch fort sogleich
Für dieses Mal.
Thu ich euch doch kein Leid, wenn ich erwähne
Daß mir mein Herz entbrennt wie dürre Späne,
Von eurer Schönheit die so voll und reich.
Drum gönnet mir daß ich mein Sattelzeug,
Mehr fodr ich nicht, auf eures fröhlich lehne
Für dieses Mal.

Und während sie das Papier nun aufschlug, um nachzusehen was darinn stünd, da besäet' Panurg sie hurtig von hinten mit seiner Spezerey an vielen Stellen, sonderlich in den Falten der Aermel und des Kleides: sprach dann zu ihr: Gestrenge Frau, den armen Amanten geht es oft hart: was mich betrifft, so hoff, es werden die schlimmen Nächt, Stürm und Gefecht die ich um euch erduldet hab, mir von der Fegefeuerspein dereinstmals noch in Abzug kommen. Bittet zum wenigsten Gott für mich, daß er mir woll in meinem Elend Geduld bescheeren!

[277] Er hätt es noch nicht ausgeredet, als alle Hund soviel nur in der Kirchen waren, auf die Dam zu schossen nach der Witterung der Spezerey womit er sie bestreuet. Groß und kleine, dick und dünne kamen sie schaarenweis, spitzten die Glieder, umschnoperten und beharnten sie dann über und über! es war der leidigste Spuk von der Welt.

Panurg verscheucht' sie ein klein wenig, sodann beurlaubt' er sich von ihr, und schlupft' in ein Kapell, die Hatz mit anzusehen. Denn das Hundsgeschmeiß bekackt' und beharnt' ihr die ganzen Kleider, bis endlich gar ein grosser Windhund ihr aufs Haupt pißt', etliche in die Aermel, andre aufs Gesäß, die kleinen seichten ihr auf die Schuh, und all die andern Weiber darneben konnten sie mit genauer Noth vor den Hunden retten. Da lacht Panurg und sprach zu einem der Herrn von der Stadt: Ich glaub die Dam ist läufisch, oder es hat sie ein Windhund frisch belegt. Und als er die Hund itzt, wie sie pflegen wo eine läufische Hündinn ist, rings um sie knurren und brömmeln sah, lief er fort, den Pantagruel herbeyzuholen: und überall wo er nur Hund auf den Gassen fand, da gab er ihnen mit dem Fuß einen Tritt und sprach: warum gehet ihr nicht mit euern Gesellen zur Hochzeit? vorwärts ins Teufels Namen, vorwärts, marsch! Und als er heim kam, sprach er zum Pantagruel: Meister! kommt, ich bitt euch, und sehet alle Hund des Landes um eine schöne Dam versamelt, es ist die schönst' am ganzen Ort, und wollen sie rammeln. – Pantagruel war es sehr wohl zufrieden und nahm das Mysterium in Augenschein, das ihm gar schön und neu bedünkte. Aber das Best kam bey dem Umgang, in welchem ihr über sechshunderttausend und vierzehn Hund zur Seiten gingen und tausend gebranntes Herzeleid thäten: denn überall wo sie ging und stund, da folgten ihr immer neue Hund auf der Spur nach und beseichten den Weg, wo sie mit ihren Kleidern gestreift war. Und alles Volk blieb stehen und sah dem Schauspiel zu, den Hundsgebährden, wie sie ihr bis zu Halse stiegen und all ihr gutes Zeug verdarben. Es war zuletzt kein Rettung mehr als bis sie in ihre vier Pfäl entwischt' und immer die Hund ihr nach, und sie versteckt' sich, und die Zofen lachten. Kaum war [278] sie aber ins Haus hinein und das Pförtlein hinter ihr zugeschlossen, so kamen auf eine halbe Meil alle Hund herbey und brunzelten so hitzig gegen die Tür des Hauses, daß aus dem Harn ein Bach entstund, darinn die Enten geschwommen wären. Und dieses ist derselbige Bach, der itzo auf Sanct Victor läuft, wo Guobelin seinen Scharlach drinn färbt, wegen des Hundsharns specifischer Tugend und Eigenschaft, wie unser Meister Dorian weiland publice predigt'. Ja helf uns Gott! es hätt darinn eine Mühl gar füglich mahlen mögen. Doch aber gleichwohl nicht so gut als im Basakel bey Toulouse.

Drey und Zwanzigstes Kapitel
Drey und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Pantagruel, auf Botschaft von der Dipsoden Einfall in Amauroten-Land, von Paris aufbrach, Und aus was Ursach die Meilen in Frankreich so kurz sind.


Bald darauf kam dem Pantagruel Botschaft, daß sein Vater Gargantua ins Land der Feen versetzt worden durch Morga, wie Oger und Artus weiland: und daß auf Nachricht von dessen Versetzung, die Dipsoden aus ihren Gemarken ausgefallen, ein grosses Stück des Utopier-Landes verwüstet hätten, und dermal eben die grosse Stadt der Amauroten belägert hielten. Er also, ohn auch nur einem Menschen behüt dich Gott zu sagen, brach von Paris auf, denn die Sach hätt Eil, und kam gen Rouen. Unterwegens nun, als Pantagruel inne ward daß die französischen Meilen gegen der andern Herren Länder Meilen allzukurz [279] wären, frug er hievon Panurgen nach dem Grund und Ursach. Der erzählt' ihm eine Geschicht die uns Marotus vom See, der Mönch, im Buch von Canarischen Königsthaten berichtet, meldend daß vor Alters die Länder weder nach Meilen, Stadien, Parasangen noch Milliarien eingetheilet gewesen wären, bis König Pharamund allererst sie eingetheilet hätt, und dieß zwar in folgender Weis: er nahm zu Paris ein Hundert junge schmucke Bürschlein, frisch auf dem Zeug und resolut, desgleichen auch hundert artige Dirnlein von Picardi, ließ sie acht Tage lang aufs Best verpflegen und alimentiren. Darnach beschied er sie vor sich, gab einem jeden sein Dirnlein und ein brav Zehrgeld, und hieß sie wandern nach allen Strassen hiehin und dahin. Und aller Orten wo einer sein Schätzel bunzeln würd, da sollt er einen Stein hinsetzen und sollt ein Meil seyn. Zogen also die lieben Brüder fröhlig von dannen, und weil sie fein munter und ausgeruht waren, so puderten sie auf jedem Feldrain: und daher kommt es daß die französischen Meilen so kurz sind.

Als sie nun aber ein gut Stück Wegs zurückgelegt und sich müd und matt wie die armen Teufel geloffen hätten, auch ihnen das Oel im Krügel schier ausging, da hammelten sie nicht mehr so oft, und nahmen (ich mein die Kerls) mit einem einzigen leidigen lumpigen Mal des Tags fürlieb. Und daher kommt es, daß die Meilen in Bretanien, Lanes, Deutschland und andern mehr entlegnen Ländern so lang sind. Andre geben zwar noch andre Gründ dafür, doch dieser scheint mir der best. – Dieß ließ sich dann Pantagruel auch wohl gefallen.

Von Rouen weiter kamen sie gen Hommefleur, wo Pantagruel, Panurg, Epistemon, Eusthenes und Karpalim zu Wasser gingen. Und während sie am selbigen Ort auf guten Fahrwind harrten, auch ihr Schiff kalfatern liessen, kam ein Brief an ihn von einer Dam in Paris, die er eine [280] gute Weil auf seinen Leib sich gehalten hätt; auf dem stund obenauf geschrieben:


Dem Vielgeliebtesten der Schönen und Treuvergessensten der Helden P. N. T. G. R. L.

Vier und Zwanzigstes Kapitel
Vier und Zwanzigstes Kapitel.

Brief einer Dam in Paris, den ein Bot dem Pantagruel brachte, nebst der Erklärung eines Wortes, welches auf einen güldenen Ring stund.


Pantagruel, als er die Aufschrift gelesen, erschrack fast sehr, befrug den Boten nach dem Namen der Person die ihn geschickt hätt, erbrach den Brief, und fand nichts weiter darinn geschrieben, sondern blos einen güldenen Ring mit einem Tafel-Diamanten. Da rief er Panurgen und wies ihm den Casus. Der meint', das Blatt wär wohl beschrieben, nur aber so fein, daß man die Schrift nicht drauf sehn könnt, und bracht es ans Feuer, ob es etwann mit aufgelöstem Salmiak-Salz geschrieben wär. Dann taucht' ers ins Wasser ob vielleicht die Schrift mit Wolfsmilchsaft gemacht wär. Dann hielt ers an das Licht, im Fall es mit weissem Zwiebelsaft beschrieben. Dann rieb er ein Fleck mit Nußöl ein, zu sehen obs irgend mit Feigen-Lauge geschrieben wär. Dann wieder ein Stück mit Frauen-Milch, die ihre erste Tochter stillet, wenn es mit Rubetenblute geschrieben wär. Dann rieb er ein Ecklein mit Schwalbennest-Asche, wenns mit dem Tau geschrieben wär, den man in Jüdenkirschen findet. Dann wieder rieb er ein andres End mit Ohrenschmalz, wenn es mit Rabengalle geschrieben wär. Dann weicht' ers in Essig, ob es mit Springkrautsafte geschrieben. Dann schmiert' ers ein mit Fledermausschmeer, wenn es [281] mit Spermaceti oder grauem Ambra geschrieben wär. Dann legt' ers säuberlich in ein Becken mit frischem Wasser und zogs schnell wieder heraus, wenn es mit Federweiß geschrieben wär. Und als er sah daß er nichts weiter herausbracht, rief er den Boten und frug ihn: Du Gesell, hat dir die Dam, die dich geschickt hat, nicht einen Stecken mitgegeben? Denn er dacht es wär etwann der Pfiff aus dem Aulus Gellius. Aber der Bot antwortet': Herr, mit nichten. Hierauf wollt' ihm Panurg das Haar abscheeren, um nachzusehen, ob nicht die Dam mit scharfer Schwärz ihm ihre Meinung irgendwo auf seinen kahlen Kopf geschrieben: doch als er sah daß sein Haar sehr dick war, ließ ers bleiben, in Erwägung daß es in dieser kurzen Frist nicht wieder so lang hätt wachsen mögen. Und sprach itzt zum Pantagruel: Meister, bey dem lebendigen Gott! ich weiß nicht Rath noch Hülfe mehr: ich hab, um zu erforschen ob irgend was geschriebenes drinn stünd, ein Teil der Mittel probieret, die Messere Francesco die Nianto der Toskaner angiebt, der von der Art und Weis unkenntliche Schriften zu lesen, ein Buch geschrieben, deßgleichen was Zoroaster schreibt peri grammaton acriton, und Calphurnius Bassus de litteris illigibilibus, aber ich krieg nix los, und glaub s'ist weiter nichts als der Ring. Wohlan, laßt ihn mal sehen. – Betrachteten ihn also genauer, und fanden auf ebräisch darinnen: lama hasabhtani geschrieben. Unverzüglich ward Epistemon herbeygerufen und befragt was dieß heissen sollt. Der antwortet' ihnen, es wären ebräische Wort und hiessen: warum hast du mich verlassen? Sogleich versetzt' Panurg: ich habs! Seht ihr den Diamanten hie? es ist ein falscher Diamant. Die Dam also will sagen: Di, (sprich) falscher Amant, warum hast du mich verlassen? – Diese Auslegung verstund Pantagruel sogleich, denn ihm fiel ein wie er ohn Abschied von ihr zu nehmen, verreiset war, und wär sehr [282] gerne wieder umgekehrt gen Paris, mit ihr sich zu versöhnen: aber Epistemon führt' ihm das Scheiden Aeneä von der Dido, und des Tarentiners Heraklides Ausspruch zu Gemüth: daß, wenn das Schiff vor Anker hing und Noth an Mann ging, man die Sträng eh abhaun müß, als, mit Verlust der Zeit, aufknüpfen; und daß er sich aller andern Gedanken entschlagen müßt, um seiner Vaterstadt beyzustehn, die in Nöthen wär. – Die Stund darauf erhub sich aus Nord-Nord-Westen ein steifer Wind: da gingen sie mit vollen Segeln in hohe See, passirten wenige Tage darauf Porto Sancto und Mederen, und landeten an den Canarischen Inseln. Von da weiter kamen sie beym Capo Blanco, Senegien, Cap Virido, Gambrien, Sagrien, Meli und Capo di Bona Speranza vorüber, und landeten im Königreich Melinde. Von dort mit Tramontan-Wind, über Medin, Uti, Uden, Gelasin, die Inseln der Feen, am Königreich Achorien hin, liefen sie endlich im Hafen von Utopien ein, drey Meilen weit von der Amauroten Hauptstadt und etwas weniges drüber entlegen.

Nachdem sie sich nun am Land ein wenig geletzet, sprach Pantagruel: Kinder, die Stadt ist nicht weit von hier: bevor wir weiter gehen wär gut daß wir uns mit einander beriethen was zu tun ist, damit wirs nicht wie die Athenienser machen, die allezeit erst hinterdrein ihre Sach erwogen. Seyd ihr mit mir zu leben und zu sterben entschlossen? – Ja, Herr! riefen sie insgesammt: zählet so gewiß auf uns, wie auf die Finger eurer Hand. – Wohlan denn, sprach er, so hab ich nur noch einen Skrupel der mir im Geist zu schaffen macht: daß ich die Ordnung und Zahl der Feind die die Stadt belägern nicht weiß; denn wüßt ichs, würd ich getroster drauf los gehen. Darum lasset uns auf Mittel denken wie wir es erfahren mögen. – Da versetzten sie all einmüthig: Lasset uns nur hin, und zusehen, und verziehet ein wenig hie, denn spätestens bis auf den Abend bringen wir euch gewisse Botschaft.

[283] Ich, sprach Panurg, nehms auf mich, in ihr Lager zu gehen durch Runden und Wächter mitten durch; ich bankettir und pauk mich mit ihnen auf ihre eigne Gefahr herum, kein Mensch erkennt mich. Ich visitir die Artilleri und alle Zelten der Hauptleut: groß und breit will ich durch ihre Reihen einher stolziren, nie kriegt mans spitz. Der Teufel selber beluchst mich nicht, denn ich bin vom Stamm des Zopyrus. – Ich, sprach Epistemon, weiß alle Stratagemata und Heldenthaten der tapfern Streiter und Hauptleut aus dem Altertum, alle Finten und Listen des Kriegshandwerks. Ich geh, und ob man mich auch entdeckt und ertappt, entwisch ich ihnen doch, und mach ihnen dazu weiß von euch was mir beliebt: denn wißt, ich bin vom Stamm des Sinon. – Ich, sprach Eusthenes, stürz mich durch Schanzen und Verhau trotz aller Wachen und Runden durch, denn ich steig ihnen auf den Leib und schlag ihnen Arm und Bein entzwey, und wenn sie so stark wie der Teufel wären; denn ich bin vom Stamm Herkules. – Ich, sprach Karpalim, komm hinein wo ein Vogel hin kommt, denn ich bin so behenden Leibes, überhüpf euch Schanz und Gräben, ja ich renn durchs ganze Lager eh es einer nur inne wird: und fürcht mich weder vor Pfeil noch Kugel: da ist kein Roß so flink, und wärs der Pegasus des Perseus, wär es Pacolet, ich überlauf es frank und frisch. Ich will auf den Aehren des Kornes gehn, auf dem Wiesengras: kein Hälmlein soll sich unter mir beugen, denn ich bin vom Stamm der Amazon Camilla.

Fünf und Zwanzigstes Kapitel
[284] Fünf und Zwanzigstes Kapitel.

Wie des Pantagruels Gefährten Panurg, Karpalim, Eusthenes und Epistemon, sechshundert sechzig Reitern sauber den Garaus machten.


Während Karpalim dieses sprach, sahen sie an sechshundert sechzig leichte Reiter auf schnellen Gäulen des Weges kommen, dem Hafen zu, das Schiff in Augenschein zu nehmen, so eben angelandet war; und rannten mit verhängten Zügeln, ob sie sie etwann fangen möchten. Jetzt sprach Pantagruel: Kinder, gehet ins Schiff, dort kommen von unsern Feinden: aber ich will sie euch hie erschlagen wie das Vieh, und wären ihrer zehnmal so viel: inzwischen gehet und habet euern Kurzweil dran. – Darauf antwortet' ihm Panurg: Herr, nicht doch! es wär ja nicht recht daß ihr so thätet, sondern gehet vielmehr ihr und die Andern ins Schiff; denn ganz allein will Ich sie hie abfangen. Aber es gilt kein Zaudern. Eilet. – Wohlgesprochen! riefen die Andern: Herr, entfernet euch, so wollen wir hie Panurgen helfen, und ihr sollt sehn ob wir was können. – Darauf sprach Pantagruel: nun wohlan, ich bins zufrieden, so ihr aber den Kürzern zieht, werd ich euch nicht im Stiche lassen. – Itzt nahm Panurg zween grosse Schiffstau, band sie an das Gangspill auf dem Deck, und warf sie in einem grossen Kreis aufs Land, den einen weiter, den andern enger innerhalb des weitern, und sprach zum Epistemon: Lauft aufs Schiff, und wenn ich euch zuruf, so drehet den Spill auf dem Deck nur fleissig um, und immer die beiden Tau nach dem Schiff zu. – Dann, zu Eusthenes und Karpalim: Kinder, bleibt hie, haltet dem Feind gutwillig Stand, gehorchet ihm, und thut als ob ihr euch ergäbet: aber hüthet euch wohl, daß ihr nicht in den Ring der Tau hie kommt, haltet euch immer draussen. – Damit sprang er plötzlich auf das Schiff, nahm eine Last Stroh und eine Tonn Kanonenpulver, streuet' es zwischen den Ring der Tau und stellt' sich mit einem Schlag Feuer dicht dabey. Flugs kamen die Reiter im vollen Schuß daher, und rannten die vordersten bis an das Schiff an, und weil das Ufer schlüpfrig war, so [285] fielen ihrer bis vierundvierzig, Roß und Mann der Läng lang hin. Die Uebrigen, als sie es sahen, kamen herbey, in Meinung man hätt sie mit Sturm empfangen. Aber Panurg sprach ihnen zu: Ihr Herrn, ich sorg ihr habt euch etwa ein Leids gethan: verzeiht es uns, denn es ist nicht unsre Schuld, sondern der Schlüpfrigkeit des Wassers, weil das Meer allzeit ölig ist. Wir ergeben uns euch zu Gnaden. – So sprachen auch seine beyden Gefährten, und Epistemon vom Verdeck. Derweil macht sich Panurg davon, und als er sie nun all im Kreis der Tau umstrickt, und seine beyden Gesellen weit zur Seiten sah, weil sie den Reitern Platz gemacht, die haufenweis das Schiff und was darinn war, zu begaffen rannten, jetzt rief er plötzlich dem Epistemon: Dreh! dreh! und Epistemon drehet' das Spill um. Da verschlangen sich die beyden Tau um die Pferd, und streckten sie unschwer sammt den Reitern zu Boden. Als die dieß sahen, zogen sie blank und wollten sie zerhauen. Itzt warf Panurg das Feuer ins Geströd, und äschert sie mit Roß und Mann wie die verdammten Seelen zusammen; und entkam keiner, ausser Einem, der sich auf einem Türkengaul davon macht'. Aber nicht sobald ersah ihn Karpalim, so rannt er ihm auch so jähling haarscharf nach, daß er auf noch nicht hundert Schritt ihn einholt', sich dem Gaul aufs Kreuz schwang, ihn hinterrucks umhalset' und mit sich zu Schiff bracht.

Dieses Sieges war Pantagruel wohl vergnügt, gab seinen Gesellen großes Lob wegen ihrer Geschicklichkeit und ließ sie fröhlig am Meeresstrand sich letzen und ätzen, auch tapfer zechen, bis ihnen die Bäuch zur Erden hingen: und ihren Gefangenen neben ihnen, freundbrüderlich. Es trauet zwar der arme Teufel noch nicht recht, ob ihn Pantagruel etwann gar mit Haut und Haar verspeissen möchte, was er mit seinem weiten Schlund auch traun so leicht prästiret hätt als ihr ein Zuckerkörnlein ässet: es hätt ihn nicht schwerer im Mund gedruckt, als ein Hirsekorn in des Esels Rachen.

Sechs und Zwanzigstes Kapitel
[286] Sechs und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Pantagruel mit seinen Gesellen das Pökelfleisch zum Ekel ward, und wie Karpalim Wildpret jagen ging.


Während sie nun so tafelten, rief Karpalim: Aber zum heiligen Velten! solln wir denn nimmermehr Wildpret essen? dieß Pökelfleisch versalzt mir schier noch die Gurgel. Ich werd euch einen Schunken von den gebratenen Pferden dort holen; wird nun wohl gar seyn. – Und wie er itzt aufstund und es thun wollt, da erblickt' er von weitem am äussersten Saum des Waldes einen schönen grossen Rehbock, der aus dem Dickicht herfür spazirt war, wie ich glaub weil ihm das Feuer Panurgens in die Augen stach. Und Karpalim ihm augenblicklich so haarscharf nach, man hätt ihn eher für einen Armbrustbolzen gehalten, hascht' ihn in einem Augenblick, und währenden Laufens griff er noch mit seinen Händen aus der Luft vier grosse Trappen,

Sieben Birkhähn,
Sechsundzwanzig graue Rebhuhn,
Zweyunddreyssig rothe,
Sechzehn Fasanen,
Neun Schnepfen,
Neunzehn Reiger,
Zweyunddreyssig Ringeltauben,

und mit den Beinen ertrat er zehn bis zwölf Stück kleines Wild, halb Hasen, halb Canikel, die auch schon die Kinderschuh vertreten hätten,

Achtzehn Kreßler, Paar und Paar. Dann:
Funfzehn Frischling,
Zween Dächs,
Drey grosse Füchs,

gab itzt dem Rehbock mit seinem Malchus eins über den Schädel daß er starb, las auf dem Rückweg das andre Wild, die Hasen, Frischling und Kreßler zusamen, und schrie dabey so weit man ihn nur hören mocht: Panurg, mein Freund! Weinessig: Essig! Da gedacht der gute Pantagruel [287] daß ihm etwann flau wär worden, und befahl ihm Essig zu holen. Panurg merkt' aber den Hasen im Pfeffer gar wohl, und wies sogleich dem edeln Pantagruel den schönen Rehbock den er am Hals trug, und wie er um den ganzen Gurt mit Hasen bespickt war. Alsobald schnitzt' Epistemon, in der neun Musen Namen, neun schöne hölzerne Bratspieß auf antikisch, Eusthenes half abziehn, und statt der Brandböck stellt' Panurg geschickt ein Paar Rüstsättel von den Reitern auf; dann gaben sie ihrem Gefangenen die Spieß zu drehen, und brieten ihr Wildbret am selbigen Feuer bey dem sie zuvor die Reiter geschmort. Und itzt gings hoch her, muldenweis Weinessig drüber; des Teufels wär der Mann dems nicht vom Herzen ging: war ein Triumph, sie schnarpen zu sehen.

Da sprach Pantagruel: wollt Gott daß jeder von euch an seinem Kinn zwey Paar Falken–Schellen hängen hätt, und ich an meinem die grossen Glocken von Renes, Poictiers, Tour und Cambray; so sollt mal einer das Ständlein sehn, das wir mit unserm Kinnbacken-Tanz angeben wollten. – Aber, fing Panurg an, besser wär's doch, wir dächten ein wenig auf unsre Sach, und wie wir die Feind bezwingen möchten. – Ist wohl bedacht, sprach Pantagruel, und frug sofort den Gefangenen: Itzt, Freund, sag uns ohn Lug und Trug die lautere Wahrheit, so du nicht lebendig willt geschunden seyn. Denn wiß, Ich bin derjenige, welcher die kleinen Kinder frißet. Darum meld uns genau des Feindes Anzahl, Ordnung und Heeresmacht.

Drauf antwort der Gefangne: Herr, die Wahrheit euch zu sagen, wisset: es sind im Heer dreyhundert Riesen, über und über in Werkstein geharnischt und wundergroß, wiewohl nicht gar so groß als Ihr hie, bis auf Einen, ihr Oberhaupt; sein Nam ist Wärwolf; dessen Rüstung bestehet aus lauter Cyklopischem Amboß. Hundertdreyundsechzigtausend Fußvolk ganz in Koboltshaut, beherzte Leut und stark. Eilftausend vierhundert Küriser, dreytausend sechshundert Doppelkanonen, Ballester ohn Zahl, vierundneunzigtausend Schanzgräber, hundertfünfzigtausend Huren, schön wie die Göttinnen, [288] (– Futter für mich! fiel Panurg hier ein –) deren sind etlich Amazonen, etlich aus Lyon, Paris, Anjou, Poictou, Normandi, Tourain', aus Schwaben, von allen Ländern und Zungen sind drunter. – Aber, frug Pantagruel, ist auch der König dabey? – Ey wohl, Sire, antwortet der Gefangene, er ist in eigner Person dabey, und nennet sich Anarchos der Dipsoden König, das will sagen: der durstigen Leut, denn nimmer saht ihr ein durstiger und zechlustiger Volk. Und hat sein Zelt in der Riesen Wacht. – Genug schon! rief Pantagruel: Auf, Kinder! seyd ihr entschlossen, mit mir daran zu gehen? – Verdamm Gott den, antwort Panurg, der von euch läßt. Ich hab mir schon ausgedacht wie ich sie euch all miteinander todt wie die Schwein abschlachten will, daß von ihnen auch nicht eine Klau zum Beelzebub entwischen soll. Nur hab ich noch ein klein Bedenken. – Und welches? frug Pantagruel. – Wie ich, sprach Panurg, all die Huren die mit ihnen sind, an diesem einigen Nachmittag so hurtig durchpallaschen soll, daß auch nicht eine mir entkomm, die ich nicht nach gemeinem Strich über des Schusters Leisten schlüg. – Ha ha ha, sprach Pantagruel. – Und Karpalim: Daß dich der Teufel von Bitern'! Ich werd bey Gott auch Ein' anzapfen. – Und wie dann ich? sprach Eusthenes, was? ich, dem nun der Zeiger seit Rouen nicht gestanden hat, zumindest nicht bis auf Zehn oder Eilf, und hab ihn doch so stark und hart wie hundert Teufel. – Verlaß dich drauf, antwort Panurg, die allerderbsten und mastigsten die sollt Du haben. – Was? sprach Epistemon, reiten sie all, und soll ich etwann den Esel führen? Der Teufel hol den, der dieß thät. Wir brauchen Kriegsrecht, qui potest capere capiat. – Nix nix da, sprach Panurg, häng nur deinen Esel an den Zaun und reit mit den Andern! – Und der gute Pantagruel lacht' zu dem allen mit; darauf sprach er zu ihnen: Ihr macht die Rechnung ohn euern Wirth; ich sorg fast sehr, euch noch vor [289] Nacht so weit zu sehen, daß euch das Brunsten wohl vergehen wird, da man mit schweren Pikenstössen und Lanzen auf euch reiten dürft. – Basta, sprach Epistemon, ich schaff sie euch her zum Braten, Sieden, Schmoren, zu Pastet oder Fricassee. Sind ihrer lang noch nicht so viel als Xerxes hätt; das waren dreyssigmalhunderttausend streitbar Volk, wenn ihr anders dem Herodot und Trogus Pompejus glauben wollt; und gleichwohl hat sie Themistokles mit einer Hand voll Leut geschlagen. Macht euch, um Gott! nur keine Sorg. – Ey Quark, Ouark! rief Panurg, mein Latz hier, mein bloser Latz kartätscht euch das Mannsvolk so viel ihrer sind; und Sankt Fegeschlott der drinnen wohnt, die Weibsen. – Auf dann, sprach Pantagruel, vorwärts Kinder! und lasset uns auf den Weg begeben.

Sieben und Zwanzigstes Kapitel
Sieben und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Pantagruel ein Trophäum zu ihres Sieges Gedächtnis erhub, und Panurg eins zu der Hasen Gedächtniß. Und wie aus des Pantagruels Fürzen die kleinen Männlein, und aus seinen Fisten die kleinen Weiblein geboren wurden. Und wie Panurg einen dicken Stock auf zween Gläsern entzwey brach.


Doch ehe wir von hinnen gehen, fuhr Pantagruel weiter fort, will ich an diesem Orte noch, zum Gedächtniß des anitzt von euch erfochtenen Siegs, ein stattliches Trophäum erheben. – Alsobald, unter lautem Jubel und kleinen ländlichen Liedlein pflanzten sie all mitsamen ein grosses Holz auf, und hingen daran: einen Reitersattel, Pferdsstirn, Pumpen, Steigriemen, Sporen, eine Halsberg, ein stählern Panzerhemd, Wappenhandschuh, Ringkragen, Schienen, Armzeng, Axt, Streithammer, Stoßkling, und was sonst zu einem Trophäo und Siegesbogen an Wappengeschmeid erforderlich. [290] Darauf verfertigt Pantagruel zu ewigem Triumphgedächtniß dieß Dictum und schrieb:


Hie ward die hohe Heldenkraft erkannt
Von vier mannhaftig kühnen Rittersleuten,
Die nicht mit Schild und Schwert, nein durch Verstand,
Wie Fabius und Scipio vor Zeiten,
Sechshundertsechzig Lauseherrlichkeiten
Baumlanger Hansen aufgebrannt wie Haar;
Fürst, Herzog, Thurn und Bauer zu bedeuten,
Daß Schlauigkeit mehr werth als Stärke war.
Denn die Victoria,
Weiß man zuvor ja,
Ist Gnädigkeit
Der Consistoria,
Wo hoch in Gloria
Der Herr gebeut.
Dem starken Arm Er's nicht verleiht,
Ist dem nur den Er sich erkohr, nah;
Darum findt Siegesglück im Streit,
Wer mit Vertraun zu Ihm empor sah.

Während Pantagruel obigen Spruch schrieb, nahm Panurg einen grossen Pfahl und schlug daran: die Hörner, Haut und Vorderklaun vom Rehbock, dann die Ohren dreyer Hasen, den Bürzel eines Canikels, ein Hasen-Kinn, zween Pirkhahnflügel, vier Waldtaubenfüss, ein Essigfläschel, ein Hörnlein da sie ihr Salz drinn führten, den hölzernen Bratspieß, die Spickenadel, einen alten zerlöcherten Kessel, ein Brüh-Kännlein, ein irden Salzfaß und einen Becher von Beauvoys; dann schrieb er in Nachahmung der Reim und Trophäen Pantagruels wie folget:


Hie saßen mit den Aerßen auf dem Sand
Vier muntre Kerl und schmausten hoch vor Freuden.
Zu Bacchus Ehren ging aus Hand in Hand
Der Humpen; Jeder soff für zwanzig Heiden.
Und Meister Has, um den sich Alle streiten,
[291]
Ward seines Leichnams bis zum Bürzel baar.
Von Salz und Essig hätt er viel zu leiden;
Sie nagten ihn wie Skorpionen gar.
Denn pro Memoria
Der Defensoria
In Kriegeszeit
Ist kein Gefahr da,
Wenn zur Historia
Man brav thut B'scheid.
Doch Hasen essen wär mir Leid
Wenn ihm nicht Essig netzt' die Coria:
Weinessig ist sein Seelen-G'schmeid!
Halt an der Tunk pro peremptoria.

Itzt, Kinder, kommt! sprach Pantagruel: wir gaffen hie schon zu lang beym Fleischtopf; und grosse Schlemmer sind selten viel nutz im Feld. Kein Schatten, als unter den Fahnen, kein Dampf als Roß-Dampf, kein Geklirr als Harnisch-Klirren! – Darauf fing Epistemon an zu schmunzeln und sprach: Kein Schatten als in der Küch, kein Dampf als Pasteten-Dampf, kein Geklirr als Humpen-Klirren! – Panurg fiel ein: Kein Schatten als hinterm Umhang, kein Dampf als Bietzel-Dampf, und kein Geklirr als mit den zwey Schellen! – Stund damit auf und ließ im Aufstehn einen Furz, thät einen Sprung und einen Pfiff und rief lustiglich mit heller Stimm: Es leb allzeit Pantagruel! – Als der dieß sah, wollt ers ihm nachthun; doch von dem Furz den Pantagruel ließ, erbebt' die Erd auf neun Meilen weit in die Rund, und heckt' aus der faulen Luft desselben über dreyundfunfzigtausend kleiner unförmlicher Zwergmännlein: deßgleichen auch mit einem Fist den er streichen ließ, eine eben so grosse Schaar kleiner holziger Weiblein, wie ihr an mehren Orten seht, denn sie wachsen nimmer, ausser nach unten, wie die Kühschwänz, oder auch in die Rund wie die Limousiner Rüben. – Wetter! rief Panurg, sind eure Fürz so fruchtbar? Nun seh mir eins dieß Krebsenvolk von schmucken Mannsen! Die artigen Weibsfist! [292] Man muß sie zusamen copuliren, so giebts Kühfliegen. – Also thät Pantagruel und hieß sie Pygmäen, und setzet' sie auf eine Insel unweit davon, wo sie seitdem sich stark vermehret; nur über ziehen die Kranniche sie in einemfort mit Krieg; allein sie wehren sich tapferlich, denn diese Endekens von Männlein (in Schottland Striegel-Stiel geheissen) sind gar cholerischen Temperaments, wovon die physisch Ursach ist, daß ihnen das Herz nicht weit vom Mist liegt.

Mittlerweilen nahm Panurg zween Gläser von Einer Größ die ihm zu Handen waren, schenkt' sie voll Wasser so viel hinein wollt, und stellt' sie, ein jedes auf einen Schemmel, fünf Schuh weit auseinander; nahm darauf einen Lanzenschaft, fünf Schuh und einen halben lang, und legt' ihn auf die zween Gläser also, daß die zwo Enden des Schaftes just auf den Rand der Gläser zu liegen kamen. Nach diesem nahm er einen dicken Pfahl und sprach zum Pantagruel und den Andern; Jetzo, ihr Herren, merket auf, wie leicht wir über unsre Feind triumphiren werden! Denn, wie ich dieß Holz hie auf den Gläsern zerbrechen will, ohn daß ein Glas entzwey bricht noch zu Schaden kommt; ja, was noch mehr, ohn daß auch nur ein einig Tröpflein heraus soll fallen, so werden wir unsern Dipsoden die Köpf zerschellen, ohn daß nur einem Mann von uns ein Leids geschäh, noch er einen Schaden an seinem Zeug litt. Doch, daß ihr nicht meinet es wär etwann ein Zauber dabey, so nehmet (so sprach er zum Eusthenes) hie diesen Pfahl, und schlagt damit so stark ihr könnt, hart in die Mitten. Eusthenes thät also, und der Schaft zerbrach quer in zwey Stücken, und nicht ein Tropfen Wassers fiel aus den Gläsern zur Erden. Darauf sprach er: Ich weiß euch wohl noch andre Schwänk, nur frisch drauf los, und laßt uns wandern!

Acht und Zwanzigstes Kapitel
Acht und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Pantagruel seltsamer Weis den Dipsoden und Riesen obsiegt'.


Nach allen diesen Gesprächen rief Pantagruel ihren Gefangenen, entließ ihn und sprach: Geh hin zu deinem König [293] in sein Lager, und sag ihm an was du gesehen hast; und er soll sich auf morgen Mittag fertig halten mich zu gastiren: denn augenblicklich, sobald nur meine Galeeren da sind, (wird seyn bis fruh aufs spätest) werd ich mit achtzehnhunderttausend Kriegsvolk und siebentausend Riesen, sämmtlich weit grösser als du mich hie siehest, ihm darthun daß er unvernünftig und albern daran gehandelt hat, also mein Land zu überziehen. – Womit Pantagruel sich stellet' als ob er ein grosses Heer zur See hätt.

Der Gefangene antwort aber, daß er sich ihm zum Sklaven ergäb und er zu seinen Leuten niemals wieder heimzukehren begehret', vielmehr mit dem Pantagruel wider sie streiten wollt, und möcht ers ihm nur gewähren um Gottes Willen. Welches jedoch Pantagruel nicht zugab, und ihn ungesäumt dahin gehn hieß wohin er ihm befohlen hätt. Zu gleicher Zeit behändigt' er ihm ein Schächtlein voll Euphorbium undGrana Coccodnidii in Branntwein zur Latwerg gekocht, und hieß es ihm seinem König bringen und sagen daß, wo er davon einer Unzen groß ohn drauf zu trinken, essen könnt, er ihm getrost möcht Widerstand leisten. Hierauf flehet' ihn der Gefangene mit gefaltenen Händen an, daß er zur Stund des Treffens ihm wollt gnädig und barmherzig seyn. Und Pantagruel sprach zu ihm: Wenn du deinem König alles wirst angezeigt und gemeldet haben, dann sag ich nicht mit den Kutten-Gleisnern, hilf dir selbst, so wird Gott dir helfen, denn dieß heißt im Gegentheil: hilf dir selbst, so wird der Teufel dir den Hals umdrehen: sondern ich sag dir: setz all dein Hoffen auf Gott, so wird Er dich nicht verlassen. Denn auch ich, obschon gewaltig, wie du sehn kannst, und ob ich gleich ein unzählig Volk in Waffen hab, getröst mich doch gleichwohl nicht meiner Macht noch Geschicklichkeit, sondern mein ganz Vertrauen stehet auf Gott meinen Schirm und Hort, welcher niemals verlässet die ihr Sinnen und Hoffen auf Ihn setzen. – Demnach ersucht' ihn der Gefangene, sein Lösegeld ihm fein billig zu machen. Darauf antwort' Pantagruel: sein Sach wär nicht die Leut zu plündern noch ihnen Lösung abzuplacken, sondern vielmehr sie reich zu machen und gänzlich frey. So gehe, sprach er, im Frieden des lebendigen Gottes, und hüth dich [294] allzeit vor böser Gesellschaft, daß dir nichts Uebels widerfahre. – Nachdem er weg war, sprach Pantagruel zu den Uebrigen: Kinder, ich hab dem Gefangenen zu verstehn gegeben, daß wir zur See ein Kriegsheer hätten, auch keinen Sturm vor morgen Mittags auf sie thun wollten, zu dem End, daß sie in Furcht des vielen Volkes, die Nacht mit Rüstung und Schanzen verbringen. Derweil ist meine Absicht aber, sie um die Stund des ersten Schlafs zu überfallen.

Hie lassen wir itzt Pantagruel sammt seinen Jüngern, und reden von dem König Anarchos und seinem Heer.

Als der Gefangene ankam, ging er sofort zum König und meldet' ihm wie ein grosser Ries namens Pantagruel eingetroffen, der die sechshundertneunundfunfzig Ritter all erwürgt und grausam hätt braten lassen, und wie Er allein entronnen wär die Zeitung zu bringen; auch von dem Riesen Auftrag hätt ihm anzusagen daß er ihm auf morgen Mittag den Imbiß sollt rüsten, denn um die Zeit gedächt er ihm das Treffen zu bieten.

Gab ihm darauf das Schächtlein mit der Latwerg. Allein, kaum hätt er einen Löffel voll davon verschluckt, so spürt' er im Schlund ein solches Brennen und Schwulst des Zapfens, daß ihm die Haut von der Zungen schwor, und half alles nichts, was man ihm auch für Mittel dawider eingeben mocht, nichts schafft ihm Lindrung als zu saufen ohn Unterlaß: denn so wie er den Becher vom Mund bracht, wollt ihm die Zung im Gaumen verbrennen. Derhalb man dann in einemfort ihm immer nur unabläßlich Wein durch einen Trichter in den Hals goß. Seine Hauptleut, Baschen und Leib-Trabanten, als sie das sahen, kosteten auch die Arzeney, ob sie so dursterwecklich wär; es ging ihnen aber wie ihrem König, und fingen All' an so hitzig zu bechern, daß alsbald durch das ganze Lager das Gerücht lief von dem Gefangnen der wieder da wär, und von der Schlacht die morgen seyn sollt, und wie der König nebst seinen Obersten und der Leibwacht sich auch darauf schon präparirten, und zwar mit Saufen was ihnen nur zu Hälsen wollt. Da legt sich dann deßgleichen Jeder im Heer aufs demmen, schöppeln und zechen: Summa, sie tranken so oft und hundsoft, bis sie voll Schlafs wie die Schwein im Lager ohn Ordnung über einander fielen.

[295] Jetzo kommen wir aber wieder zum guten Pantagruel, und melden wie er in diesem Strauß sich hielt. Beym Abzug von dem Ort wo das Trophäum stund, nahm er den Mastbaum von ihrem Schiff statt Pilgersteckens in seine Hand, packt' in den Mastkorb zweyhundertsiebenunddreyssig Stückfaß weissen Weins von Anjou, auch ein Theil von Rouen, lud das Boot ganz voller Salz, und hings so leicht an seinen Gurt wie die Landsknechtsweiber ihre Körblein zu tragen pflegen. Also macht' er mit seinen Gesellen sich auf den Weg, und als er nicht weit mehr vom Lager der Feind war, rief Panurg ihn an, und sprach: Gestrenger Herr, wollt ihr ein gutes Werk thun? laßt uns doch diesen weissen Wein von Anjou aus euerm Mastkorb zu Thal, so wolln wir hie saufen a la Bretesca.

Dessen gewährt ihn Pantagruel gern und räumten die zweyhundertsiebenunddreyssig Stückfaß so gründlich auf, daß auch kein Tröpflein überblieb, bis auf ein Gutter von Tourischem gummirten Leder, das Panurg für sich füllt', (denn er hieß es nur sein Vademecum) und etwas leidigen Trusen zum Essig. Nachdem sie nun des Zickelzielens weidlich gepflogen, gab Panurg dem Pantagruel ein Teufels-Medicament zu essen, bestehend aus Lithontripon, Nephrokatartikon, Canthariden in Quitten-Marmelad und andern diuretischen Speciebus. Nach diesem sprach Pantagruel zum Karpalim: Geh in die Stadt, klimm auf die Mauer wie ein Ratz, denn du verstehst dich wohl darauf, und sag dem Volk drinn daß sie itzund auf der Stell aus aller Macht einen Ausfall auf den Feind thun sollen. Wenn du's gesagt hast, spring zurück, nimm eine brennende Fackel und steck mir alle Zelt und Baraquen im Lager in Brand damit, dann schrey so laut du kannst mit deiner starken Stimm, (denn sie ist schrecklicher als des Stentor, die man durch allen Waffen-Lärm des Trojanischen Kriegs vernehmen konnt) und eil aus dem Lager. – Wär auch wohl gut, frug Karpalim, ihr ganz Geschütz ihnen zu vernageln? – Nicht doch, nicht doch, sprach Pantagruel, aber zünd nur ihr Pulver an. – Alsbald dazu bereit schoß Karpalim fort und thät wie ihm Pantagruel [296] geboten. Und alles wehrhafte Volk in der Stadt, soviel drinn war, fiel aus: er aber, nachdem er das Feuer in die Zelt und Baraquen geworfen, rann über sie leicht dahin und spürten nichts davon, so gar fest schliefen und schnarchten sie. Itzt kam er hin wo das Geschütz stund und steckt' die Munition in Brand: es ging ihm aber nah am Hals weg, denn das Feuer war so jählings, daß es den armen Karpalim bey einem Haar mit aufgezehrt hätt; und war er nicht so erstaunlich flink, er wär wie ein Ferken geröstet worden. Aber er griff so haarscharf aus, daß ihn kein Armbrustbolzen erreicht hätt.

Als er nun aus den Transcheen war, schrie er so mörlich als wären alle Teufel der Höllen los, und von dem Schrey erwacht' der Feind. Aber wißt ihr auch wie? so hasendämlich wie früh ums erste Metten-Läuten das man um Lusson die Sack-Krau nennt.

Mittlerweil fing Pantagruel an, das Salz das er in seinem Boot hätt, auszusäen, und weil im Schlaf ihnen die Mäuler weit offen stunden, so versalzt' er ihnen die Häls bis oben herauf: da keisterten die armen Wicht wie die Füchs und schrieen: Ach Pantagruel! Pantagruel! machst du uns die Durst-Höll so heiß? Und plötzlich kam Pantagruelen das Brunzen an auf die Medizin, die ihm Panurg gegeben hätt, und brunzt' in ihr Lager so überschwenglich, daß er sie alle zusammen schwemmt' und auf neun Meilen in die Rund eine partialische Sündfluth ward; und die Geschicht sagt: wenn auch noch seines Vaters große Mär dort mit gewesen wär und mit gebrunzt' hätt, so wär es eine enormere Sündfluth als zu Deukalions Zeiten geworden; denn sie brunzt' niemals daß es nicht auf jedes Mal einen größeren Strom als Rhon' und Donau gegeben hätt. Welches als die aus der Stadt gefallne Besatzung inne ward, sprachen sie: schauet man hat sie all elend erschlagen, da lauft das Blut! Es trog sie aber, denn sie hielten Pantagruels Harn für Feindesblut, weil sie nicht weiter sehen konnten als bei dem Schein der brennenden Zelt und etwas wenigem Mondenlicht. Nachdem die Feind sich nun ermuntert und einerseits ihr Lager in Flammen und das Diluvium und Harn-Meer [297] sahen, wußten sie weder was sie rathen noch denken sollten. Etliche meinten daß der Welt End und jüngstes Gericht, welches durch Feuer vollzogen soll werden, erschienen wär: die andern glaubten, des Meeres Götter verfolgten sie, Neptunus, Proteus, die Tritonen und ihres Gleichen, zumal das Wasser in Wahrheit einen fast scharfen Schmack wie See-Salz hätt. – O wer wird itzo erzählen können, wie Pantagruel mit den dreyhundert Riesen turnirt'? O meine Musa! meine Thalia! meine Kalliope! gieb mirs ein, zu dieser Frist! Nun restaurir mir die Lebensgeister! Hie ist der Hoppaß, hie ist der Logik Ochsenberg, hie ist die grosse Schwierigkeit den schauderhaften Mordkampf zu schildern der nun geschah. Itzt stünd mein Sinn nach einem Pokal vom besten Wein so je die Lippen derer genetzet, die diese so veritable Geschicht einst lesen und betrachten werden.

Neun und Zwanzigstes Kapitel
Neun und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Pantagruel die dreyhundert Riesen in Werksteinrüstung, nebst Wärwölf ihrem Hauptmann erschug.


Als nun die Riesen ihr ganzes Lager ersoffen sahen, trugen sie ihren König Anarchos so gut sie konnten auf ihren Schultern aus dem Verhau, gleichwie Aeneas seinen Vater Anchises weiland aus der Trojanischen Feuersbrunst. Kaum ersah es Panurg, so sprach er zum Pantagruel: Schauet, Herr, da ziehn die Riesen! nun schlagt mal drunter mit eurem Mastbaum ritterlich, nach der alten Parad: denn nun ist's Zeit sich wacker zu zeigen. Wir an unserm Theil wolln euch auch nicht im Stiche lassen. Was gilts, Ich büchs euch ihrer viel. Warum nicht? Erschlug nicht David den Goliath leicht? und Ich, der ich zwölf solche Kerl wie David schlüg, (denn seiner Zeit war er doch nur ein armer kleiner Hosenkacker) sollt ich ihrer nicht gut und gern ein Dutzend kuranzen? Und dann noch hier der grosse Ziemer Eusthenes, stark, wie vier Ochsen, wird auch nicht [298] faul seyn. Nur Herz gefaßt und drein geschlagen auf Hieb und Stoß! – Ey, sprach Pantagruel, was Herz? Herz hab ich für mehr denn funfzig Franken. Aber mit zween auf Einmal hats Herkules selbst wohl bleiben lassen. – Damit scheißt ihr mir, sprach Panurg, recht auf die Nas. Wie? ihr vergleicht euch dem Herkules? und habt doch bey Gott mehr Stärk in den Zähnen und mehr Verstand im Arß als Herkules nimmermehr in Leib und Seel zusammengenommen. Der Mann ist werth wofür er sich hält.

Während sie noch so sprachen, siehe! da kam Wärwolf mit allen seinen Riesen herbei, und als er sahe wie Pantagruel so allein war, ward er ganz übermüthig und tolldreist, denn er hofft' das arme Männlein stracks zu erlegen. Sprach also zu seinen Gesellen den Riesen: Holla! ihr Hurensöhn vom platten Land! wo einer von euch mit diesem da sich anzubinden unterfängt, so seyd ihr beym Mahom! des blassen Todes. Laßt Michs allein bestehen; ich will es: und unterdessen mögt ihr euch daran ergötzen uns zuzuschauen. Flugs retirirten alle Riesen nebst ihrem König auf die Seit wo die Flaschen stunden, und mit ihnen Panurg und seine Gesellen, welcher sich anstellt', wie wenn er erst vor kurzem des fränkischen Grindes genesen wär; denn er verdrehet' den Hals und zog die Finger ein und sprach zu ihnen mit heiserer Stimme: Kamraden, Kott verfluck mir wenn wir Kriegsleut sind! wir schlagen uns nit. Gebt uns bey euch zu essen hie, derweil unsre Herren sich das Leder gerben. – Deß waren der König und die Riesen auch wohl zufrieden und liessen sie bankettiren mit ihnen.

Mittlerweil erzählet' ihnen Panurg die Fabeln des Turpin, die Tugend-Exempel des heiligen Niklas und das Mährlein vom Klapperstorch. Sofort sprach Wärwolf Pantagruelen mit einer massiven stählernen Keul zu, von Chalyber Stahl, neuntausendsiebenhundert Centner und zween Viertelpfund schwer, zu unterst mit dreyzehn Demantspitzen [299] beschlagen, deren kleinst so dick wie die größte Glock auf Unser Frauen zu Paris war, (wenn auch etwann ein Nagelbreit daran gefehlt hätt, oder höchstens, daß ich nit lüg, ein Messerrücken von denen Kneifen, die man Ohrenzwicker heißet; ein wenig ab oder an, was thuts?) und war gefeyet dergestalt, daß sie niemals entzwey konnt brechen, sondern vielmehr was Er damit nur anrührt' brach stracks kurz und klein. Jetzt also wie er grossen Trutzes daher schritt, schlug Pantagruel seine Augen gen Himmel auf, befahl sich Gott aus ehrlichem Herzen und thät ihm das Gelübd wie folget: Herr Gott, der Du zu allen Zeiten mein Schirm und Beystand gewesen bist, Du siehest die Noth darinn ich itzt bin. Nichts führt mich her, als natürlicher Eifer, wie Du den Menschen gewähret hast sich selbst zu wehren und zu beschützen ihr Weib und ihr Kind, Land und Genossen, wo es nicht Deiner eignen Sach gilt, nämlich dem Glauben; denn hierinn willt Du keinen Helfer als deines Wortes katholische Diener, und hast uns all Wehr und Waffen verboten: denn Du bist der Allmächtige, der Du in Deinem eignen Streit, und wo Dein eigen Recht geführt wird, Dich selbst weit mehr als wir verstehen, beschützen kannst. Denn hast Du nicht abermillionenmaltausend Legionen Engel, deren kleinster alle Menschen verderben und Himmel und Erden umdrehn möcht nach seinem Gefallen, wie vordem an Sanheribs Heer ersetzen ward? Darum, so Du, auf welchen ich mein einig Vertrauen und Hoffnung setz, zu dieser Frist nach Deiner Gnaden mir beystehn möchtest, thu ich Dir dieses Angelöbniß: daß auch ich, so hier in diesem Land Utopien aller Orten, als anderwärts wo ich Gewalt oder Ansehn hab, Dein heilig Evangelium schlecht, recht, einfältig und unverkürzt will predigen lassen; also daß der Unfug derer Wahn-Propheten und Papler-Schwärm, die alle Welt mit Menschensatzung und falschen Bräuchen vergiftet haben, aus meinem Reich vertilgt seyn soll.

Hierauf erscholl vom Himmel eine Stimm und sprach: Hoc fac et vinces! will sagen: Thu es, und du wirst siegen. – Itzt, wie Pantagruel den Wärwolf mit offenem [300] Schlund anrennen sah, ging er ihm kühn entgegen und schrie so laut er konnt: Stirb, Unhold! stirb! ihm durch sein mörderlich Geschrey Furcht einzujagen, nach dem Kriegsbrauch der Lacedämonier. Darauf warf er ihm über achtzehn Tönnel und einen Stein Salz aus seinem Boot, das er am Gurt trug, zu, und verschüttet ihm damit dengan zen Mund, Schlund, Gaum und Gurgel, Nas und Augen: worüber Wärwolf schwer ergrimmt, ihm mit der Keul einen Streich aufs Haupt zielt' und ihm das Hirn zerschellen wollte. Aber Pantagruel war behend und allzeit wohl mit Tritt und Blick auf seiner Huth: wich also mit dem linken Fuß einen Schritt zurück: doch konnt ers nicht so hurtig fügen, daß nicht der Streich das Boot erreicht hät; so davon in viertausendsechsundachtzig kleine Splitter zersprang, und das Salz das noch drinn war, zur Erden schüttet'. Pantagruel, als er dieß sahe, thät flink die Arm weit auseinander, und gab ihm mit dem dicken Mast-End, nach der Kunst des Kolbenschlags, einen Stoß auf die linke Brustwarz, führt' den Streich dann hiebweis links, und traf ihn zwischen Hals und Kragen: setzt' darauf den rechten Fuß vor, und gab ihm mit dem Schwung-End des Mastbaums einen Stich auf die Geilen, davon der Mastkorb brach und drey bis vier Ohm Wein vergoß, so darinn überblieben waren; daß Währwolf dacht, er hätt ihm die Blas entzwey geschlitzt, und der Wein der auslief, das wär seyn Harn.

Damit noch nicht zufrieden, wollt ihm Pantagruel von neuem aufs Brunzerl einen frischen ziehn. Aber Wärwolf mit hocherhabener Keulen schritt ihm zu Leib und wollt mit aller Macht den Pantagruel darniederbläuen. Holt' auch so risch aus, daß, wenn Gott den guten Pantagruel nicht beschützt hätt, er von der Scheitel des Hauptes bis zur Milz-Wurzel wär zerspalten worden. Doch durch des Pantagruel jähe Geschwindigkeit glitt der Streich rechts ab, und fuhr die Keul über dreyundsiebzig Schuh tief ins Erdreich mitten durch einen starken Felsen, daß das Feuer über neuntausend sechs Schiffstonnen dick daraus herfürsprang. Wie nun Pantagruel sah daß er sich damit aufhielt seine Keul aus dem Gestein und Erdreich wieder herauszuziehen, rannt er auf ihn, und wollt ihm das Haupt glatt abhaun: [301] aber zum Unglück traf er mit seinem Mastbaum ein wenig an den Schaft der Keul des Wärwolf, die, wie vorgedacht, gefeyet war: davon ihm dann der Mast drey Finger über der Faust morsch abbrach. Da erschrack er mehr denn ein Glockengiesser und schrie laut auf: Hoho Panurg! Panurg! wo bist Du? – Als es Panurg hört', sprach er zu dem König und den Riesen: bey Gott, sie werden sich ein Leides thun, wenn keiner sich drein legt. – Aber die Riesen waren vergnügt wie die Hochzeitbitter. Itzt sprang Karpalim auf, und wollt seinem Herrn helfen, aber ein Ries ermahnet' ihn; beym Golfarin, des Mahoms Neffen! Wo du dich rührest, steck ich dich in meinen Hosenboden statt Stuhlzäpfleins; ich bin ohnhin fast harten Leibs und kann nicht scheißen, wenn ich die Zähn nicht zusammenbeiß.

Demnach itzt wehrlos, nahm Pantagruel seinen Mast-Stumpf wieder zur Hand und drasch damit rick rack wie's fiel, auf den Riesen los: es rührt' ihn aber so wenig als ein Nasenstüber den Schmied-Ambos. Derweil zog Wärwolf seine Keul aus der Erd' und hätt sie schon haussen und putzt' sie rein, zum Hieb auf den Pantagruel, der flink sich drehet' und allen Streichen auswich: bis Einmal, als er sah wie Wärwolf ihm droht' und rief: Itzunder, Böswicht! hack ich dich zu Pastetenfleisch; du sollt mir in deinem Leben nicht die armen Leut mehr durstig machen! – da gab ihm Pantagruel mit dem Fuß einen so schweren Tritt vor den Bauch, daß er der Läng lang hinfiel und die Bein gen Himmel streckte. So schleift' er ihn über einen Bogenschuß weit schindärschlings an der Erden hin, und Wärwolf schrie in einem fort: O Mahom! Mahom! Mahom! Mahom! wobey ihm das Blut aus dem Schnabel schoß; daß auf dieß Schreyen alle Riesen sich erhuben ihm beyzustehen. Aber Panurg sprach: Bleibt davon ihr lieben Herrn, folgt mir! denn unser Herr ist toll, er haut der kreuz und quer und sieht nicht wo er zuschlägt, wird euch unsanft empfangen. Die Riesen achteten aber nicht drauf, weil sie ihn ohne Waffen sahen. Wie sie Pantagruel kommen sah, packt er den Wärwolf an beyden Beinen, hielt seinen Leib steif in die Luft statt einer Piken, und stieß mit ihm, dem ambosgepflasterten, unter die werksteingewappneten Riesen so rüstig drein, daß sie wie unter des Maurers Hammer [302] die Ziegelscheiben zermürselt wurden, und keiner vor ihm Stich halten konnt, den er nicht niedergedroschen hätt. Und von dem Zerkrachen der steinernen Panzer entstund ein so furchtbares Getös, daß mir der große Butter-Thurn zu Sanct Steffen in Bourges dabey einfiel, wie er einst an der Sonnen zerschmolz. Panurg indessen, nebst Karpalim und Eusthenes erschlugen vollends die an der Erd zerstreuet lagen. Zieht nur das Facit daß auch nicht Ein Mann davon kam, und wie ein Schnitter war Pantagruel anzuschauen, welcher mit seiner Sens (dem Wärwolf) das Gras auf dem Anger (die Riesen) mähet. Aber Wärwolf verlor den Kopf in dem Scharmützel: dieß geschah als Pantagruel Einem mit ihm, namens Worstmüffel niederbläuet', welcher von Kopf zu Fuß in Grauwack geharnischt ging, davon auch ein Splitter dem Epistemon die Kehl quer durchschnitt: denn außerdem waren sie meistentheils nur leicht gewappnet theils in Tuff- theils Schieferstein. Zu guter Letzt, als er sie all erschlagen sah, warf er aus aller Macht des Wärwolfs Leichnam gegen die Stadt; da fiel er euch mitten auf den Ring platt wie ein Frosch hin auf den Bauch, und erschlug im Fallen einen begossenen Hund, eine Märzkatz, eine Kirchmaus und einen Schnapphahn.

Dreyssigstes Kapitel
Dreyssigstes Kapitel.

Wie der verkurzköpfte Epistemon geschickt von Panurgen curiret ward. Nebst Nachricht von den Verdammten und Teufeln.


Nach so vollbrachtem Gigantensturm zog sich Pantagruel an den Ort wo die Flaschen stunden zurück, und rief Panurgen und die Uebrigen die sich auch sämmtlich frisch und gesund einfanden, bis auf Eusthenes, dem einer der Riesen, als er ihn abfing, ein wenig das Gesicht zerkrellt hätt, und Epistemon, der gar vermißt ward. Darob sich Pantagruel so betrübt', daß er sich selbst entleiben wollte. Aber Panurg sprach zu ihm: Nicht doch, gnädigster Herr! verziehet nur [303] noch ein kleines wenig, so wolln wir ihn suchen unter den Todten, und alsbald sehn wie's mit ihm stehet.

Und wie sie nun so nach ihm suchten, fanden sie ihn stocksteif dort liegen, und seinen Kopf hielt er ganz blutig zwischen den Armen. Da schrie Eusthenes laut: Ha Tod, du arger Tod! so raubst du uns den vollkommensten Menschen? Auf diese Wort erhub sich Pantagruel so voll Grams als man nur je einen Menschen gesehn hat, und sprach zu Panurgen: Ha, mein Freund: die Prophezeyung eurer Gläser und Lanzenschaftes ist nur allzu betrüglich gewesen! – Panurg aber sprach: Nur ruhig, Kinder! weinet nicht, auch nicht ein Tröpflein: Er ist noch ganz warm, ich mach ihn euch wieder so heil wie zuvor. Damit nahm er den Kopf und hielt ihn dicht gegen seinen Hosenlatz damit er sich nicht in der Luft verkühlte. Eusthenes aber und Karpalim trugen den Leichnam an den Ort wo sie zuvor gebechert hätten, nicht in Hoffnung ihn jemals wieder aufzuwecken, sondern daß ihn Pantagruel nur sehen sollte. Aber Panurg vertröstet' sie in einemfort und sprach: Wo Ich ihn nicht curir will ich meinen eignen Kopf verlieren: (so wetten aber die Narren!) laßt dieß Jammern und helfet mir.

Darauf wusch er den Hals rein ab mit gutem weissen Wein, und dann den Kopf deßgleichen, und sinapistet' ein metaschißmerdisches Pulver darüber, das er in seiner Ficken einer stets bey ihm trug, bestrich es dann, ich weiß selbst nicht mehr mit was für Salb, uns fügt' es beydes genau auf einander, Ader auf Ader, Nerv auf Nerven, Wirbel auf Wirbel, daß er nicht etwann ein Kopfhänger würd, (denn solche Leut haßt' er in den Tod:) verheftet's ihm darauf noch rings mit funfzehn bis sechzehn Nadelstich, daß er nicht wieder vom Rumpfe fiel, und legt' ein wenig Pflaster drum, er nannt es sein Auferstehungspflaster.

Alsbald fing Epistemon an zu athmen, dann schlug er die Augen auf, dann jähnt' er, dann niest' er, endlich ließ er einen gewaltigen Hausmannsfurz. Jetzt, sprach Panurg, ist er gewißlich hergestellt! und gab ihm ein Glas voll weissen leidigen Bauernkrätzers zu trinken, nebst einem bezuckerten Rostschnitt. Solchergestalt ward Epistemon geschickt curirt; [304] nur blieb er euch über drey Wochen lang heiser darnach, und behielt einen trockenen Husten, den er sich nicht erwehren konnt außer mit Trinken. Und fing nun an zu discurriren, erzählet' ihnen wie er die Teufel gesehen hätt, auch mit dem Lucifer ganz vertraulich Zwiesprach geflogen, und in der Höll und in den Elysäischen Feldern ein kreuzgut Leben geführet hätt. Und gab den Teufeln vor allen Leuten das Zeugniß, es wären gute Gesellen. Und was die Verdammten anbeträf, meint' er, es wär ihm fast Leid gewesen daß ihn Panurg so bald erweckt hätt; denn, sprach er, die zu betrachten fand ich ein sonderliches Wohlgefallen. – Wie so dann? frug Pantagruel. – Man hält sie, antwort Epistemon, gar nicht so schlimm als ihr wohl glaubt, aber ihr Stand ist wunderseltsam verändert. So sah ich Alexandern den Großen, der flickt' alte Hosen, und verdient damit sein elend Brod.

Xerxes schrie Senf aus.

Romulus war Salzsieder.

Numa, Nagelschmidt.

Tarquin, Harlekin.

Piso, Post-Voigt.

Sylla, Fährmann.

Cyrus war Kühhirt.

Themistokles, Glaser.

Epaminondas, Spiegelgiesser.

Brutus und Cassius, Feldmesser.

Demosthenes, Winzer.

Cicero, Brandschürer.

Fabius, Flöhhüter.

Artaxerxes, Seiler.

Aeneas, Müller.

Achilles, Grindkopf.

Agamemnon, Tellerlecker.

Ulysses, Schnitter.

Nestor, Schnapphahn.

Darius, Privet-Feger.

Ancus Martius, Pechsalber.

[305] Camillus, Schlarrenpletzer.

Marcellus, Bohnen-Schäler.

Drusus, Trinkaus.

Scipio Africanus dutet' auf einem Holzschuh: Hefen wer kauft!

Hasdrubal war Laternenputzer.

Hannibal, Kachler.

Priamus handelt' mit alten Fähnlein.

Lanzelot vom See zog todte Karrn-Gäul ab.

Sämmtliche Ritter der Tafelrund waren armselige Tagelöhner, schwitzen am Ruder und fahren über, wenn sich die Herren Teufel einmal auf dem Cocytus, Phlegethon, Styx, Lethe, oder Acheron, ein Wasser-Vergnügen machen wollen, just wie die Fährleut in Lyon und die Gondelirer zu Venedig; verdienen aber hinüber und 'rüber nicht mehr als einen Nasenstüber, und Abends ein Stück schwarz Kleyenbrod.

Auch die zwölf Pair von Frankreich sind da, hab aber nicht g'sehen daß sie was thäten: ihr ganz Gewerb davon sie leben ist, daß sie sich grosse Backenstreich, Horbeln, Rettig und schwere Faustpüff gutwillig in die Zähn lassen geben.

Trajan war Froschfischer.

Antonin, Lakay.

Commodus, Stadtpfeiffer.

Pertinax, Nußschwinger.

Lucullus, Vogelschellner.

Justinianus, Spielsachkrämer.

Hektor war Brühschlecker.

Paris, ein armer Lotterbub.

Achilles, Heubinder.

Cambyses, Maulthiertreiber.

Nero war Leyermann, und Fierabras sein Famulus; aber er thät ihm tausend Kreuz an, gab ihm schwarz Brod zu essen und sauern Wein zu trinken: er selber aß und trank vom Besten.

[306] Julius Cäsar und Pompejus waren Schiffspicher.

Valentin und Orson thäten Dienst in den höllischen Baadstuben, und waren Butzenkratzer.

Ziliant und Gauvain waren arme Sauhirten.

Gottfried vom großen Zahn war Zundelmann.

Gottfried von Billion, Kuttenschneider.

Balduin, Meßner.

Don Pedro von Kastilien, Bettelbriefträger.

Morgan, Bierbrauer.

Hüon von Bourdeaulx war Faßbinder.

Pyrrhus, Küchenbrödel.

Antiochus, Schlotfeger.

Romulus, Nagelschuhflicker.

Octavianus, Papierkratzer.

Nerva, Rußpartel.

Papst Julius schrie Pastetlein aus: aber seinen großen Buker-Bart trug er nicht mehr.

Johann von Paris war Stiefelschmierer.

Artus von Bretanien wusch alte Mützen aus.

Perceforest trug eine Huck, ich weiß nicht ob er Reisholz feil hätt.

Papst Bonifacius der Achte war Topf-Abschäumer.

Papst Niklas der Dritt war bey der Glashütt.

Papst Alexander war Ratzenfänger.

Papst Sixtus schmiert' die Venerischen ein.

Wie? frug Pantagruel, hats auch dort unten venerische Leut? – Ey wohl, antwortet Epistemon, ich hab ihrer nirgend so viel gesehn: sind über hundert Millionen allda. Denn glaubt nur, wer in dieser Welt das fränkische Uebel nicht gehabt hat, kriegts in der andern. – Wetter! fiel ihm Panurg ins Wort, so bin Ich quitt. Denn da bin ich hinein spaziert bis an das Loch von Gilbathar, und hab des Herkuls Sparren vertreten, ja von den reifsten mir abgepfluckt. –

[307] Oger der Dän war Kürißputzer.

Der König Tigranes, Ziegeldecker.

Galienus Restauratus, Maulwurfsgräber.

Die vier Haymonskinder, Zahnbrecher.

Der Papst Calixtus, Müff-Baader.

Papst Urban, Speckschnäppel.

Melusin war Küchenstrunz.

Matabrun', Waschweib.

Kleopatra, Zwiebelhökerinn.

Helena, Mägde-Mäklerinn.

Semiramis, Bettler-Lauserinn.

Dido ging mit Pilzen hausiren.

Penthesilea war Kreßnerinn.

Lucretia, Spittelmeisterinn.

Hortensia, Wollen-Spinnerinn.

Livia, Grünspahn-Schraperinn.

Solchergestalt erwarben die auf Erden grosse Herren gewesen, dort unten ihr elend und kümmerlich Brod: und im Gegentheil die Philosophen und die auf Erden Hunger gelitten, waren dort wiederum große Herren. Ich sahe den Diogenes prächtig im weiten Purpurmantel mit einem Scepter in seiner Rechten, wie einen Prälaten einherstolzieren, daß Alexander der Grosse Blut hätt schwitzen mögen wenn er ihm seine Hosen nicht aufs Best geflickt hätt, denn er zählt' ihm dann die Stockschläg faustdick auf. Epikteten sah ich in einer schönen Lauben galant a la Françoyse geputzt, mit einem Haufen schmucker Dirnlein sich tummeln, zechen, tanzen, schmausen; in alle Weg gings lustig her, und Sonnenthaler neben ihm die Hüll und Füll; wie auch sein Wahlspruch oben über dem Rebengitter in diesen Reimen zu lesen stund:


Springen, Tanzen, Saus und Braus
Beym rothen und beym weissen Wein,
Und gespielt Jahr ein Jahr aus
Mit blanken Sonnenthälerlein.

[308] Wie er mich sahe, lud er mich höflich mit ihm zu trinken ein; das thät ich ganz gern, da schöppelten wir zusammen theologaliter. Mittlerweil kam Cyrus und bat ihn um einen Heller, um Mercurii Willen, weil er sich zum Abendbrod ein Paar Zwiebeln kaufen wollte. Nix, nix da, sprach Epiktet, ich spiel's nicht mit Hellern; da ist ein Thaler, Schelm, sey ehrlich! Cyrus war heilfroh daß er dießmal einen so guten Fang gethan hätt, aber das andre Diebsgelichter von Königen da drunten, als Darius, Alexander etcetera, mausten's ihm wieder über Nacht.

Ich sah den Pathelin, (er war des Rhadamanthus Seckelmeister) wie er um kleine Pastetlein feilscht', die Papst Julius ausschrie, und frug ihn: Wie theuer das Dutzend? Drey Blanken, sprach der Papst. Drey Schmachthieb, antwort Pathelin; gieb her, Schurk, immer her damit, lauf und schaff andre. – Der arme Papst lief heulend fort nach seinem Herrn dem Pastetenbäcker und zeigt's ihm an, man hätte ihm seine Pasteten genommen. Da zerdrasch ihm der Bäcker das Fell mit dem Kantschuh dergestalt, daß man schwerlich hätt Dudelsäck draus machen mögen.

Ich sah den Herrn Jean Le Maire, der spielet' Papsts; da mußten ihm all diese armen König und Päpst von dieser Welt, den Pantoffel küssen, er aber spreitzt' sich groß und breit, gab ihnen seinen Segen und schrie: Kauft Ablaß, ihr Lumpen, kauft! ist nicht theuer; ich absolvir euch von Mehl und Brod, und dispensir euch Zeit eures Lebens nichts werth zu seyn. Damit rief er dem Triboulet und Cailette und sprach zu ihnen: Ihr meine Herren Cardinäl, stellt ihnen ihre Bullen aus, dem Mann einen Pfahlstoß in die Nieren! Wie auch alsbald vollzogen ward.

Meister Franz Villon sah ich da, der frug den Xerxes wie hoch der Pfennwerth Mustrig zu stehn käm. Einen Pfennig, antwortet' Xerxes. – Ey daß dich doch Gotts Marter schänd, du Schelm, sprach Villon, das Blanken-Maas [309] gilt nicht mehr denn ein Büsel: willt du uns hie den Markt verderben? Da brunzt er ihm in seinen Krug, wie die Mustrigschenken zu Paris thun.

Ich sah den Freyschütz von Baignolet, der war Groß-Ketzerinquisitor. Er ertappt' den Perceforest wie er an eine Mauer harnt', daran das Sanct Tönigsfeuer gemalt stund: erklärt' ihn stracks für einen Ketzer, und hätt ihn lebendig braten lassen, wenn Morgan nicht dazugethan und ihm für sein Proficiat und andre kleine Nebengefäll neun Kannen Bier verehret hätte.

Wohl, sprach Pantagruel, itzo spar uns diese artigen Mährlein auf ein andermal, und erzähl uns nur noch, wie man die Wucherer dorten hält? – Ich sah sie, antwort Epistemon, eifrig bemüht aus den Strassen-Gossen die rostigen Nadeln und alten Nägel herauszulesen, wie ihr auch in dieser Welt die Tagdieb thun seht. Aber der Zentner von diesem Krimskrams gilt nicht mehr als einen Puff Brot, und ist auch nur schlechter Vertrieb damit, also daß diese armen Tropfen zuweilen über drey Wochen lang weder zu brocken noch beissen haben; arbeiten aber doch Tag und Nacht in Hoffnung auf den nächsten Markt, und sind so verwünscht erpicht darauf, daß sie der Plag und Arbeit nicht denken, wenn sie am End des Jahres nur einen lumpigen Heller damit verdienen.

Auf! sprach Pantagruel, laßt uns nun einen Bissen gute Küch versuchen, und trinkt eins, Kinder, ich bitt euch drum; ist diesen ganzen Monat gut trinken! – Da zog man die Flaschen vom Leder stoßweis, und ward vom Mundvorrath des Lagers ein stattlich Tractament gehalten. Nur aber der arme König Anarchos konnt dabey nimmer fröhlig seyn. Da frug Panurg: was für ein Handwerk wolln wir hie unsern Herrn König lehren? damit, wenn er zu seiner Zeit dort unten zu allen Teufeln kommt, er schon der Kunst erfahren sey? – Führwahr, das hast du wohl erwogen, versetzt' Pantagruel: thue nun mit ihm nach deinem Wohlgefallen: ich schenk ihn dir, – Ey großen Dank, Herr! sprach Panurg, die Gab ist traun nicht zu verachten, ich nehm's zum schönsten an von euch.

Ein und Dreyssigstes Kapitel
[310] Ein und Dreyssigstes Kapitel.

Wie Pantagruel in die Amauroten-Hauptstadt seinen Einzug hielt: und wie Panurg den König Anarchos verheyrathet' und ihn zum Grünsuppen-Ausrufer macht'.


Nach diesem wunderwürdigen Siege ließ Pantagruel in der Hauptstadt der Amauroten durch Karpalim ausrufen und zu wissen thun wie König Anarchos gefangen wär, und alle Feind aufs Haupt geschlagen. Auf welche Zeitung alsobald die sämmtlichen Einwohner der Stadt in Reih und Glied und fröhlig wie die Götter ihm entgegen zogen, und ihn mit stolzem Triumphgepräng in ihre Stadt geleiteten. Da brannten lustige Freudenfeuer rings in der Stadt umher, die Gassen prangten voll edler Tafelrunden mit Speiß und Trank vollauf beschwert. Es war eine rechte Wiedererweckung der Zeiten Saturni, so hoch gings her.

Aber in voller Rathsversammlung sprach Pantagruel: Ihr Herren, man soll das Eisen schmieden weils warm ist; derhalb auch ich, eh wir uns hie noch fester fressen, beschlossen hab das ganze Dipsodische Königreich mit Sturm zu erobern: also wer mit mir kommen will, der sey bereit auf morgen nach dem Frühtrunk; denn um die Zeit werd ich ausziehn. Nicht, daß ich nicht Volks mehr denn zu viel hätt sie zu bezwingen, denn es ist bereits so gut als hätt ich sie: sondern ich seh, die Stadt hie steckt so voller Leut daß sie sich schier in den Gassen nicht mehr umdrehn können; also will ich sie in Dipsodien als eine Coloni verführen und ihnen das ganze Land eingeben, welches vor allen Ländern der Welt schön, heilsam, fruchtbar und lieblich ist, wie Vielen von euch wohl bekannt, die vormals dort gewesen sind. Wem also nun sein Sinn dahin steht, der halt sich fertig, wie gesagt. – Sofort ward dieser sein Beschluß und Fürsatz ruchbar in der Stadt: da fanden sich am andern Morgen beym Rathhaus auf dem Markt an achtzehnhundertsechsundfunfzigtausend eilf Seelen ein, ohn die Weib und kleinen Kinder: die machten sich flugs nach Dipsodien auf den Weg, und zwar in einer so guten Ordnung, daß sie den Kindern Israel glichen, wie sie einst aus Aegyptenland, dem rothen Meer entgegenzogen.

[311] Eh ich aber in diesen Fahrten itzt weiter geh, will ich euch melden wie Panurg seinen Kriegsgefangenen, den König Anarch hielt. Ihm fiel bey was Epistemon von den Reichen und Königen dieser Welt erzählt, wie man sie hielt in Elysium, und wie sie nun ihr täglich Brod mit schlechter und schmuziger Arbeit gewännen.

Also zog er dann eines Tag seinem Herrn König ein artigs Wämslein von Leinwand an, ganz ausgeschlitzt wie eine Albaneser-Cornett, und schöne weite Schifferhosen, ohn Schuh; (denn meint' er, die würden ihm nur die Augen blenden): setzt' ihm dann ein klein blaugrün Barettlein auf, mit einer grossen Kapphahnfeder – aber ich irr, denn ich besinn mich, es waren ihrer zween – und schnallt' ihm einen stattlichen Leibgurt um, halb gehl halb weiß; denn die Livrey, sagt' er, schickt sich ganz gut für ihn, weil er ein Nasweis und ein Gehlschnabel gewesen ist. In diesem Aufzug führt' er ihn zum Pantagruel und sprach zu ihm: Gestrenger Herr, kennt ihr wohl diesen Stoffel? – Nein, fürwahr nicht, spricht Pantagruel. – Es ist unser Herr Drey-Weckenkönig. Ich will einen wohlgesitteten Menschen aus ihm machen. Die Teufelskönig hie zu Land sind eitel Kälber, zu nichts nutz und wissen nichts weiter als ihre armen Vasallen zu schinden und alle Welt mit Krieg zu plagen nach ihrem abscheulichen bösen Gelust. Ich will ihn auf ein Handwerk thun, er soll mir Grünsuppen-Rufer werden. Itzt fang mal an: Grünsuppen wer kauft? – Da schrie der arme Tropf. – Zu tief! fiel ihm Panurg ein, und nahm ihn beym Ohr: mußt höher singen, ge, sol, re, ut! So, Teufel! hast eine gute Kehl; es ist dein tausend Glück daß du vom Regiment bist kommen.

Und Pantagruelen gefiel dies alles gar wohl; denn ich sag nicht zu viel, es war ein so lieb klein Herzensmännel als man von hie auf Steckens Läng nur finden mocht. So ward Anarchos denn ein guter Grünsup pen-Rufer. Zween Tag darauf verheyrath' ihn Panurg mit einer alten Hazel [312] und richtet ihm selber die Hochzeit aus mit schönem Schöpskopf, Schweinsschwärtlein in Mustrig-Tunk und feinen Kaldaunen mit Knoblauch. Davon sendet' er soviel als auf fünf Saumroß ging, dem Pantagruel, der es auch alles aufaß, so lecker fand ers, und zu trinken schönen Cyder und feinen Schmalwein. Und dang einen Blinden daß er ihnen mit seiner Fiedel zum Tanz aufspielt'. Nach dem Essen führt' er sie aufs Schloß zu dem Pantagruel, wies auf die Braut und sprach zu ihm: die läßt auch keinen Kracher mehr streichen. – Warum nicht? frug Pantagruel. – Weil sie schon gut gestippt ist, sprach Panurg. – Was sind dieß für Parabeln? frug Pantagruel. – Sehet ihr nicht, versetzt' Panurg, wie die Kastanien am Feuer, wenn sie ganz sind, krachen daß alles pufft, und um dieß Krachen ihnen zu legen, so stippt man sie? So ist auch nun diese junge Frau unten herum ganz wohl gestippt, und wird man von ihr keinen Kracher mehr hören.

Darauf gab ihnen Pantagruel eine kleine Band in der Vorstadt ein, und schenkt' ihnen einen steinernen Mörsel zum Kräuterstossen. Da trieben sie ihr Krämlein zusamen, und ward aus ihm ein so possirlicher Suppen-Mann als in Utopien je ersehn war. Hab aber seit der Zeit gehört daß seine Frau ihn drischt wie Gips und darf sich nicht wehren, der arme Narr: so täppisch ist er.

Zwey und Dreyssigstes Kapitel
Zwey und Dreyssigstes Kapitel.

Wie Pantagruel mit seiner Zung ein ganzes Kriegsherr deckt', und was der Author in dessen Mund sah.


Sowie Pantagruel in Dipsodien an der Spitz seiner Schaaren einzog, war alles Volk vergnügt darüber, ergaben sich ihm ohn Verzug, und aller Orten wo er hinkam, da brachten sie ihm die Schlüssel der Städt aus freyen [313] Stücken entgegen getragen: bis auf die Halmyrodier, welche sich wider ihn halten wollten und seinen Boten zur Antwort gaben, sie wollten sich ihm nicht anders ergeben als unter guter Sicherheit.

Was! sprach Pantagruel, Sicherheit! wollen sie eine bessere haben als Hand am Pot, und Faust am Glas? Wohlan itzt kommt, und treibt mir sie zu Paaren! Also rückten all in Reih und Glied zum Sturm entschlossen wider sie an. Doch unterwegen auf einer großen Plän erwischt' sie ein dichter Regenschauer, daß sie sich schüttelten und zusamen drängten. Welches als Pantagruel sahe, ließ er durch seine Hauptleut ihnen zu wissen thun, es wär halt nix, und säh er über den Wolken deutlich daß es nur einen kleinen Sprebel geben würd; doch auf alle Fäll sollten sie sich zusammenstellen, so wollt er ihnen ein Obdach geben. Stellten sich also in guter Ordnung dicht aneinander. Er aber streckt' die Zung heraus noch nicht gar halb, und deckt sie damit wie eine Gluckhenn ihre Küchlein.

Mittlerweil hätt ich nun, der ich euch diese wahrhaftigen Thaten hie erzähl, mich unter ein Klettenblatt salviret; es war führwahr um nichts kleiner als der Monstribler Bruckenbogen. Als ich sie aber so gut unter Dach sah, ging ich auch hin und wollt bey ihnen mit untertreten, konnts aber nicht mehr, so klamm gings zu (wie man dann wohl zu sagen pflegt: am End der Ellen schnappt das Tuch ab). Also stieg ich, so gut ich konnt an ihm hinan und wandert wohl zween Meilen weit auf seiner Zung hin, bis ich ihm endlich in den Mund kam. Aber, o ihr Götter und Göttinnen! was erblickt ich da! Jupiter erschlag mich gleich mit seinem dreyspitzigen Donnerkeil, wo ich auch nur ein Wörtlein lüge. Ich spaziert darinn umher, wie in Sanct Sophien zu Konstantinopel, und sah da mächtige Felsenblöck, groß wie die Berg in Dänemark: ich glaub 's sind seine Zähn gewesen: grosse Wiesen, dichte Wälder, auch feste wohlverschanzte Städt, nicht kleiner denn Poictiers oder Lyon. Den Erst den ich da antraf war ein guter Gesell, [314] der bauet' Kraut auf seinem Acker; den befrug ich, schier ganz verwundert: Ey mein Freund, was schaffst du hier? – Ich bau halt Kraut, antwortet' er. – Ey wie dann so? und zu was End? – Hum, sprach er, Herr, nicht Jedem wächst der Sack mörselsdick; wir können eben All nit reich seyn. Hiemit verdien ich mir mein Brod, und trags zu Markt in die Stadt selt hinten. – Jesus! sag ich, ist hie wohl gar eine neue Welt? – Ist weiter just nix neues dran, antwortet' er; doch sprechens, da draussen wär auch eine Welt, und hätt auch Sonn und Mond, und alles vollauf zu leben drein: die hie ist aber doch älter. – Schon gut, mein Freund, sag ich zu ihm, und wie heißt die Stadt, da du dein Kraut zu Markt hinführest? – Aspharagus, Herr: recht wackre Leut, und lauter gute Christen drinn, die euch gar trefflich gastiren werden. – Kurz, ich ward schlüssig hin zu gehen.

Itzt wie ich nun so weiter zieh, treff ich auf einen Buben am Weg, welcher den Tauben Netze stellet'. Den frag ich: Freund, von wannen kommen euch diese Tauben? – Kyrie, die kommen von der andern Welt, antwortet' er. – Da dacht ich mir wie, wenn Pantagruel etwann jähnt', die Tauben wohl zu ganzen Flügen, in Meinung es wär ein Taubenschlag, ihm in das Maul ziehn möchten. Also ging ich dann vollends in die Stadt, die ich gar schön und fest befand; war auch ein guter Luft daselbst. Aber die Pförtner vor dem Thor wollten mir nach dem Laufpaß sehen. Darob ich sehr betroffen frug: Wie, meine Herren, hats irgend hie wegen der Pest Gefahr? – Ach Gnädigster! versetzten sie, unweit von hie, da sterben euch die Leut auf der Gassen wie eins im Wagen drüber fährt. – Ey heiliger Gott! sprech ich, und wo dann? – Drauf sagten sie mir, es wär in Laringen und in Pharingen, welches zwey grosse und reiche Handelsstädt wie Rouen und wie Nantes sind: und wär der erste Ursprung der Pest ein fauler und giftiger Brodem gewesen, unlängst vom Abgrund aufgestiegen, daran über zweyundzwanzighundertsechzigtausend und sechzehn Köpf seit nun acht Tagen verblichen wären. Da überschlug, erwog und befand ich daß [315] dieß aus des Pantagruel Magen ein stinkender Othem gewesen war, als er den vielen Knoblauch aß, wie oben ist ermeldet worden.

Von dannen schlug ich mich ins Gebirg, welches seine Backzähn waren, und triebs so lang bis ich auf einen zu stehen kam: da fand ich euch die allerbesten Ort der Welt; viel schöne grosse Ballenspiel, schmucke Laubengäng, schöne Triften, Rebenhügel im Überfluß, und eine unzählbare Meng kleiner artiger Gasthäuslein nach welscher Manier in den Auen belegen, und alles rings voll Fröhlichkeit. Daselbst verblieb ich wohl an die vier Monat, und hab mein Lebtag seit der Zeit nicht wieder so flott wie damals gelebt. Stieg alsdann an den hintersten Zähnen nach den unteren Lefzen hinunter; aber in einem tiefen Wald unweit der Ohren en passant ward ich von Räubern ausgezogen. Fand dann im Grund einen kleinen Flecken (der Nam ist mir entfallen davon) wo ich noch flotter als jemals lebt, auch ein klein Zehrgeld mir verdienet'; und wißt ihr wie? Mit Schlafen: denn dort dingt man die Leut zum Schlafen tagweis: verdienen den Tag ihre fünf, auch wohl sechs Sol damit; die aber recht laut schnarchen können, stehen sich bis sieben und achtehalben. Da erzählt ichs denen Ratsherrn wie ich im Thal wär geplündert worden; die sagten mirs dann für gewiß daß dieß Volk da hinten in alle Weg ein bös Gesindel und von Natur erzräuberisch wär. Daraus ich mir dann abstrahirt: wie wir das Land bey uns zu Haus in vor und hintern Bergen theilen, so heißts dort: vor und hintern Zähnen; ist aber weit besser Leben vorn, und auch ein weit gesünderer Luft. Und dacht daneben auch wie wahr doch das Sprichwort sagt: die eine Welt-Hälft weiß weder Kix noch Kax von der andern. Masen noch Keiner dieß Land beschrieben, welches doch mehr denn fünfundzwanzig bewohnte Königreich in sich faßt, die Wüsten und ein breiter Meerstrich nicht mitgerechnet. Aber ich hab ein grosses Buch darüber geschrieben, der Maulinger Geschicht betitult; denn also hab ichs zubenannt, weil sie im Maul meines Herrn und Meisters Pantagruel wohnen. Endlich wollt ich auch wieder heim; da stieg ich dann an seinem Bart hinab und schwang mich ihm auf die Schultern, von wo ich weiter zu Thal abglitt und vor ihm platt auf die [316] Erd hin fiel. Als er mich sahe, frug er mich: Ey mein Alcofribas, woher kommst Du? – Aus euerm Maul, Herr, antwort ich. – Und wie lang, sprach er, war'st du darinnen? Seit ihr, sprach ich, den Feldzug in Halmyrodien thätet. – Das ist schon über sechs Monat her, sagt' er: und wovon lebtest du, was assest du, was trankest du? – Herr, sag ich, dasselbe da ihr von lebet, und von den leckern Mundbißlein, die euch durch euern Schlund passierten, erhub ich mir den Transito. – Wohl, sprach er, doch wohin schissest du? – In euern Hals, Herr. – Ha ha ha! du bist fürwahr ein artiger Knab. Wir han itzund mit Gottes Hülf das ganze Dipsodierland bezwungen; ich schenk dir die Burgvogtei Salmigundien. – Vergelts euch Gott, Herr! sprach ich zu ihm, ihr thut mir weit mehr Liebs und Guts als ich um euch verdienet hab.

Drey und Dreyssigstes Kapitel
Drey und Dreyssigstes Kapitel.

Von des Pantagruels Krankheit, und welchergestalt er curiert ward.


Nicht lange Zeit darauf erkrankt' der gute Pantagruel, und befiel ihn ein so gewaltiges Magendrücken, daß er weder essen noch trinken konnt. Und, wie ein Unglück nimmer allein kommt, schlug auch noch ein hitziger Seich dazu, der ihn mehr qüalt' als man denken sollte. Seine Leibärzt aber sprangen ihm treulich bey, und gaben ihm so viele diuretische Specis und Lenitiva einzunehmen, bis er endlich sein Uebel abschlug. Sein Harn war so hitzig, daß er seitdem bis diesen Tag noch nicht verkühlt ist, wie ihr in Frankreich an mehren Orten noch sehn könnt, je nachdem er den Lauf nahm; und nennt man es die heissen Bäder als:

Zu Coderets,
Zu Limous,
[317] Zu Dast,
Zu Balleruc,
Zu Neric,
Zu Bourbonnensy, und anderwärts.
In Welschland:
Zu Monte Grot,
Zu Appone,
Zu Santo Petro di Padua,
Zu Sanct Helena,
Zu Casa Nuova,
Zu Santo Bartolomeo.
In der Grafschaft Boulogne:

Zu La Porrette, und tausend andern Orten mehr.

Und wunder mich baß wie ein ganzer Haufen thörigter Aerzt und Philosophen sich für die lange Weil drum zanken und streiten können, woher die Hitz sothaner Wasser wohl kommen möcht, ob vom Salpeter, Schwefel, Borax, oder Alaun der etwann im Berg stäk? Denn es sind doch nur faule Fisch und Kindereyen, und wär ihnen besser ein Distel im Arß, da wisch dich dran, als daß sie so ihr Zeit und Weil mit Schwätzen um ein Ding verthun, davon sie doch die Ursach nicht wissen. Denn der Bescheid drauf ist ganz leicht, und darfs nicht weiter viel Grübelns drüber. Ermelde Bäder sind darum heiß, weil sie von einem heissen Seich des guten Pantagruel kommen sind.

Itzt, daß ich euch nun weiter erzähl wie er von seinem Hauptmalheur curiret ward, laß ich bei Seit wie er in einem gelinden Purganz einnahm: vier Zentner colophonisch Scammonium, hundertachtunddreyssig Karrnlasten Cassia, eilftausendneunhundert Pfund Rhabarber, des andern Gesöffs nicht zu gedenken: denn ihr müßt wissen daß auf den Rath der Aerzt verfügt ward, ihm das was ihn im Magen druckt', herauszulangen. Zu dem End trieb man aus Kupfer siebzehn große Thurnknöpf, grösser als der zu Rom auf des[318] Virgilus Obelisken, und waren dergestalt gemacht, daß man sie in der Mitten konnt durch ein Charnier auseinanderschlagen. In einen dieser stieg ein Lakai von ihm mit einer brennenden Fackel und einer Latern, und so verschlang ihn Pantagruel wie eine kleine Pill. In fünf andre fünf starke Knecht, ein jeder mit einer Spitzhau um den Hals. In drey andre wiederum drey Bauern mit Schaufeln um die Häls. In sieben andre stiegen sieben Ballenbinder, jeder mit einem Korb am Hals, und wurden also wie Pillen verschluckt. Sobald sie nun im Magen waren, druckt' ein Jeder an seinem Charnier und krochen aus ihren Hütten herfür, der mit der Latern vorauf. Da fielen sie tiefer denn einer halben Meil in einen erschrecklichen Abgrund hinunter, fauler und giftiger als Mephitis oder der Camarinische Pfuhl, ja selbst als der Sorbonische Stink-See von welchem Strabo geschrieben hat. Und hätten sie sich nicht Magen, Brust und Weinpot (alias Nüschel geheissen) aufs best verantidotirt gehabt, sie wären in diesem gräulichen Brodem all miteinander erstickt und verkommen. Hu! welch ein Weihrauch! Welch Gedüft für die galanten Jüngferlein zur Parfümirung der Nasen-Lärvel! Darauf kamen sie tastend und schnopernd, der fäcalischen Materi und faulen Humoribus näher, und stiessen zu letzt auf einen Berg Endelich von eitel Schund: da schlugen dann die Pionirer mit ihren Hacken frisch ein, und schürftens los; die Andern luden es mit ihren Schaufeln in die Körb, und wie nun alles wohl ausgefegt und gesäubert war, schlupft' jeder wieder in seinen Knopf. Pantagruel, als dieß vollbracht war, zwang sich zum Kotzen, und gab sie also leicht wieder von sich; denn sie druckten ihn just nicht mehr in seinem Hals als euch etwann ein Furz in euerm. Und stiegen allda ganz wohlgemuth aus ihren Pillen zu Tag: mir däucht', ich säh die Griechen aus ihrem Gaul in Troja schlupfen. Und durch dieß Mittel ward er dann gänzlich wieder gesund, und zu vorigem Wohlseyn hergestellt. Auch von den kupfernen Pillen könnt ihr itzund noch ein' in Orleans sehen auf dem Münster zum heiligen Kreuz.

Vier und Dreyssigstes Kapitel
[319] Vier und Dreyssigstes Kapitel.

Des gegenwärtigen Buches Beschluß, und des Authors Entschuldigung.


Hier habt ihr lieben Leut denn also einen Anfang erzählen hören von der schauderhaften Geschicht meines Herrn und Meisters Pantagruel. Ich werde dieß erste Buch itzunder beschliessen; denn mich schmerzt der Kopf ein wenig, und spür auch wohl, dieß herbstliche Septembermüßlein hat mirs Conzept in etwas verruckt. Auf nächstkommende Frankfurter Meß sollt ihr das weitere der Geschicht vernehmen. Werdet alsdann sehen: wie Panurg zu einem Weib kam, und wie er gleich im ersten Monat nach der Hochzeit zu einem Hahnrey ward. Wie Pantagruel den Stein der Weisen erfand, nebst Art und Weis wie man ihn finden und brauchen muß. Wie er über die Cascischen Berg zog, das Atlantische Meer beschifft', die Kanibalen überwand, und nach Eroberung der Perlen-Insuln, des Indier-Königs Presthan Tochter ehelicht'. Wie er den Teufeln ein Treffen liefert', fünf höllische Kammern verbrannt', die grosse schwarze Stuben der Erd gleich macht', Proserpinen ins Feuer schmiß, und dem Lucifer vier Zähn aus dem Hals, und vom Hintersten ein Horn abbrach. Wie er sodann das Land im Mond bereist', zu sehen ob der Mond in Wahrheit nicht ganz wär, sondern unsre Weiber drey Viertel davon in den Köpfen hätten; samt tausenderley anderm kleinen buchstäblich wahren Kurzweil mehr: schöne französische Evangelien. Nun gute Ruhe, ihr lieben Leut. Perdonati mi, und gedenkt meiner Sünden nicht fleissiger als eurer eignen!

So ihr etwann zu mir sprächet: lieber Meister, uns dünkt, ihr seyd nicht allzuklug, daß ihr uns solche Pfifferling und schnakisch Fatzwerk auftischt, so antwort ich euch: und ihr seid traun nicht klüger als ich; was hebt ihrs auf und lesets? Gleichwohl wenn ihrs aber zu eurer Lust und Kurzweil leset, wie ich mir schreibend mein Zeit und Weil damit gekürzt hab, werden wir wohl beyderseits viel eher dafür Vergebung [320] finden als ein ganz Heer Sarabaiter, Blindschleicher, Kuttner, Hypokriter, Tuckmäuser, Stock- und Stiefelbrüder und andre deß Gelichters mehr, die sich vermummeln und die Welt mit ihren Larven zum Besten haben. Denn während sie dem gemeinen Volk einbilden als wenn ihr ganzes Thun nur eitel Beschaulichkeit, Andacht, Fasten, und Ertödtung des Fleisches wär, ausser was zur Erhaltung und Nothdurft ihres armen sterblichen Leichnams erforderlich, verführen sie gleichwohl ein Leben das Gott bewußt ist,et Curios simulant, sed bacchanalia vivunt. Ihr könnts an ihren Polakenbäuchen, an ihren rothen Goschen könnt ihrs mit feuriger Schrift geschrieben lesen, wenn sie sich nicht etwann mit Schwefel weiß brennen und räuchern. Und ihr Studiren besteht eben in weiter nichts als Lesen der Pantagruelsbücher, nicht aber etwa zu fröhlicher Kurzweil, sondern damit sie tückischer Weis einem nur schaden wollen mit spüren, artikuliren, protokolliren, grimmassiren, züngeln, schlängeln, zwicken und zwacken, krummen Nacken und tausend Teufelsschabernacken, das ist Calumnien. Darinn aber tun sie just wie die Tagediebe auf den Dörfern, die um die Zeit der Kirschen und Beeren der kleinen Kinder Scheißdreck durchwühlen und krebsen, wegen der Kern, und verkaufens dann den Apothekern die destilliren ihr Mandelöl draus. Solche fliehet, hasset und verabscheut gleich wie Ich; dieß wird euch mein Treu nicht reuen. Und so ihr wollt gute Pantagruels Brüder seyn, das heißt froh und zufrieden leben und alle Tag in Herrlichkeit, [321] trauet mir nimmer denen Leuten die durch die kleinen Löchlein schauen.


End der Chronik Pantagruels des Dipsoden Königs.

Drittes Buch

[Johannes Faber an den Leser]
Johannes Faber an den Leser.

Zehn-Reim.


Nicht Noth, mein Leser, thuts, hie viel zu schreiben

Vom Nutzen und Vergnügen Dir bereit

In diesem Buch, so Du es fleissig treiben

Und lesen möchtest mit Bedächtigkeit.

Drum nimm es hin, und nimm dazu Dir Zeit,

Daß Du den wahren Sinn wohl mögest schätzen.

So Du dieß thust, wirst Du Dich trefflich letzen,

Und Dein Gewinn wird überschwenglich sein.

Es muß ein so vergnügliches Ergötzen

Dem Geist zu allen Stunden wohl gedeihn.

[324]
[An den Geist der Königin von Navarra]
Franz Rabelais.

An den Geist der Königin von Navarra.


Verzückter, hocherhabner, sel'ger Geist,

Der auf der Flucht in himmlische Asyle

Den Leib so starr zurückließ und verwaist,

Wie gern er auch im irdischen Gewühle

Als Dein Vasall und williger Gespiele

Dir zu gehorchen stets Verlangen trug:

Laß Dich herab auf einen kurzen Flug

Aus Deiner ewigen Behausung laden

Und sieh, hie unten liegt ein drittes Buch,

Von des Pantagruel anmuth'gen Thaten.

[325][327]
Des Authors Prologus
Des Authors Prologus.

Sehr treffliche Zecher und ihr, meine kostbaren Gicht-Patienten, sahet ihr wohl jemals den cynischen Philosophus Diogenes? Wenn ihr ihn sahet, seyd ihr eben nicht blind gewesen, oder ich bin gar aus dem Häuslein und hab meine Logik all verschwitzt. Ist ein gut Ding, wenn man das Licht der (Wein-Pokal und harten Taler-) Sonnen sehn kann. Ich beruf mich hie auf den armen Blindgeborenen weltbekannt aus heiliger Schrift, der, als er die Wahl zu bitten was er wollt erhielt, nach Dessen Rathschluß der alles kann, und dessen Wort im Augenblick zur That vollstreckt wird, nichts weiter bat als daß er sehend werden möchte. Item, so seyd ihr auch nicht mehr jung, welchs just die rechte Eigenschaft ist, die euch zur Wein- (nicht Wahn-) Weisheit geschickt macht; daß ihr, statt hinfüro nur euern Nasen nachzugehn, im Bacchus-Rath mit sitzen möget, wo man beym Krug lugt nach dem Wesen, Farb, Tugend, Ruch, Fürtrefflichkeit, Würd, Ansehn, Hoheit, Kraft und Pracht des heiß ersehnten benedeyeten Rebensäftleins.

So ihr ihn aber nicht gesehen, wie ich zu glauben auch gern geneigt bin, habt ihr doch zu mindest von ihm reden hören. Denn durch die Luft und alle Himmel ist ja sein [327] Nam bis diesen Tag sattsam berufen und weltberühmt. Zudem seyd ihr doch insgesamt aus Phrygischem Geblüt entsprossen, wo ich nicht fehlschieß, und wenn ihr auch nicht soviel Batzen als Midas habt, so habt ihr doch ich weiß nicht was von ihm ererbt; die Perser schätztens an ihren Otakusten gar hoch, und auch der Kaiser Antonius strebt' sehr darnach: die Schlang in Rohan führt noch den Namen Schönohr davon.

So ihr aber auch nicht einmal von ihm reden habt hören, will ich itzo euch eine Geschicht von ihm erzählen, damit wir ins Trinken (also trinket!) und ins Gespräch kommen (also höret!). Und sag euch – denn ihr sprächt wohl gar, man hätt euch als ungläubige Leut, in eurer Einfalt bethören wollen – daß er zu seiner Zeit ein rarer und fröhliger Philosophus vor Tausenden gewesen ist. Wenn er auch seine Mängel hätt, habt ihr nicht deren auch, und wir? Ist ausser Gott niemand vollkommen. Bey alle dem hielt Alexander der Groß', obschon er zu seinem Genossen und Lehrer den Aristoteles hätt, so grosse Stuck auf ihn, daß er, im Fall er nicht Alexander wär, Diogenes von Sinope zu seyn wünscht'.

Als Philipp König in Macedonien Korinth zu belägern und zu zerstören sich anschickt', und die Korinthier durch ihre Späher verwarnet wurden daß er mit großem Kriegsgepräng und vielen Schaaren wider sie anruckt', waren sie all mit Recht darüber gar sehr bestürzt und säumten nicht ein jeder sich nach Pflicht und Kräften alles Eifers so fürzusehen, daß sie den Feinden Widerstand tun und ihre Stadt vertheidigen möchten. Etliche schafften Hausrath, Vieh, Korn, Wein, Frucht, Vorrath, Munition und allen nöthigen Kriegsbedarf aus dem Feld in die festen Plätz. Andre verschanzten Mauern, gruben Gräben, führten Bastionen auf, stachen Ravelinen ab, trieben Conterminen, thürmten Schanzkörb, räumten Casematten, legten Bettungen, rüsteten Faussebrayen, [328] bauten Katzen, resappirten Conterscharpen, zogen Courtinen, pflanzten Sperling auf, böschten Parapetten, bezahnten Sturmgatter, brachen Schußscharten, besserten Sarazener Rechen und Katarrhakten aus, stellten Schildwachen, musterten Patrouillen. Jeder war auf der Huth, jeder lief mit dem Reff. Die Einen glätteten Rüstungen, firnßten Brustblech, putzten Pferd-Zeug, Roßstirnen, Streithemder, Brägendinen, Sturmhüt, Kappen, Kinnketten, Schlachtbeil, Helm, Pickelhauben, Maschen, Küriß, Armzeug, Beinzeug, Schiftungen, Ringkrägen, Krebs, Halsbergen, Platten, Kniebuckel, Tartschen, Schilder, Stahlschuh, Beintaschen, Sporen, Fußgeschmeid. Andre fertigten Bogen, Schleudern, Armbrüst, Schusser, Katapulten, Phalariken, Granaten, Theer-Töpf, Pechkränz- und Spieß, Ballisten, Scorpionen nebst noch mehr anderm Kriegsgeschütz zu Abtrieb und Zerschmetterung der Helepolitischen Mauerbrecher. Spitzten Speer, Piken, Zinkenspieß, Hellbarten, Lanzen, Hakenschafter, Harnischbrecher, Partisanen, Mordgabeln, Janitscharenfochtel, Fausthämmer, Aext, Pfeil, Wurfpfeil, Reiß- und Knebelspieß, Schweinsfedern; wetzten Säbel, Plötzer, Dissacken, Schürtzer, Flammenberger, Stoßdegen, Schwerter, Pistojeser, Dreller, Stiletten, Malchusdeglein, Dolch, Waidmesser, Stechbolzen, Flitschepfeil. Jeder schwang seinen Kneif; ein jeder schabt' den Rost von seiner Plemben; da war kein Weib so spröd noch alt, die nicht ihr Zeug hätt flicken lassen; wie ihr wohl wißt, daß die alten Korinthierinnen im Scharmützel gar hitzig waren.

[329] Diogenes, der sie so jähling Bündel schnüren und schäftern sah, auch selber von der Obrigkeit zu keinerlei Verrichtung gebraucht ward, schaut' ihrem Wesen etliche Tag lang, ohn ein Wörtlein zu sagen, zu. Drauf wie von einem martialischen Geist urplötzlich angestossen, gürtet er seinen Mantel zur Schärpen, streift die Aermel bis hinter die Elenbogen, schürzt sich auf wie ein Aepfelbrecher, gab einem alten Cumpan von ihm seine Bücher und Opistographa in Verwahrsam, und macht sich zur Stadt hinaus nach dem Kranion, welches ein Hügel und Vorgebirg unweit Korinth ist, ein schöner grüner freier Plan. Da rollt er sein töpfern Fäßlein hin, das sein Obdach für Wind und Wetter war; thät itzt mit aller Macht und Innbrunst beyde Arm weit auseinander und drehets, wälzets, hudelts, sudelts, tummelts, rummelts, futterts, schutterts, butterts, zerludderts, hobs, schobs, verstobs, puffts, drängelts, stuffts, stampfts, purzelts, trampelts, pauckts, pochts, entpfropfts, stopfts, wackelts, enttackelts, schackelts, rüttelts, schüttelts, bälgelts, schwenkerts, schlenkerts, steuerts, scheuerts, kekelts, rekelts, verspündets, kugelts, kollerts, trollerts, rammelts, sammelts, pflöckts, beleckts, verstiftets, verschaftets, büscht es, wischt es, rührt es, schmiert es, hänselts, tänzelts, schlugs, bugs, schuppts, schaluppts, bedegnets, segnets, bekrägnets, helmbüschelts, waldrappts, verschabrackelts, rollt es das Kranium auf und ab, stieß es zu Thal, dann trug ers wiederum zu Berg, wie Sisyphus seinen Felsenstein, daß wenig dran fehlt', so hätt er den Boden ihm ausgeschlagen. Welches als seiner Freund einer sahe, frug er ihn, aus was Ursach er nur sein Leib und Seel und Faß so übel zerplagt' und martert'. Da gab ihm dann der Weise zum Bescheid darauf, daß weil er sonst im gemeinen Wesen weiter zu keinem Amt bestellt wär, er solchergestalt sein Faß rasaunt', damit er unter dem eifrigen und arbeitsamen Volk in Korinth nicht als der einzige Tagedieb und Müssiggänger erfunden würde.

Deßgleichen bin dann nun auch ich, zwar nicht entsetzt, doch bang darüber daß ich sehn muß wie man mich zu [330] Werk und Dienst für gar nichts achtet, und doch erwäg wie aller Orten in unserm edeln Franken-Reich, so vor als hintern Bergen, jeder sich heut zu Tag inständigst müht und befleissigt theils zu Schutz und Schirm des Landes, theils zu Trutz, Angriff und Abtrieb der Feind; und alles mit so feiner Zucht, so wunderwürdiger Kriegsordnung, ja zu so offenbarem Ersprieß für die Zukunft (denn hinfort wird Frankreich sehr stolz umgrenzt, wird der Franzos in Ruh und Frieden gebettet sein) daß ich mich selbst schier noch zur Meinung des werthen Heraklitus schlag, der den Krieg alles Guten Vater zu seyn behauptet; und glaub daß Krieg auf lateinisch Bellum nicht etwann katantiphrasin genannt ist worden, wie etliche Fletzenpletzer alter lateinischer Schwärtlein vermeinet, weil sie nichts Gutes im Krieg zu sehen kriegten; sondern vielmehr ganz schlecht und recht, aus Ursach weil allerley Gutes und Schönes im Krieg mankriegt, und allerley Böses und Häßliches durch ihn an den Tag kommt. Und zum Beweis daß ihm so sey, hat auch der weise friedliche König Salomo uns der göttlichen Weisheit unaussprechlich vollkommenes Bild nicht besser zu offenbaren gewußt, als durch Vergleichung selbiger mit einem wohlgerüsteten Kriegsheer in guter Ordnung und Feld-Montur.

Demnach ich also von den Unsern weder zum Angriff bin bestellt und geworben worden, weil sie mich für allzu schwach und kraftlos hielten, noch andern Theils auch irgendwo bey der Vertheidigung gebraucht, weder als Packträger, Lattensäger, Kehrichtfeger noch Schollenträger, denn es wär mir all eins gewesen; hielt ichs für keinen geringen Schimpf, wofern ich unter so vielen tapfern, beredtsamen, heldenherzigen Leuten die itzt vor ganz Europens Augen und Antlitz diese bedeutsame Fabel und Tragikomödi spielen, allein ein müssiger Zuschauer hätt verbleiben, und nicht mein alles so viel an mir, nach Kräften dazu mitsteuern sollen. Denn mein ich, deren Ruhm ist klein, die nur mit Augen dazu helfen, sonst ihre Kräft und Mittel schonen, ihr Geld verstecken, ihr Pfund verscharren, sich wie verdrossene Lappenscheisser [331] mit einem Finger im Kopfe krauen, Maulaffen wie Zehntkälber ziehn, die Ohren wie die arkadischen Esels zum Lautenschlagen spitzen, und nur durch blöde Mienen im Stillen deuten daß sie den Rummel genehmigen.

Nach so gefaßtem Schluß und Fürsatz hab ich kein brodlos albern Ding zu thun vermeinet, wenn ich auch mein Diogenisch Tönnlein rollt', so mir aus meinem vor der Hand am Unglücks-Pharao erlittenen Schiffbruch allein noch überblieben ist. – Wo ich nun mit dem Faß-Geschwenker hinaus woll? denkt ihr. Hilf heilige Frau die sich die Aerm schürzt! weiß selbst noch nicht. Harrt nur ein wenig bis ich erst aus dieser Flasch einen Zug getan hab; die ist mein wahrer alleiniger Helikon, Pegasusbrunnen und Enthusiasmus. Da trinkend sinn, erwäg, beschliess und resolvir ich mich. Nach dem Epilogus lach ich, schreib ich, dicht ich, trink ich. Ennius schrieb trinkend, trank schreibend. Aeschylus, wenn ihr anders dem Plutarcho inSymposiacis Glauben schenkt, trank dichtend, dichtet' trinkend. Homerus schrieb immer nüchtern; Cato nur wann er getrunken hätt; daß ihr mir nicht etwann sprecht ich leb so hin ohn Beyspiel der Edeln und Hochbelobten! Es ist gar gut und kühl, im andern Grades Anfang, nach eurer Art zu reden. Gott, dem guten Gotte Zebaoth, das ist zu sagen, dem Herrn der Schaaren, sey Lob dafür in Ewigkeit. Wollt auch ihr Andern unter der Kapp etwann einen grossen oder zween kleine Schlücklein thun? da ist nix gegen: nur lobet mir für alles Guts auch Gott ä Bissel.

Drum, weil nun solchs entweder mein Loos oder beschieden Schicksal ist, (denn nicht ein Jeder kommt nach Korinth) bin ich entschlossen beyden Parten zu dienen: so viel fehlt daran daß ich ein unnützer Faullenz wäre. Denen Schanzern, Festungsbauern und Minengräbern werd ich thun was einst Apollo und Neptunus in Troja unter Laomedon thäten, oder Reynald von Montalban auf seine alten Tag. [332] Ich werd den Mauerleuten an Handen gehen, werd kochen für die Mauerleut, und wenn sie gessen, beym Klang meiner Lauten die Lauigkeit der Leidigen läuten. Den Streitenden aber werd ich mein Fässel von frischem aufthun und durch das Spundloch (so euch aus zween vorigen Theilen, wenn sie der Drucker Bosheit nicht verlästert und entstellet hätt, wohl zur Genüg bekannt seyn müßt) ihnen von dem Rebengewächs unsrer epicenarischen Kurzweil abzapfen ein erklecklichs Terz, hernachmals aber ein lustigs Quart Pantagruelischer Denksprüch; oder ihr mögts auch Diogenisch heissen, ich wehrs euch nit. Und sollen an mir (weil ich doch ihr Cumpan nicht seyn kann) einen getreulichen Mundschenk haben, der ihnen ihr neues Sorgenfieber nach seinem schwachen Vermögen kühlt, einen unermüdlichen Herold, sag ich, ihrer glorreichen Thaten und Waffenwerk. Bey des Herrn Leithammel! zählt auf mich, ich bleib nicht aus, wenn nicht das Mard vom Taubenschlag bleibt: aber ich mein es hüth sich wohl, das Ungeziefer.

Gleichwohl aber entsinn ich mich gelesen zu haben wie Ptolemäus Lagi einsmals den Aegyptern, nebst andrer Beut und Siegesspolien, in vollem Theater ein ganz schwarz Baktrianisch Kameel und einen doppelfarbigen Sklaven verehret, welcher am Leib halb schwarz, halb weiß war (doch nicht in die Quer, dem Zwerchfell nach, wie die der Indischen Venus geheiligte Weibsperson, welche der Tyaneische Weise zwischen dem Berge Kaukasus und Fluß Hydaspes an traf, sondern lothrecht, der Läng nach; wie mans nimmer noch in Aegypten zuvor ersehn:) in Hoffnung sich des Volkes Gunst durch Schenkung solcher Seltenheiten mehr zu versichern. Was geschah? Bey Ankunft des [333] Kameels erschraken sie all fast sehr und wurden bös; und als der bunte Mann erschien, hattens Etlich ihren Spott, Andre entsetzten sich darüber, wie vor einem scheußlichen Ungeheuer erschaffen durch Naturversehn. In Summ, die Hoffnung die er gehegt, bey seinen Aegyptern beliebt zu werden und deren natürliche Neigung zu ihm durch dieses natürliche Mittel zu bestärken, zerrann ihm unter den Händen. Denn er sah wohl ein, daß ihnen schöne, vollkommne, wohlgestalte Ding annehmlicher und lieber wären als schnurrige Unförmlichkeiten. Und ward seitdem Kameel und Sklav ihm so verächtlich, daß man sie nicht lang darauf aus Mangel an Wartung und täglichem Futter das Zeitliche gesegnen sah.

Dieß Beyspiel nun hält mich im Zagen, zwischen Furcht und Hoffnung sorgend ob ich wohl auch statt vorgehoffter Zufriedenheit was gräulichs möcht finden, daß mir mein Schatz zu Kohlen würd, der Pudelhund für Venus käm, statt ihnen zu dienen ich sie betrübt', statt zu ergötzen sie verletzt', statt zu gefallen ihnen misfiel, und mirs erging gleichwie dem Hahn des Euclian so wohlbekannt aus Plauti Topf, Ausonii Gryphon und anderwärts, dem man, als er mit seinem Scharren den Schatz entdeckt, zum Lohn dafür den Dreh umhalst'. Wo dieß geschäh, wärs nicht zum Bersten? Geschah's vordem, g'schiehts heut wohl auch noch. Wird aber nicht, beym Hercul! O ich spür an ihnen Allen schon eine specifische Eigenschaft und individualisch Wesen, die Alten hiessens Pantagruelismus, kraft dessen sie nimmermehr krumm nehmen werden was aus einem guten, freyen und wohlgesinnten Herzen kommt. Hab ich nicht jederzeit gesehen wie sie am guten Willen sich begnügt und ihn für voll genommen, wenn gleich das Fleisch und die Kraft nur schwach war?

[334] Dieß abgethan, komm ich itzt wieder zu meinem Fässel. Wohlauf, ihr Brüder, zu diesem Wein! in vollen Zügen, liebe Kindlein, trinket davon. Schmeckt er euch nicht, so laßt ihn stehen. Ich bin keiner von denen beschwerlichen Lifferloffers, die ihre Landslüt und guten Kunden mit Macht, Parforsch, Schimpf und Gewalt auf karus, ja was schlimmer noch, auf allus zu saufen gewältigen. Ein jeder ehrliche Zecher, ein jeder ehrliche Gicht-Hahn, wenn er Durst hat, kommt an mein Faß; braucht keiner zu trinken wer nicht Lust hat; hat er Lust, und der Schmack behagt den Gaumen ihrer Herrlichkeiten, lasset sie trinken frank und frey, frisch und getrost, des Weins nicht schonen; ich gebs umsonst. Dieß ist mein Satz. Und sorgt auch nicht, der Wein möcht ausgehn, wie auf der Hochzeit zu Cana weiland in Galiläa: soviel ich euch zum Hahn herauslaß, füll ich wieder zum Spund hinein; so ist mein Fässel nie auszuschöpfen, denn es hat einen lebendigen Quell und eine immer fließende Ader. So war der Trank den Tantalus in seinem Stamper führt', wie ihn die weisen Brachmanen figürlich geschildert. So war das Iberische Salzgebirg, durch Cato weltberufen: so der güldne Zweig Proserpinä von welchem uns Virgilius meldet. Es ist ein wahres Cornucopi voll guter Schwänk und Artigkeiten. Dünkts euch mitunter auch schon erschöpft bis auf die Neigen, es versiecht drum doch nicht: denn gute Hoffnung wohnt auf dem Boden wie in dem Fläschlein der Pandora, und nicht etwann Verzweifelung wie in der Danaiden Schaff.

Merkt aber wohl was ich gesagt, und was für eine Art von Leuten ich dazu eingeladen hab! denn nach dem Beyspiel des Lucilii, welcher für keinen Menschen weiter als nur für seine Tarentiner und Consentiner zu schreiben betheuert, hab ichs auch lediglich nur für Euch ihr Zecher von dem ersten Schnitt, und freylehnherrliche Gicht-Patienten itzt angestochen. Die Nebelbalger und dorophagischen [335] Schlecker haben wohl so der Hummeln im Arß genug, und offene Schnappsäck für ihr Waidwerk die Hüll und Füll: laßt sie dem nachgehn, wächst hie nix für sie. Von Muckenseichern und Mollenköpfen, da sagt mir auch nix, ich bitt euch um der liebwerthesten vier Backen Willen die euch erzeuget, wie auch des erwecklichen Schraubenzäpfleins so damal sie in eins verband. Viel weniger von den Kuttenkleppern, obschon sie all caduk, venerisch, grindkrustig, mit unauslöschlichem Durst und unersättlicher Schlingwuth geplagt sind. Warum? weil sie nicht Gottes, sondern des Bösen, und zwar deß Bösen sind, von welchem wir alle Tag zum Herrn um Erlösung rufen, wiewohl sie zu Zeiten als Bettler sich stellen: doch selten schneidt ein alter Aff eine gute Fratz. Fort Köder! räumet mir das Feld! Mir aus der Sonnen! Zum Teufel Canaill'! Kommt ihr Spür-Aerß schon wieder her, visirt meinen Wein? beseicht mein Faß? Schaut her, hie ist der Stock, den ihm Diogenes nach seinem Tod per Testament zu Seit ließ legen, euch Grabgespenster, euch Cerberus-Hund kreuzlahm zu bläun und heim zu leuchten! Fort dann ihr Schleicher! Auf die Schaaf, hatz hatz ihr Köder! Scheert euch naus, was Kutt heißt, ins drey Teufels Namen! Schu! Seyd ihr noch da? Ich verfluch mein Theil an Papimanien, wo ich euch krieg. Rrrurrrurrrurrruh! Huß Huß! Na wirds bald? Daß ihr doch Zeit eures Lebens nicht pferchen könntet als unterm Kantschuh, nimmer brunzen als auf der Wipp, euch nimmer wärmen, als wenn man euch mit Knütteln walkt!

Erstes Kapitel
[336] Erstes Kapitel.

Wie Pantagruel eine Utopische Coloni in Dipsodien einführt'.


Nachdem Pantagruel ganz Dipsodien erobert, führt' er in das Land eine Utopische Coloni, an Zahl 9876543210 Mann, ohn die Weiber und kleinen Kindlein; Handwerksleut aus allen Zünften, Professores aller ersinnlichen freyen Künst, ernanntes Land, das sonst nicht sehr bewohnt und meist verödet war, zu restauriren, zu bevölkern und wiederum in Flor zu bringen. Und ward hiezu nicht nur bewogen durch die ausnehmende Menschenmeng an Männern und Weibern in Utopien, die sich allda heuschreckenmäßig gemehret hatten (denn ihr wißt wohl, und brauchs euch nicht erst lang zu sagen: die Zeugungsglieder der Utopier waren so fruchtbar, und die Matrices der Utopierinnen so räumig, schleimig, zellig und widerhaltig, nach rechter Bauart, daß aller neun Monat sieben Kinder zum wenigsten, theils Männlein theils Fräulein aus jeder Eh erzielet wurden: nach dem Fürgang des Jüdischen Volkes in Aegypten, wenn anders de Lyra nicht deliriret): noch auch so sehr durch Fruchtbarkeit, heilsame Luft und Commodität des Dipsodierlandes, als weil ers in Pflicht und Gehorsam wollt halten durch diese neue Einführung seiner alten getreuen Unterthanen. Welche seit unvordenklicher Zeit keinen andern Herren ausser ihm gesehen, erkannt, gehuldigt noch bedienet hatten, und seitdem sie das Licht der Welt zuerst erblickt, zugleich mit ihrer Muttermilch die süsse Gelindigkeit und Milde seiner Regierung eingesogen, darinn tagtäglich aufgenährt und bethauet worden. Woraus man sich zu ihnen mit Gewißheit versah, daß sie viel eher dem leiblichen Leben entsagen würden, als dieser ersten alleinigen, ihrem alten Stammherrn von Natur zuständigen Lehens-Treu und Ergebenheit, wohin man sie auch immer verstreuen und führen möcht: und nicht nur sie samt ihren Kindern und Leibeserben hiebey verharren, sondern auch in selbiger Treu und Gewärtigkeit die in sein Reich neu [337] einverleibten Nationen erhalten würden. Wie dann auch allerding geschah, und ihm sein Absehn keineswegs vereitelt ward. Denn wenn ihm schon die Utopier vor ihrem Auszug treu und gewärtig gewesen waren, wurden es nun die Dipsodier nach wenigen Tagen des Umgangs mit ihnen noch mehr, durch den besonderen natürlichen Eifer der alle Menschen zu allen Dingen so sie mit Lust thun, anfangs spornt; und klagten nur allein darüber, mit Anrufung des höchsten Himmels und aller bewegenden Geister darinn, daß ihnen des guten Pantagruels Ruhm nicht eher wär zu Ohren kommen.

Hiebey bemerket nun, ihr Zecher: daß es der rechte Weg nicht ist, ein neu erobert Land in Pflicht und Gehorsam zu erhalten, wenn man, wie etliche tyrannische Geister zu ihrem Schimpf und Schaden irrig vermeinet haben, die Völker kränkt, plackt, schindet, martert, druckt, beraubt und sie mit eisernen Ruthen züchtigt; kurz, wenn man sie verschlingt und frißt nach Art des ungerechten Königs, welchen HomerusDemoboron nennet, das ist Volksfresser. Ich will euch hiebey nicht erst die alten Geschichten anziehn, sondern nur blos erinnert haben an das was eure Väter gesehen, ja wohl ihr selbst mit eignen Augen, wenn ihr nicht allzu jung seyd. Wie ein neugeboren Kindlein muß man sie wiegen, säugen, ihnen schön thun: wie einen neugepflanzten Baum sie schützen, schirmen, vor allem Windbruch, Unbill und Wetterschaden hüthen. Wie einen Menschen der von schwerer langwieriger Krankheit wiederum sich zur Genesung erholen will, muß man sie warten, schonen, stärken; bis sie in ihren Herzen selbst der Meinung werden, daß sie von allen Königen und Fürsten der Welt keinen so ungern zu ihrem Feinde, keinen lieber zum Freund haben möchten. Also bezwang Osiris der grosse Aegypterkönig den ganzen Erdkreis, nicht sowohl durch Gewalt der Waffen, als durch Erlösung der Unterdruckten gute heilsame Lebensregeln, bequeme Gesetz, Wohlthätigkeit und Milde. Derhalb ihn die Welt auch den großen König Evergetes, das ist Wohlthäter zubenannt hat, nach dem Gebot des Jupiter an das Weib Pamyle. Fürwahr, auch [338] Hesiodus in der Götterlehr, wo er von höchsten Wesen handelt, stellet die guten Dämonen (ihr mögt sie auch Engel oder Genien heissen, wenn ihr wollt) als Mittler oder Binnengeister zwischen die Götter und Menschen, setzt sie den Menschen vor, den Göttern nach; und weil des Himmels Huld und Segen durch ihre Händ uns zufließt, sie auf unser Glück allzeit bedacht sind und das Unglück stets von uns wenden, schreibt er ihnen ein Königsamt zu, sintemalen es ganz und gar der Könige Pflicht ist, stets gutes, nimmer böses zu thun.

Also ward Alexander von Macedonien Herr des Weltalls. So unterwarf ihm Hercules die ganze Vest, indem er die Menschen von Ungeheuern, Druck, Tyrannei und Schatzung befreyet', sie glimpflich regiert', bei ihren billigen Rechten schützt', sie zu gelinder Polizey und ihrer Landesart paßlichen Gesetzen anhielt, was da fehlt' ergänzet', das zu Viel beschnitt, und alles Vergangne verziehn sein ließ, wie der Athener Amnesti war, nachdem durch Thrasybuli Muth und Geschicklichkeit die dreyssig Tyrannen vertrieben worden, nach der Zeit in Rom erkläret durch Cicero, und unter Kaiser Aureliano wieder erneuert. Dieß sind die Philtra, sind die Jynges und Liebeszauber, mit denen friedlich man behauptet was mühevoll erobert ward. Und ist auch für den Eroberer, er sey Fürst, König oder Weiser, kein glücklicher Regiment gedenkbar, als wenn er der Tugend Gerechtigkeit nachfolgen läßt. Seine Tugend erhellete aus dem Sieg und aus der Eroberung. Seine Gerechtigkeit wird erhellen, wenn er mit Lieb und guter Meinung des Volks Gesetz und Ordnungen giebt, Religion einführet, Jedem sein [339] Recht anthut: wie der edle Poet Maro vom Octavianus Augustus sagt:


Dem gern ihm unterwürfigen Geschlechte
Gab Er als Bändiger Gesetz und Rechte.

Eben darum nennet Homerus in seiner Ilias die guten Fürsten und grossen Könige Kosmitoras Laon, das ist Volksschmücker. Dieß war das Augenmerk des weisen, staatsklugen und gerechten Numa Pompilius, andern Königs von Rom, als er verbot dem Gott Termino an seinem Feyertag, den man die Terminalien nannt, etwas Geschlachtetes zum Opfer zu bringen; uns zur Warnung daß man die Grenzen der Länder und deren Zuwachs soll in Frieden, Güt und Freundlichkeit regieren und wahren, nicht die Händ dabey mit Blut und Raub besudeln. Wer anders thut, wird nicht allein verlieren was er gewonnen hat, sondern er leidet auch noch dazu den Schimpf und Spott daß man ihm nachsagt, er habs mit Sünden böslich gewonnen, aus Ursach, weil ihm der Gewinnst unter den Händen zu nicht ist worden. Denn schlimm gewonnen, schlimm zerronnen. Und ob er auch selbst sein Lebenlang es für sein Theil in Frieden genöß, und seine Erben verlörens wieder, wäre doch des Todten Schimpf derselbe, und sein Gedächtnis mit Fluch beladen, als eines schnöden Eroberers. Denn ihr führt selbst den Spruch im Mund: Unrecht gewonnen Gut erbt nicht aufs dritte Glied.

Bemerket noch zu diesem Stück, ihr Alt-Gichtbrücher, wie durch dieß Mittel Pantagruel geschickt zwo Engel aus Einem macht'. Welches ihm anders und besser gerieth als Karln dem Grossen sein kluger Rath damit er zween Teufel aus Einem macht', als er die Sachsen nach Flandern zog, und die Flamänder nach Sachsen setzte. Denn weil er die unlängst von ihm dem Reich erst einverleibten Sachsen nicht dergestalt gewältigen konnt, daß sie nicht stündlich rebellisch wurden, so oft er etwann nach Spanien oder in andre entlegne Länder erfordert ward, versetzt' er sie in ein ihm eigen und von Natur gehorsam Land, das ist nach Flandern; und die Flamänder und Hennegauer, seine natürlichen Unterthanen, [340] bracht er nach Sachsen, weil er sich, obschon verpflanzt in fremde Gauen, derselben Treu versichert hielt. Begab sich aber daß die Sachsen in ihrem alten Trutz und Aufruhr beharreten, und die Flamänder in Sachsen wohnhaft, ebenfalls der Sachsen Sinn und Sitt annahmen.

Zweytes Kapitel
Zweytes Kapitel.

Wie Panurg Burgvogt von Salmigundien ward, und wie er sein Korn in der Grun aß.


Pantagruel, als er nunmehr die ganze Dipsodische Landesverwaltung in Ordnung bracht, vergabt' Panurgen die Burgvogtey von Salmigundien, so jährlich 6789106789 Realen fix eintrug ohn die losen Gefäll von den Schlammbyßkern und Mayenkäfern, welche sich, ein Jahr ins ander gerechnet, auf 2435768 bis 2435769 Langwollenhammel beliefen, auch mitunter wohl, wenn es ein gut Schlammbyßker-Jahr war und die Maykäfer sehr gesucht, trieb ers auf 1234554321 Serafinen; glückt' aber nicht alle Jahr. Und hielt euch auch der neue Herr Burgvogt so wohl und rathsam Haus damit, daß er in noch nicht vierzehn Tagen so fix' als lose Gefäll der Vogtey auf drey Jahr verdilapidiret hätt. Verdilapidiret, nicht etwann buchstäblich, wie ihr denken möchtet, mit Klösterstiften, Tempelbauen, Fundirung von Schulen oder Spitälern, oder daß er seinen Speck sonst vor die Hund geworfen hätt; sondern verthäts mit tausenderley kleinen ergötzlichen Tractamentlein und Festlichkeiten, wo offene Tafel für jedermann gehalten ward, insbesonders für gute Camarad, junge Maidel und schmucke Dirnlein. Schlug Holz, verbrannt die grossen Stämm, damit [341] er die Asch verkaufen könnt, nahm Geld zum Voraus auf, kauft' theuer, schlug wohlfeil los, und aß sein Korn in der Grun auf. Als Pantagruel den Handel erfuhr, ward er darüber mit nichten bös, unwirsch noch mürrisch. Denn ich habs euch zuvor schon gesagt, und sags noch einmal, es war das best lieb klein großherzigst Biedermandl so je an der Hüft einen Degen trug. Nahm nix für ungut, ließ alles grad sein, legt' alles wohl aus, grämt' sich nicht, erzörnt sich nimmer. Auch wär er traun aus dem göttlichen Häuslein der Vernunft gar weit spaziert, wenn er sich groß hätt kümmern und entrüsten wollen. Denn alle Schätz und Herrlichkeiten soviel der Himmel ihrer deckt und die Erd nach allen Maasen der Höh' und Tief, der Läng und Breit in sich beschließet, sind ja nicht werth daß wir uns drum erhitzen, oder Seel und Sinnen dadurch verwirren lassen sollten. – Er nahm Panurgen blos auf die Seit und hielts ihm liebreich für, daß wenn er so fort wollt leben und kein beßrer Haushälter seyn, es ganz unmöglich, oder zum mindesten doch sehr schwer würd halten ihn jemals reich zu machen.

Reich? sprach Panurg: stand euer Sinn euch darnach, mich – mich reich zu machen in dieser Welt? Alle gute Geister! denkt lieber darauf daß wir ein lustigs Leben führen: all andre Sorg, all andrer Kummer sey doch fern von dem hochheiligen Domicilio eures himmlischen Gehirns, deß Klarheit nimmer auch nur das kleinste Wölklein von Welkmuch noch Griesgram betrüben müß! Wenn Ihr frisch, fröhlig und guter Ding seyd, hab ich des Reichthums voll und satt. Die ganze Welt schreyt Wirthschaft! Wirthschaft! führt aber wohl Mancher die Wirthschaft im Mund und weiß nicht was er redt.

Bey mir, bey mir muß man sich Raths erholen. Und wisset dieß: das was man mir zum Vorwurf macht, ist nichts als eine Nachahmung gewesen der Universität zu Paris und Parlamentes: an welchen Orten der wahre Brunnquell und leiblich Fürbild aller Pantheologie und [342] aller Gerechtigkeit wohnhaft ist. Ein Ketzer, wers bezweifelt, wers nicht steif und fest glaubt! Selbige essen auch ihren Bischof, oder was gleichviel, des Bisthums Einkünft auf ein ganz Jahr, ja wohl mitunter auf zwey, an Einem Tag auf; nämlich an dem Tage da er seinen Einzug hält. Und hilft ihm auch kein Ausred dagegen, wo er nicht auf dem Fleck lebendig will gesteinigt seyn. – Ferner üb' ich hierin die vier Haupt-Tugenden: Klugheit, indem ich Geld zum voraus aufnehm: denn man weiß nie was biegt noch bricht. Wer weiß ob die Welt noch drey Jahr lang steht? Und stünd sie auch länger, wer wär so toll, daß er drey Jahr zu leben sollt hoffen?


Nie war ein Sterblicher von Gott noch so beglückt,
Daß er gewiß wär ob den Morgen er erblickt.

Gerechtigkeit, oder Justitia commutativa, indem ich theuer einkauf, (nämlich auf Borg,) und wohlfeil wieder verkauf (für baares Geld). Was sagt Cato von diesem Punkt in seinem Haushalt? der Hauswirth, sagt er, muß ein steter Verkäufer seyn. Solchergestalt ist ganz ohnmöglig daß er nicht reich sollt werden zuletzt, wenn nur das Fässel immer lauft.

Distributiva, indem ich die guten (merket, die guten!) und artigen Kamrad satt mach und fütter, die Fortuna, gleich dem Ulysses, aufs Riff des bellenden Magens geworfen hat ohn allen Mußtheil. Deßgleichen die guten (merkt wohl, die guten!) und jungen Maidel (merket, die jungen!) denn nach dem Ausspruch Hippokratis ist Jugend unwillig des Hungers, insonderheit wenn sie risch, rührig, munter, feurig, tummlig, sprunghaft, gespässig ist. Welche Maidels den braven Leuten auch gern und willig Vergnügen machen; denn sie sind soweit ganz Platonisch und Ciceronianisch gesinnt, daß sie sich nicht für sich allein in dieser Welt geboren [343] meinen, sondern mit ihrer eignen Person ihrem Vaterland und Freunden beystehn.

Stärk, indem ich die großen Bäum umhau, wie ein andrer Milo, die finstern Wälder licht, die Hölen der Wölf, Schwein, Füchs, die Mord- und Diebsgeklüfter, Falschmünzerwerkstätt, Banditennester, und Ketzerwinkel von Grund ausrod und sie zu schöner freyer Haid und Buschwerk eben', dabey viel Holz mach, trotz dem geschicktesten Kegelschieber, und die Stühl für die jüngste Nacht in Bereitschaft halt.

Mässigkeit, ich eß mein Korn in der Grun, wie ein frommer Klausner, ich leb von Wurzeln und Salat, entschlag mich aller Fleischesgelüsten und leg also etwas zuruck für die Armen und Lahmen. Denn damit erspar ich die theuern Jäter, die Schnitterleut die gern viel saufen, und das ohn Wasser; die Stoppler, denen man Wecken muß geben; die Drescher die einem nicht einen Bollen, Lauch noch Zwiebel im Garten lassen, auf Autorität der Vergilianischen Thestilis; die Müller, das gemeiniglich Spitzbuben sind, und die Bäcker, die's nicht besser machen. Ist dieß etwann ein klein Ersparniß? Nicht zu gedenken des Hamsterschadens, Speichereinfalls, und was die Kornwürm und Wibel fressen.

Aus grünem Korn macht ihr die schöne, grüne Supp, die so leicht verdaulich, so magentröstlich ist, die euch das Hirn ausweitet, die Lebensgeister erheitert, das Gesicht erquickt, den Hunger öffnet, den Schmack erfreut, das Herz beruhigt, die Zung kützelt, die Backen roth macht, die Mäuslein kräftigt, das Blut abkühlt, das Zwerchfell erleichtert, die Leber frischt, die Milz erschließt, die Nieren luftet, die Lenden schmeidigt, den Rückgrat lockert, die Harngäng säubert, die Saamenbläslein dehnt und ausspannt, die Cremasteres abbrevirt, die Blas purgirt, die Genitalien aufbläht, die Vorhaut corrigirt, die Eichel incrustirt, das Glied rectifizirt, euch offnen Leib, gut grölzen, fisten, farzen, pfergen, harnen, niesen, schluchsen, husten, speyen, kotzen, gähnen, schneuzen, schnaufen, athmen, pusten, schnarchen, [344] schwitzen, dunsten, den Sterzen spitzen, und tausend andre Wunder mehr verrichten macht.

Ich merk wohl, sprach Pantagruel, ihr wollt draus folgern daß Leut von schwachem Verstand nicht viel in kurzer Zeit vergeuden können. Ihr seyd der Erste nicht, der diese Irrlehr erfunden hat. Nero behauptet's auch, und bewundert' vor allen Menschen den C. Caligula seinen Oheim, welcher sein ganz Vermögen und Erbgut das ihm Tiberius hinterlassen, durch wunderwürdige Erfindung in wenig Tagen verthät und durchbracht.

Aber, anstatt den Römischen Tafel- und Aufwandgesetzen nachzuleben wie sich gebühret, dem Orchischen, dem Fannischen, dem Licinischen, dem Didischen, dem Cornelischen, dem Lepidianischen, Antischen und denen der Korinther, wodurch einem Jeden streng verwehrt war, des Jahrs mehr auszugeben als ihm seine jährlichen Einkünft erlaubten, habt ihr Proterviam begangen, das bey den Römern ein Opfer war gleichwie das Pascha-Lamm der Juden, da mußt auch alles was nur eßbar, verschlungen werden; ins Feuer warf man was überblieb, es durft kein Brösel bis auf den nächsten Morgen bleiben. Ich kann von euch mit Wahrheit sagen was Cato vom Albidius sagt', der, als er durch übertriebne Verschwendung sein Hab und Gut rein aufgezehrt und nur ein Haus noch übrig hätt, das Haus in Brand steckt', um sagen zu können: Consummatum est; wie nachmals der heilige Thomas von Aquin, als er die Lampret gar aufgeschmaust hätt: dieß macht mir nix.

Drittes Kapitel
[345] Drittes Kapitel.

Wie Panurg die Schuldner und Borger lobt.


Wann aber, frug Pantagruel, werdet ihr ausser Schulden seyn? – Im griech'schen Neumond, antwort Panurg, wann alle Welt vergnügt seyn wird, und jeder sein eigner Leibeserbe. Gott woll nicht daß ich je herauskäm! Dann fänd ich ja keinen Menschen mehr, der mir auch nur einen Heller lieh. Wer abends kein Hefen im Trog behält, dem bleibt sein Teig früh sitzen. Habt ihr fein allezeit einen Gläubiger, wird er ohn Unterlaß Gott für euch um Glück und Segen und langes Leben, aus Furcht sein Geld zu verlieren, bitten; wird immerdar in Gesellschaft von euch nur lauter Liebes und Gutes reden, euch immer neue Gläubiger werben, damit ihr an ihnen Versuram macht, und ihm sein Loch mit fremdem Zeug stopft. Als weiland, nach der Druiden Satzung in Gallien, die Sklaven, Knecht und Dienstleut beym Leichenbegängniß und Exequien ihrer Herrn und Meister lebendig verbrennet wurden, schwebten sie da nicht in stattlicher Furcht vor dem Tod ihrer Herrn und Meister? denn es half nichts, sie mußten mit ihnen sterben. Riefen sie nicht in einem fort ihren grossen Gott Mercurius und Dis den Batzen-Vater an, daß er sie lang gesund woll erhalten? Waren sie nicht in ihrem Dienst voll Eifers sie aufs best zu warten und zu verpflegen? denn leben mochten sie miteinander, zum mindesten bis an den Tod. Dieß glaubet nur: mit desto heisserer Andacht werden euere Gläubiger Gott für euch um Leben bitten, vor euerm Tod erzittern, als ihnen der Aermel näher denn der Arm, der Beutel lieber denn Leben ist. Nach Art der Wuchrer im Roth-Gau, die sich unlängst erhenkten, weil sie sahen, daß der Wein und das Getraid im Preis abschlüg, und gute Zeit ward. –

Als hierauf Pantagruel keine Antwort gab, fuhr Panurg fort: Potz Heinz! ihr macht mich, wenn ich mirs recht bedenk, fürwahr ganz rappelich mit euerm Tadel meiner [346] Schulden und Gläubiger. Hum! just in diesem Punkt allein hielt ich mich herrlich, hoch und hehr, daß ich, nach aller Weisen Meinung, (welche lehren: aus nichts wird nichts) da wo ich nichts, kein erste Substanz hätt, ein Schöpfer und Macher worden bin. Was schaff ich? So viel schöne und gute Gläubiger. Gläubiger, (ich behaupts bis zum Feuer, exclusive) sind schöne, gute, fromme Geschöpf. Wer aber nichts herleiht, das ist ein häßlich, ein erzbös Geschöpf, ein Geschöpf des leidigen Höllen-Teukers.

Was mach ich? Schulden. O rare Sach! o edles Kleinod! Schulden, sag ich, an Zahl die Sylben übersteigend die aus Verbindung der Vocales mit allen Consonanten entstehn, vorlängst berechnet und ausgezählet durch den edlen Xenokrates. Schätzt ihr der Schuldner Vollkommenheit nach der Meng ihrer Gläubiger, könnt ihr in praktischer Arithmetik nicht irre gehn. Oder meint ihr nicht, daß mir sauwohl wird, wenn jeden Morgen ich diese so demüthigen, dienstbaren Gläubiger voller Kratzfüß um mich versammelt seh', und wenn ich den einen ein wenig freundlicher anschau, ihn etwas besser tractir als die Andern, der Fratz gleich denkt er werd sein Saldo zuerst erhalten, der Erst am Bret seyn, und mein Lächeln für baar Geld nimmt? Dann ist mirs als wenn ich noch in der Passion von Saulmur den Gott Vater spielt', umgeben von allen seinen Engeln und Cherubim. Dieß sind meine Clienten, Parasiten, Candidaten, Mützenschwenker, Helfgottrufer, meine beständigen Parakleten. Und mein in Wahrheit, aus Schulden bestünd der heroische Tugend-Berg beschrieben durch Hesiodum, darauf ich den obersten Doctorgrad erstiegen, darnach die Sterblichen all zu ringen und zu rennen scheinen, wenn ihrer gleich nicht viel hinkommen, weil der Weg fast schwierig ist und heutzutag, wie man wohl sieht, die ganze Welt nach neuen Schulden und Gläubigern lechzet. Aber nicht jeder wer will, gelangt zu Schulden, nicht jeder find Gläubiger, der Lust hat. Und dieß Sonntagsglück wollt ihr mir rauben? und ihr fragt mich, wann ich würd ausser [347] Schulden seyn? Ja was noch ärger! denn so helf mir Sanct Babolin der Gottesmann, wo ich nicht all mein Lebtag Schulden für eine Kett und Bindebruck Himmels und Erden gehalten hab, für den alleinigen Nahrungsquell der Menschenraß, (ohn welchen, sag ich, wir Menschen samt und sonders bald verkommen müßten.) Sind sie nicht etwann die grosse Weltseel selbst, wodurch, nach der Akademiker Lehr, ein jedes Ding sein Leben hat? Zum Beweise, stellt euch einmal in klarem Geist die Idee und Form einer Welt für – nehmet, wenn ihr wollt, die dreyssigste derer die Metrodorus der Philosoph ersonnen hat, meintwegen auch die achtundsiebzigst des Pretonius – eine Welt ohn Schulden! da werden die Gestirn aus allen ihren Gleisen weichen. Nichts wie Verwirrung. Jupiter, weil er Saturnen nichts mehr schuldet, wird ihn aus seiner Sphär entsetzen, und alle Intelligenzen, Götter, Himmel, Dämonen, Heroen, Genien, Teufel, Erd, Meer, all Element an seiner homerischen Kett erhenken. Saturn wird sich mit Mars verbinden und die Welt oberst zu unterst kehren. Merkur wird nicht den Andern mehr dienen, nicht ferner ihr Camill seyn wollen, wie er in der Hetrusker Sprach hieß, denn er ist ihnen nichts schuldig. Venus wird nicht mehr venerirt seyn, denn sie hat nichts geliehen. Der Mond wird blutigroth und finster bleiben; wofür sollt ihm die Sonn ihr Licht leihn? war sie doch nicht verbunden dazu. Die Sonn wird nicht mehr scheinen auf Erden, die Stern nicht mehr mit gutem Einfluß herunterleuchten, denn die Erd hinterhielt ihnen ihrer Dünst und Nebel Nahrung, von denen, wie Heraklitus lehrt, die Stoiker darthun und Cicero meldet, die Stern veralimentiret werden. Unter den Elementen wird kein Verkehr, Tausch noch Gemeinschaft mehr seyn, denn es wird sich keines dem andern verpflichtet achten; es hätt ihm nichts zuvor geliehn. Aus Erden wird kein Wasser werden, das Wasser nicht in Luft sich wandeln, aus Luft kein Feuer entstehn, das Feuer die Erd' nicht wärmen. Die[348] Erd wird nichts als Ungeheuer, Titanen, Alloiden, Riesen zum Fürschein bringen, kein Regen wird fallen, kein Licht wird scheinen, kein Wind wird wehn, wird weder Sommer noch Herbst mehr seyn. Lucifer bricht sein Kett entzwei und schießt mit allen Furien, Strafen und gehörnten Teufeln herauf aus dem Abgrund die Götter samt und sonders, grosser und kleiner Völker, wie Vöglein aus ihren Himmeln zu krebsen. Es wird ein wahrer Hundskrieg seyn, diese Welt die nichts leiht noch borgt, eine Kabal enormer als des Parisischen Rectors, ein Teufelsspuk, toller als auf dem Fasching zu Doué. Unter den Menschen wird keiner dem andern mehr beystehn, wie laut er auch um Hülf, Mord, Feuer, Wasser, und Zeter schrie; niemand wird kommen: warum? er hätt nichts hergeliehen, man war ihm nichts schuldig, niemand hat Schaden von seinem Brand, von seinem Schiffbruch, Tod und Verderben. Dafür auch lieh er nichts, dafür auch leihet man ihm nun wieder nichts. Kurz, Glauben, Lieb und Hoffnung werden aus dieser Welt verbannet seyn; denn die Menschen sind geboren einander zu helfen und beyzustehn. An deren Statt vielmehr wird einziehn Verachtung, Mistraun, Hader, Haß, nebst aller Uebel, aller Plagen, aller Verwünschungen Heeresschwarm. Ihr dächtet eigentlich, Pandora hätt dort ihr Fläschlein ausgeleert. Die Menschen werden Mannwölf seyn, Wärwölf und Kobolt wie Lykaon, Bellerophon, Nebukadnezar; Räuber, Strauchdieb, Meuchelmörder, Giftmischer, Missethäter, Neider, voll Tück und Arglist Einer auf All und All auf Einen, wie Ismael, wie Metabus, wie der Athenische Timon, der darum Misanthropos hieß. Denn es wär der Natur viel leichter die Fisch in Lüften zu futtern, oder den Hirsch zu weiden am Meeresgrund, als diese unleihfertige [349] Schlaraffenwelt zu erhalten. Ich bin ihr, mein Treu! ganz gram. Und stellt ihr euch itzt nach dem Muster dieser verdroßnen, dickschnutigen, nichts leihenden Welt, die andre kleine Welt für, welches der Mensch ist, da werd ihr einmal erst einen schönen Krakeel drinn finden. Das Haupt wird seiner Augen Licht zu Leitung der Händ und Füß nicht herleihn: die Füß es sich zu tragen weigern; die Händ ihm ihren Dienst versagen. Das Herz, so vieler Pulsschläg müd, die Glieder nicht bewegen, ihnen nichts weiter leihen. Die Lung wird ihm das Darlehn ihres Othems entziehn; die Leber ihm zu seinem Bedarf kein Blut mehr schicken, die Blas nicht mehr in der Nieren Schuld seyn wollen, der Harn gesperret seyn. Das Gehirn, in Obacht solchen Unfugs, wird träumerig werden, und weder denen Nerven Empfindung, noch auch den Mäuslein Nahrung reichen. Summa, ihr werd in dieser vertrackten weder Leiher- noch Borgerwelt eine schmähligere Verschwörung als in Aesopi Mährlein sehen. Auch wird sie zweifelsohn zu Grund gehn, und das in Bälden, wenn ihr gleich der Arzneygott Aeskulapius selbst helfen wollt, der Leib müßt stracks in Fäulniß, und die Seel erbost gradaus zu allen Teufeln fahren, meinem Geld nach.

Viertes Kapitel
Viertes Kapitel.

Fortsetzung der Panurgischen Lobred auf die Schuldner und Gläubiger.


Denket euch nun im Gegenteil eine andre Welt, da jeder leiht, jeder schuldig ist, da eitel Schuldner und Gläubiger wohnen. O welche Harmoni wird da in den stetigen Himmelsläufen seyn! Mir däucht ich hör sie so gut als Plato weiland. Welche Sympathi der Element! O wie wird da Natur ihrer Werk und Wesen sich freuen! Ceres kornschwer, Bacchus weinreich, Flora voll Blumen, Pomona fruchtbar, Juno in ihrer heitern Luft hell, heilsam, lustig seyn! Ich geh unter in diesen Gesichten. Unter den Menschen Fried, [350] Eintracht, Liebe, Treue, Ruh, Banketlein, Schmäuslein, Tractament, Lust, Wonn, Gold, Silber, Scheidemünz, Ring, Ketten, Kleinod', Kaufmannsgüter werden aus Hand in Hand trottiren. Da wird kein Krieg, Proceß noch Streit seyn, kein Wuchrer, Knicker, Filz noch Hartherz. Ey wahrer Gott! und dieß wär nicht das güldne Alter? das Reich Saturns, das Urbild der Olympischen Zonen wo jede andre Tugend aufhört, blos Lieb allein herrscht, thront, siegt, waltet, triumphiret? Alle werden dann gut seyn, Alle schön und gerecht. O glückliche Welt! o der glückseligen Leut darauf! O dreymal selig und viermal! Ist mir doch als wär ich schon drinn. Und schwör euch bey dem höchsten Geiß, daß wenn diese himmlische, Allen leihende, nichts versagende Welt einen Papst hätt mit seiner Huck voll Cardinäl und dem heiligen Synodus zur Seiten, ihr würdet da in wenig Jahren die Heiligen dichter wachsen sehn, mehr Wunder thun, mit mehr Lectionen, Votis, Kerzen und Kreuzen dotiret, als die der neun Bretanischen Sprengel allzumal, ich nehm allein Sanct Ivo aus. Bitt euch, erwäget wie der edle Patelin, als er des Wilhelm Joussaulm's Vater vergöttern und mit unsterblichem Lob in den dritten Himmel erheben wollt, nichts weiter sprach als:


Sonder Müh
Sein Waar er jedem Kunden lieh.

O schönes Wort! Nach diesem Muster denkt euch itzt unsern Mikrokosmus, das ist die kleine Welt, den Menschen, in allen seinen Theilen als Borgern, Schuldnern, Gläubigern, das ist in seinem Naturstand; denn nur zum Leihen und Borgen schuf Natur den Menschen. Grösser kann nicht die Harmoni der Sphären als seines Haushalts seyn. Des Stifters dieses Mikrokosmi Absicht war: die Seel darinnen, die er als Gast hineingethan, zu erhalten, und das Leben. Das Leben bestehet in Blut. Blut ist der Sitz der Seelen:[351] Blut demnach zu brauen in einemfort, bezielt allein all Müh und Arbeit dieser Welt. Bey diesem Brauwerk nun hat jedes Glied und Theil sein beschieden Amt, und dieß ist ihre Hierarchi, daß sie ohn Unterlaß eins dem andern leihen, eins dem andern borgen, jedes des andern Schuldner seyn soll. Den zur Verwandlung in Blut geschickten Stoff und Malz giebt die Natur her, ist Brod und Wein. In diesen beyden sind alle Arten von Nahrungsmitteln mit einbegriffen, und kommt davon das Wort Companaige in der Gothen-Og-Sprach. Solche zu suchen, herzurichten und gar zu kochen arbeiten die Händ, ergehn sich die Füß und tragen diese ganze Maschin; die Augen leuchten zu allem für. Der Appetit ermahnet in dem Magenmund (mittelst ein wenig säuerlicher Melancholi so die Milz ihm zuführt) daran, die Speissen zum Mund zu bringen. Die Zung erprobt, die Zähn zerkaun sie: der Magen empfängt, verdauet, chylifiziret sie, die mesaraischen Adern saugen daraus was gut und diensam, mit Hinterlassung alles Unraths, welcher durch expulsivische Kraft auf eigenen Wegen erlediget wird, Führens darauf der Leber zu, die verwandelt es abermals und macht Blut daraus. Was meint ihr wohl, wie groß itzt dieser Diener Freud seyn müß, wenn sie den güldenen Strom sehn, der ihr alleinig Labsal ist? Mehr freun sich die Adepten nicht, wenn sie nach langer Sorg und Müh und schweren Kosten in ihren Oefen sich das Metall verwandeln sehn. Sofort ermannet und rüstet sich nun jedes Glied sothanen Schatz von neuem zu läutern und zu verfeinern. Die Nieren ziehn das Wässrige, (ihr nennets Harn) durch die emulgierenden Vasa heraus und seichens hinunter durch die Harngäng. Unten findets ein schicklich Receptaculum, die Blas, die es zur rechten Zeit entleert: die Milz entfernt davon das Erdige, die Kohl, die ihr auch Melankol heißt. Das Gallenbläslein scheidet den übrigen Choler daraus. Dann kommt es zu noch besserer Läutrung, [352] in eine andre Werkstatt, das Herz, welches durch seine systolischen und diastolischen Puls es wärmt und so verfeinert, daß es im rechten Ventriculo zur Reif gebracht und durch die Venen in alle Glieder versendet wird. Ein jeder Gliedmaas ziehets an sich, nährt sich davon nach seiner Weis; Fuß, Hand, Aug, alles borget nun auf einmal, was vorhin lieh. Im linken Ventricul wirds so fein, daß man es spiritualisch nennet, und die Arterien führens von da in alle Glieder, das andre Blut in den Venen zu lüften und zu erwärmen. Die Lung mit ihrem Gebläs und Flügeln läßt nimmer ab es zu erfrischen. Zum Dank für diesen Liebesdienst schickt ihr das Herz das Best davon, durch die arterialische Vena. Zuletzt wird es im Wundernetz so fein geläutert, daß darnach die thierischen Geister draus entstehn, vermittelst welcher sie denkt, sinnt, urtheilt, folgert, erwägt, beschließt und sich zurückerinnert. Heiliger Gott! Ich versink, ich ersauf, ich verlier mich schier wenn ich mich in den tiefen Abgrund dieser leihenden, dieser borgenden Welt hinab wag. Glaubt es, Leihn ist göttlich: Borgen ist eine heroische Tugend! – Dieß langt noch nicht. Denn diese Leih- und Borgwelt ist so gut, daß sie, wenn sie dieß Nahrungswerk vollbracht hat, auch den noch Ungeborenen schon zu leihn bedacht ist, und durch Darlehn womöglich sich verewigen und mehren will in Ebenbildern, die ihr gleichen, das ist in Kindern. Zu dem End sondert, darbt und spart dann jedwedes Glied sich einen Theil von seiner edelsten Nahrung ab und schickts hinunter, wo Natur dafür die schicklichsten Gefäß und Receptakel bereitet hat, da es dann durch viel krumme Gäng und Windungen in die Zeugungsglieder eintritt, und so bey Mann als Weib den rechten Ort und die wahre Gestalt zu Erhaltung und Fortpflanzung des menschlichen Geschlechtes findet. Geschiehet alles durch Leihn und Borgen hin und wieder, davon es [353] auch die eheliche Schuld genannt wird. Wer's weigert, den belegt Natur mit Straf, mit strenger Leibesqual und Wahnwitz. Freud, Entzücken, Wollust giebt sie dem Leihenden zum Lohn.

Fünftes Kapitel
Fünftes Kapitel.

Wie Pantagruel die Schuldner und Borger verabscheut.


Ich versteh, antwort Pantagruel: ihr scheint mir ein unter Topicus und sehr erpicht auf euern Satz. Patroziniret und predigt aber bis Pfingsten, ihr sollt am End doch stutzen daß ihr bey mir nichts ausgericht. Mit allen euern schönen Reden sollt ihr mich drum nicht in Schulden locken. Was sagt der heilige Apostel? »Seyd niemand nichts schuldig als daß ihr euch untereinander liebet und werth haltet.« – Ihr tischt mir da ganz artige Graphides und Diatyposes auf, und gefallen mir auch ganz wohl. Ich sag euch aber: wenn ihr euch einen frechen Borger und prellenden Prahlhans denken wollt, wie er aufs neu in eine Stadt kommt, die schon zuvor seiner Sitten kundig, so werd ihr finden daß die Bürger vor seiner Ankunft mehr erzittern und schaudern werden, als wenn die Pest im Krägel käm, wie sie zu Ephesus der Tyaneische Weise sah. Und bin des Glaubens, daß die Perser nicht irreten wenn sie meinten, die Lüg wär der Laster zweytes, und Schuldenmachen das erst; denn Schulden und Lügen gehen gemeiniglich Hand in Hand. Zwar will ich eben daraus nicht folgern man dürft im Leben nie was borgen, im Leben Niemand etwa leihn: es ist kein Mensch so reich, der nicht zuweilen schuldig wär; kein Mensch so arm, von dem man nicht zuweilen was lehnen möcht. Der Fall soll seyn wie in Plato in seinen Gesetzen stellet, wo er befiehlt [354] daß man die Nachbarn bey sich nicht Wasser soll schöpfen lassen, wenn sie auf ihren eigenen Hufen nicht erst sorgfältig nachgegraben und eingeschlagen bis sie das Erdreich namens Keramis entdeckt, ist Töpfer-Erd, und darin weder Quell noch Springborn gefunden hätten. Denn selbiges Erdreich, das von Natur derb, fettig, dicht und glatt ist, hält die Feuchtigkeit; und kann dadurch so leicht nichts sickern noch verdunsten. Darum ists eine grosse Schand, wer immer und überall von einem Jeden Geld borgen will, statt daß er arbeit und sichs verdienet: und sollt man, mein ich, alsdann nur leihen, wenn einem Menschen sein Müh und Fleiß nichts einbracht, oder er unerwartet plötzlich das Seine verloren hätt. Damit genug von dieser Sach und meidet mir künftig die Gläubiger. Des Vorigen überheb ich euch.

Das Allermindest von meinem Meist, was ich thun kann in diesem Fall, sprach Panurg, ist euch zu danken: und wenn der Dank nach des Wohlthäters Gunst zu messen ist, wird er unendlich, ewig seyn. Denn eure Lieb und Huld zu mir liegt ausserm Wurfspiel aller Schätzung, geht über all Maas, Zahl und Gewicht, sie ist unendlich und unvergänglich. Mißt man ihn aber nach Innhalt der Gaben und des Empfängers Zufriedenheit, wär es zu schwach. Ihr thut an mir des Guten viel, weit mehr als mir gebühret, als ich um euch verdient hab, und meine Werk werth sind; ich muß gestehen: doch keineswegs so viel als ihr in diesem Punkt wohl denken möchtet. Dieß ists nicht was mich grämt, nicht da druckt mich der Schuh, da juckt michs nicht. Denn wenn ich nun quitt seyn werd in Zukunft, wie wird mir das zu Gesicht stehn, meint ihr? Glaubt nur, ich werd in den ersten Monden gar läppisch aussehn, weil ich nicht dazu geübt noch erzogen bin. Dieß fürcht ich sehr. Zudem wird künftig kein Furz mehr jung in ganz Salmigundien, der nicht auf meine Nas visirt wär. Denn was nur Fürz auf Erden läßt, wird furzend sagen: dieß dem Quitten. Mein Leben wird bald zur Neig gehn, ich spürs im Voraus, ich recommandir euch mein Grabschrift. Und werd in Fürzen ganz candirt von hinnen fahren. Wenn [355] man einmal in ärgster Wind-Cholik und Bauchweh die armen Weiblein durch Furz-Ablaß wird restauriren und trösten wollen, und es kein Arzt zuweg kann bringen mit seiner gewöhnlichen Medizin, dann wird mein mumisirter Balg, mein furzdurchräucherter Madensack sie flugs curiren. Nur ein klein wenig, so wenig als denkbar davon genommen, so furzen sie mehr als sie selbst bitten noch verstehen. Bät euch drum gern daß ihr mir etwann ein Hunderttheil meiner Schulden füritzt noch liesset; wie König Ludwig der Eilft, als er den Bischof zu Chartres Miles von Illiers seiner Prozeß erledigt hätt, von ihm inständig gebeten ward, ihm nur ein Paar, der Übung halber noch offen zu lassen. Ich wollt ihnen lieber mein ganzes Schlammbyßkerium und die Maykäferey dazu abstehn, dem Hauptstamm allzeit unbeschadet, das versteht sich. – Laßt diese Sach itzt gut seyn, sprach Pantagruel; ich habs euch schon einmal gesagt.

Sechstes Kapitel
Sechstes Kapitel.

Warum die neuen Ehemänner von Kriegsdiensten frey waren.


Aber in welchem Gesetz, frug Panurg, war es verordnet und festgestellt, daß Die einen neuen Weinberg pflanzen, Die ein neu Haus baun, und die neuen Ehemänner im ersten Jahr von Kriegesdiensten frey seyn sollten? – In dem Gesetz des Moses, antwort Pantagruel. – Warum die neuen Ehemänner? frug Panurg: denn um die Weinbergspflanzer bin ich zu alt mich zu bekümmern, verlaß mich auf der Winzer Fleiß. Und was die feinen Bauherrn anlangt von neuen Häusern mit todtem Stein, so stehn sie nicht im Buch meines Lebens, denn ich bau nur lebendige Stein, das ist Menschen. – Soviel ich glaub, antwort Pantagruel, geschah es wohl, damit sie sich im ersten Jahr nach Herzenslust ihrer Lieb erfreun, auf ihres Stammbaums Mehrung denken, und Leibeserben erzielen möchten. So [356] blieb zum mindesten, wenn sie das andre Jahr im Krieg umkamen, ihr Nam und Wappen bey ihren Kindern. Auch weil man sicher wissen wollt, ob ihre Weiber gelt oder fruchtbar wären: (denn bey dem reifen Alter darinn sie freyten, dünkt' ihnen zur Prob ein Jahr genug) damit man sie nach ihrer ersten Männer Hintritt desto besser möcht anders vermählen, die fruchtbaren an solche Leut die Kinder zeugen und haben wollten, die gelten an die dergleichen nicht möchten, und sie um ihrer Tugend, Klugheit und andrer guten Gaben halber, zu ihrem Haustrost lediglich und Führung der Wirtschaft erkiesen wollten. – Die Prediger in Varenes, sprach Panurg, verschreyn die zweyten Ehen als thörig und schandbar. – Ey daß sie doch Gotts Marter schänd! rief Pantagruel. – Wohl, sprach Panurg, und auch den Bruder Scheidein, der mitten in seinem Sermon zu Parillè, als er da predigt' und auf die zweyten Ehen schalt, sich zum hurtigsten Teufel der Höll verschwur, wo er nicht lieber wollt hundert Dirnen entjungfern als Eine Wittwe aufkratzen. Ich find auch euern Grund ganz triftig und wohl fundirt. Wie aber etwann, wenn diese Freyheit ihnen ertheilt wär aus Ursach, weil sie im ganzen Lauf des ersten Jahrs ihre jungen Schätzlein so fleißig getüscht (wie auch ganz recht und billig war) und ihre spermatischen Vasa dermaasen ausgeträufelt hätten, daß sie davon ganz hundsdürr, welk, marod und schachmatt worden wären? So daß sie am Tag der Schlacht sich lieber, wie Enten, ducklings zum Gepäck, als bey die tapfern Kämpen stellten, wo's Schläg setzt, und wo Enyo zum Sturm bläst? und unter Martis Fahnen zum Fechten untauglich wären, weil sie schon hinter dem Umhang seiner Buhlen der Venus, die grossen Streich gethan? Wir sehn davon noch heutzutag unter andern Zeichen und Ueberbleibseln der Vorzeit den Beweis: daß man in einem jeden guten Haus, ich weiß selbst nicht nach wieviel Tagen, diese jungen Herrn Ehemänner zu ihrem Oheim auf Besuch schickt, damit sie von ihren Weibern kommen, ein wenig ausruhn und derweil sich wiederum verproviantiren, um bey der Heimkehr desto frischer und fröhliger auf dem Zeug zu seyn; wenn sie schon oftmals weder Ohm noch Bas in Leib und Leben [357] haben. Just ist wie König Habenix nach der Affair bey Hundes-Lotten uns nicht buchstäblicherweis die Schipp gab, mir und dem Wachtel, sondern uns nur zur Erholung nach Haus schickt'. Er sucht seins heut noch. Meines Großvaters Göt sagt' zu mir als ich ein kleines Büblein war:


Paternoster und Stoßgebet
Wers kann, dem wird es wohl bekommen.
Ein Pfeifer, der zur Heumahd geht,
Schafft mehr als zwey so davon kommen.

Was mich auf diese Meinung führt, ist: daß die Weinbergspflanzer auch im ersten Jahr kaum Trauben noch Wein von ihrer Arbeit zu kosten kriegten: noch auch die Bauherrn das erste Jahr in ihren neuen Häusern wohnten, wenn sie aus Mangel an Othem nicht ersticken wollten: wie solches weislich Galen in seinem zweyten Buch von Schwierigkeit des Othemholens notiret hat. Ich frugs euch nicht ohn wohlbedächtigen Fürbedacht noch gründlichen Grund. Drum nix für ungut.

Siebentes Kapitel
Siebentes Kapitel.

Wie Panurg den Floh im Ohr trug und seinen prächtigen Hosenlatz abthät.


Tages darauf ließ sich Panurg sein rechtes Ohr auf Jüdisch durchbohren und hing ein klein gülden Reiflein drein von Marketeri-Arbeit. Im Kasten desselben war ein Floh [358] gefaßt, und der Floh war schwarz; auf daß euch ja nichts zu zweifeln bleib. Ist ein gut Ding, von allem wohl belehrt zu seyn. Selbigen Flohes Unterhalt kam ihm, zu Buch summirt, terminlich nicht höher zu stehen als der Mahlschatz einer hyrkanischen Tigerinn; ihr könnts etwan auf 609000 Maravedi rechnen. Ein also ungebührlicher Aufwand verdroß ihn aber als er nun quitt war, und äzt' ihn seitdem, nach der Tyrannen und Anwäld Art, mit Schweiß und Blut seiner Unterthanen. Nahm vier Ellen grobes Sacktuch, warf es um wie einen langen einnähtigen Mantel, thät seine Hos ab, und hing eine Brill an sein Barett. In solchem Aufzug trat er vor den Pantagruel, der die Vermummung seltsam fand, zumal als er nicht mehr an ihm seinen schönen prächtigen Hosenlatz sah, darauf er doch sonst seine letzte Zuflucht, gleichwie auf einen heiligen Anker, in allem Unglücks-Schiffbruch setzt'. Weil nun der gute Pantagruel dieß Räthsel nicht lösen konnt, erforscht' und frug er ihn was er doch fürhätt mit dieser neuen Prosopopö. – Ich hab, antwort ihm Panurg, den Floh im Ohr. Ich will freyn. – Ey nun, zur guten Stund! versetzt Pantagruel. Mich freut dieß sehr, ich möcht in Wahrheit dafür kein – glühend Eisen nehmen. Ist aber nicht der Verliebten Brauch, also mit schlotternden Strümpfen zu gehn, und das Hemd ohn Hos bis übers Knie her hangen zu lassen. Auch dieß Sacktuch ist unter braven sittsamen Leuten zu einer talarischen Mantelkleidung eine fast ungewöhnliche Tracht. Wenn etliche Sektirer weiland, und stille Ketzer sich so vermummt, will ich, obschon sie manche Leut deßhalb des Trugs, der Büberey und tyrannischen Anmaasung über den blinden Pöbel bezüchtigt, sie drum nicht schelten, noch hierinn ein hartes Urtheil über sie fällen. Bestehet doch jeder auf seinem Sinn, zumal in fremden, äusserlichen, gleichgültigen Dingen, die an sich weder bös noch gut sind, weil sie nicht aus unserm Herzen und Innersten kommen, wo alles Guten und bösen Werkstatt: des Guten, wenn es ein guter, ein vom reinen Geist regirter Trieb ist; des Bösen, wenn der böse Geist den Trieb zur Sünd anreizt [359] reizt und fälschet. Misfällt mir nur die neue Sitt, und daß ihr den gemeinen Brauch höhnt.

Ich mein es ganserlich, ganz ehrlich, mit meiner Tracht, versetzt' Panurg. Dieß Sacktuch ist mein Tuch-Sack, mein Seckel; den will ich künftig selber führen und nah zu meinen Sachen sehn. Nun ich itzt einmal quitt bin worden, saht ihr noch nie einen steiferen Peter als ich werd seyn, wo Gott nicht hilft. Schaut hier meine Brill! Von weitem schwürt ihr ich sey der Bruder Jahn von Bourges. Gebt acht, ich thu auch künftigs Jahr noch einen Kreuz-Sermon. Gott schütz die Eyer vor Schaden. Seht ihr auch dieß Sacktuch? Glaubt, es steckt in ihm eine heimliche Tugend, davon wissen wenig Leut: ich trags erst seit heutmorgen, und schon kribelt, jückt und brennt michs auf allen Nähten nach Hochzeit, bis ich auf meinem Weib wie ein härener Teufel herum rasaun', ohn Furcht vor Schlägen. O edler Hauswirth, der ich seyn werd! nach meinem Tod verbrennt man mich auf hohem Holzstoß cum gloria, und hebt die Asch auf zum Denkmal und Fürbild des trefflichen Hauswirths. Blitz! diesen Seckel soll kein Cassir mir berupfen noch schröpfen, sonst setzts Faustpüff in die Schnut. Beschaut mich vorn und hinten, es ist die wahre Form der alten Tog, des Römerkleides in Friedenszeiten: ich habs entlehnt von der Trajans-Saul in Rom, von des Septimius Severus Triumphbogen. Ich bin müd des Kriegs, bin müd der Saga und Hocketen. Mein Rücken ist mir vom Kürißtragen ganz wund. Weg mit dem Heergeräth, her mit der Tog! zum mindesten dieß nächste Jahr, wann ich Hochzeit mach, wie ihr mirs gestern aus Mosis Rechten erwiesen habt.

Im Punkt der Hos, so sagt' mein Großbas Laurentia einst zu mir daß sie erfunden worden wär des Latzes wegen. Ich glaubs auch gern, aus gleichem Grund wie das gute Gäuchlein Galen im neunten Buch Vom Dienst der Glieder meldet, daß der Kopf um der Augen willen verfertiget wär. Denn die Natur konnt unsre Köpf auch an die Knie [360] oder Elbogen setzen: weil sie die Augen aber zum Fernsehn bestimmt, hat sie sie in den Kopf gleichwie auf einen Stock, zu oberst des Leibs gesteckt; wie wir die hohen Blüsen und Leuchtthürn in Meereshäfen stehen sehn, damit man die Latern aus weiter Fern erkennen soll. Und weil ich nun gern eine Weil, ein Jahr zum mindesten, vom Kriegsdienst verschnaufen, das ist freyen möcht, thät ich den Latz ab, und mithin auch die Hos, inmaasen der Hosenlatz des Kriegsknechts erstes Waffenstuck ist. Und behaupt bis zum Feuer, (exclusive wohl zu merken!) daß die Türken sehr schlecht zum Krieg gerüstet sind, wiefern das Tragen des Hosenlatzes in ihrem Gesetz verboten ist.

Achtes Kapitel
Achtes Kapitel.

Wie der Hosenlatz des Kriegsknechts erstes Waffenstuck ist.


Wollt ihr behaupten, sprach Pantagruel, das erste Waffenstuck im Feld wär der Hosenlatz? Die Lehre ist fast paradox und neu: denn, bey den Sporen, sagen wir, fängt man die Rüstung an. – Ich behaupts, antwortet Panurg, und nicht ohn Grund behaupt ichs. Seht die Natur an. Als sie die Pflanzen, Bäum, Sträuch, Kräuter und Zoophyten einmal von ihr erzeuget, auch erhalten und ihnen auf alle Zeiten hin Bestand verleihen wollt', daß, wenn auch schon die Individua untergingen, doch ihre Species nimmer stürben: da hat sie derselbigen Keim' und Saamen, darinnen diese Erhaltung beruht, mit allem Fleisse wohl verschanzet und durch erstaunliche Kunst bedeckt und verteidiget mit Schoten, Scheiden, Bollen, Kernen, Kelchen, Schalen, Aehren, Rinden, Pappis und spitzigen Igelsstacheln, die ihnen statt schöner und starker natürlicher Hosenlätz dienen. Das Beyspiel habt ihr augenscheinlich an Erbsen, Bohnen, Faseln, Nüssen,[361] Pfirsichen, Baumwoll, Koloquinten, Korn, Mohn, Zitronen, Kastanien, lauter Gewächsen daran wir klärlich den Keim und Saamen mehr bedeckt, geborgen und verpanzert sehen, denn irgend ein ander Theil derselben.

Also besorgt war die Natur nicht für die Dauer des Menschengeschlechtes. Vielmehr schuf sie den Menschen nackend, zart, schwächlich, gebrechlich, ohn Schutz- noch Trutzwaffen, im Stand der Unschuld des ersten güldenen Alters, als Thier, und nicht als Pflanz; als Thier sag ich, zum Frieden, nicht zum Krieg gemacht; als Thier, geboren zum wunderwürdigen Genuß aller Frücht und Vegetabilien: als Thier, zu friedlicher Beherrschung alles Viehes auf Erden geboren.

Wie nun der Sterblichen Bosheit wuchs im Lauf des ehernen Alters und unter des Jovis Herrschaft, da fing die Erd Dorn, Disteln, Nesseln und mehr dergleichen Rebellion im Pflanzenreich dem Menschen zu erwecken an. Andrerseits auch fielen von ihm auf fatalischen Antrieb schier alle Thier ab, verschwuren sich heimlich ihm ihren Dienst und Gehorsam zu weigern so langs nur gehen wollt, ja ihm zu schaden nach Macht und Vermögen. Der Mensch nun, wenn er sein Erstgebrauchsrecht behaupten, sich beym Regiment, wie vor, erhalten und auch sonst nicht füglich des Diensts so vieler Thier entrathen wollt, sah sich aufs neu zu wappnen gemüssigt. – Nun helf mir Sanct Veltens heiliger Ganser! rief Pantagruel, seit letztem Regen bist du ein mächtiger Liffer-Loffer, wollt sagen Philosoph geworden. – Jetzo erwäget, sprach Panurg, wie die Natur ihn inspirirt' sich zu wappnen, welch Glied des Leibs er zuerst armirt'. Es war, Bock stoß mich! der Hodensack, es war der werthe Mann Sanct Priap – trumpft' sie und sprach: nu lauf und zieh ab. – Dieß zeugt uns auch der ebräische Philosoph und Feldhauptmann Moses, erhärtend wie er sich hab armirt mit einem stattlichen wackern Latz von schönster Erfindung, aus Feigenblättern, diesem kraft [362] seiner Derbheit, Glattheit, Plattheit, Incisur, Frisur, Farb, Läng, Ruch, Tugend und Eigenschaft zu Schutz und Schirm der Geilen gebornen, und überaus commoden Blatt. Nur nehmet mir allzeit davon die furchtbaren Lotharinger Säck aus, die spornstreichs mit verhängtem Zaum auf den Hosenboden hinunter schiessen, den hohen Stuhl im Prunklatz verschmähn, und aller Zucht und Method ermangeln. Beruf mich hie auf Viardiere den edeln Valentin; den traf ich einsmals am ersten Mayenmorgen zu Nancy, wie er euch seinen Sack, um desto schmucker einher zu treten, lang vor ihm hin auf den Tisch gelegt und wie einen spanischen Mantel thät bürsten.

Drum, wer hinfort will richtig reden wenn er den Freymäuser in den Krieg schickt, der muß nicht sagen: Wahr, Töffel, den Weinpott, das ist den Nüschel, sondern muß sagen: Wahr, Töffel, den Seimpott; das ist den Sack ins drey Teufels Namen! Denn mit dem Kopf stirbt nur der Mann; doch mit dem Sack, da ging die ganze Menschenrass unter. Dieß bracht den guten Galan Galen, lib. I. de spermate auf den wackern Schluß: daß besser wär, nämlich ein weit geringer Uebel, kein Herz als keine Geilen zu haben: denn da ist, gleichwie in heiligem Schrein, der Fruchtkern und conservativische Saft des menschlichen Stammbaums innen belegen: und glaub für noch nicht hundert Franken, daß dieß die wahren Stein sind gewesen, womit Deukalion und Pyrrha das in der poetischen Sündfluth ersoffne Menschenvolk wieder hergestellet. Derhalb setzt auch der tapfre Held Justinianus lib. IV. de Capuzis tollendis, summum bonum in Hosibus et Hosulaziis. Aus diesem und mehr [363] andern Gründen geschah es auch daß, als der Herr von Merville einsmals mit seinem König zu Feld ziehn wollt und einen neuen Harnisch anprobt' (denn mit dem alten schafft' er nix mehr, weil er fast rostig, auch ihm der Bauch über Jahr und Tag stark vors Gemächt gestiegen war) daß, sag ich, sein Weib beschaulichen Geistes fürerwog wie schlechte Sorg er für ihrer beyder Ehgeschirr trüg, hinsichtlich ers mit nichts verwahrt' als mit dem stählernen Maschenhemd; dabey auch dieser Meinung war, daß ers ja fleissigst wohl verschanzen und bestens verfortifiziren möcht mit einem großen Stech-Helm, der ihm in seinem Waffen-Spint müssig hing. Von ihr stehn diese Reim geschrieben im dritten Buch des Jungfern- Scherwenzels:


Zu einem Ehemann der ganz bewehrt
Bis auf den Latz, enteilete zum Strausse,
Sprach seine Frau: Kind, daß man dich nicht zause,
Bedeck auch dieß, darnach man sehr begehrt!
Was meint ihr? War der Rath wohl scheltenswerth?
Ich sage nein! denn was sie so erquicket,
Die gute Frucht, da er so hitzig fährt,
Besorgt sie nun die werd ihr abgepflücket.

Drum laßt nur ab euch zu verwundern ob dieser meiner neuen Tracht.
Neuntes Kapitel
Neuntes Kapitel.

Wie Panurg ihm beym Pantagruel Raths erholt ob er freyen sollt oder nicht.


Als Pantagruel nichts erwiedert', fuhr Panurg fort und sprach zu ihm mit einem tiefen Seufzer: Herr, ihr habt itzt meinen Entschluß vernommen: ich will freyen. Wenn anders nun der böse Feind nicht alle Löcher verkeilt, versperrt [364] und verrammelt hat, fleh ich euch an bey eurer Lieb an mir so lange Zeit bewiesen, sagt mir was euch bedünkt dazu. – Da ihr, versetzt Pantagruel, den Wurf einmal gethan, euchs also fest fürgesetzt und beschlossen habt, ist weiter nichts zu sagen; bleibt nichts übrig als daß ihrs auch ins Werk richt. – Aber ich möchts doch, sprach Panurg, nicht gern ohn euern guten Rath und Meinung thun. – Ich mein auch wohl, antwort Pantagruel, daß ihrs thut, und rath euch dazu. – Doch wenn ihr etwann wissen solltet, sprach Panurg, daß mir besser wär wie ich bin zu bleiben, ohn Weiterung noch Novation, blieb ich doch lieber ungefreyt – Freyt also nicht, antwort Pantagruel. – Wollt ihr denn aber, sprach Panurg, daß ich so einsam all mein Lebtag ohn Ehegespielinn bleiben soll? Ihr wißt, geschrieben steht: Vaeh soli. Der Mensch allein hat nimmermehr den Trost wie die im Ehstand sind. – Sinnt also um des Himmels Willen auf Ehestand, sprach Pantagruel. – Wenn aber, sprach Panurg, mein Weib mir Hörner drehet', wie ihr wißt, daß heuer ein fruchtbar Hornjahr ist, daran hätt ich allein genug, daß mein Geduldsstrang überschnappt'. Ich bin den Hahnreys gut, es scheinen mir hübsche brave Leut zu seyn, geh auch ganz gern mit ihnen um, möcht aber bey Leib doch selbst keiner seyn. Vor dem Kraut graut mir traun! – Traun also, müßt ihr euch nimmer lassen, Freund, antwortet Pantagruel, denn der Spruch der Seneca bleibt ohn Ausnahm wahr: was du den Andern hast gethan, sey sicher daß sie dir wieder thun werden. – Sagt ihr das, frug Panurg ohn Ausnahm? – Ohn Ausnahm sagt ers, antwort Pantagruel. – Hui hui du Teuflein! rief Panurg, er meint in dieser Welt oder in jener. Wohl, weil ich nun aber ohn Weib nicht seyn kann, so wenig als ein Blinder ohn Stecken, (denn traben muß mein Fuchs, sonst stürb ich) wärs dann nicht besser wenn ich mich zu einer braven und ehrbaren Frau thät, statt so Reihum zu gehn Tag für Tag in steter Furcht vor Prügelsuppen, ja was noch schlimmer, vorm fränkischen Grind? denn aus den tugendhaften Weibern (ich sags mit ihrer Männer Gunst) [365] hab ich mir nie nicht viel gemacht. – Macht also Hochzeit in Gottes Namen, versetzt' Pantagruel. – Wenns aber nun Gottes Will wär, sprach Panurg, und sich begäb daß ich ein sittsam Weib bekäm und die mich schlüg, müßt ich ja Hiobs leiblicher Schwager sein, wenn ich nicht toll mit Haut und Haar würd. Denn ich hör, es sollen diese so ehrbaren Weiber gemeinlich teufelsharte Köpf und scharfe Laug in den Küchen führen. Aber mein Laug wär doch noch schärfer, denn ich wollt ihr ihr Gansklein (nämlich: Arm, Bein, Kopf, Leber, Lung und Milz) so windelweich zusammenschlagen, ihr das Collett mit guten Püffen so wohl verpuffen daß Herr Urian der armen Seel am Thor sollt warten. Deß Zäpels wär ich nun gern enthoben für dieß Jahr; darum denk ich wohl, es unterbleibt. – Bleibt also ledig, antwortet Pantagruel. – Ja aber, sprach Panurg, wenn mirs nun geht wie mirs itzt geht, daß ich ganz quitt und auch dazu noch ledig bin (merkt wohl, quitt sag ich, hohls die Pest! denn wenn ich brav in Schulden stäk sorgten wohl meine Gläubiger ohn dieß für meine Vaterschaft) doch quitt und ledig, dann hätt ich auch nicht eine Seel die nach mir früg und solche Lieb an mir bewies, wie in der Eh seyn soll. Und würd ich etwann gar krank, würds mit der Wartung auch ärschlings gehn. Der Weise spricht: wo keine Hausfrau ist (darunter versteh ich die Mutter und Ehewirtinn) da gehet der Kranke in der Irr. Ich hab der Exempel genug gesehn an Päpsten, Legaten, Cardinälen, Bischöfen, Aebten, Prioren, Priestern und Mönchen; ich mach euch nicht die Freud. – Freyt also doch um Gottes Willen, antwortet Pantagruel. – Wenn aber, sprach Panurg, derweil ich krank und ungeschickt zur ehlichen Pflicht wär, mein Weib aus Unlust meiner Schwachheit, sich einem Andern an den Hals hing, und nicht allein mir in der Not nicht beystünd, sondern obendrein noch meines Schadens spottet', ja, (was schlimmer) mich bestöhl, wie ichs denn oft erlebt hab: dieß wär gar um schwarz zu werden: ich rennt' davon im blosen Hemd. – Hemmt also eure Heyrathslust, antwortet Pantagruel. – Ja aber, sprach Panurg, so werd ich auch nimmermehr rechtmässige Söhn und Töchter haben, auf die mein Nam und Wappen erbt', denen ich mein Vermögen [366] und Ersparnis hinterlassen könnt (doch nächster Tag, verlaßt euch drauf, mach ich die besten, und leg mich dabey aus aller Macht aufs Renten-Tilgen) an ihnen mich erlaben möcht, wenn ich sonst mürb und schachmatt wär, wie ich ja täglich euern so frommen leutseligen Vater mit euch thun seh und alle brave Leut daheim in ihrem Beschluß und vier Pfählen thun. Doch, da ich nunmehr quitt und ledig, und noch dazu verdrüßlich bin, itzt seh ich wohl, statt mich zu trösten, treibt ihr mit meiner Noth noch Scherz, versagt mir alle Hülf und Beyrath. –Heyrath in Gottes Namen also, antwortet ihm Pantagruel.

Zehntes Kapitel
Zehntes Kapitel.

Wie Pantagruel Panurgen fürstellt daß es ein kitzlich Ding sey um den Ehestandsrath, und von Homerischen und Vergilianischen Loosen.


Euer Rath, sprach Panurg, ist mit Verlaub zu melden, ein Art von Retour-Kutsch; nichts wie Gespött, Paronomasien, Sarkasmen, Epanalepsen und Widersprüch in einem Othem. Eins hebt immer das ander auf: weiß nicht woran ich mich halten soll. – Auch sind, versetzt' Pantagruel, in euern Fragen der Wenn und Aber allzuviel, als daß ich etwas darauf baun noch schliessen möcht. Steht [367] ihr denn nicht auf euerm Sinn fest? Da liegt der Knoten: das ander ist nur eitel Zufall, hangt von des Himmels Schickungen ab. Wir sehn eine gute Anzahl Menschen in diesem Spiel so glücklich fahren, daß uns in ihren Ehen ein Bild und Gleichniß der Freuden des Paradises gespiegelt scheint; hinwieder Andre so unselig, daß es die Teufel die in den Wüsten von Thebais und Monserrat die Kläusner versuchen, nicht ärger sind. Man muß es wagen auf gutes Glück; hie heissts: verbind die Augen, bück dich und küß die Erd; im Uebrigen befiehl dich Gott, wenn dus ja doch bestehen willt. Gewissern Trost weiß ich euch auch nicht zu geben. Doch, gefällt es euch, könnt ihr noch eins thun.

Bringet mir die Schriften des Vergilius her: so wolln wir sie mit dem Nagel dreymal aufthun, und nach der Zahl der Vers die wir zusamen ausgemacht, euer beschiednes Ehstandsloos erkundigen. Denn wie man auch schon öfters durch homerische Loos sein Schicksal erfahren hat. – Zum Beyspiel Sokrates der, als er im Kerker den Vers Homeri sagen hört', wo Achilles spricht Iliad. IX. 362:


Ἤματί κε τριτάτω Φϑίην ἐρίβωλον ἱκοίμεν.
Am dritten Tage werd ich sonder Weilen
Zur lieblichen fruchtbaren Phthia eilen,

voraussah, daß er am dritten Tag darauf sterben würd, und es dem Aeschines anzeigt', wie Plato im Kriton, Diogenes Laertius und Cicero Primo de Divinatione schreiben. Deßgleichen Opilius Macrinus dem, als er gern hätt wissen mögen ob er römischer Kaiser würd werden, der Spruch zum Loos fiel, Iliad. VIII. 102:


Ὦ γέρον, ἦ μάλα δή σε νέοι τείρουσι μαχηταὶ,
σὴ δὲ βίη λέλυται, χαλεπὸν δέ σε γῆρας ὀπάζει.
O alter Mann, dich überwiegen weit
Die jungen Streiter und beherzten Leut:
Dir ist die Kraft zerronnen; hart und schwer
Folgt dir das Alter nach und druckt sich sehr.

Auch war er in der Tat schon alt, und ward als er das Reich nicht länger als ein Jahr und zween Monat besessen, vom jungen und mächtigen Heliogabalus dessen entsetzet und umgebracht.

[368] Deßgleichen Brutus der, als er das Loos der Pharsalischen Schlacht, darinn er umkam, erforschen wollt, den Vers antraf den Patroklus sagt Iliad. XVI. 849:


Ἀλλά με μοῖῤ ὀλοὴ καὶ Λητοῦς ἔκτανεν ὑιὸς.
Erschlagen ward ich durch den bittern Hohn
Treuloser Parzen und Latonens Sohn.

Apollo nämlich war das Feldwort und Loosungszeichen in selbiger Schlacht – so sind auch durch Vergilische Loos vor Alters grosse Ding erkannt und höchst wichtige Begebenheiten vorhergesehn worden; ja sogar die Erlangung des römischen Kaiserthums. Wie sich begab mit Alexander Severus, der auf diese Weis den Vers erloost' Aeneid. VI. 851:


Tu regere imperio populos, Romane, memento.
Wird einst, o Römerkind, der Kaisermantel dein,
Regiere so die Welt, daß es ihr mag gedeihn:

darauf nach etlichen Jahren in Wahrheit und wirklich zum Kaiser in Rom erwählt ward.

Mit Hadrianus dem römischen Kaiser, der, als er in Sorg und Zweifel war wie Trajanus für ihn gesinnt wär, in welcher Gunst er bey ihm stünd, das Vergilianische Loos befragt', und diese Vers traf Aeneid. VI. 809:


Quis procul ille autem ramis insignis olivae,
Sacra ferens, nosco crines, incanaque menta
Regis Romani.
Wer ists, der dort von weitem in der Hand
So würdig herträgt den Olivenzweig?
Am grauen Haar, am heiligen Gewand
Kenn ich den alten Römerkönig gleich:
drauf vom Trajanus adoptirt ward, und ihm in der Regierung folgte.
Mit Claudius Secundus wohlbelobtem römischen Kaiser, dem dieser Vers zum Loos ward, Aeneid. I. 269:

Tertia dum Latio regnantem viderit aestas.
Wenn dich der dritte Sommer noch erreicht
Auf Roma's Thron, und als Gebieter zeigt.

In Wahrheit regiert' er nur zween Jahr.

[369] Demselben, als er seines Bruders Quintilii halber, dem er zum Regiment wollt helfen, das Loos frug, ward dieser Vers, Aeneid. VI. 869:


Ostendent terris hunc tantum fata.
Ihn zeigen wird allein das Schicksal dieser Erden:
wie auch geschah; denn als er nur erst siebzehn Tag regiert hätt, ward er erschlagen.
Dasselbe Loos fiel auch dem Kaiser Gordianus dem Jüngern.
Clodius Albinus, sein gutes Glück zu wissen lüstern, schlug das auf, was Aeneid. VI. 858 steht:

Hic rem Romanam, magno turbante tumultu,
Sistet eques, sternet Poenos, Gallumque rebellem.
Der Ritter wird, wenn Sturmeswetter dräun,
Des Römerreiches Schirm und Retter seyn;
Wird aus Karthago Siegesehren tragen,
Und Gallische Rebellen niederschlagen.
Mit Kaiser D. Claudius, des Aureliani Vorfahren, dem,
als er nach seinen Nachkommen frug, dieß Vers-Loos ward, Aeneid. I. 278:
His ego nec metas rerum, nec tempora pono.
Denselben geb ich lang zu dauern, und
Setz ihres Glückes weder Ziel noch Stund.

Auch hätt er ein lang Geschlecht von Enkeln.

Mit Herrn Pierre Amy, als er sich Raths erhohlt' ob er den Fallstricken der Irrwisch entgehn würd, und diesen Vers traf, Aeneid. III. 44:


Heu! fuge crudeles terras, fuge littus avarum.
Flieh eilends dieß barbarische Gezücht,
Flieh diesen geiz'gen Strand, und säume nicht:

drauf ihren Klauen auch glücklich entrann.

Und tausend andre mehr, von denen ich nicht ausführlich melden will wie ihnen nach dem Loos der Vers die sie [370] gezogen, ihr Schicksal fiel. Will auch nicht eben daraus folgern, daß dieses Loos schlechthin ohn Ausnahm untrüglich wär. Es könnt euch irren.

Eilftes Kapitel
Eilftes Kapitel.

Wie Pantagruel das Loos der Würfel für unerlaubt erklärt.


Mit drey blanken Würfeln, sprach Panurg, wäre es geschwinder abgethan. – Mit nichten, antwort Pantagruel, dieß Loos ist trüglich, unerlaubt und höchst anstössig. Baut darauf nie. Das verdammliche Buchder Würfel-Trost, vom Geist der Lügen vor alten Zeiten schon in Achaia bey Bura erfunden, hat weiland dort vor des Buraischen Herkules Bildsäul, wie noch bis heut an manchen Orten viel arme Seelen zum Irrthum verleitet und in sein trüglich Netz verlockt. Ihr wißt wie es mein Vater Gargantua in allen seinen Staaten verboten, mit Schriften, Formen und Figuren verbrannt, vom Grund der Erden vertilgt, und als ein höchst gefährlich Gift erstickt und ausgeräutet hat. Was ich euch von den Würfeln sag, das gilt auch von den Talis und Knöchlein: ist gleichfalls ein betrüglich Loos. Und führt mir nicht etwann dagegen den Glückswurf des Tiberius an, den er mit Knöchlein im Brunn Aponi bey dem Orakel Geryons thät. Das sind nur Hamen des Lügengeistes, womit er den Einfältigen Seelen zu ewiger Verdamniß reißt. Gleichwohl, euch euern Willen zu thun, erlaub ich gern daß ihr drey Würf auf diesen Tisch thut. [371] Nach der Zahl der Augen, die da fallen werden, wolln wir die Vers des Blattes wählen, so ihr dann aufschlagt. Ihr führt doch Würfel in euerm Sack da? – Die schwere Huck voll, antwort Panurg, die sind des Teufels Mayen, wie Merlin Coccajus schreibt libro secundo de patria diabolorum: der Teufel fing mich ja ohn Mayen, wenn er mich ohn Würfel fänd, – Nahm sie heraus und warf; und fielen die Würfel auf Fünf, Sechs, Fünf. – Thut Sechzehn, rief Panurg, wir wolln Vers Sechzehn des Blattes nehmen; die Zahl gefällt mir, ich mein wir treffens gut. Ich schieß mich zu allen Teufeln querfeldein wie ein Boßel in ein Spiel Kegel, wie ein Kanonball in ein Glied Fußvolk, – dem Teufel entlauf wer kann – wenn ich mein junges Weiblein nicht die erste Nacht just so viel Mal versohlen will. – Ich hab keinen Zweifel dran, antwortet Pantagruel, ihr braucht euch nicht so erschrecklich drum zu verschwören. Das erste Mal wird ein Method seyn, die gilt Funfzehn: früh beym Aufstehn bringt ihrs dann ein, so werdens Sechzehn. – Ja, sprach Panurg wie ihr halt meint! Mein wackrer Schütz am Unterleib da drunten, der für mich Schildwach steht, der weiß von keinen Solöcismen. Habt ihr mich je in der Fehlschützen Orden mit laufen sehn? Nun und nimmermehr, beym grossen Nimmermehrstag, niemals! Ich stech en Papa und Schwärpapa ohn Fehl. Die Spieler können zeugen. –

Auf diese Wort bracht man die Werk Vergilii herbeygetragen. Eh sie annoch eröffnet wurden, sprach Panurg zum Pantagruel: das Herz pocht mir im Leib wie ein Bläuel: fühlt nur mal her an meinen Puls, am linken Arm die Ader hie! er geht so jach und hoch, man dächt die Sorbonn zeckirt' mich im Tentamen. Wärs nicht gut eh wir weiter gehn, wenn wir zuvor zum Herkules und den Tenitischen [372] Göttinen flehten, die, wie man sagt, im Loos-Gericht den Vorsitz führen? – Weder zum einen noch den andern, sprach Pantagruel: schlagt nur das Buch auf mit dem Nagel.

Zwölftes Kapitel
Zwölftes Kapitel.

Wie Pantagruel durch Vergilianische Loos Panurgens Ehestandsglück erforschet.


Wie nun Panurg das Buch aufschlug, fand er auf Zeile Sechzehn den Vers:
Nec deus hunc mensa, dea nec dignata cubili est.
Diesen verwarf der Gott am Tisch sein Gast zu sein,
Noch ließ die Göttin ihn zu ihrem Lager ein.

Dieser ist nicht zu euerm Vortheil, sprach Pantagruel; er zeigt an, daß euer Weib eine Hur seyn wird, und mithin ihr ein Hahnrey. Die Göttinn die euch nicht wohl will, ist Minerva, eine gar sehr zu fürchtende Jungfrau und allgewaltige Donnergöttinn, der Hahnrey, Buhler und Ehebrecher ein Gräuel sind, deßgleichen die schlüpfrigen Weiber die ihren Männern ihr Wort nicht halten, und sich an Andre verschenken. Der Gott ist Jupiter, der vom Himmel donnert und blitzt. Denn merket wohl: daß, nach der alten Hetruscier Lehr, die Manubiä (so hiessen sie die vulkanischen Blitz) nur Ihr allein (wie euch das Beyspiel von Verbrennung der Schiff des Ajax Oileus zeigt) und dem Jupiter ihrem häuptlichen Vater zustehn. Den andern Olympischen Göttern ist zu donnern nicht erlaubt: drum sind sie bey Menschen auch nicht so geachtet. Ich kann euch hierüber noch mehr erzählen, das ich, wie ihr wohl glauben könnt, aus der verborgensten Mythologi hab. Als nämlich die Riesen den Krieg erhuben wider die Götter, da spotteten anfangs die Götter solcher Feind, und meinten es wär für ihre Pagen noch nicht satt Arbeit. Als sie aber nun den Berg Pelion durch der [373] Riesen Kraft auf den Ossa gesetzt, ja den Olympus erschüttert sahen um auf die beyden zu oberst aufgestülpt zu werden, erschracken sie All, und Jupiter hielt General-Kapitul, darinn von allen Göttern beschlossen ward daß sie sich tapfer wehren wollten. Und weil sie öfters die Bataillen durch Hindrung der Weibsleut in den Lägern verlieren gesehen, ward decretiert daß man zur Zeit dieß ganze Geschlepp von Göttinnen aus dem Himmel wollt nach Aegypten und in den Nil-Gau schicken, in Wiesel, Marder, Kahlmäus, Spitzmäus und andere Metamorphosen verwandelt. Minerva allein ward dabehalten mit Jove zu donnern als Göttinn der Künst und Krieges, Rathes und der That; als eine in Waffen geborene Göttinn, als Göttinn die Erd, Meer, Luft und Himmel fürchten. – Ey Potz Bauch auf Bauch! versetzt' Panurg, würd ich etwann gar noch Vulkan, von dem der Poet schreibt? Aber nein! denn ich bin nicht lahm, nicht Kipper und Wipper, nicht Schmidt, wie er. Kann sich wohl fügen daß mein Weiblein so schön und gätlich wie seine Venus seyn wird, aber kein Hur wie Sie, noch ich ein Hahnrey, wie Er. Ließ sich das alte Hinkbein nicht in figura öffentlich durch aller Götter Mund und Urthel zum Hahnrey schlagen? Darum also verstehet es nur umgekehrt. Dieß Loos zeigt an, mein Weib wird treu, keusch, züchtig seyn, und keineswegs geharnischt, stetisch, mockisch, hirnschellig, noch aus dem Hirn geschält wie Pallas. Der feine Jüpel soll mir auch nicht ins G'häg gehn, soll in meine Brüh sein Brod nicht trunken wenn wir etwann an Einen Tisch zu sitzen kämen. Bedenkt nur seine saubern Streich und Fahrten. Es war der ärgste Ruffianer, der unverschämteste Benedicti ... ich wollt sagen Penisdiener, und Hurenhengst, der je gelebt hat. Stets schäumt' er wie ein Eberschwein; auch ist er auf der Candischen Dikte von einer Sau erzogen worden, wenn Agathokles von Babylon nicht lügt: viel geiler denn ein Bock: auch sagen Andre daß eine Geiß Amalthea ihn groß gesäugt hab. Höll und Acheron! hat er nicht auf Einen Tag ein Drittel der Welt mit Vieh und Menschen, Berg und Flüssen zusamen gerammelt? das war Europa. Für welchen Rammel ihn die Hammonier auch in Gestalt eines [374] rammelnden Rambocks und krummgehörnten Widders malten. Aber ich will mich vor dem Bockshorn wohl hüthen. Glaubt, er hat an mir keinen dummen Amphitryo, keinen dämlichen Argus funden mit hundert Brillen, keinen Hasen Acrisius, keinen Luley Lykus von Theben, keinen Träumer Agenor, keine Schlafmütz Asopus, keinen Esau Lykaon, keinen Stombax Corythus von Toskana, keinen Atlas-Lümmel mit grossem Rückgrat. Und wenn er sich auch hundert und aberhundertmal zum Schwan, Stier, Satyr, Gold verändert' oder zum Gukuk, wie er thät als er sein Schwester Juno entjungfert', zum Adler, Widder, Tauber, wie als er in das Mägdlein Pythia verliebt war, die in Aegien wohnt'; in Feuer, Drachen, ja Flöh, in Epikurs-Atomen, oder magistronostraliter meinethalben in intentiones secundas; ich kniet' ihm aufs Fell. Und wißt ihr was ich dann thu mit ihm? Potz Blitz, was Saturn mit seinem Vater Cölo thät, – Seneca hats von mir geweissagt, Laktanz bekräftigts, – was Rhea dem Athys: die Geilen scheer ich ihm glatt vom Arß, daß auch kein Stümplein überbleibt. So ist er auf immer zum Papst verdorben, quia testiculos non habet. – Sacht, sacht! mein Söhnlein, sprach Pantagruel: nur fein gelassen! schlaget auf zum andern Mal, Da fand er den Vers:


Membra quatit, gelidusque coit formidine sanguis.
Die Glieder mürbe bläut und das Gebein zerstampft,
Daß alles Blut die Furcht im Leib zu Eis erkrampft.

Das heißt, sie wird euch Arm und Bein zerschlagen, sprach Pantagruel. – Im Gegentheil, antwort Panurg, von mir [375] gilt dieß Prognosticon, und heißt: Ich werd sie bläun wie ein Tiger, wenn sie mich wild macht. Dafür wird Hans Bakel schon sorgen: und thät ers nicht, der Teufel eß mich wo Ich nicht sie lebendig äß, wie König Kambles in Lydien die Seinige. – Ihr seyd sehr muthig, sprach Pantagruel. In dieser Wuth käm Herkules selber nicht aus mit euch. Das macht, der Wenzel gilt, wie man spricht, für zwey: an zwey hat sich auch Herkul nicht gewagt. – Ich bin der Wenzel! rief Panurg. – Nix, nix, antwort Pantagruel, ich dacht ans Lortsch – und Triktrakspiel. – Zum dritten traf er diesen Vers:


Faemineo praedae et spoliorum ardebat amore.
Entbrennete in weiblich wilder Wuth
Zu plündern und zu rauben Hab und Gut.

Das heißt, sie wird euch bestehlen, sprach Pantagruel: ich seh euch schon ganz wohl geborgen. Nach den drey Loosen werd ihr ein Hahnrey, ein geschlagner, und ein bestohlener Ehemann seyn. – Im Gegentheil, versetzt Panurg: der Vers zeigt an daß sie mich brünstig lieben wird. Der Satyrikus hat nie ein wahrer Wort geredt als da er sprach: ein Weib, die's gut meint, ein Weib von höchster Lieb entbrannt, find manchmal ein Vergnügen daran, ihrem Freund etwas zu stehlen; und wißt ihr was? einen Handschuh, ein Nestel, daß ers dann suchen muß, ein Nichts, eine Kleinigkeit. So sind auch diese kleinen Spän und Händel wie man zu Zeiten bey Verliebten findt, nur frische Liebesreiz und Sporen: wie wir den Messerschmidt zum Beyspiel oft seinen Wetzstein hämmern sehn, damit er das Eisen besser schärfe. Derhalb leg ich mir die drey Loos zu allerschönsten Gunsten aus: wo nicht, so appellir ich dawider. – Was appelliren! spricht Pantagruel. Es gilt nicht wider Schicksals Ausspruch und was durch Loos entschieden ist. So lehrens unsre alten Legisten und sagts Baldus l. ult C. de leg. Der Grund ist, weil das Glück von keinem Obern weiß, bey dem man sein Loos und Urthel möcht schelten; und kann in solchem Fall selbst nicht ein Minor in Integrum wieder eingesetzt werden. wie er in l. ait praetor § ult. ff. de minor. deutlich sagt.

Dreyzehntes Kapitel
[376] Dreyzehntes Kapitel.

Wie Pantagruel Panurgen räth, seines Ehestands Wohl oder Wehe in Träumen zu erkundigen.


Doch weil wir in der Auslegung Vergilischer Loos nicht einig sind, wohlan, so lasset uns nunmehr einen andern Weg der Weissagung versuchen. – Und welchen? frug Panurg. – Einen guten, alten, authentischen, sprach Pantagruel: durch Träum. Denn wenn die Seel nach den Regeln träumet, davon Hippokrateslib. περὶ ενυπνίων, (peri enypnion) Plato, Plotinus, Jamblichus, Synesius, Aristoteles, Xenophon, Galen, Plutarch, Artemidorus, Daldianus, Herophilus, Q. Calaber, Theokritus, Plinius, Athenäus und Andre schreiben, sieht sie die Zukunft oft zuvor. Ich brauchs euch nicht lang zu erweisen; ihr sehets an dem Haus-Gleichniß der Kinder. Wenn man sie wohl gesäubert, gefüttert und gesäuget hat, und nun fest schlafen; gehn die Ammen in Freyheit ihrer Kurzweil nach: ist ihnen so lang zu thun vergönnt was ihnen gut dünkt, denn sie haben itzt bey der Wieg nichts mehr zu schaffen. Also ists auch mit unsrer Seelen: wann der Leib schläft, wann die Verdauung durchgehends beendigt und nichts weiter bis zum Erwachen nöthig ist, erhohlt sie sich, und sucht den Himmel, ihr Vaterland. Daselbst wird sie ihres ersten göttlichen Ursprungs wieder im reichen Maas theilhaftig und merkt, im Anschaun jener unendlichen und intellectualischen Sphära, deren Centrum aller Orten im Weltall, der Umkreis nirgends ist, (denn diese Sphär ist eben Gott, nach Hermes Trismegisti Lehr) und der nichts zu noch abfällt, nichts vergehet, der alle Zeiten heut sind; merkt, sag ich, nicht die vergangenen Ding allein in ihrem tieferen Wandel, sondern auch die künftigen; und wird, wenn sie's in ihren Leib nun aufnimmt und durch [377] desselbigen Sinnen und Organen den Freunden mittheilt, Seherinn und Prophetinn genannt.

Zwar kann sie nichts in gleicher Klarheit wie sie es sah mittheilen; denn es hinderts die Unvollkommenheit und Gebrechlichkeit der leiblichen Sinnen: gleichwie der Mond, der von der Sonnen sein Licht empfängt, es uns auch nicht so rein, stark, hell und feurig zuwirft als ers empfing. Derhalben nun bedürfen diese Traumgesicht erst eines Deuters, der geschickt, klug, einsichtsvoll, erfahren, vernünftig, kurz ein vollkommener Onirokrit und Oniropol seyn muß; denn also waren sie bey den Griechen geheißen. Derhalb auch Heraklitus sprach daß uns in Träumen weder was gelehrt, noch etwas verborgen werde; vielmehr nur ein Zeichen und Merkmal ertheilet der künftigen Ding, entweder zu unserm oder der Andern Wohl und Wehe. Dieß bezeuget die heilige Schrift, und die Profanscribenten bestärkens durch Meldung vieler tausend Fäll, wo der Traum in Erfüllung ging, sowohl an der Person des Träumers als auch an Andern. Dieses Trostes entbehren aber die Atlanten und der Eykladischen Insul Thasus Einwohner, in deren Ländern niemals ein Mensch geträumt hat. Eben so auch Kleon von Daulien, Thrasymedes, und unsrer Zeit der gelehrte Franzos Villanovanus, die nimmer träumten. Schicket euch also, wenn morgen früh die muntere Aurora mit Rosenfingern das nächtliche Dunkel verscheuchen wird, zu einem gründlichen Träumen an.

Inzwischen aber enschlaget euch aller menschlichen Leidenschaft, Lieb und Hasses, Furcht und Hoffnung. Denn, wie der grosse Seher Proteus weiland, so lang er in Feuer, Wasser, Tiger, Drachen und andre fremde Larven verstellt und verwandelt war, die Zukunft nicht verkündigen konnte, vielmehr, wenn er weissagen sollt, in seinen eignen natürlichen Leib zurückgehn mußt: also empfängt der Mensch auch nicht die Gotteskraft der Weissagung, wenn nicht in ihm das göttlichst Theil von seinem Selbst, (das ist Νοῦς oder Mens.) still, friedsam, ruhig, von fremder Lust und Trieben ganz unzerstreuet und ungetrübt ist. – Ich will es, sprach Panurg. Muß man zu Nacht viel oder wenig speissen? Ich frags euch nicht ohn guten Grund. Denn wenn ich nicht gut und reichlich zu Nacht eß, so nützt mein Schlaf nix, so fasl ich nur des Nachts und träum so leeres Zeug als zu der Zeit [378] mein Magen war. – Nicht essen, sprach Pantagruel, wär wohl das Best, zumal ihr doch ganz gut genährt und gewöhnet seyd.

Der alte Seher Amphiaraus gebot denjenigen die in Träumen seine Orakel von ihm empfingen, denselbigen Tag lang nichts zu essen noch Wein zu trinken drey Tag vorher. So strenger und peinlicher Leibeszucht wolln wir nicht brauchen. Ich glaub zwar wohl daß man mit vollem Leib und im Rausch nicht leicht zur Erkenntniß geistlicher Ding komm: noch bin ich auch nicht Derer Meinung, die durch ein lang hartnäckig Fasten in eine tiefere Contemplation der himmlischen Ding zu dringen wähnen. Euch kann noch wohl im Gedächtniß seyn, wie öfters mein Vater Gargantua, den ich hie Ehrenhalber nenn, uns von den Schriften dieser verhungerten Klausner sagt' daß sie so nüchtern, fad und voll bösen Speichels wären als ihre Leiber, da sies schrieben; und daß es wunderlich zugehen müßt wenn da die Geister frisch und heiter bleiben sollten, wo der Leib hinwelkt und in Verzehrung schmachtet: hinsichtlich die Aerzt und Philosophen behaupten daß die thierischen Geister aus dem Arterienblut entspriessen, gezeitigt werden und wirksam sind, nachdem dieß Blut im Wundernetz, das unter den Hirn-Ventriculn liegt, gereinigt und zur Vollkommenheit geläutert worden. Und geben uns hiezu das Beyspiel eines Weisen, der in die Einsamkeit entwich, in Meinung, daß er dort fern vom Volk, besser würd meditiren, denken, grübeln und Bücher schreiben können! aber derweilen um ihn her, bellen die Hund in einem fort, heulen die Wölf, brüllen die Löwen, wiehern die Pferd, schreyn Elefanten, pfeifen Schlangen, yanen Esel, schwirren Grillen, klagen Turteln, daß er weit mehr gestöret ward als wenn er auf dem Jahrmarkt zu Niort oder Fontenay wär gewesen. Denn in seinem Leib war der Hunger, welchem zu steuern der Magen billt, das Aug erblindet, die Adern selbst den Nährstoff der hornförmigen Theil aufsaugen, und den irren Geist herniederziehn, daß er ganz sorglos für die Erhaltung seines Säuglings und irdischen Gastes, des Leibes wird. Wie wenn man einen Falken, der von Jägers Faust in die Luft wollt steigen, am Wurfriem plötzlich herunter zerret'. Führen uns zu dem End auch noch die Autorität Homeri an, des Vaters aller Weltweisheit, welcher schreibt, [379] daß die Griechen erst dann, und nicht eher ihren Jammerthränen um des Achilles besten Freund Patroklus ein Ziel gesetzet hätten, als bis sich der Hunger bey ihnen gemeldet und ihre Bäuch ihnen fürder nicht mehr Thränen hätten spendiren wollen. Denn in den durch langes Fasten vermagerten Leibern war nichts mehr, davon man hätt weinen und heulen mögen.

Die Mittelstraß ist in allen Dingen löblich und ehrenwerth; die schlagt ein: und esset zu Nacht nicht Bohnen, Hasen noch ander Fleisch; nicht Backfisch, den man sonst Polypus nennet, nicht Kohl noch andre Speissen, die eure Lebensgeister betrüben oder verdunkeln möchten. Denn wie ein Spiegel die Bilder der ihm dargehaltnen und vorgestellten Ding nicht zeigen kann, wenn sein Glanz durch Anhauch oder neblicht Wetter verdunkelt ist, so auch empfängt der Geist im Traum nicht die Gestalten der Weissagung, wenn durch den Dunst und Brodem vorgenossener Speissen der Leib verwirrt und beängstigt ist; wegen der zwischen ihnen beyden unzertrennlichen Sympathi. Eßt gute Crustumenische und Bergamotten-Birnen, auch einen Kurzstiel-Apfel, etliche Pflaumen von Tours: geniesset etliche Kirschen aus meinem Garten, und sorgt drum nicht daß eure Träum etwann darnach betrüglich, zweifelhaft oder verdächtig ausfallen sollten, wie einige Peripatetici im Herbst davon gehalten haben, da nämlich die Menschen reichlicher als zu andrer Zeit von Früchten leben. Welches die alten Propheten und Dichter uns mystischerweis zu verstehen geben wenn sie sagen, es lägen und lauschten die leeren und betrüglichen Träum unter dem Laub das auf die Erd fiel, weil das Laub im Herbst von den Bäumen fällt. Denn es hat dieß natürliche Feuer das in den frischen Früchten quillt, und durch sein Gähren, wie wir am Most sehn, leicht in die thierischen Theil eindringt, sich längst verraucht und abgekühlet. Und trinkt auch gutes reines Wasser aus meinem Brunnen. – Dieß Pactum, sprach Panurg, dünkt mir ein wenig hart. Doch schlag ich ein: ein Wort ein Mann. Beding mir [380] nur den Imbiß früh bey guter Zeit flugs auf die Traumsupp. Befehl mich im übrigen den zween Pförtlein Homeri, dem Morpheus, Icelon, Phobetor, und Phantasus: wenn sie mir in meinen Nöthen treulich beystehn, will ich ihnen ein schmuckes Altärlein von eitel feinem Gänsflaum bauen. Wär ich nur im Spartanischen Tempel der Ino zwischen Oetyle und Thalamien! die hülf mir aus aller Angst mit den allerschönsten und lustigsten Träumen.

Frug darauf den Pantagruel: wär es nicht wohlgethan unter mein Kissen etliche Lorbeerreiser zu legen? – Das brauchts just nicht, antwort Pantagruel. Es ist nur eitel Aberglauben und Unfug was davon Serapion Ascalonites, Antipho, Philochorus, Artemon und Fulgentius Planciades geschrieben haben. Dasselbe möcht ich auch (mit Verlaub des alten Demokritus) behaupten von der linken Schulter des Krokodils und Chamäleons, deßgleichen vom Stein der Baktrianer Eumetrides, wie auch vom Hammonshorn: so heissen die Aethiopier ein edles Juweel von Goldfarb, in Form eines Widderhorns wie die Hammonischen Jupiters, und behaupten daß die Träum der Leut die's trügen, so wahr und unfehlbar wären als die Orakel der Gottheit selbst. Vielleicht zielt hierauf was Homer und Vergil von den zween Traumpförtlein, dahin ihr euch befohlen, schreiben: das ein ist von Elfenbein, durch welches die eiteln, verworrnen und trüglichen Träum eingehen; wie man durch Elfenbein, und wär es noch so fein und dünn, ohnmöglich sehn kann, weil seine Dicht und Dunkelheit der Sehkraft und Empfängniß sichtbarer Gegenständ den Durchgang wehret. Das andere ist von Horn, durch welches die sichern, [381] wahren und unfehlbaren Träum eingehn; wie durch des Horns Durchsichtigkeit und Widerschein alle Ding genau und deutlich erhellen. – Woraus ihr denn, sprach Bruder Jahn, beweisen wollt daß die Träum der gehörnten Hahnreys, wie Panurg mit Gottes Hülf und seiner Frauen einer seyn wird, allezeit wahr und untrüglich sind?

Vierzehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel.

Panurgens Traum, und Deutung desselben.


Um die siebente Stund des andern Morgens erschien Panurg vor Pantagruelen; und waren im Zimmer noch gegenwärtig Epistemon, Bruder Jahn von Klopfleisch, Ponokrates, Eudämon, Karpalim nebst Andern mehr. Zu denen sagt' Pantagruel, als er Panurgen kommen sah, Sehet da kommt unser Träumer! – Dieß Wort, sprach Epistemon, kam einst den Söhnen Jakobs theuer zu stehn, und habens schwer bezahlen müssen. – Nun, sprach Panurg, ich hab geträumt trotz Wilm dem Träumer, Zeugs die Meng, weiß aber nit was heissen soll. Ausgenommen daß ich im Traum ein jung, schmuck, bildschön Weib hätt die mich aufs zärtlichst pflegt' und hielt wie ihr klein Herzblatt; nimmermehr ists einem so kreuzwohl ergangen. Die hätschelt', tätschelt', zwickt' und zwackt' mich, herzt' mich und küßt' mich, und macht mir zum Spaß zwo artige Hörnlein an die Stirn. Da rieth ich ihr scherzweis sie sollt mirs doch nur lieber unter die Augen setzen, damit ich sehn könnt wo ich zustieß, und Momus nicht etwann auch daran zu bessern und zu mäkeln fände, wie weiland am Stand der Ochsenhörner. Aber der Schelm, trotz meiner Warnung, ruckt' mirs nur immer besser vor; wobey mir doch gleich wohl im mindesten kein Leid geschah, das sehr zu wundern. Nicht [382] lang darauf schien mir als wär ich, weiß selbst nicht wie, zur Pauken worden, und sie zur Eul. Da ging mein Schlaf zu End, und ich fuhr mit einem Satz ganz mürrisch, fuchswild und verdutzt in die Höh. Itzt hab ich euch meine Traum-Huck rein ausgeschüttelt: da labt euch dran, und legts euch aus wie ihrs versteht. Marsch fort zum Imbiß, Karpalim, Herr Kammerherr!

Ich seh wohl, sprach Pantagruel, wenn ich mich irgend auf Traumschau und Bedeutung versteh, daß euer Wieb euch nicht wirkliche Hörner die man mit Händen greifen kann, aufsetzen wird, wie die Satyrn tragen: aber sie wird euch die ehliche Treu und Pflicht nicht halten, nach Andern gehn, und euch zum Hahnrey machen. Dieß hat Artemidorus klärlich erwiesen wie ichs euch sag. Auch werdet ihr just nicht zu Pauken verwandelt werden, wohl aber schlagen wird sie euch wie eine Heerpauk. Noch wird sie zur Eulen werden, aber bestehlen wird sie euch, wie der Eulen Art ist. Ihr sehet also daß eure Träum den Vergilianischen Loosen gleichlauten: ihr werdet Hahnrey seyn, man wird euch schlagen, man wird euch bestehlen. – Da rief der Bruder Jahn und sprach: Er hat bey Gott! Recht, braver Knab, du wirst zum Hahnrey, verlaß dich drauf! Dein Horn steht fest. Hei hei Gott helf dir mein Bruder Cornibus! o mach uns nur zween Wörtlein Predigt, ich lauf und sammel auch die Collect im Dorf für Dich.

Im Gegenteil versetzt' Panurg, mein Traum wahrsagt: in meiner Eh werd alles Guten die Hüll und Füll seyn, das Horn des Ueberflusses! Ihr sprecht von Satyrshörnern! Amen, Amen! fiat, fiatur, ad differentiam Papae. So ist in Ewigkeit mein Sterz aufm Zeug und unermüdlich, wie bey den Satyrn, was jeder ihm wünscht, aber der Himmel nicht Vielen giebt. Und mithin Hahnrey nun und nimmer. [383] Denn Mangel deß Dings ist eben Ursach sine qua non und alleiniger Grund warum die Männer zu Hahnreys werden. Was treibt die Tagediebe zum betteln? daß sie zu Haus nicht Futter satt fürs Ränzel haben. Was treibt den Wolf aus dem Wald? der Mangel an Aas. Was macht die Leiber läufisch? Ihr versteht mich zur Genüg, und provozir derhalb auf die Herren Gelahrten, die Präsidenten, Räth, Advocaten, Procuratoren und Glossatoren des theuern Tituls de frigidis et maleficiatis.

Ihr scheinet mir, (verzeiht wenn ich fehlschieß,) darinn handgreiflich zu pecciren, daß ihr aus Hörnern auf Hahnreyschaft schließet. Diana trägt sie am Haupt in Form eines schönen Halbmonds. Ist sie darum Hahnrey? Wie Teufel wär sie Hahnrey, die nie vermählt war? Ich bitt euch, redet säuberlich, daß sie euch nicht thu wie dem Aktäon. Der gute Bacchus trägt gleichfalls Hörner, Pan, Jupiter, Ammon, so viele Andre; sind sie Hahnreys? Juno, wär sie darum eine Hur? Denn nach Figur der Metalepsis müßts draus folgen; wie wer ein Kind in seiner Eltern Beyseyn Kegel und Bankert heißt, damit stillschweigend und höflicherweis den Vater Hahnrey, sein Weib 'ne Hur schilt. Bessere Wot! die Hörner die mir mein Weib fürstieß, sind Ueberfluß- und alles Guten Füllhörner, da bin ich gut dafür. Im Uebrigen werd ich fröhlich seyn wie ein Hochzeitpauker, stets musizieren, stets duten, sumsen, pupen, pumpsen. Glaubt mir, es ist mein zeitlich Glück. Mein Weib wird hold und niedlich seyn wie ein schön Käuzlein; und wers nicht glaubt, sich an den höllischen Galgen scheer; das ist die gute neue Mähr.

Ich, sprach Pantagruel, erweg den letzten Umstand den ihr meldet, und halt ihn zusamen mit dem ersten. Im Anfang eures Traumes schwammt ihr in eitel Seligkeit: zuletzt fuhrt ihr mit einem Satz ganz mürrisch, fuchswild und verdutzt in die Höh. – Freylich, fiel ihm Panurg ins Wort, denn ich war hungrig zu Bett gegangen. – Alles wird schief gehn, ich seh's zum voraus, denn glaubt nur sicher: [384] jeder Schlaf der jählings endigt mit einem Satz, und den Menschen fuchswild und mürrisch nachläßt, bedeutet Böses oder verkündigts.

Bedeutet Böses, nämlich Krankheit, heimtückisch kakoëthische Seuch und Pestilenz die in dem Centro des Leibs latirt und verborgen schleicht und durch den Schlaf, der nach Erfahrung der Aerzt die Daukraft stets verstärket, zum Ausbruch und nach der oberen Fläch hin zu streben anfängt: also stört dieß traurige Bestreben den Schlaf, und wird das oberste Sensorium dadurch zur Theilnahm und zum Vorbaun erinnert. Wie man im Sprichwort sagt: ins Wespen-Nest stören, die Camarina umrühren, den schlafenden Kaz erwecken.

Verkündiget Böses, das ist: belehrt uns hinsichtlich der Seel und deren Traumschau, daß ihr vom Schicksal irgend ein Unheil beschieden und zubereitet sey, welches in kurzem werd über sie kommen. Nehmt euch ein Beispiel am schrecklichen Traum und Erwachen der Hekuba, am Traum Eurydice's, des Orpheus Frauen, davon sie, wie uns Ennius meldet, verstört mit einem Satz erwachten. Auch sah drauf Hekuba ihren Gemahl den Priamus, Kinder und Vaterland vor ihren Augen untergehn. Eurydice starb bald darnach elendiglich. An dem Aeneas, der mit dem todten Hektor im Traum zu sprechen wähnt', und darauf plötzlich mit einem Satz erwacht': auch ward in selbiger Nacht noch Troja erstürmt und mit Feuer verbrennet. Ein ander Mal, als ihm im Traum seine Hausgötter und Penaten erschienen und er mit Schauder erwacht war, litt er Tags darauf einen erschrecklichen Meeressturm. Am Turnus, der durch phantastisch Blendwerk der höllischen Furi mit dem Aeneas zum Krieg erhitzt, aus seinem Traum fuchswild mit einem Satz erwacht', dann hinterdrein nach langer Trübsal vom selben Aeneas erschlagen ward. Nebst tausend Andern. Und weil ich euch von dem Aeneas rede, merket daß Fabius Pictor von ihm zeugt wie er niemalen nichts gethan noch unternommen hab, ihm niemals etwas begegnet sey, das er durch Traumschau nicht vorläufig erkannt und zuvor gewußt hätt. Ist auch wohl ein Sinn in den Exemplen; [385] denn wenn Schlaf und Ruh besondre Gnaden und Gaben von den Göttern sind, wie die Weisen lehren und der Poet zeugt wo er sagt:


Es war die Stund da Himmels Wohlthat Schlaf
Den Menschen liebreich naht nach saurer Müh und Plag,

so kann ein solch Geschenk nicht ohn Absicht schweren Unglücks, mit mürrischem Wesen und fuchswild endigen. Sonst wär Ruh nicht Ruh, Wohlthat nicht Wohlthat, käm nicht von freundlichen Göttern, sondern von feindlichen Teufeln her, nach dem gemeinen Sprichwort:

(Echthronadora dora: des Feindes Gab ist keine Gab). Wie wer den Hausherrn zu Anfang der Mahlzeit, im besten Hunger von seinem reichbesetzten Tisch mit einem Satz erschreckt säh aufstehn, wenn er den Grund nicht wüßt, auch wohl sich wundern möchte. Allein was mehr? Er hat seine Knecht von weitem Feuer! die Mägd Dieb! die Kinder Mord! schreyn hören; da mußt er daß Essen wohl stehen lassen, und ihnen zu Hülf und Beystand eilen. Ist mir auch wohl erinnerlich daß die Kabbalisten und Massoreten in Auslegung der heiligen Schrift, da wo sie lehren: woran man die Wahrheit der Englischen Erscheinungen klüglich erkennen soll (weil öfters Satan sich in den Engel des Lichts verstellt) der beyden Unterscheid darein setzen, daß der gute Geist der Engel des Tostes, wenn er dem sterblichen Menschen erscheint, ihn anfangs schreckt, zuletzt beruhigt, froh und zufrieden macht: hingegen der böse, Verführergeist ihn anfangs labt, doch hinterdrein bestürzt, verdutzt und mürrisch nachläßt.

Funfzehntes Kapitel
Funfzehntes Kapitel.

Panurgens Excüs, und erläuterte Mönchscabbal anlangend eingepökelt Rindfleisch.


Gott, sprach Panurg, helf allen Denen die gut sehn und kein Wörtlein hören. Ich seh euch wohl, hör aber nix, [386] und weiß nicht was ihr haben wollt. Der hungrige Magen hat keine Ohren. Mein Seel! ich tob', ich brüll vor Hunger wie ein Beseßner. Die Strapaz ging mir ein wenig übern Span. Wer heuer mich wieder ans Traumbett kriegt' müßt wahrlich schlauer als Meister Muck seyn. Marsch fort zum Imbiß, Bruder Jahn! Wenn ich erst tüchtig gefruhstuckt hätt und meinen Magen sattsam verheut und verhabert, wollt ich noch wohl wenns seyn müßt und Noth an Mann ging, das Mittagsbrod im Stich lassen – aber, nix zu Nacht! daß Donner unds Wetter! Es ist ein Irrthum, ist ein Scandal in der Natur! denn die Natur erschuf den Tag zu Müh und Arbeit, da jeder soll seinem Beruf und Handirung nachgehn: und daß es wohl gelingen möcht, hält sie uns selbst das Licht dazu, den hellen fröhligen Sonnenschein. Am Abend zeucht sies sacht zurück und sagt stillschweigend: lieben Kindlein, ihr seyd kreuzbrave Leut, habt itzund genug geschafft, die Nacht ist da; drum sollt ihr eure Arbeit nun wegthun und euch erquicken mit gutem Brod, mit gutem Wein, mit gutem Fleisch; darnach was wenigs euch verschnaufen und schlafen gehn, daß ihr morgen fruh wieder zur Arbeit frisch und fröhlig wie vor seyd. So machens auch die Falkonirer; wann sie den Vogel geäset haben, lassen sie ihn nicht plötzlich steigen auf seinen Fraß, sondern lassen ihn auf dem Stänglein fein däuen. Dieß verstund sehr wohl der wackre Papst der das Fasten erfand; er befahl es soll gefastet werden nicht länger als bis zur Vesper-Stund: der Rest des Tages war futterfrey. Vor Zeiten hielten nur wenig Leut des Mittags Imbiß (als etwann die Mönch und Chorherrn, denn sie han so nix weiter zu thun, alle Tag sind ihnen Feyertag, halten getreulich am Klostersprüchel: de missa ad mensam: denn sie warten auch nicht einmal bis der Abt da ist, mit Einhaun; sondern mumpfend, die Bein unterm Eßtisch und anders nicht, warten die Mönch auf ihren Abt solang ihm beliebt.) Zu Nacht hingegen aß alle Welt, ein Paar Hanswürst von Traum-Narren etwann ausgenommen. Und darnach heißt die Cena; Coena, was Allen gemein ist. Du weißts ja wohl, mein Bruder Jahn. Itzt marsch mein [387] Freund! komm mit in des drey Teufels Namen! Mein Magen billt vor Hunger schier wie ein wüthiger Hund. Wir wollen ihm brav Supp in den Rachen werfen daß er still schweig, wie die Sibyll dem Cerberus. Du liebst die Prim-Supp, ich halts mehr mit der Windhundssupp; nur muß ein Stuck vom gepökelten Ackersmann drinn schwimmen, zu neun Lektionen wohl gezogen.

Ich versteh, antwortet' Bruder Jahn, die Metapher ist aus dem claustralischen Kochtopf entnommen. Der Ackersmann ist der Ochs der ackert, oder geackert hat. Zu neun Lectionen, das heißt vollkommen gar gekocht. Denn die frommen Patres zu meiner Zeit, nach einem besonderen cabbalistischen Brauch der Alten (nicht geschrieben, sondern von Hand zu Hand verabreicht) machten früh wenn sie sich zu der Metten erhuben und vor dem Kirchgang, allerley lehrreiche Preambuln: kackten erstlich in Cacatorio, brunzelten in Brunzelio, kotzten in Kotzerio, husteten in Husturio melodisch, und träumten in Tromitorio, damit sie nichts Unreines mit zum Gottesdienst brächten. Wann dieß gethan, verfügten sie sich andächtiglich in ihr heiliges Betstüblein: so hieß nämlich in ihrem Rothwelsch die Kloster-Kuchel, und hielten da devotest an, daß itzund gleich der Ochs zum Imbiß der Herren Patres und Fratres unsers Herrn und Meisters, aus Feuer gestellt würd: machten selbst wohl auch öfters das Feuer unter den Topf. So mußten sie dann, wenn die Metten neun Lectiones hätt, notwendig auch früher aufstehn. Also ward ihr Hunger und Durst auch hitziger bey ihrem Pergaments-Gequarr, als wenn die Metten blos zu ein oder drey Lectionen wär abgeplärrt worden. Je früher sie, nach gedachter Kabbal, auf stunden, je eher kam der Ochs ans Feuer; je länger beym Feuer, je garer: je garer, je mürber, weicher und zärter war er: je minder griff er ihnen die Zähn an, je mehr erfreuet er den Gaumen, je minder druckt' er den Magen, je besser nährt' er die frommen Patres. Dieses aber war eben der Stifter alleiniger Zweck und erste Absicht, in Betracht sie nimmer [388] essen daß sie leben, sondern nur leben daß sie essen, und auf der Welt nichts weiter haben als ihr Leben. Itzt komm, Panurg.

Nunmehro hab ich Dich verstanden, sprach Panurg, mein sammtnes Cujonel, mein Kloster- und Kabbalen-Cujonel! Itzt geht mirs gar ans Kapital: Stamm, Zins und Umschlag schenk ich euch; begnüg mich mit den Kosten, weil du dieß sonderbare Kuchel-Hauptstück der Mönchskabbal so beredtsam elucidiret hast. Kommt, Karpalim, komm Bruder Jahn, mein Busenlatz! Bons dis, all meine edeln Herrn, für'n Durst hab ich genug geträumt. Itzt marsch!

Er war noch nicht zu End, als Epistemon mit lauter Stimm ausrief und sprach: Es ist bey den Menschen ein ganz gemein und alltäglich Ding daß sie der Andern Unglück merken, im voraus sehn, weissagen und wittern. Aber, o wie so selten geschieht daß einer sein eigen Unglück wittert, im voraus sieht, merkt oder weissagt! Und wie klüglich hat es Aesopus in seinen Mährlein uns fürgestellt, wo er sagt daß ein iglicher Mensch der in die Welt geboren würd, an seinem Hals ein Ränzel trüg, in dessen vorderem Täschlein die Sünden und Unglücksfäll der Andern wären, allzeit vor unsern Augen offen und kenntlich: im hintersten Täschlein aber wär unsre eigne Sünd und Unglück, die keiner jemals säh noch merkt' als wem des Himmels Huld dazu den rechten Aspekt verliehen hätt.

Sechzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel.

Wie Pantagruel Panurgen räth mit einer Sibyll von Panzoust zu reden.


Nicht lang darauf ließ Pantagruel Panurgen rufen und sprach zu ihm: Die in mir durch langen Zeitlauf zu euch befestigte Lieb ermahnt mich auf euer Heil und Bestes zu [389] denken. Hört meine Meinung. Ich hör, zu Panzoust bey Croulay soll eine berühmte Sibyll seyn, die alle künftige Ding weissaget. Nehmt Epistemon mit, verfügt euch hin zu ihr und höret an was sie euch sagt. – Es wird wohl etwann, sprach Epistemon, eine Hex und Pythonissinn wie Canidia oder Sagana seyn. Ich glaub es darum, weil dieser Ort derhalb verrufen ist daß er mehr Hexen als selbst Thessalien hegen soll. Werd ungern hingehn. Zudem ists auch ein unerlaubter, in Mosis Gesetzen verbotener Handel, wie ich in einem ziemlich feinen, gelehrten Author gelesen hab. – Wir, sprach Pantagruel, sind aber nicht Juden, ist auch noch gar nicht zugegeben noch ausgemacht daß sie eine Hex seyn müßt. Laßt uns den Punkt ergrübeln und benagen wann ihr wiederkommt. Was wissen wir, ob es nicht eine eilfte Sibyll, eine zweyte Cassandra ist? Und wäre sie auch keine Sibyll noch deß Namens würdig, was habt ihr zu befahren wenn ihr von euern Zweifeln mit ihr rathschlagt? Zumal sie im Ruf steht mehr zu wissen und klüger zu seyn als sonst der Brauch des Landes und Geschlechtes ist? Was kann es schaden immer zu hören, immer zu lernen, und wär es auch von einem Topf, von einem Tropf, von einem Stoffel oder Pantoffel? Denkt daran, wie Alexander der Groß, als er den Sieg über König Darium bey Arbela erfochten hätt, in seiner Satrapen Beyseyn mehrmals einem Gesellen Gehör versagt', das ihn darnach viel tausend mal schwer reuet'. Er war in Persien siegreich, aber in Macedonien seinem Erbstaat so weit entfernt, daß er sich höchlich betrübt' kein Mittel erdenken zu können, wie er Zeitung von dort erhalten möcht, sowohl der grossen Entfernung wegen, als Aufenthaltes der Wüsten, Obstands der Berg und Hemmniß breiter Ström. In dieser Sorg und Serd die nicht gering war, (denn man hätt ihm sein Land und Reich gar füglich occupiren, daselbst einen neuen König und ander Volk einführen können lang[390] eh ers wußt noch hindern mocht) erschien vor ihm ein Mann aus Sidon, ein kluger, erfahrener Handelsmann, im übrigen aber arm und unscheinbar; der zeigt' ihm an und betheuert' daß er ein Mittel und Weg erfunden, dadurch sein Land von seinen indianischen Siegen, und Er hinwieder vom Stand der Ding in Macedonien und Aegypten in noch nicht gar fünf Tagen Nachricht erhalten möcht. Er hielt dieß Erbieten für so unmöglig und ungereimt, daß er ihm nimmer sein Ohr leihn noch Gehör wollt schenken. Was hätts ihm gekostet, des Mannes Erfindung zu vernehmen, ihn anzuhören? Welch Leid, welch Unglück konnts ihm bringen wenn er gewußt hätt was für ein Weg oder Mittel es war, das ihm der Mann wollt zeigen? Mir bedünkt, die Natur hab nicht ohn guten Grund die Ohren uns offen anerschaffen ohn allen Deckel noch Verschluß, wie bey den Augen, bey der Zung und andern Leibesöffnungen. Der Grund ist, mein ich, der, daß wir so Tag als Nacht in einem fort hören, und durchs Gehör perpetuirlich lernen sollen; weil dieser Sinn vor andern geschickt zum Unterricht ist. Und kann wohl seyn daß dieser Mann ein Engel, das ist ein Bot des Herrn, gewesen war, wie Raphael, der zum Tobias kam. Zu schnell verdammt' er ihn, zu lang dafür bereut' ers auch. – Ihr redet gut, antwortet' Epistemon, werdet mich aber so leicht nicht glauben machen daß es viel nutz wär bey einem Weib, und zwar bey einem solchen Weib in solchem Land sich Rath und Weisung zu erholen. – Ich, sprach Panurg, steh mich ganz gut beym Weiber-Rath, zumal der alten, und hab darauf stets ein Paar Stuhlgäng extra. Freund! dieß sind die wahren Spür- und Leithund, der wahren Rubricäquid juris: und die sie weise Frauen nennen, reden ganz paßlich. Ich aber nenn sie in meinem Stil und Redgebrauch, weissagende Frauen. Weise sind sie, denn sie erkennen scharf und schnell. Weissagende nenn ich sie aber, weil sie alle künftige Ding divinatorisch im voraus sehn und prophezeyen. Zuweilen auch nenn ich sie, (nicht Masseten, sondern) Moneten, wie die Juno der Römer, weil sie uns allzeit [391] nützliche und heilsame Admonitiones geben. Fragt nur den Pythagoras, Sokrates, Empedokles, und unsern Meister Ortuinus. Und bis in den obersten Himmel belob ich der alten Teutschen Sitt die, was ein altes Weib ihnen rieth, mit Gold aufwogen und heilig hielten: auch auf ihr Wort und Weisung just so glücklich und gesegnet waren, als sie ihm klüglich nachgelebt. Bezeugens die alte Aurinia und Liebmutter Velleda zu des Vesspasiani Zeiten.

Glaubt, altes Weiberfleisch steckt allzeit voll Zipollen- – ich wollt sagen, Sibyllenmateri. Auf! so helf uns Pott und sein Wort! Auf, kommt mit mir! Adé, Bruder Jahn! ich recommandir dir meinen Hosenlatz. – Nun wohlan, sprach Epistemon, ich begleit euch: doch mit Protest, wo ich etwas von Zauberey oder Loos verspür in ihrer Antwort, so laß ich euch am Thor im Stich, und thu keinen Schritt mehr.

Siebzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel.

Wie Panurg mit der Sibyll von Panzoust spricht.


Ihr Weg ging sechs Tagreisen weit. Am siebenten wies man ihnen das Haus der Prophetinn auf der Spitz eines Berges unter einem gossen breiten Kastanienbaum. Sie traten unschwer in die Strohhütt, die schlecht gebaut, mit schlechtem Geräth versehn und ganz verräuchert war. Basta, sprach Epistemon; Heraklitus, der grosse Scotist und Nebel-Doctor, erschrak nicht, als er auch einmal in ein solch Haus kam, und gemahnt' seine Jünger und Schüler, daran, daß die Götter da eben sowohl als in prächtigen Palästen wohnten. Und glaub, so mag etwann das Hüttlein der weitberufnen Hekale beschaffen gewesen seyn, worinn sie den [392] jungen Theseus herbergt'; auch wohl die Hütt des Hyrieus oder Oenopion, die Jupiter, Neptun und Merkur miteinander zu betreten geruhten, darinn hausten und schmausten, und statt der Zech freundbrüderlich den Orion darinn fabrizirten. – Sie fanden das Mütterlein beym Kamin im Winkel. Das ist, rief Epistemon, das wahre Sibyllen-Conterfey, leibhaft geschildert durch des Homeri γρηΐ καμινοι (grii kaminoi). – Die Alte war fast schlecht im Zeug, schlecht angethan, hundsdürr, triefäugig, zahnlos, herzspännig, nasentröpflich und schachmatt, und macht sich eben ein Gerichtlein Grün-Kohl mit einer gelben Speckschwart und altem Saporet zurecht. – Potz grün und gehl! rief Epistemon, wir sind verlesen, wir werden aus ihr kein Wörtlein bringen, denn wir haben den güldenen Zweig nicht. – Ich hab mich darauf schon vorgesehn, antwort' Panurg: ich hab ihn hie in meinem Ränzel, in Form eines Reifens von purem Gold, nebst schönen lustigen Carolinern. – Auf diese Wort verneigt' Panurg sich tief vor ihr, und präsentirt' ihr sechs geräucherte Ochsenzungen, einen grossen Buttertopf voll Kuskus, einen Stauffen mit Wein, eine Hammelshod voll neugeprägter Carolinen: zuletzt, mit einem tiefen Bückling, steckt' er ihr an den Arztfinger ein artigs Reiflein von Gold, darein ein Beussischer Krötenstein prächtig [393] gefaßt war; zeigt ihr darauf mit kurzen Worten die Absicht seines Zuspruchs an, und bat sie höflich um ihren Rath und Prophezeyung guten Glückes für seine Hochzeit die er fürhätt.

Die Alte blieb eine Zeitlang stumm, tiefsinnig und mit verbissenen Zähnen: setzt' sich dann auf einen umgestülpten Scheffel, und nahm drey alte Spindeln zur Hand: die dreht' und wandt sie verschiedentlich zwischen den Fingern um, versucht' die Spitzen, und behielt sie spitzigst; die zwo andern warf sie unter ein Hirsen-Stampf. Nahm itzt ihr Spuhlrad, und drehet's neunmal um: beym neunten, ohn weiter mehr daran zu rühren, sah sie dem Lauf des Rades zu, und wartet' ab bis es ganz still stund.

Dann sah ich sie ihrer Schlarfen (wir nennens Holzschuh) einen ansziehn, ihre Schürz, gleichwie die Priester das Amictum beym Meßlesen, über den Kopf thun und unterm Kinn mit einem alten buntscheckigen Bändlein zusammenbinden. Also vermummelt thät sie einen mächtigen Zug aus dem Stauffen, nahm drey Carolin aus der Hammelshod, steckt' sie in drey Nußschalen, und legt' sie auf einen umgestürzten Federtopf. Thät im Kamin drey Besenstrich, warf in das Feuer ein halb Reisbund und einen dürren Lorbeerzweig; sah still dem Brennen zu, und merkt' daß es ohn all Geräusch und Knistern verbrannt'. Da schrie sie furchtbar auf, und murmelt' dabey zwischen den Zähnen allerley barbarische Wort von so befremdlichem Klang und Endung, daß Panurg zum Epistemon sprach: Kreuz Gottes! ich zitter, ich glaub ich bin verhext. Sie redt nicht wie ein Christ, schau her! ob sie nicht um vier Spannen länger ist worden, seit sie die Schürz umnahm! Was soll dieß Wackeln der Kinnbacken? was will sie mit diesem Schlottern der Schultern? zu was End schmatzt sie so mit [394] den Lefzen wie ein Aff wenn er Krebs zerpflückt? Mir gellen die Ohren, ich mein, ich hör schon Proserpinen brüllen: die Teufel werden gleich hier seyn: hu, der gräulichen Thier! Kotts Gnod! kommt fort, ich sterb vor Angst. Ich hab die Teufel nicht lieb, mir ekelt vor Teufeln, es sind leidige Bursch! Kommt, laßt uns fliehen, adé Madam! Viel Dank der Ehr, ich heirath nicht, nein, nein, ich verreds für nun und ewig! – Und wollt damit aus der Stub entspringen. Allein die Alte, mit ihrer Spindel, kam ihm zuvor, und lief in ein Höflein oder Baumgeheg am Haus. Da war ein alter Maulbeerbaum, den schüttelt' sie dreymal und schrieb mit ihrer Spindel auf acht Blätter, die 'runterfielen, summarisch etliche kurze Reimen, warf sie darauf in den Wind, und sprach zu ihnen: Gehet und sucht sie wenn ihr wollt, findet sie wenn ihr könnt: darauf steht euer Ehstandsloos geschrieben. – Mit diesen Worten entschlupft' sie wieder in ihre Höhl, hub auf der Thürschwell Rock, Jupp und Hemd auf bis an die Achseln, und ließ ihnen ihren Hintersten sehen. Panurg gewahrt's und sprach sofort zum Epistemon: Helf uns Sanct Holzbock! das ist das Sibyllinenloch, wo ihrer schon mehr verunglückt sind die drein gekuket. Flieht dieß Loch! – Flugs krampt' sie das Pförtlein hinter ihr zu, und ward nicht mehr gesehen. Da liefen sie nach den Blättern und sammelten sie, wiewohl nicht ohn viel Müh und Arbeit, weil sie der Wind durch das Gebüsch im Thal verstreut hätt, fügten sie zusammen und fanden diesen Reimspruch:


Ausbälgen wird sieAussaugen wird sie Dein gut Gerücht.Dein best Schmalz. Dick werden wird sie,Dich schinden wird sie, Von dir nicht.Doch nicht all's.

Achtzehntes Kapitel
[395] Achtzehntes Kapitel.

Wie Pantagruel und Panurg die Reimen der Sibyll von Panzoust verschiedentlich erklären und deuten.


Nachdem sie die Blätter zusammengelesen, zogen Panurg und Epistemon wieder heim an Pantagruels Hof, theils fröhlig, theils verdrüßlich; fröhlig, wegen der Heimkehr, doch verdrüßlich wegen der Beschwer des Wegs, den sie gar holprig, steinig und schlecht erhalten fanden. Statteten Pantagruelen von ihrer Fahrt und wie sie die Sibyll gefunden, ausführlichen Bericht ab, zeigten ihm auch zuletzt die Maulbeerblätter und Vers in kleiner Schrift darauf. Nachdem es Pantagruel alles gelesen, sprach er mit Seufzen zum Panurg: da seyd ihr schön verwahrt! Es zeigt die Prophezeyung der Sibyll handgreiflich, was wir schon zuvor sowohl aus den Vergilischen Loosen als euern eignen Träumen ersehn, daß euer Weib euch entehren wird, wenn sie mit Andern zuhält und von Andern schwanger wird; daß sie euch irgend was Gutes stehlen wird, und daß sie euch schlagen wird, nämlich ein Glied am Leib zerquetschen und schinden. – Ihr versteht, antwortet Panurg, von Auslegung dieser neuesten Prophezey soviel als die Kuh von Muskatennuß. Haltet zu Gnaden, daß ich so red, denn ich bin etwas ärgerlich. Anders'rum wird ein Schuh daraus. Nehmt meine Wort zum besten. Die Alte spricht: sowie die Bohn nicht zu sehn ist wenn sie nicht ausgebälgt wird, also würd auch mein Tugend und Werth nie ruchbar werden wenn ich nicht verehelicht wär. Wie oftmals hab ich euch sagen hören, die Obrigkeit und das Amt geb erst den Menschen kund, und weis es deutlich aus was ihm im Krägel steck, das ist: erst wenn ein Mensch zu Führung der Geschäft berufen ist, erkennt man wahrhaft was an ihm sey, und wieviel er werth ist. Vorher und im Privatstand weiß man mit Sicherheit nicht mehr von ihm als von einer Bohn in ihrem Balg. Dieß dien euch auf den ersten Punkt. Oder wollt ihr etwann behaupten daß eines Biedermannes Ehr und guter Nam an einem Huren-Arß hing?

[396] Der zweyte sagt: mein Weib wird dick werden (merkt hie das Hauptstück des Ehesegens!) doch nicht von mir. Potz Fisch, ich glaubs. Von einem kleinen artigen Büblein dick werden wird sie: schon lieb ichs zärtlich, schon bin ich ganz vernarrt darein. Das wird mein klein Hosseloddel werden. Kein Kreuz noch Kummer werd ich mir hinfort so schwer zu Herzen ziehn, das ich nicht überwänd wenn ichs nur anseh und sein kindlich Geschwätz hör. Hoch leb die Alt'! Ich weis ihr noch beym wahren Pott! in Salmigundien eine stattliche Leibrent an, und nicht etwann eine fahrende, wie die tollen fahrigen Schüler, sondern fix sitzend wie fromme Pröpst und Präceptores. Oder wollt ihr daß mein Weib Mich in ihrem Schoos trüg? empfing und heckt'? und daß man spräch: Panurg ist ein andrer Bacchus, er ist zweymal geboren, ein Renatus, wie Proteus, einmal von der Thetis, das andre Mal von der Mutter des Weisen Apollonius? oder wie die beyden Palici beym Fluß Symäthus in Sicilien? Sein Weib war schwanger von ihm; in ihm ist die alte Megarische Palintoci und [397] Demokratische Wiedergeburth erneuert? Irrthum! Da schwatzt mir nur nix von.

Der dritte sagt: mein Weib wird mir den besten Schmalz aussaugen. Deß getröst ich mich: denn ihr wißt wohl, der steckt im Knüppel zu Einem End, der zwischen meinen Beinen bammelt. Ich schwör euch heilig und gelob daß ich ihn immerdar bey Saft und Kraft werd halten. Nicht umsonst soll sie dran saugen, verlaßt euch drauf.Der kleine und grosse Bär soll ihr tanzen in Ewigkeit. Ihr nehmt den Text allegorisch und ziehets auf Entwendung und Diebstahl. Ich lob die Auslegung, die Allegori gefällt mir, doch nicht euerm Sinn nach. Kann wohl seyn daß eure treue Lieb zu mir, euch zum Widerspruch und Gegentheil verleitet, wie die Gelehrten sagen, daß die Lieb ein gar furchtsam Ding, und wahre Lieb niemals ohn Furcht sey. Allein, so viel ich glaub, wißt ihr von selbst daß Diebstahl an diesem Ort, wie an so vielen andern mehr der Römischen und alten Scribenten, die süsse Liebesfrucht bedeut, die Venus verstohlen und insgeheim gepfluckt will haben. Und das, warum? Sprecht ehrlich! weil dieß Tänzlein halings, zwischen zween Pförtlein aufgeführt, auf einer Stiegen, hinterm Umhang, im Husch, auf einem zerrauften Reisbund, der Göttin von Cypern – mit Respekt vor besserm Urtheil – mehr behagt als offnes Spiel am hellen Tag, auf Cynisch, oder auch unter güldnen Gardinen prächtigen Himmelbetten, in langen Fristen à plein gogo, da man mit purpurseidenem Wedel und indianischem Federstutz sich der Mucken wehrt und die Dam' dazu mit einem Strohhalm den sie derweil aus der Matrazz gezauset hat, sich die Zähn stört. Oder wollt ihr sagen daß sie mit Saugen mich bestöhl? wie man die Austern in Schaalen schluckt und wie, nach Dioskorides, die Cilizischen Weiber den Kermes sammeln? Irrthum! wer stiehlt der saugt nicht, sondern schnappt: schluchst nicht; beluchst, entwendet, und treibt Gaukel- und Taschenspiel.

Der vierte sagt: mein Weib wird mirs schinden, aber nicht alls. O edles Wort! Ihr deutets auf Schläg und Quetschungen. Das paßt just wie die Faust aufs Aug; [398] vorm schwarzen Staar uns Herr bewahr! Bitt euch fußfällig, erhebt ein wenig euern Geist von Staubesgedanken zu erhabner Contemplation der Naturwunder, und verdammt euch selbst des Irrthums halber den ihr mit falscher Auslegung der göttlichen Sibyllen-Wort und Prophezey begangen habt. Gesetzt den Fall, doch nicht zugestanden, daß mir mein Weib, auf Anreizung des höllischen Feinds, einen schlimmen Streich zu spielen gedächt, daß sie mich hörnen wollt hinten und vorn, mich plündern und plagen: sie käm doch nimmer damit zum Zweck, und all ihr Sinnen und Trachten wär vergeblich. Der Grund aus dem ichs weiß, steift sich auf diesen letzten Satz, und quillt aus dem allerinnersten Centro monachalischer Pantheologi. Der Bruder Artus Pomeißel vertraut' mirs einmal, es war an einem Montag früh, als wir ein Maas Kalbsrefflein zusammen assen; es regnet' just, ich denk noch heut dran. Gott geb ihm einen fröhligen Tag.

Die Weiber, bey Erschaffung der Welt oder bald darnach, verschwuren sich die Männer lebendig zu schinden, weil sie in allen Stücken die Herren seyn wollten. Und ward unter ihnen dieser Schluß beschworen, vollzogen und angelobt auf den heiligen Bockstossian. Aber, o eitles Trachten der Weiber! o des gebrechlichen Frauenvolks! Sie huben den Mann zu schinden an, oder wie's Catull nennt, zu glubiren, bey dem Theil der ihnen am besten mundet, das ist bey dem bewußten hohlen und nervigten Membro. Dieß dauert schon über sechstausend Jahr, und haben doch gleichwohl bis Dato noch nicht mehr als den Kopf davon geschunden. Weßhalb auch die Juden, vor lauter Gift und Gall, sichs mittelst der Beschneidung, selber kürzen und kappen, und lieber Baarhähn und Stutzschwänz-Mauschel genannt sein wollen, als von Weibern geschunden seyn, wie die andern Völker. Also wird mein Weib auch dem gemeinen Schluß nicht untreu werden, wird mir ihn schinden; wo er nicht schon geschunden ist, Ich geb mein Fiat frey dazu; aber nicht alls, dieß glaubt nur sicher, mein guter König.

[399] Aber, sprach Epistemon, ihr schweigt von dem Lorbeerzweig, den wir ohn alles Geräusch und Knistern vor unsern Augen brennen sahen, darob sie so erschrecklich tobt' und brüllt'. Ihr wißt, dieß ist ein traurig Augurium und furchtbar Zeichen, wie es Properz, Tibull, Porphyrius der subtile Philosoph, Eustathius zu Homeri Ilias, und Andre lehren! – Da führt ihr mir in Wahrheit saubere Kälber an, versetzt' Panurg; denn als Poeten, warens Narren; und Grillenfänger als Philosophen, so bretsdick voll Narrheit als ihre Weisheit selber war.

Neunzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel.

Wie Pantagruel den Rat der Stummen lobt.


Pantagruel schwieg auf diese Wort eine gute Weil, und schien in tiefen Gedanken. Dann sprach er zu Panurgen: der böse Geist bethört euch: aber höret mich. Ich hab gelesen daß die Orakel die man vor Alters in Schrift faßt' oder mündlich gab, nicht eben die gewissesten und untrüglichsten gewesen sind. Oefters sind daran selbst die Leut die man für fein und sinnreich hielt, irr worden; theils wegen der verblümten, zweydeutig dunkeln Wort, als auch wegen der Kürz der Sprüchlein. Darum ward auch der Gott der Weissagung Apollo, Λοξίας, (Loxias) zubenannt. Die man durch Zeichen und Gestus gab, galten für die sichersten und wahrhaftigsten, dieß war die Meinung des Heraklitus, und also weissagt' Jupiter in Ammon, Apollo bei den Assyrern. Aus diesem Grund malten sie ihn mit langem Bart, im Gewand eines alten bedächtigen Mannes, nicht jung, unbärtig und nackend ab, wie die Griechen. Lasset dieser [400] Weis uns brauchen, und erholet euch ohn alle Wort durch Zeichen Raths bey einem Stummen. – Ich bins zufrieden, antwort' Panurg. – Doch thät auch Noth, versetzt Pantagruel, daß der Stumme taub von Geburth an, unddarum stumm wär. Denn es ist keiner so stumm von grundaus, wie wer niemals gehöret hat.

Wie versteht ihr das? frug Panurg, denn wenn es wahr wär daß ein Mensch nicht spräch, der nie hätt reden hören, würd ich euch logikalisch daraus einen fast paradoxen Satz und befremdlichen Schluß zu folgern treiben. Doch lassen wirs. Also glaubt ihr nicht was Herodotus von den zween Kindern schreibt, die auf Befehl des Aegyptischen Königs Psammetichus in einer Hütt in ewigem Schweigen verwahrt und erzogen, nach einer gewissen Frist das Wort Bekus verlauten liessen, welches auf Phrygisch Brod heißt? – Nichts weniger, versetzt' Pantagruel: es ist Thorheit zu glauben, daß wir eine Sprach hätten von Natur. Die Sprachen sind durch der Völker Willkühr und Uebereinkunft eingeführt. Die Stimmen bedeuten (so lehren die Dialektiker) von Natur nichts, sondern beliebig. Ich sags euch nicht ohn Ursach. Denn Bartolus I. 1. de verbor. obligat. meldet daß seiner Zeit zu Eugubien Einer namens Messere Nello de Gabrielis gewesen, der durch einen Zufall taub sey worden, nichts desto weniger alle Welschen verstanden hab, und wenn sie noch so heimlich sprachen, vom Anblick ihrer Gesten allein und Lefzen-Bewegung. Ferner find ich in einem gelehrten und zierlichen Author, wie Tiridates König von Armenien, zu des Nero Zeiten einmal nach Rom zum Besuch gekommen und mit solennem Ehrengepräng sehr prächtig und stattlich empfangen worden, weil man ihn wollt zum beständigen Freund des Römischen Volks und Senates haben; auch in der Stadt nichts Sehenswerthes noch Rares war, das man ihm nicht gewiesen und erläutert hätt. Bei seinem Abschied verehrt' ihm der Kaiser viel überschwenglich reiche Gaben, und ließ ihm noch dazu die Wahl, was ihm in Rom zumeist gefiel, ihm zu erkiesen; wobey er eidlich angelobt', was er auch immer bitten möcht, ihm nichts zu weigern. Da ersucht' ihn Tiridates um weiter [401] nichts als um einen armen Possenreisser, welchen er auf dem Schauplatz gesehen, und zwar kein Wort von ihm, wohl aber was er durch Zeichen und Gesten sprach, vernommen hätt; anführend wie er in seinem Reich viel Nationen von unterschiedlichen Zungen hätt, die er nicht anders als durch ein Heer Dolmetscher bedeuten und sprechen könnte: nun aber würd dieser Allen gerecht sein. Denn der Gebährdensprach war er so mächtig, daß er mit den Fingern zu reden schien. Drum müßt ihr euch einen Stummen wählen der taub von Natur ist, daß seine Zeichen und Gestus auch echt prophetisch und nicht verstellt, studirt noch erheuchelt sind. Bleibt nur die Frag, ob ihr dieß Loos bei einem Mann oder Weib wollt nehmen.

Ich nähms wohl gern, versetzt' Panurg, bey einem Weib; nur fürcht ich mich vor zweyerley; fürs erst, ein Weib mag sehn was es will, es bild sich ein, es denkt, es wähnt in seinem Sinn, daß es die Introduction des heiligen Ithyphalli fürstell. Was man in ihrem Beysein auch immer Zeichen, Wink und Gebährden mach, das ziehn und deuten sie alls und jedes auf den Passus der Rammeley: da wären wir also schlecht berathen; denn ein Weib hielt all unsre Zeichen für venerische. Denkt an das was sich 260 Jahr nach Roms Erbauung daselbst begab. Ein junger Römischer Cavalier begegnet auf dem Cölier Berg einer lateinischen, taub und stumm geborenen Dam, mit Namen Verona; und frug sie mit allerley welschen Gebährden, weil er von ihrer Taubheit nichts wußt, wie viel es an der Tarpejischen Thurn-Uhr geschlagen hätt. Da sie nun nicht verstund was er ihr sagt', dacht sie, es wär was sie im Sinn hätt und junge Leut gemeinlich von Weibern begehren. Lockt' ihn also mit Zeichen, (die in der Lieb ungleich beredsamer, [402] eindringlicher und bündiger denn alle Wort sind,) beyseit in ihr Haus, bedeutet' ihn daß ihr das Spiel behagt': kurz, ohn ein Sterbenswörtlein sterlenzten sie daß die Federn stoben.

Fürs Zweyt: sie würden auf unsre Fragen uns gar kein Bescheid noch Antwort geben, sondern gleich auf den Rücken fallen, zu thätlicher Bekräftigung unsres stummen Begehrens. Oder, wenn sie auf unsre Fragen ja uns Zeichen und Gestus zur Antwort gäben, würden sie so possirlich und toll seyn, daß wir ihre venerische Absicht selbst darinn sähen. Ihr wißt noch wohl wie einst zu Brignoles die Nonn Dickarß von dem jungen Nollenbruder Stechzu beschwängert worden war. Die Aebtissinn, als ihre Schwangerschaft auskam, ließ sie vor das Kapitel citieren, und beschuldigt' sie des Incests. Sie excusirt' sich daß sie nicht darein gewilligt, sondern durch Nothzwang des Bruders Stechzu gewältiget worden. Darauf erwidert die Aebtissinn: O du abscheulichs Frauenzimmer; es war im Dormenter, was schrieest du nicht Gewalt? so wären wir dir all zu Hülf gelaufen. Antwort: sie hätt sich nicht im Dormenter zu schreyn getraut, weil im Dormenter ewiges Schweigen herrschen müßt. – Aber, sprach die Aebtissinn, warum, o du Abscheuliche! gabst du nicht deinen Stubennachbarn ein Zeichen? – Antwort Dickarß: Ey, ich gab ihnen Zeichen mit dem Hintern, so viel ich konnt, aber kein Seel kam mir zu Hülf. – Aber, o Abschaum! sprach die Aebtissinn, was kamst du nicht auf der Stell zu mir und verklagtest ihn wie sich gebühret? Also hätt Ich, wenn mirs passirt wär, zu Erweis meiner Unschuld gethan. – Weil ich, antwortet Dickarß, aus Furcht in Sünd und Verdammniß zu bleiben wenn mich ein schneller Tod ereilt hätt, ihm beichtet', und er zur Buß mir auflegt' es Keinem zu sagen noch mitzutheilen. Ein allzu schauderhaft Vergehn wär es gewesen, die Beicht zu verrathen, allzu abscheulich vor Gott und Engeln. Das Feuer des Himmels hätt derhalb leicht das ganze Kloster verschlingen können, und wären mit Datan und Abiran all mit einander zur Höll gefahren.

[403] Ihr werd mich drum nicht zu lachen machen, sprach Pantagruel. Ich weiß lang, das Mönchsgesindel samt und sonders scheut sich weit minder Gottes Gebot, als seine Provinzialstatuten zu übertreten. Nehmet also einen Mann. Der Geißnas scheint mir geschickt dazu; er ist taubstumm geboren.

Zwanzigstes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel.

Wie Geißnas Panurgen mit Zeichen antwortet.


Geißnas ward herbey geholt und kam Tages darauf. Zum Willkomm schenkt' im Panurg ein fett Kalb, ein halbes Schwein, zween Lägel Wein, ein Last Getraidig, und dreyssig Franken kleine Münz. Führt' ihn darauf vor Pantagruel, und macht' ihm in Beyseyn der Kammerherrn dieß Zeichen: Er jähnt' eine gute Weil, und beschrieb im Jähnen vor dem Mund mit dem Daumen der rechten Hand die Figur des griechischen Buchstaben Tau zu öftern Malen. Hub darauf die Augen gen Himmel und dreht' sie im Kopf um, gleich einer Geiß wann sie verwirft: hustet' dabey, und seuft' tief auf. Itzt wies er auf seinen mangelnden Latz, nahm unterm Hemd dann mit ganzer Faust seinen Musketonner, und klatscht' damit melodisch zwischen den Schenkeln: bog sich aufs linke Knie, und blieb also in knieender Stellung, mit beyden Armen kreuzweis über der Brust gefaltet.

Geißnas betrachtet' ihn aufmerksam. Drauf hub er die linke Hand in die Höh', und ballt' an selbiger alle Finger, bis auf den Daumen und Zeiger, daran er die Nägel sanft zusamenbog. – Ich seh schon, sprach Pantagruel, was er mit diesem Zeichen meint. Es bedeutet Hochzeit und überdies die Dreyzahl nach Pythagorischer Lehr. Ihr werdet freyen. – Ey, sprach Panurg, und wandt sich zum Geißnas, [404] grossen Dank, mein kleiner Truchseß, mein Comit, mein Algosan, mein Sbirr, mein Barigell! – Drauf hub er dieselbige Linke noch höher, streckt' und spreizt' die fünf Finger daran so weit er konnt aus einander. – Hiemit zeigt er euch, sprach Pantagruel, noch deutlicher unter dem Bild der Fünfzahl, daß ihr freyn werdet, und nicht nur Freyt, Verlöbniß und Hochzeit halten, sondern auch Beywohnung; und daß ihr zum Zweck werd schiessen. Denn Pythagoras nannt darum die Fünfzahl die ehliche Zahl der vollzogenen Hochzeit und Vermählung, weil sie bestehet aus der Trias, welches die erste ungerade und Plus-Zahl ist, und aus der Dyas, der ersten geraden: wie Mann und Weib in eins verbunden. Derhalb man auch zu Rom vor Zeiten am Hochzeitstag fünf wächserne Kerzen brannt, und deren weder bey den Reichsten mehr, noch bey den Aermsten weniger zu brennen erlaubt war. Ferner riefen die Heyden vor Alters über ein junges Ehepaar fünf Götter an, oder vielmehr einen einigen Gott in fünferley Gnaden: den Jupiter Nuptialis, Juno des Festes Fürstand, Venus die Schöne, Pitho die Göttinn der Ueberredung und guten Wort, und Diana zum Beystand in Kindesnöthen. – O, rief Panurg, des gütigen Geißnas! Ich will ihm einen Meyerhof bei Cinais schenken, und eine Windmühl zu Mirebalais.

Itzt hub der Stumme mit grosser Gewalt und Leibeserschütterung zu niesen an, wobey er sich zur Linken kehrte. – Potz Millius! was ist dieß? sprach Pantagruel. Das bringt euch keinen Segen; es zeigt daß eure Eh unglücklich und infaust seyn wird. Dieß Niesen ist, nach des Terpsion Lehr, der Sokratische Dämon: wenn es zur Rechten geschieht, bedeutets daß man sein Werk getrost angreifen, kühn darauf zugehn soll, daß Anfang, Fortgang und Verlauf gut und beglückt seyn wird. Zur Linken ist es das Widerspiel. – Ihr, sprach Panurg, kehrt alles nur zum Uebel, und obturbirt allzeit, wie ein andrer Davus. Ich glaub kein Wort davon, und kenn auch den alte Schmöker Terpsion [405] nicht weiter denn als Leutbescheisser. – Gleichwohl, antwort' Pantagruel, sagt Cicero etwas hierüber im zweyten Buch der Divination. – Darauf kehrt' sich Panurg zum Geißnas, und macht' ihm dieses Zeichen für: Er zerret' die Augenlieder zu Berg, verdreht' die Kiefern von rechts nach links, und hing die Zung halb aus dem Mund. Dann streckt' er die linke Hand offen aus, bis auf den mittelsten Finger, welchen er wagrecht über die flache Hand hielt, und also auf den Ort seines Latzes aufsetzt'. Die Rechte ballt' er zusamen, bis auf den Daumen, den er steif unter der rechten Achsel zurückbog, und ihn über dem Gesäß an den Ort hielt, welcher auf Arabisch Alkatim heißt. Tauscht' darauf plötzlich um, un hielt die Recht' in Form der Linken dahin, wo ihm der Latz fehlt'; die Link' in Form der Rechten aber auf das Alkatim. Dieß Tauschen der Händ wiederholt' er zu neun Malen. Beym neunten bracht er die Augenlieder wieder in ihren natürlichen Stand, deßgleichen die Kiefern und die Zung; warf itzt sein Scheel-Aug auf den Geißnas, und wackelt' mit den Lefzen dazu, wie ein Aff wann er still sitzt, oder auch wie die Kanickel im grünen Haber.

Alsbald hub Geißnas die rechte Hand ganz flach in die Höh, schob dann den Daumen derselben bis ans erste Glied zwischen das dritte Glied des Arzt- und Mittelfingers, und druckt' sie fest um den Daumen, wobei er die andern Glieder an ihnen einkniff, den Zeiger aber und kleinen Finger gerad ausstreckt'. Die also zusammengefügte Hand setzt' er Panurgen auf den Nabel, bewegt' den Daumen in einem fort, und steift' die Hand, wie auf zwey Bein, auf den kleinen und auf den Zeigefinger. Also stieg er mit selbiger Hand Panurgen allmählig von unten auf, vom Bauch zum Magen, Brust und Hals bis an das Kinn, und steckt' ihm endlich den wackelnden Daumen gar ins Maul. Rieb ihm sodann die Nas damit, stieg zu den Augen fort, und stellt' sich als wenn er sie ihm mit dem Daumen ausstossen wollt. Dieß verdroß Panurgen, und strebt' sich von ihm zu befreyn und los zu machen. Geißnas aber fuhr immer fort ihm bald die Augen, bald die Stirn und Mützenränder mit seinem wackelnden Daumen zu tupfen. Endlich schrie Parnurg und [406] sprach: Potz Element! Herr Narr, laß ab, oder's setzt Püff. Narrt ihr mich länger, so papp ich euch mit dieser Faust einen Butzen auf euer Hundsgesicht. – Er ist ja taub, sprach Bruder Jahn, er hört nicht was du ihm sagst, Cujon. Mach ihm das Zeichen des Maulschellenhagels. – Was Teufel, rief Panurg, erkeckt sich doch der Hans Altbart! hat mir schier die Augen zu brauner Butter gequirlt. Bey Gott! (da jurandi) ein Traktament Wachteln mit doppelten Nasenstübern gespickt, das soll euch werden. – Damit entwich er, indem er ihm den Maulfurz macht'. Der Stumm' als er Panurgen sah ausziehn, verrannt ihm den Paß, hielt ihn zurück gewaltsam, und macht' ihm dieses Zeichen: Er senkt' den rechten Arm zum Knie soweit er damit langen konnte, ballt' alle Finger zur Faust zusamen, und steckt' den Daumen zwischen den Zeiger und mittelsten. Rieb sich darauf mit der Linken über dem Elenbogen am selben rechten Arm, und erhub im währenden Reiben die Hand desselben allmählig bis an den Elenbogen, und höher; ließ sie flugs wieder sinken, wie zuvor, dann hub und senkt' er sie wechselsweis, und wies sie Panurgen.

Panurg, verdrüßlich, hub die Faust auf, den Stummen zu schlagen. Doch aus Ehrfurcht vor Pantagruels Gegenwart hielt er noch an sich. Da sprach Pantagruel: Wenn euch die Zeichen schon verdriessen, o wieviel mehr erst werdens die Sachen, die sie bedeuten! Punkt für Punkt reimt sich das Wahre zu dem Wahren. Der Stumme zeigt an und bedeutet euch, daß ihr freyn werdet, daß man euch zum Hahnrey machen, schlagen, und bestehlen wird. – Das Freyn, antwortet' Panurg, concedo: das andre leugn ich; und bitt euch, thut mir die Lieb und glaubt: daß nie ein Mensch mit Weibern und Pferden auf Erden noch solch Glück gehabt hat, als mir prädestiniret ist.

Ein und Zwanzigstes Kapitel
[407] Ein und Zwanzigstes Kapitel.

Wie sich Panurg bey einem altfränkischen Poeten, namens Großmurrnebrod Raths erholt.


Hätt ich doch nimmer denken sollen, sprach Pantagruel, daß ein Mensch so starr auf seinem Sinn bestehn könn als ihr thut. Gleichwohl lasset uns, um eure Zweifel aufzuklären, alle Stein in Bewegung setzen. Hört meine Gedanken. Die Schwän, welches dem Apollo geheiligte Vögel sind, singen nicht eher als wann sie zum Sterben kommen, sonderlich im Fluß Mäander in Phrygien. (Dieß sag ich darum, weil Aelian und Alexander Myndius schreiben daß sie ihrer wohl sonst viel hätten sterben sehen, doch keinen im Sterben singen;) so daß des Schwans Gesang ein sicheres Merkmal seines nahen Todes ist, und er nicht stirbt, er hätt denn zuvor gesungen. Deßgleichen werden auch die Poeten, die in des Apollo Schutz stehn, wenn es mit ihnen zum Sterben kommt, gemeiniglich Propheten, singen und offenbaren durch Apollinische Eingebung die Zukunft.

Ferner hab ich oft sagen hören, daß jeder alte hinfällige Mensch vor seinem End unschwer von künftigen Dingen weissag: und entsinn mich daß Aristophanes in einer seiner Comödien die alten Leut Sibyllen nennet, εἱϑ᾽ ὁ γέρων σιβυλλιᾷ (It ho geron si byllia.) Denn wie, wenn wir auf dem Molo stehn und von weitem die Schiffer und Rudrer auf hoher See in ihren Schiffen gewahren, sie blos stillschweigend betrachten, zwar beten für ihre glückliche Herkunft, doch wann sie nun dem Hafen sich nähern, mit Wort und Winken sie begrüssen und uns mit ihnen Glück dazu wünschen daß sie bey uns im sichern Port gelandet sind: so auch die Engel, die Heroen und guten Geifer, (nach der Platoniker Lehr) wann sie die Menschen nah am Tod, als [408] einen guten getreulichen Hafen, dem Hafen der Ruh und des Friedens, frey von irdischer Angst und Bedrängniß sehen, begrüssen sie, trösten sie, reden mit ihnen und fangen schon an den prophetischen Geist ihnen mitzuteilen. Ich will euch hie nicht lang von alten Geschichten reden, von Isaak, Jakob, von Patroklus mit Hektor, von Hektor mit Achilles, von Polymnestor mit Agamemnon und Hekuba, von dem Rhodiser bekannt durch Posidonius, von dem Indier Calanus mit Alexander dem Grossen, von Orodes mit Menzentius und Andern; ich gemahn euch blos an den gelehrten und tapfern Ritter Wilhelm von Bellay, weiland Herrn zu Langey, der auf dem Berg Tarara den zehnten Jenner, seines Alters im Stufenjahr, nach unsrer Rechnung Anno 1543 des Römischen Kalenders starb. Die drey bis vier letzten Stunden vor seinem Hinschied bracht er mit herzhaften Reden zu, darinn er gesetzten und heiteren Geistes uns verkündigte was wir seitdem theils selbst gesehen, theils noch in Zukunft gewärtig sind: obschon uns damals seyn Prophezeyn etwas befremdlich und seltsam deuchte, weil wir von dem, was er uns prophezeyt', dermalen kein Ursach noch prognostisch Zeichen gewahren konnten. Wir haben hie bey Villaumere einen alten Mann und Poeten zugleich, Großmurrnebrod mit Namen, der die grosse Stelz zu andrer Eh nahm, und mit ihr die schöne Bazoch' erzielt'. Ich hör, er lieg itzt in den letzten Zügen und just im rechten Todeskampf. Begebt euch zu ihm, hört seinen Sang an. Vielleicht daß ihr von ihm erlangt was ihr begehrt, und euch Apollo eure Zweifel durch ihn erledigt. – Ich wills, versetzt' Panurg. Komm mit, Epistemon, und das auf der Stell, damit uns nicht der Tod zuvorkomm. Willst auch mit, Bruder Jahn? – Ey wohl, sprach [409] Bruder Jahn, und gern, weil du's bist, mein Cujonel, denn ich bin dir recht von dem Grund der Leber gut.

Machten sich alsobald auf den Weg, und kamen zur Poeten-Klaus, wo sie den guten alten Mann im Sterben mit fröhliger Gebährd, offenem Antlitz und leuchtenden Augen liegen fanden.

Panurg begrüßt' ihn, und steckt' ihm dabey zum Präsent an den Arztfinger der linken Hand ein gülden Reiflein, mit einem schönen grossen orientalischen Sapphir darein gefaßt. Hierauf verehrt' er ihm, nach dem Beyspiel des Sokrates, einen schönen weissen Hahnen, der, sobald man ihn auf sein Bett setzt', voll Freudigkeit das Haupt erhub, die Federn schüttelt' und sofort mit lauter Stimm zu krähen begann. Worauf Panurg ihn höflich bat, ihm über seine Heyrathszweifel sein Urtheil und Ermessen zu sagen.

Der gute Alte befahl daß man ihm Dint, Feder und Papier brächt, welchs alles geschwind verabreicht ward. Da schrieb er wie folget:


Nimm sie, oder nimm sie nicht.
Nimmst du sie, wirds wohl gedeihn,
Nimmst du sie nicht und bleibst allein,
Du handelst als ein kluger Wicht.
Eil mit Weilen, wie man spricht.
Geh ärschlings, wag dich mitten drein.
Rimm sie, nein.
Fast, iß zwei für ein Gericht.
Wo man bauet, da reiß ein.
Wo man einreißt, bau es fein.
Wünsch ihr Tod und Lebenslicht.
Nimm sie, nein.

Gabs ihnen darauf zu Handen, und sprach: Geht, Kindlein, Gott der Allmächtige geleit euch, und plagt mich fürder nicht hiemit, noch sonst mit was es sey. Ich hab heut, als am letzten Tag des Mayen und mein Selbsten, hie aus [410] meinem Haus mit viel Noth und Müh einen Schwarm abscheulicher, säuischer, pestilenzialischer Thier vertrieben, schwarz, scheckig, rothfahl, weiß, grau, sprenklig, die mich nicht wollten sanft sterben lassen und mich mit ihren tückischen Stichen, ihrem Horniß-Ungestüm und Harpyenkniffen, Gott weiß im Rüsthaus welcher untilgbaren Freßgier geschmiedet, aus meinen süssen Gedanken störten, darinn ich verharrend das Glück und Heil so der gütige Gott seinen auserwählten Getreuen im andern Leben und in der ewigen Herrlichkeit aufspart, schon sah, schaut', schmeckt' und mit Händen griff. Flieht ihre Wege, gleicht ihnen nicht, quält mich nicht weiter, und lasset mich in Frieden. Darum fleh ich euch.

Zwey und Zwanzigstes Kapitel
Zwey und Zwanzigstes Kapitel.

Wie sich Panurg der Bettelmönch annimmt.


Als Panurg aus Murrnebrods Kammer herauskam, schrie er vor Entsetzen schier ganz blaß: hilf heiliger Gott! Ich glaub er ist gewiß ein Ketzer, oder ich will des Teufels sein. Schimpft auf die guten Bettel-Väter, die Franziskaner und Jakobiner, das doch die beyden Hemisphären der Christenheit sind, durch deren gyrognomonische Circumbilivagination, gleichwie an zween cölivagischen Filipenduln, der ganze antonomatische Matagrabulismus Römischer Kirch, wenn Irrlehr oder Ketzergewäsch ihr etwann das Haupt umnebelbälgt, homocentralisch zu Waffen zappelt. O alle Teufel! was thäten ihm die armen Teufel Kapuziner und Minimi? Sind sie nicht so schon schiewes genug, die armen Teufel? nicht etwann schon in Jammer und [411] Elend sattsam verrauchert und eingeschmaucht, die armen Wicht und Fischzehringer? Auf dein Ehr, sprich Bruder Jahn! kann er im Stand der Gnaden seyn? Er fährt, bey Gott! kopfüber zur Höll wie ein Teuflein, in dreyssigtausend Säck voll Teufel. Auf diese guten und wackern Pfeiler der Kirch zu schimpfen! heißt ihr dieß etwann poetische Wuth? Ich kann mich damit nicht zufrieden geben; er sündigt abscheulich, er plasphemiert die Religion, ich nehm daran schwer Aergerniß. – Da scheer ich mich, sprach Bruder Jahn, keinen Knopf drum. Sie schimpfen auf alle Welt, wenn alle Welt sie wieder schimpft, was fichts mich an? weist her, was schreibt er? – Panurg las mit Bedacht die Schrift des guten Alten, dann sprach er zu ihnen; er faselt nur, der arme Schlucker; aber ich halts ihm zu gut, ich glaub, er machts nicht lang mehr. Kommt, laßt uns ihm die Grabschrift machen. Nach dem Bescheid, den er uns giebt, bin ich so klug als ich in Ofen geschossen war. Gelt, Epistemon, scheint er dir nicht bündig in seinen Repliken, Schatz? Er ist bey Gott ein erzgeschickter verzwickter Sophist von Haus aus; ich wett, er ist ein heimlicher Hagarener. Potz Bock! wie schlau er seine Wort wägt, daß er ja fein bestehen kann. Er redt nicht anders alsdisjunctive, so kann er nicht fehlen; denn wenn da auch nur die eine Hälft wahr wird, hat er immer noch wahr genug gesprochen. Seht mir den Patelin! Ey Sankt Jago von Bressure! Wächst dieß Kraut auch noch? – Also, antwortet Epistemon, verwahrt' sich auch der grosse Seher Tiresias jedesmal zu Anfang seiner Prophezeyungen. Denen die ihn befrugen, gestund er ehrlich: Was ich euch sagen werd, das trifft entweder ein, oder nicht. Dieß ist der Stilus aller klugen Prognostici – Doch kratzt' ihm Juno auch beyde Augen dafür aus, versetzt' Panurg. – Wohl thät sie dieß, sprach Epistemon, aus Neid, weil er den Zweifel, den Jupiter aufgeworfen, besser als sie entschieden hätt. – Doch welch ein Teufel, sprach Panurg,[412] plagt diesen Meister Murrnebrod, daß er so unnütz ohn allen Grund, Anlaß noch Ursach auf unsre armen frommen Väter Jakobiner, Minoriten und Minimi schimpft? Ich nehm daran groß Aergerniß, auf Ehr! und kann dazu nicht schweigen. Er hat zu grausam schwer gesündigt. Sein Esel fährt in dreyssigtausend Spraukorb voll Teufel. – Ich kann euch nicht begreifen, sprach Epistemon: ihr selber ärgert mich schwer, weil ihr verkehrter Weis vom Orden der Bettelbrüder verstehen wollt, was der gute Poet von schwarzen, fahlen und andern Thieren sprach. Dergleichen sophistisch-phantastische Allegorien meint er, so viel ich weiß, gar nicht damit, sondern spricht absolute und eigentlich von den Flöhen, Wanzen, Mucken, Schnacken, Läusen und anderm solchen Ungeziefer, theils schwarz, theils fahl, theils grau, gelb-lohbraun, welche sämmtlich nicht nur der Kranken, sondern auch der starken und gesunden Leut Hauskreuz, Tyrannen und Pfähl im Fleisch sind. Vielleicht hat er Ascarides, Lumbricos oder Spuhlwürm im Leib. Vielleicht daß ihn an Armen oder Beinen (wie es in Aegypten und um das erythräische Meer eine alltägliche Landplag ist) die kleinen bunten Schlänglein zwicken, die die Araber Meden-Adern heissen. Ihr thut nicht wohl daran, sein Wort anders auszulegen, und versündigt euch nicht nur verleumderisch an dem guten Poeten, sondern auch wider gedachte Mönch, indem ihr ihnen solch Gift zur Last legt. Immer soll man an seinem Nächsten alles fein zum Besten kehren. – Lehrt ihr mich nur, antwort Panurg, die Mucken in der Milch erkennen. Er ist so wahr mir Gott helf ein Ketzer, und das ein ausgemachter, Clavelischer, [413] pockenräudiger, brennbarer Ketzer, zum Feuer reif wie ein allerliebst klein hölzern Uehrlein. Sein Esel fährt in dreyssigtausend Schieböck voll Teufel: und wißt ihr wohin? Potz Puff! mein Freund, grad untern Nachtstuhl Proserpinä, recht in den höllischen Zuber, darein sie die Grundsupp ihrer Klystir absetzt, zur Linken des grossen Bottichs drey Klafter von Luzifers Klauen, hart am Weg nach Demogorgons schwarzer Kammer. Hu, des Verräthers!

Drey und Zwanzigstes Kapitel
Drey und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Panurg von Wiederumkehr zum Großmurrnebrod handelt.


Lasset uns, fuhr Panurg fort, wieder hin zu ihm, ihn an sein ewiges Heil ermahnen. Ja kommt in Gottes Namen, kommt um Gottes Willen! Wir thun daran ein christlich Werk: zum wenigsten, wenn er auch Leib und Leben müßt lassen, daß doch sein Esel gerettet wird. Wir werden ihn zur Zerknirschung seiner Sünden bringen, daß er die frommen Väter, ab- und anwesende, um Verzeihung bittet; das nehmen wir gleich zu Protokoll, damit sie ihn nicht nach seinem Tod in Bann thun und zum Ketzer sprechen, wie die Irrwisch die Pröpstinn von Orleans: und daß er zu des Frevels Sühn' in allen Klöstern dieses Gaues den guten [414] Vätern brav Spenden, Messen, Seelämter und Anniversarien stift; daß sie allsammt auf seinen Sterbetag fünffache Schnabelweid erhalten immer und ewig, und der grosse Humpen voll besten Weins an ihren Tischen vom Bruder Gärtner, Nollhart und Layen bis zum Priester und Chorherrn, bey Novizen und Reglern reihum trab. So mag ihm Gott noch gnädig seyn.

Ho ho ich irr, ich schwatz ins Blau! der Teufel hol mich, wo ich hingeh. Gotts Wetter, die Stub ist schon voll Teufel: ich hör sie schon wie sie sich zausen und teuflisch fäusteln, wer die Großmurrnebrodische Seel erschnappen soll, wer sie zuerst schlucks drucks Herrn Volland soll zuspediren. Hebt euch weg, ich geh nicht hin, der Teufel hol mich wo ich hingeh. Machten wohl gar ein X für'n U und erwischten statt Murrnebrods den armen Panurg, itzt da er quitt ist? Gingen ihm so schon oft hart beym Fell weg als er annoch im Pfeffer saß und in Schulden bis über die Ohren. Hebet euch weg, ich geh nicht hin. Bey Gott ich sterb vor höllischer Hundsangst. Unter verhungerte Teufel, was? und Faktor- und Rotten-Teufel? Hebet euch weg! Ich wett, aus Furcht vor ihnen kommt weder Jakobiner, Franziskaner, Carmeliter, Kapuziner, Theatiner noch Minimus zu seinem Begräbniß. Und weislich! warum hat er ihnen im Testamente nichts vermacht? der Teufel hol mich wo ich hingeh. Wenn er verdammt wird, mag ers haben. Was schimpft er auf die lieben Patres? Warum verjagt er sie aus der Stub, just da ihm ihr Beystand, ihr fromm Gebet, ihr heiliger Zuspruch am meisten noth thät? Warum vermacht' er zu Testament ihnen nicht mindestens ein Paar Knöchlein, ein armes Mumpfel, ein Magenpflaster, den armen Leuten, die nichts in der Welt als ihr Leben haben? Geh hin wer mag, der Teufel hol mich, wo ich hingeh. Wenn ich hinging, holt' mich der Teufel sicherlich. Pest! hebt euch weg!

Willst du, mein Jahn, daß dich gleich dreyssigtausend Schieböck voll Teufel holen? Thu drey Ding: Gieb mir [415] deinen Beutel. Denn das Kreuz widersteht dem Zauber; und könnt dir gehen wie jüngst dem Mautner Hans Dodin von Couldray, am Furth zu Vede, als die Küriser den Mühlen-Steig zerbrochen hätten. Der Scharrbatz traf am Ufer den Bruder Adam Bollart Observantiner von Mirebeau, Franziskanerordens, und versprach ihm ein neu Kleid mit dem Beding daß er ihn Huckeback auf seinen Schultern über den Strom trüg. Denn es war gar ein starker Hach. Wurden also des Handels eins; mein Bruder Bollart schürzt' sich auf, bis ans Gemächt, lud wie ein klein artig Sankt Christöffel, seinen Suplikanten Hans Dodin auf den Rücken, und trug ihn also wohlgemuth, wie Aeneas seinen Vater Anchisen aus dem Trojanischen Brand, und sang ein schön Ave maris Stella dazu. Wie sie nun eben im tiefsten Furth, just oberhalb des Mühlrads waren, frug er ihn, ob er auch Geld bey ihm hätt. – Ey, antwort Dodin, die schwere Huck voll, und wegen des versprochenen Kleides habt nur kein Bangen. – Wie! spricht Bollart, du weißt daß ein ausdrücklich Kapitel unsrer Regel uns streng verbeut, Geld bey uns zu tragen. Vermaledeyet bist du fürwahr, der du mich also zur Sünd verleitest. Konntest du nicht deinen Beutel beim Müller lassen? Unfehlbar sollst du mirs itzund büssen, und wo ich dich in unserm Kapitel zu Mirebeau jemals erwisch, sollt du das Miserere haben usque ad vitulos? – Sofort ließ er die Händ ab, und schmiß den Dodin kopfunter mitten ins Wasser 'nein.

Nach diesem Beyspiel, Bruder Jahn mein süsser Freund, daß dich die Teufel nicht lang turbiren und gemächlicher holen mögen, gieb du mir deinen Beutel, und trag kein Kreuz an dir. Denn die Gefahr springt in die Augen. Hast du Geld oder Kreuzer bey dir, schmeissen sie dich etwann auf Felsen, wie der Adler die Schildkröt, wenn er sie knackt (wie gings dem Glatzkopf Aeschylus?) und [416] würdest dir weh thun, das wär mir Leid, Freund! Oder lassen dich etwann gar in ein Meer fallen, weit, wer weiß wohin, wie den Ikarus, und hieß darnach das Mare Klopfleischiacum.

Fürs zweyt, sey quitt. Denn die Teufel sind den quitten Leuten sehr zugethan. Dieß seh ich an mir; die Schälk umschwänzen mich itzt, und courtesiren mit mir in einem fort, das ihre Art doch sonst nicht war, als ich annoch im Pfeffer und in Schulden saß. Denn eines Schuldners Seel ist gar wurmstichig und hektisch, ist keine Speiß für Teufel. Zum dritten, mit deiner Kutt und deinem härenen Kapot, geh wieder zum Herrn Murrnebrod. Und wo dich in der Jupp nicht dreyssigtausend Kahn voll Teufel holen, zahl ich den Schoppen unds Holz dazu. Und wenn du zu deiner Sicherheit etwann Gesellschaft nöthig hast, komm nicht zu mir, das rath ich dir. Nix! hebt euch weg! ich geh nicht hin, der Teufel hol mich, wo ich hingeh. –

Ich macht' mir, antwort Bruder Jahn, wohl weniger draus als einer dächt, wenn ich nur meinen Fochtel zur Hand hätt. – Du greifsts schlau an, versetzt Panurg, und redest wie ein pfiffiger Doctor vom Fach davon. Zu meiner Zeit, als ich noch auf der hohen Schul in Toledo studirt', da sagt zu uns der hochwürdige Pater im Teufel, Picatrix, damalen Rector der diabologischen Facultät, daß sich die Teufel von Natur eben so sehr vor dem Glanz der Degen, wir vor dem Licht der Sonnen scheuten. Fürwahr, auch Herkules, als er blos mit der Keul und Löwenhaut zur Höll und allen Teufeln ging, jagt' ihnen kein solch Schrecken ein, als nach der Zeit Aeneas im funkelnden Harnisch und mit seinem Fochtel, den er mit Hülf und Rath der Sibyll zu Cumä stattlich blank geputzt und gefegt hätt. Dieß mocht wohl auch die Ursach seyn, warum Herr Johann Jakob Trivulz, da er zu Chastres starb, ihm seinen Degen [417] bringen ließ, und so mit blosem Degen in Händen rund um sein Bett her fechtend starb, als ein beherzter tapfrer Ritter, und durch dieß Fechten die Teufel all, die ihm am Todessteig aufpaßten, zu Paaren trieb. Die Massoreten und Kabbalisten, wenn ihr sie fragt, warum kein Teufel nimmermehr ins irdische Paradies sey kommen, geben euch keinen andern Grund als daß an der Pfort ein Cherubim mit feurigem Schwert steh. Ich bekenn zwar, um nach der wahren Toledaner-Diabologi zu reden, daß allerding die Teufel wohl durch keine Schwertstreich sterben können: aber ich behaupt zugleich nach eben derselben Diabologi, daß sie Continui Solutionem erleiden können, wie wenn du mit deinem Fochtel etwa quer durch eine helle Feuerflamm, oder in einen dicken finstern Rauch hiebst: und schreyen teufelmässig, wenn sie die Solution verspüren, denn es tut ihnen teuflisch weh.

Wenn du das Aufeinanderrennen zweyer Herreshaufen siehst, denkst du, Cujunkel, der schreckliche Lärm und grosse Tumult den man da hört, käm von den Menschenstimmen her, dem Stoß der Panzer, dem Krachen des Pferd-Zeugs, dem Schwung der Streitäxt, dem Sprung der Piken, dem Splittern der Lanzen, vom Schrey der Getroffnen, vom Schall der Trommeln und Trommeten, vom Wiehern der Roß, vom Donner der Büchsen und Kartaunen? Es ist was dran, ich kanns nicht leugnen; aber der große Haupt-Rumor, das wahre Zedermordjo kommt von den heulenden und wehklagenden Teufeln, die, wenn sie dort im Handgemeng auf die Seelen der armen Blessirten lauern, von unversehens Schwertstreich empfangen, und Trennung der luftigen Stetigkeit ihres unsichtbaren Wesens erleiden: wie wenn Herr Rauchschwalb einem Lakayen, der Speck vom Spieß nascht, mit dem Stock ein Feuchtes über die Finger zög. Da schreyn und heulen sie dir wie Teufel; wie Mars, von dem Homer bericht daß er, vor Troja vom Diomedes blessirt, furchtbarer und lauter gebrüllt hab als zehntausend Mann zusammen. Doch! was schwatzen wir hie viel von blanken Harnischen und feurigen Schwertern? Von der Art ist nicht dein Fochtel; denn meiner Treu! vor eitel Ruh und langem Feyern ist er weit blinder und rostiger worden [418] als ein altes Fleischscharren-Schloß. Darum thu eins von beydem: entweder feg ihn blitzblank und funkelhell, oder, wo er so rostig bleibt, komm nicht dem Haus Großmurrnebrods zu nah! Ich für mein Theil geh nicht hin; der Teufel hol mich, wo ich hingeh.

Vier und Zwanzigstes Kapitel
Vier und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Panurg vom Epistemon Rath nimmt.


Verliessen also Villaumere, und zogen heim zum Pantagruel. Auf dem Rückweg wandt sich Panurg an Epistemon, und sprach zu ihm: Mein Gevatter und alter Freund, ihr seht die Verwirrung meiner Seelen, ihr wißt so viele gute Mittel: könnt ihr mich nicht berathen? – Da nahm Epistemon das Wort und warnt' Panurgen, wie alle Welt ihr Gespött hätt ob seiner Verkleidung, und rieth ihm dabey, doch etwas weniges Nieswurz zu brauchen, der ihm den bösen Humor vertrieb, und seine gewöhnliche Kleidung wiederum anzulegen. – Gevatter Epistemon, versetzt' Panurg, mein Sinn steht nun einmal aufs Freyen, aber ich fürcht mich vor Hörnern und Hauskreuz in meinem Ehstand. Darum hab ich Sanct Franzen dem Jüngern (zu dem alle Weiber in Plessis les Tours so brünstig beten, weil er die guten Mannsen gestiftet, nach denen sie von Natur gelüstet,) ihm hab ich das Gelübd gethan, so lang die Brill an meiner Mütz, und meine Hos ohn Latz zu tragen, bis mir in dieser meiner Seelen-Angst ein klarer Bescheid zu Theil würd werden.

Fürwahr, antwortet Epistemon, ein feines Gelübd, ein possierlich Gelübd! Es muß mich Wunder an euch nehmen, daß ihr nicht in euch geht und eure Sinnen aus diesem groben Irrwahn nicht wieder in ihre natürliche Ruh und [419] Fassung bringt. Wenn ich euch reden hör, muß ich des grossen Perücken-Gelübds der Argiver gedenken die, als sie im Streit um Thyrea ein Treffen an die Spartaner verloren hatten, kein Haar auf dem Scheitel zu tragen gelobten, bis sie nicht ihr Ehr und Land wieder eingelöset: oder auch an das Gelübd des schnurrigen Spaniers Michel Doris mit seinem Beinschienen-Splitter am Fuß. Und weiß fürwahr nicht welcher von Beyden die grün und gehle Schellenkapp mit Hasenöhrlein mehr zu tragen verdient hätt, ob dieser stolze Kämp, oder Enguerrant, der uns davon den lieben langen, leidigen Bericht macht; aller Art und Kunst wie uns der Samosatensische Weise Geschicht lehrt schreiben, uneingedenk. Denn wenn man dieß lange Geschreib liest, dächt man nicht anders es müßt der Keim und Saamen zu irgend einem schweren Krieg und wichtiger Staatsveränderung seyn; aber am End der Mähr verlacht man sie alle drey, den werthen Kämpen, den Englischen der ihn zum Streit ausfordert', und Enguerrant ihren Archivarium; denn er ist schlabriger als ein Senftopf. Es ist die Poß vom Horazischen Berg, der aus der Maasen schrie und ächzt' gleich einem Weib in Kindesnöthen; auf sein Geschrey und Aechzen raunten die Nachbarn all herbey in Hoffnung einer erschrecklichen Misgeburth, aber am End kam nichts zum Fürschein als eine Maus. –

Ich maus mich drum nicht, sprach Panurg, ihr foppt mir damit mein hären Kleid noch nicht vom Leib. Ich laß die Stummen brummen, und thu nach meinem Gelübd. Ist nun so lang schon daß wir einander Treu und Freundschaft beym Jupiter Φίλλιος (Philios) zugeschworen haben; so gieb mir deinen Rath, sag an: soll ich heyrathen oder nicht? – Fürwahr, antwortet' Epistemon, der Fall ist [420] kitzlich; dieß zu sagen bin ich lang noch nicht klug genug. Und wenn je in der Arzeneykunst das Wort des alten Hippokrates von Lango:Schweres Urtheil, zutraf, so trifft es zu in diesem Fall. Wohl hab ich allerhand Gedanken wie wir uns über eure Zweifel Raths holen möchten; scheinen mir aber nicht augenfällig klar genug: Etliche Platoniker lehren, daß wer seinen Genius sehen könnt, auch sein Schicksal erfahren könnte. Ich versteh nicht viel von ihrer Kunst, und rath euch nicht darauf zu bauen. Es ist viel Dunst darinn; das hab ich an einem gelehrten und eifrigen Junker im Ostringerland wohl eingesehn. Dieß wär der erste Punkt.

Zum andern: wenn die Orakel noch florirten, als: Jupiter in Ammon, Apollo in Lebadien, Delphi, Delos, Cyrrha, Patara, Tegyra, Präneste, Lycien, Kolophon, am Kastalischen Quell, zu Antiochia in Syrien, unter den Branchiden; Bacchus in Dodona; Merkur in Pharä bey Paträ; Apis in Aegypten; Serapis in Kanopus; Faunus in Menalien und Albunea bey Tivoli; Tiresias in Orchomenus; Mopsus in Cilicien; Orpheus in Lesbos; Trophonius in Leukadien: würd ich vielleicht (vielleicht auch nicht) euch rathen daß ihr sie befrüget was sie zu euerm Handel meinten. Aber sie sind, wie ihr wohl wißt, sämmtlich so stumm wie die Fisch geworden seit jenes Herrn und Heilands Ankunft, der allen Orakeln und Propheten ein End und Ziel gesetzet hat: wie wenn die helle Sonn aufgeht, alle Kobolt, Lamien, Lemurn, Währwölf, Irrwisch und Nachtgespenster verschwinden. Und selber wenn sie noch am Leben wären, würd ich euch doch schwerlich rathen ihren Sprüchen Glauben zu schenken: nur zu viel Leut sind schon damit betrogen worden. Entsinn mich auch wie Agrippin' es einst der schönen Lollia Schuld gab, daß sie des Klarischen Phöbus Orakel befragt hätt, zu erfahren ob sie des Kaisers Claudius Gemahlinn würd werden. Wofür sie zuerst ins Elend kam, dann eines schmähligen Todes starb.

Ich weiß ein Beßers, sprach Panurg. Nicht weit vom [421] Hafen Sanct Malo sind die Ogygischen Insuln. Dahin laßt uns eine Fahrt thun, wenn wir zuvor mit unserm König gesprochen haben. Auf einer von den vieren, der am westlichsten gelegenen, sagt man (ich habs aus guten alten Authoren) daß allerley Wahrsager, Seher, und Propheten wohnen sollen. Da soll Saturn in einem Berg von Gold an schönen güldenen Ketten gebunden liegen, mit Ambrosia und Götter-Nektar veralimentiret, welches ihm täglich im Ueberfluß vom Himmel gebracht wird durch, ich weiß nicht was für eine Art von Vögeln: vielleicht sind es dieselben Raben, die in der Wüst den ersten Klausner, Sanct Paul ernährten; und einem Jeden der sein Geschick erforschen will, soll er sein Loos und was ihm bevorsteh klar offenbaren. Denn nichts spinnen die Parzen, nichts bedenkt noch ordnet Jupiter, das nichtder liebe Vater im Schlaf säh. Es könnt uns dieß viel Müh ersparen, wenn wir ihn in diesen meinen Skrupeln ein wenig zu Rathe zögen? – Der Betrug, sprach Epistemon, ist allzu grob; die Fabel allzu fabelhaft. Da geh ich nicht mit.

Fünf und Zwanzigstes Kapitel
Fünf und Zwanzigstes Kapitel.

Wie sich Panurg beym Her Trippa beräth.


Hört an, fuhr Epistemon fort, was ihr, wenn ihr mir folgen wollt, noch thun könnt eh wir wieder heim zu unserm König gehn. Hie unweit der Insel Bouchard wohnt Her Trippa. Ihr wißt wie er durch Astrologi, Geomanti, Chiromanti, Metopomanti und andre Künst vom gleichen Schrot alle zukünftige Ding weissaget. Laßt uns von eurer Sach mit ihm traktiren. – Davon, sprach Panurg, weiß ich just nix, wohl aber weiß ich daß ihm einsmals, derweil [422] er sich mit dem grossen König von himmlischen und übernatürlichen Dingen besprach, die Hof-Lakayen auf der Stieg beym Hinterpförtlein nach Herzenslust sein Weib kartätschten, die traun nicht schlecht war. Und Er, der alle ätherische und irdische Ding ohn Brill belugt', Vergangenheit und Gegenwart am Schnürlein hätt, und alle Zukunft zum voraus sagt, sah nur sein Weib nicht wackeln, und hats auch nimmermehr erfahren. Wohl! laßt uns zu ihm, weil Ihrs wollt. Man kann zuviel nicht lernen. –

So kamen sie des andern Tages zu dem Her Trippa ins Quartier. Da verehrt' im Panurg einen Wolfspelz, ein groß Bastardschwert schön verguldet, mit sammtener Scheid und funfzig baare Engellotten, worauf er ihm sein Sach vertraulich exponirt. Alsbald zum ersten Willkomm schaut' ihm Her Trippa ins Gesicht, und sprach: du hast die Metoposkopi und Physionomi eines Hahnreys, und zwar eines famosen notorischen Hahnreys! Betrachtet' darauf von allen Seiten Panurgens rechte Hand, und sprach: der falsche Strich den ich da überm Monte Jovis seh, den hat gar eigentlich weiter kein Mensch in der Hand als ein Hahnrey. – Dann macht' er hurtig mit einem Griffel eine Anzahl verschiedlicher Punkt, addirt' sie zusamen auf geomantisch, und sprach: die Wahrheit ist nicht so wahr als es gewiß ist, daß du alsbald nach deiner Hochzeit zum Hahnrey wirst werden. – Hierauf befrug er Panurgen um das Horoskop seiner Geburth, und als ers erhalten, stellt' er darnach sein himmlisch Haus in allen Theilen, beschaut' den Stand und die Aspekten nach ihrem Drey-Schein: dann holt er einen schweren Seufzer und sprach: Ich sagt' dirs schon vorhin expreß, du würdest Hahnrey werden, da war kein Hülf; hie seh ich nun aufs neu bestätigt und schwör dirs zu daß du ein Hahnrey werden mußt. Zudem wirst du von deinem Weib geschlagen, und von ihr bestohlen werden: denn ich seh im siebenten Haus die schlimmsten [423] Aspekten und Schlägerey aller gehörnten Zeichen, als Widder, Steinbock, Stier etcetera. Im vierten, Jovem in cadenti und den Geviert-Schein des Saturn in Conjunction mit Mercurio. Ach! dir wirds hart gehn, armer Mann!

Und dir werd ich die höllische Darr anhusten, alter Narr, Geck, Unhold der du bist! versetzt Panurg. Wenn alle Hahnreys beysammen sind, wirst du ihnen die Fahn fürtragen. Wie kommt mir die Blatter doch zwischen die Finger? Und wie er dieß sprach, hielt er die beiden vordersten Finger wie zween Hörner dem Her Trippa ausgereckt hart vor die Stirn, und ballt' die adern zusamen. Dann sprach er zum Epistemon: Hie seht ihr den leibhaftigen Olus des Martial, der weiter nichts trieb als andrer Leut Elend und Noth zu erforschen und auszuspüren, derweil sein Weib die Fickmühl dreht'! Er selbst dabey ein ärmerer Lump als Irus; gleichwohl dummdreister, stolzer, unleidlicher als siebzehn Teufel: mit einem Wort: Πτωχαλάζων (Ptochalazon), wie die Alten solch Pracher-Grob mit Recht nannten. Kommt, laßt dieß Kalbsgehirn, diesen schäumenden Hundstags-Narrn, den man an Ketten legen sollt, hie mit seinen Hausteufeln storchen so lang er Lust hat. Ich werd bald glauben daß die Teufel solch einem Rekel zu Diensten stünden! er hat noch nicht das A B C der Weisheit los, das »Kenn dich selbst«; rühmt sich den Splitter in seines nächsten Aug zu sehn, und sieht den dicken Balken nicht, der ihm in seine beyden spießet. Er ist just so ein Polypragmon wie ihn Plutarch beschrieben hat; er ist eine zweyte Lamia, die in fremden Häusern, auf offenem Markt, im Volke schärfer als ein Luchs sah, aber in ihrem eignen Haus blinder war als ein Maulwurf, bey ihr selbst keinen Stich sah: denn wenn sie heim kam, nahm sie ihr Fürsteck-Aug, wie eine[424] Brill, aus ihrem Kopf und thäts in einen hölzernen Bundschuh hinter der Hausthür. –

Auf diese Wort ergriff Her Trippa ein Tamarisken-Zweiglein. – Daran, sprach Epistemon, thut er ganz wohl; Nikander nennt es Propheten-Baum. – Wollt ihr die Wahrheit, sprach Her Trippa, hievon noch deutlicher erfahren durch Pyromanti? durch Aeromanti, berühmt durch Aristophanes in seinenWolken? durch Hydromanti? durch Lekanomanti, vor diesem bey den Assyrern so berühmt und approbirt durch Hermolaum Barbarum? In einem Becken mit Wasser sollt du dein künftig Weib mit zween Lümmeln tanzen sehen. – Wo du etwann, versetzt' Panurg, mir mit der Nas ins Loch wilt guken, nimm auch zuvor die Brill fein ab. – Durch Katoptromanti? sprach Trippa weiter, mittelst deren der Römischen Kaiser Didius Julianus alles was ihm bevorstand errieth? Da darfs der Brill nicht; in einem Spiegel siehst du sie so natürlich kacheln, als ob ich sie dir in dem Born des Minerventempels bey Paträ wies. Durch Koscinomanti, vor Zeiten bey den Römern so heilig gehalten in ihren Cerimonien? Wir nehmen ein Sieb und eine Scheer, so wirst du dein blaues Wunder sehen. Durch Alphitomanti, beschrieben in Theokrits Pharmaceutria? und durchAleuromanti, wenn man Mehl mit Waitzen zusammen menget? Durch Astragalomanti? Ich hab die Knöchlein schon hie in der Tasch. DurchTyromanti? Ich hab just einen paßlichen Käs von Brehemont. Durch Gyromanti? So sollt du mir brav Reifen schlagen, und werden sämmtlich linkwärts fallen, das schwör ich dir. Durch Sternomanti? Mein Treu, du hast ein sehr ungeschlacht Bruststück. Durch Libanomanti? Braucht blos ein wenig Weihrauch. Durch Gastromanti, die zu Ferrara lange Zeit die Frau Jakoba Rhodigin' trieb, engastrimythischen Angedenkens? Durch Cephalonomanti, wie sie die Teutschen brauchten, und dabey einen [425] Eselskopf auf Kohlen brieten? DurchCeromanti? So wirst du das Bild deines Weibes und ihrer Pauker in flüssigem Wachs auf dem Wasser sehen. Durch Kapnomanti? Auf glühende Kohlen streuen wir Mohn- und Sesamkörner. O wackrer Spaß! Durch Axinomanti? Schaff nur ein Beil und einen Gagt-Stein; den thun wir auf den Rost. O wie so meisterlich übt dieß Homer an Penelope's Freyern! Durch Onymanti? Bring Oel und Wachs. Durch Tephramanti? Die Asch wird dir dein Weib in sauberer Positur in der Luft formiren. DurchBotanomanti? Ich hab hie eben Salbeyblätter. Durch Sykomanti? o edle Kunst, in Feigenblättern! Durch Ichthyomanti, vordem so weitberufen, und unfehlbar durch Tiresias und Polydamas ausgeübt, als sie im Graben Dina weiland in des Apollo heiligem Hain in Lycien exerciret ward? DurchChöromanti? Schaff nur brav Schwein her: du sollt davon die Blas abkriegen. Durch Kleromanti? wie man die Bohn am Samstag Abend vor Epiphaniä im Kuchen find. Durch Anthropomanti, die Heliogabalus, Kaiser in Rom trieb? Sie ist zwar etwas säuisch, aber du wirsts schon ausstehn, weil du einmal zum Hahnrey auserkohren bist. Durch Sibyllinische Stichomanti? Durch Onomatomanti? Wie heissest? – Leckarß, versetzt' Panurg. – Etwann durch Alektryomanti? So mach ich hie einen stattlichen Cirkel her, theil ihn vor deinen sichtlichen Augen in vierundzwanzig gleiche[426] Theil, schreib dann auf einen jeden Theil einen Buchstaben aus dem Alphabet, und leg ein Waitzenkörnlein hin auf jeden Buchstaben; darauf lass ich einen schönen Hahnen darüber, muß aber noch ein Junggesell seyn. Was gilts, so sollt du sehn, daß er die Körnlein von den Buchstaben H. A. H. N. R. E. Y. so divinatorisch fressen wird, als weiland unterm Kaiser Valens, der seinen Nachfahr wissen wollt, der alektryomantische Hahnen-Prophet die Buchstaben Θ. Ε. Ο. Δ. abfraß. Wollt ihrs erforschen durch Haruspiz? durch Extispiz? durch Augurien aus der Vögel Flug? durch Oscinen-Sang? durch solistimischen Tanz mit Enten? – (durch Schitztispiz, antwort Panurg. –) Oder auch durchNekromanti? Flugs werd ich euch einen kürzlich verstorbenen Leichnam erwecken, wie Apollonius von Tyana den Achilles, und wie die Hex im Beyseyn Sauls: der soll uns das Kurz und das Lang der Sach so haarklein melden, nicht mehr noch minder, als auf Beschwörung der Erichtho ein Todter weiland dem Pompejus den ganzen Hergang und Verlauf des Pharsalischen Treffens prophezeyet'. Oder, wenn ihr vor Toden Furcht habt, wie alle Hahnreys von Natur, so thu ichs schon durch Skiomanti.

Geh, rief Panurg, zum Teufel! du Hundsnarr, und laß dich einen Albaner laternen, bis du den spitzigen Hut aufs Ohr kriegst. Wetter! soll ich nicht gar noch einen Smaragd oder Hyänen-Stein unter der Zung tragen, oder mich mit Widhopfszungen und Laubfroschherzen behängen, oder ein Drachenherz und Leber fressen, um aus der Schwän und Vögel Sang mein Schicksal zu erfahren, wie weiland die Araber in Mesopotamien? Zu dreyssig Teufeln fahr doch dieser Hornochs von Hahnrey, dieser Mauschel und Teufelszaubrer, Hexenmeister des Antichrist! Kommt, laßt uns wieder zu unserm König: ich weiß, es wird ihm gar nicht recht seyn, wenn er hört daß wir in dieses vermummelten Teufels Spelunk gewesen. Mich reut daß ich her ging. [427] Hundert Nobel und vierzehn Bauern gäb ich, mein Seel! mit Freuden drum, wenn ihm der Bursch, der mir vor diesem im Latz faucht', gleich mit seinem Speichel den Schnautzbart illuminiren dürft. Potz Sakerdamm! hat er mich nicht mit seinem Teufelsspuk und Wust, mit seinen Zauber- und Hexenkünsten ganz eingeschwafelt! Also nehm ihn der Teufel auch zu sich. Sprecht Amen dazu, und kommt zur Tränk. Mir schmeckt kein Bissen unter zwey Tagen, nicht unter vieren.

Sechs und Zwanzigstes Kapitel
Sechs und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Panurg beym Bruder Jahn vn Klopffleisch Rath nimmt.


Panurg war von des Trippa Reden mißmuthig worden. Als sie nun den Flecken Huymes zurückgelegt, wandt er sich an den Bruder Jahn, kratzt' sich dabey im linken Ohr, und sprach mit meckernder Stimm zu ihm: Komm, mach mir etwas Lustigs vor, mein Hosseloddel; der Geck hat mir mit seinem teuflischen Geträtsch den Kopf ganz wuescht gemacht. Merk auf, mein


Schatz-Cujon, meinStahl-Cujon

Glatz-C.Antiquar-C.

Putz-C.Grapprother C.

Verbleyter C.Gesteppter C.

Polster-C.Gewiegter C.

Maser-C.Gespickter C.

Stukkatur-C.Bürger-C.

Arabesken-C.Zundel-C.

Windhundsbeiniger Spring-C.Gepichter C.

Getroster C.Gehetzter C.

[428]

Kornwibel-CujonErsehnter Cujon

Buntsprenkel-C.Ebenholz-C.

Gewetzter C.Buchsbaum-C.

Geschworner C.Latein-C.

Gekernter C.Schnapp-C.

Wuthschaum-C.Zaumloser C.

Schlepprock-C.Forcirter C.

Lyripip-C.Gezirkter C.

Gefirnster C.Strotz-C.

Brasilien-C.Hold-C.

Orgel-C.Schwung-C.

Ballester-C.Positiv-C.

Stoßdegen-C.Genitiv-C.

Fuchswilder C.Gigant-C.

Untersetzter C.Oval-C.

Füllsel-C.Claustral-C.

Polirter C.Viril-C.

Rindspulver-C.Respekt-C.

Ehren-C.Rast-C.

Prallafter-C.Massiv-C.

Milchner-C.Manual-C.

Getheerter C.Absolut-C.

Hoch-C.Vierschrot-C.

Grotesk-C.Zwillings-C.

Türken-C.Primsprung-C.

Stral-C.Kläff-C.

Striegel-C.Heißsporn-C.

Sturm-C.Welfen-C.

Schmuck-C.Gesiebter C.

Fix-C.Beliebter C.

Glücks-C.Patronym-C.

Barrenrinds-C.Wespen-C.

Hochköper-C.Galmey-C.

Nothdurft-C.Robuster-C.

Bürzel-C.Appetit-C.

Rips-Raps-C.Secourabler C.

Bären-C.Redoutabler C.

Erblehn-C.Affabler-C.

Gerundiv-C.Memorabler C.

[429]

Aktiv-CujonPalpabler Cujon

Vital-C.Staffabler C.

Magistral-C.Tragi-C.

Monachal-C.Transpontin-C.

Subtil-C.Digestiv-C.

Fürspann-C.Incarnativ-C.

Waghals-C.Sigillativ-C.

Geil-C.Brunst-C.

Schlingkropf-C.Mast-C.

Klopf-C.Donner-C.

Dickkopf-C.Hämmer-C.

Höflicher C.Straff-C.

Fruchtbarer C.Piff-C.

Pfeif-C.Paff-C.

Netter C.Hur-C.

Usual-C.Bravour-C.

Erlesner C.Spießan-C.

Schnaken-C.Mißheckter C.

Bescheel-C.Goldpüppel-C.

Schnautzhahn-C.Schnurgrader C.

Algeber-C.Fulmin-C.

Venust-C.Funkel-C.

Unwidersetzlicher C.Sturmbocks-C.

Ergötzlicher C.Aromatischer Zier-C.

Entsetzlicher C.Diaspermatisir-C.

Werthschätzlicher C.Schnarch-C.

Nützlicher Cujon.Raub-C.

Muskuloser C.Wackel-C.

Succurs-C.Bürst-C.

Satyr-C.Brand-C.

Repercussiv-C.Aufgeprotzter C.

Conculsiv-C.Rammel-C.

Restaurativ-C.Fisch-C.

Maskulin-C.Pomfidel-C.

Baldewin-C.


O du Hakepeter- und Köder-Cujon, Bruder Jahn mein Freund! vor dir hab ich den größten Respekt; dich hab ich mir zum besten Bissen aufgespart. Itzt bitt ich dich, gib [430] mir deinen Rath: sprich, soll ich freyen oder nicht? – Bruder Jahn antwortet' ihm munter und sprach: Ey frey in Teufels Namen, frey! und garambolir mit doppelten Cujon-Kanonen dazu; und das je eher je lieber! Noch heut Abend bestell dir meinethalben das Aufgebet, daß die Bettstell kracht. Potz Morgenkranz, worauf willst warten? Weißt du auch daß der Welt End nicht weit mehr ist? Wir sind ihm heut schon um zween Juchert und eine halbe Klafter näher denn ehegestern. Der Antichrist ist schon geboren; man hat mirs gesagt. Zwar kratzt er nur noch seine Ammen und Kindermägd, er zeigt noch nicht die Reich der Welt, denn er ist noch klein. Crescite. Nos qui vivimus, multiplicamini, stehet geschrieben. Ist ein Brevier-Artikel. Weil noch der Sack Korn nur drey Patac und das Lägel Wein drey Blanken gilt. Oder willt du am jüngsten Tag mit vollen Eyern erfunden seyn? dum venerit judicare? – Du hast, versetzt' Panurg, einen heitern und sehr hellen Kopf, mein Bruder Jahn, mein Metropolitan-Cujon, und redest ziemlich. Dieß war es auch, warum Leander, als er vormals von Abydos in Asien über das Hellespontische Meer zu seiner Buhlen Hero auf Sestos in Europa schwamm, Neptunen und alle Meergötter bat:


Gebt ihr hinüberwärts mir Heil und Glück,
Ersauf ich gern, kehr ich zurück.

Er wollt nicht mit vollen Eyern sterben. Und bin deß Willens: wann die Justiz hinfüro bey mir in Salmigundien einen armen Sünder will abthun, daß man ihn ein paar Tag zuvor waldeselmässig soll rammeln lassen, bis er in all seinen Saamenbläslein auch nicht soviel mehr hat, daß man damit ein griechisch Ψ schreiben möchte. Solch köstlich Ding darf nicht unnütz verloren gehn. Vielleicht daß er einen Menschen zeuget, so stirbt er ohn Kummer; stellt Mann für Mann.

Sieben und Zwanzigstes Kapitel
[431] Sieben und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Bruder Jahn Panurgen lustigen Rath giebt.


Beym Sanct Rigomé! Panurg, mein holder Freund, sprach Bruder Jahn, ich rath dir nichts was ich nicht selbst thät, wenn ich wie du wär. Nur dieß Eine nimm wohl in acht, daß du fein dicht und unabläßlich Feuer giebst! Wo du dazwischen ruhest, bist du verloren, armer Schelm, und geht dirs wie den Ammen: wenn sie die Kinder nicht fleissig stillen, bleibt ihnen die Milch aus. Wenn du die Mentul nicht allzeit übst, bleibt ihr die Milch auch aus, und dient dir nur noch zum Brunzerl, und der Sack nur noch zum Seckel. Deß warn ich dich, mein Freund! Ich habs an Manchen erlebt, die's nimmer konnten wann sie gewollt, weil sies zuvor nicht exercirt, da sie gekonnt. Denn durch den Nichtbrauch gehn alle Privilegien verloren, so spricht der Schreiber. Darum, mein Sohn, halt du den kleinen Bürgersmann da drunten, dieß niedre Bauerngrob, die Troglodyten und Latzidyten 3 in steter Arbeit und leid du nicht daß sie wie faule Edelleut nur müssig von ihren Renten zehren.

Jo nixdi! Bruder, sprach Panurg; ich will dir folgen liebs Cujonel; du mein links Hödel gehst rund raus, hast mich ohn Wenn und Aber und Umschweif all meiner Angst die mir noch bang macht', enthoben. Er halt dich Gott dafür noch allzeit steif und straff zum Dienst. Wohlan! auf dein Wort will ich freyn, und das ohnfehlbar. Werd auch immer auf hübsche Zöpflein bey mir halten, so oft du mich besuchen kommst, und sollst der Schwesterschaft Schirmvogt seyn. So weit der Predigt erster Theil. – Merk auf das Varennische Glocken-Orakel, sprach Bruder Jahn, was sagen sie? – Ich hörs gar wohl, antwort Panurg, es klingt mein Six! prophetischer als die Dodonischen Jupiters-Kessel. Horch: Nimm Frau, nimm Frau, nimm, [432] nimm, nimm, wer Frau nimmt, nimmt, ihm wohl bekommt, kommt, kommt, nimm, nimm. Ich werd auch nehmen, das schwör ich dir, all Element ermahnen mich ja, dieß Wort sei dir eine eherne Mauer.

Anlangend aber den zweyten Punkt, so scheinst du mir allerley Zweifel, ja Mistraun in meine Paternität zu setzen, als ob mir der steife Garten-Gott nicht allzu hold wär. Ich bitt dich zum schönsten, thu mir die einige Lieb und glaub: daß ich ihn allzeit zu Befehl, all überall auf Wort und Wink gelehrig, dienstbar, resolut, fix und alert hab, es braucht nichts weiter als daß ich ihm den Riemen, (ich mein den Hosen-Nestel) abzäum, ihm den Raub weis und oi! oi! Pursch! ruf. Und wenn mein künftig Weib aufs Venus-Spiel erseßner wär als Messalina, oder als die Marquisinn von Onicestre in England: glaub du mir, mein Tröster ist doch rüstiger. Zwar weiß ich gar wohl was Salomo, als ein gelahrter und kundiger Mann, auch nach ihm Aristoteles sagt: Weibs-Brunst ist an sich unersättlich. Doch soll man wissen: auch mein Beschlag ist von gleichem Schrot und unermüdlich. Bring mir hie nicht etwann zum Muster die Fabeln von den Hurenhengsten Herkules, Proculus Cäsar und Mahom, der sich im Koran rühmt, er hätt in seinen Geilen die Zeugungskraft von sechzig Bengels. Er hats gelogen, der geile Bock! Red mir auch nicht von dem durch Theophrastus, Plinius und Athenäus so beschrieenen Indianer, der es mit Hülf eines sichern Kräutleins über siebzig Mal des Tags prästirt'. Ich glaubs nicht, die Zahl ist untergeschoben. Thu mir die Lieb, glaubs auch nicht. Aber, dieß glaub, (so glaubst du nur was wahr ist): mein Natural, Sankt Ithyphal, Messer Cotal von Albing da, dieß ist der wahre Primo del mondo. Horch auf, Cujödel: hast du je die Kutt des Mönchen von Castres gesehen? Sobald man sie wo in ein Haus bracht, seys öffentlich oder heimlich, flugs geriethen durch ihre erschreckliche Kraft alle Wohn- und Miethleut drinn, Vieh und Menschen, Mann und Weib, [433] ja Ratzen und Katzen in Brunst und Rammel. Nun schwör ichs dirs, in meinem Latz hab ich noch weit abnormere Forsch vordem verspürt. Ich red hie gar nicht von Haus noch Klaus, Markt oder Predigt, sondern: als ich dir eines Tags zu Sainct Maixant in die Bud kam, da die Passion gespielet wird, sah ich, wie plötzlich durch dessen geheime Tugend-Kraft das ganze Volk, soviel darinn war, Spieler und Zuschauer durcheinander in so furchtbare Anfechtung kam, daß allda weder Mensch noch Engel, Teufel noch Teufelsmutter war, die nicht stracks hätten rammeln mögen. Der Einhelfer ließ sein Buch im Stich; Der den Sanct Michel präsentirt' schoß mit der Flugmaschin herunter; die Teufel fuhren aus der Höll und holten all die armen Weiblein; selbst Luzifer riß seine Kett entzwey. Kurz ich, als ich den Zäpel sah, trollt mich sacht aus dem Tempel 'naus, und mocht ihm weiter gar nicht zuschaun, nach dem Beyspiel Cato des Censors, als er das Floralien-Fest um seinethalben verstöret sah.

Acht und Zwanzigstes Kapitel
Acht und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Bruder Jahn Panurgen in seiner Hahnrey-Angst Trost einspricht.


Versteh schon, antwort Bruder Jahn: allein die Zeit bricht alle Ding; wird alles alt und morsch, selbst Marmel und Porphyrstein. Wenn es mit dir auch noch zur Zeit so weit nicht ist, wirst du in etlichen Jährlein schon ein ander Lied singen, und eingestehn, daß Mancher den Sack statt Seckels lang hängt. Ich seh, das Haar wird dir schon grau auf deinem Kopf; dein Bart schaut aus wie eine Weltkart, nach den Flecken des Grauen, Weissen, Schwarzen und Braunen. Schau, hie ist Asien, hie Euphrat und Tigris, da Afrika, [434] dort die Mondsgebirg. Siehst du die Nil-Sümpf? Hie hüben Europa. Siehst du wohl Thelem? Dieß ganz schneeweisse Büschel hie, das sind die hyperboräischen Berg. Bey meiner Kehl, Freund! wann der Schnee erst auf den Bergen liegt, ich mein auf Haupt und Kinn, dann ist die Hitz im Hosenthal auch nicht mehr groß. – Daß dich die schwere Mauck! antwortet Panurg, von Topik weißt du nichts. Wann der Schnee auf den Bergen liegt, ist in den Thälern Blitz und Donner, Klamm, Wolf, Krebs, Rötheln, Sturm und alle Teufel los. Willt dus mit Augen sehn, geh in die Schweiz, beschau dir den Wunderberlich-See vier Stunden von Bern, gen Sion zu. Du spottest meiner grauen Haar, und bedenkst nicht daß es auch des Knoblauchs Natur ist. Hat er nicht weissen Kopf und grünen, stracken, saftigen Schwanz? Zwar ist nicht ohn, ich spür an mir ein Art von Alters-Indicium, doch eines rüstigen grünen Alters, (kein Mensch darfs hören, bleibt unter uns!) es ist: daß ich den guten Wein weit firner und mehr nach meinem Schmack find als ich sonst pflag, und mehr als sonst dem Krätzer aus dem Weg geh. Hierinn, merk wohl! steckt ein ich weiß nicht was von Sonnenuntergang, es zeigt daß der Mittag vorüber ist. Allein was thuts mir gutem Gesellen, so frisch als je, mehr als zuvor? Dieß schiert mich nix; mein Gram ist nur, wenn unser Herr Pantagruel einmal auf lange Zeit verreist und, ging er gleich zu allen Teufeln, ich ihm Gesellschaft leisten müßt, mein Weib mich könnt zum Hahnrey krönen. Dieß ist das grosse Donner-Wort. Denn alle Leut die ich drum frug, drohn mir damit und bleiben dabey daß mirs vom Himmel also verhängt sey. – Hum, antwortet Jahn, nicht alle Tag wird einer Hahnrey wie er möcht. Du wirst Hahnrey werden, ergo wird dein Weib schön seyn; ergo du des Glücks Goldsöhnlein:ergo hast du der Freund vollauf, ergo wirst seelig. Dieß ist Mönchs-Topik. Es wird dir Sünder ganz wohl gedeihen, ist dir noch nimmer so gut ergangen. Was verlierst du? Dein Glück wird blühn mehr denn zuvor. Wenn dirs also beschieden ist, willt du dich sträuben dawider? sprich, du


[435]

Holzel-Cujon, duGetretner Cujon

Schimmel-C., duStät'scher C.

Brenzel-C.Zerschrotner C.

Kaltwasser-C.Zerlaßner C.

Frost-C.Verschnupfter Cujon.

Bergunter-C.Preßhafter C.

Heudürrer C.Leckafter-C.

Zerbläuter C.Schlaff-C.

Schwiem-C.Verschoßner C.

Stoppel-C.Zersploßner C.

Wackel-C.Zerrührter C.

Armsünder-C.Miter-C.

Schlaps-C.Geprellter C.

Entkernter C.Schimpfel-C.

Lätsch-C.Bedreckter C.

Verschlagner C.Hohl-C.

Kreuzlahmer C.Dickschnut-C.

Gematschter C.Enthelmter C.

Vertrackter C.Wurm-C.

Entrahmter C.Fist-C.

Maucken-C.Aussatz-C.

Gekappter C.Gerupfter C.

Spadon-C.Schachmatt-C.

Gepritschter C.Schlaraff-C.

Besalbter C.Zottel-C.

Schaafzahmer C.Trepanirter C.

Gemolkener C.Vergilbter C.

Schofel-C.Entmannter C.

Wind-C.Zerpflückter C.

Wurmstich-C.Schwär-C.

Hartschlecht'ger C.Ausgenommener Herings-C.

Mollköpf'ger C.Mehlthau-C.

Bis-carioser C.Ohnmacht-C.

Korkholz-C.Spühligt-C.

Durchlauchter C.Gestippter C.

Schaaler C.Geschröpfter C.

[436]

Larifari-CujonSteriler Cujon

Rachbeer-C.Frostballen-C.

Gehunzter C.Keucht-C.

Geknöchter C.Begoßner C.

Hitzblatter-C.Dünnbier-C

Beschmierter C.Fistelt-C.

Runzel-C.Labet-C.

Hagrer C.Entstielter-C.

Stumpfer C.Krätze-C.

Plackholz-C.Tuberkel-C.

Gewalkter C.Hink-C.

Castrirter C.Firlfanz-C.

Kalterbrand-C.Geschwefelter C.

Geschnittner C.Quappel-C.

Mehlgrind-C.Verhätschter C.

Bruch-C.Dörrfisch-C.

Gangrän-C.Langschmacht-C.

Hundsfisel-CujonGenaster Cujon

Seewasser-C.Entschaalter C.

Entpfropfter C.Krippenbeisser-C.

Verstopfter C.Entleibter C.

Verschlooster C.Demontirter C.

Maulschellirter C.Schlottert C.

Gefakter C.Schmachtriem-C.

Flietirter C.Gefaßter C.

Windbeutel-C.Brodloser C.

Schmarren-C.Ranz'ger C.

Kalt-Aschen-C.Diminutiv-C.

Stinkratz-C.Zirizari-C.

Umgeschlagner Wein-C.Latschari-C.

Schauder-C.Rost-C.

Skrupel-C.Schuft-C.

Krüpel-C.Vergebner C.

Verhexter C.Ein-Arm-C.

Schwindsucht-C.Verwirrter C.

Vernutzter C.Strunz-C.

Bockshorn-C.Gebeugter C.

Drucks-C.Steinreicher C.

[437]

Mazerirter CujonOeder Cujon

Contrakter C.Kaputter C.

Degradirter C.Pudel-C.

Gliedlahmer C.Dünner C.

Kahlmaus-C.Schlier-C.

Furzaus-C.Geflickter C.

Gewelkter C.Erstarrter C.

Zerfetzter C.Cassirter C.

Verstutzter C.Null-C.

Wilper-C.Verschrumpfter C.

Armsünder-C.Fieber-C.


Ey Potz Cujorum und drey Teufel! Panurg, mein Freund, wenn du dazu versehen bist, willt du die Stern rückläufig machen? die himmlischen Sphären aus der Pfann drehn, die bewegenden Intelligenzen des Irrthums zeihen? die Spindeln der Parzen zerknicken, ihre Wirtel meistern, Spuhlen tadeln, Waifen lästern, Kunkeln schelten, Knäul abspinnen? Daß dich Gotts Marter, Cujy! so triebst dus ja toller als die Giganten. Hör an, Cujokel! was möchtest lieber seyn, jaloux ohn Ursach, oder Hahnrey unwissentlich? – weder dieß noch jens, antwort Panurg: doch hab ich einmal erst Wind davon, dann laßt mich sorgen: oder es müßt kein Knüttel mehr auf Erden seyn.

Mein Seel, Freund Jahn! das Best wird doch seyn, ich bleib ledig. Horch, was mir nun die Glocken sagen, itzt da wir näher sind: Frey nicht, frey nicht, nein, nein, nein, nein. Wenn freyst, freyst, freyst, nein, nein, nein, nein, wird Freyn dich reun, reun, reun, wirst Hahnrey seyn. Hilf heiliger Gott, itzt hab ichs dick. Wißt denn ihr andres Kutten-Volk in euerm Glatz-Hirn keinen Trost mehr? Ist denn der Mensch so von Natur verrathen und verkauft daß nicht ein Ehmann mehr durch die Welt könnt laufen ohn in die Abgründ und Gefahren des Hahnreythums zu fallen? – Ich will dir, sprach Bruder Jahn, ein Mittel lehren, wie dich dein Weib ohn dein Wissen und Willen nimmer zum Hahnrey machen soll. – O, rief Panurg, sag an, mein Freund, mein Sammt-Cujon, ich bitt dich [438] drum, erzähl! – So nimm, sprach Bruder Jahn, den Ring Hans Carvels Großjuwelirs beym König in Melindien.

Hans Carvel war ein kluger Zeisig, ein welterfahrner betriebsamer Mann, von gutem Verstand, gesundem Urtheil, kreuzbrav, leutseelig, liebreich, spendabel, ein lustiger Philosophus, im übrigen gar ein guter Gesell und Schäker wie man nur finden mocht, ein wenig dick von Leibsstatur, auch wackelt' er mit dem Kopf ein wenig; nicht allzuflink mehr auf dem Zeug. Auf seine alten Tag freyt er die Tochter des Amtmanns Concordat, ein schön, jung, flink, nett, gätlich Dirnlein, und die mit seinem Gesind und Nachbarn nur allzu schön und freundlich thät. Geschah demnach, daß nach Verlauf etlicher Wochen er auf sie so eifersüchtig als ein Tiger ward, und argwöhnt' daß sie sich wo anders am Zeug ließ flicken. Dem zu steuern, erzählt' er ihr nun Tag und Nacht die schönsten Geschichten von dem Unheil das Ehebruch stiftet, las ihr öfters die Legend von den klugen Jungfern, predigt' ihr Keuschheit, macht ihr ein Buch vom Lob der ehelichen Treu, worinn er die Bosheit verbuhlter Frauen bis in die Höll' verwünscht, und schenkt ihr ein schön Halsband reich besetzt mit orientalischen Sapphiren. Nichts desto weniger sah er sie mit seinen Nachbarn so vertraut und guter Ding, daß er tagtäglich nur immer eifersüchtiger ward. Als er nun wieder eines Nachts bey ihr in solchen Gedanken lag, träumt' ihm daß er mit dem Teufel spräch, und ihm sein Leiden klagt'. Darauf sprach ihm der Teufel Muth ein, steckt' ihm einen Ring an den mittelsten Finger, und sprach: Ich schenk dir diesen Ring; so lang du ihn wirst am Finger tragen, wird nimmer ohn dein Wissen und Willen ein Andrer fleischlich dein Weib erkennen. – Ey grossen Dank, Herr Teufel! spricht Carvel: verdamm mich Mahom, wo ich ihn je vom Finger laß. – Der Teufel verschwand, Hans Carvel wacht' ganz fröhlig auf: da spürt' er daß er seinen Finger in dem Wasistdas seiner Frau hätt. Hab aber noch zu melden vergessen, daß seine Frau als sie dieß merkt' den Steiß zurückzog, als wollt sie sagen: nix, nix, da thu was anders drein! Und hier bedünkt' es dem Hans Carvel als ob man ihm seinen Ring wollt rauben. – Ist dieß nun nicht ein untrüglich Mittel? Darum folg du meinem Rath, [439] und nimm dir ein Exempel dran: zu keiner Zeit laß deiner Frauen Ring vom Finger. – So endigt' ihr Gespräch und Weg.

Neun und Zwanzigstes Kapitel
Neun und Zwanzigstes Kapitel.

Wie Pantagruel wegen Panurgens Skrupeln einen Theologen, einen Mediziner, einen Legisten, und einen Philosophen beruft.


Als sie im Schloß nun angekommen, erzählten sie dem Pantagruel den ganzen Hergang ihrer Reis, und wiesem ihm Großmurrnebrods Sprüchlein. Pantagruel als ers gelesen und wieder gelesen, sprach: Noch niemals hat mir eine Antwort so wohl gefallen. Er zeigt damit summarisch an, in Heyrathssachen soll jedermann seiner eignen Gedanken Schiedsherr seyn, und niemand zu Rath ziehn als sich selber. Dieß war auch immer meine Meinung, und hab euch eben das gesagt, als ihr mich drum zuerst befruget. Allein ich weiß noch wohl, ihr hattet im Herzen euern Spott darüber, und seh, euch blendet Eigenlieb und Philauti. Greifts anders an. Bemerket: Alles was wir sind und haben, bestehet in drey Stücken: Seel, Leib und Gut. Zu eines jeden dieser drey besondrer Erhaltung sind heut zu Tag dreyerley Arten von Leuten bestellet: Die Theologen für die Seel, die Aerzt für den Leib, und die Juristen für Hab und Gut. Mein Rath ist, auf nächsten Sonntag laden wir hie bei uns zum Imbiß, einen Theologen, einen Mediziner, und einen Juristen. Mit ihnen wolln wir insgesamt von euern Skrupeln conferiren. – Helf mir Sankt Picault, antwort Panurg, da werden wir eben nicht klüger werden; ich sehs schon kommen. Schau eins nur unsern verschusterten Weltlauf! Unsre Seelen befehlen wir den Theologen aufzuheben das doch meistentheils Ketzer sind: unsre Leiber den Medizinern, die alle Arzeney verabscheun, selbst nie nix brauchen; und unsre Hab den Advokaten, die unter einander niemals [440] Prozeß zusamen führen. – Ihr redet als ein Hofmann, sprach Pantagruel: doch leugn ich euch den ersten Satz; denn seh ich nicht die guten Theologen einig und lediglich darum bemüht, ja all ihr Sinnen und Trachten stetig dahin gericht mit Rath und That, mit Wort und Schrift die Ketzereyen und Irrlehr auszuräuten? (o! wie weit sind sie demnach entfernt, daß sie sich selbst damit befleckten!) und den wahren lebendigen katholischen Glauben in die Herzen der Menschen zu pflanzen? Den zweyten lob ich: weil ich die guten Mediziner auf den prophylaktischen und gesundheiterhaltenden Theil ihres Handwerks sowohl bedacht seh, daß sie der Heilung und Therapie durch Arzeney entrathen mögen. Den dritten geb ich zu, wiefern ich die guten Anwält mit ihren Repliken und Fürspruch zu Gunsten fremder Recht so viel bemüht und beschäftigt seh, daß sie des eignen wahrzunehmen nicht Zeit noch Weil erschwingen. Darum auf nächsten Sonntag sey mit uns, als Theolog unser frommer Vater Hippothadäus, als Medicus unser Meister Rundibilis, als Legist unser guter Freund Gänszaum. Ja ich wär selbst der Meinung, daß wir uns bis zur Pythagorischen Tetras verstiegen, und noch als vierter Mann unser getreuer Philosoph Stülphändsch mit käm: zumal der wahre Philosophus, wie Stülphändsch ist, affirmative und assertorie auf jeden erhobenen Zweifel Bescheid giebt. Karpalim tragt Sorg dafür, daß wir sie alle vier allhie auf nächsten Sonntag zum Imbiß haben.

Ich glaub ihr hättet, sprach Epistemon, schwerlich unter der ganzen Zunft eine bessere Auswahl treffen mögen; nicht blos hinsichts der hohen Gaben eines Jeden in seinem Stand, die überm Wurfspiel alles Ermessens belegen sind, sondern, was noch mehr: weil Rundibilis beweibt ist, und nicht zuvor [441] war, Hippothadäus es niemals war, noch ist; Gänszaum es war und nicht mehr ist, Stülphändsch es ist, und immer war. Ich will dem Karpalim Müh ersparen, und wenn es euch also beliebt, den Gänszaum selbst anher bescheiden: er ist mein alter Freund; ich hab ohnhin mit ihm zu reden wegen Befördrung seines wackern geschickten Sohns, der zu Tolos im Autidorio des braven gelehrten Boissonné studirt. – Thut wie euch gut dünkt, sprach Pantagruel; und bedenket ob ich etwann für die Beförderung des Sohnes, oder dem Herrn Bissonné zu Ehren was thun kann; denn ich lieb und ehr ihn als der Würdigsten Einem in seinem Fach zu unsrer Zeit. Werd ihm von Herzen gern dienstlich seyn.

Dreyssigstes Kapitel
Dreyssigstes Kapitel.

Wie Hippothadäus der Theolog Panurgen Rath giebt in Heyrathssachen.


Sobald der Imbiß Sonntags drauf gerüstet war, erschienen die Geladenen außer Gänszaum, Lieutenant von Fonsbeton. Als der Nachtisch kam, sprach Panurg mit tiefer Verneigung: Ihr Herren, die Frag ist um Ein Wort: Soll ich heyrathen oder nicht? Könnt ihrden Zweifel mir nicht lösen, muß ich ihn für unlösbar halten, wie des Alliaco Insolubilien. Denn ihr seyd auserkohrene Leut, erkiest, erprobt und auserlesen ein jeder in seinem besondern Fach, wie feine Kichern auf dem Zählbret.

Auf Einladung Pantagruels und Verneigung aller Uebrigen, antwort ihm Vater Hippothadäus mit schier unglaublicher Sittsamkeit: Mein Freund, ihr fordert Rath von uns; [442] ist aber Noth daß ihr zuvor euch selber rathet. Spüret ihr in euerm Leib das Ungestüm der Fleischesstacheln? – Gar stark, versetzt' Panurg, und nehmets nicht für ungut, mein Vater. – Ich thu es nicht, mein Freund, sprach Hippothadäus: aber, habt ihr in dieser Noth die besondere Gab und Gnad der Enthaltsamkeit von Gott empfangen? – Mein Treu, mit nichten! antwort Panurg. – Nun dann mein Freund, so freyet zu, sprach Hippothadäus: denn es ist besser freyen, denn Brunst leiden. – Das heiss ich, rief Panurg, mir noch ein Wort! ein gutes, wackres Wort! es quirlt nicht lang um den Brey herum. Grossen Dank mein Vater! Ich werd auch freyen zuverlässig, und das bald. Ich lad euch zu meiner Hochzeit ein! Potz Hahn und Henn! da solls hoch her gehn. Ich schick euch auch von meiner Livrey, und wolln die Gans zusamen essen; die soll mein Weib beym Kreuz! nicht braten. Werd euch auch um das Ehrentänzlein mit den Jungfern zu tanzen bitten, wenn ihr mir so viel Lieb und Ehr erzeigen wollt, ob ichs verschulden möchte.

Bleibt nur noch ein klein Nüssel zu knacken: klein sag ich; ist so gut als nix. Werd ich auch nicht zum Hahnrey werden? – Ey nicht doch, sprach Hippothadäus, mein Freund! Wenn Gott will, nicht. – Hui, rief Panurg, bewahr uns Herr in Gnaden! wo schickt ihr mich hin, ihr lieben Leut? Zum Wenn und Aber, da alle Art Unmöglichkeiten und Widersprüch sophistischerweis drinn unterlaufen? Wenn mein transalpinisch Maul flög, so hätt mein transalpinisch Maul Flügel. Wenn Gott will, werd ich nicht Hahnrey seyn; und ich werd Hahnrey seyn, wenn Gott will? Ja wenns noch eine Bedingung wär der ich steuern könnt, wollt ich nicht gänzlich drum verzweifeln.

Aber ihr weist mich an Gottes geheimden Rath, in das Stüblein seiner kleinen Ergötzlichkeiten. Wer zeigt denn euch den Weg dahin, euch andern Frantzen? Ich denk, mein Vater, es wird euch wohl am räthlichsten seyn, ihr bleibt von [443] meiner Hochzeit weg. Der Lärm und Tummel der Hochzeitsgäst würd euch nur das Conzept verrucken. Ihr liebt Ruh, Still und Einsamkeit. Ihr bleibt da weg, denk ich mir wohl. Zudem tanzt ihr auch ziemlich schlecht, und würdet euch nur schämen, wenn ihr den ersten Reigen führen solltet. Ich werd euch vom Abhub aufs Zimmer schicken, auch Braut-Livrey. Wenns euch beliebt, mögt ihr auf unser Wohlseyn trinken. –

Mein Freund antwort Hippothadäus, legt meine Wort zum Besten aus! Ich bitt euch drum. Wenn ich euch sag: wenn Gott will, thu' ich euch damit Unrecht? Ists übel gesprochen? Ist die Bedingung etwann lästerlich oder gottlos? Heißt es die Ehr nicht dem Höchsten geben, dem Schöpfer, Vater und Erhalter? Heißts nicht, Ihn als den einigen Geber alles Guten anerkennen? heißts nicht gestehen an Seinem Segen sey alles gelegen, daß wir nichts sind, nichts gelten, schaffen noch vermögen wenn Er nicht Seine heilige Gnad über uns ausgießt? heißt dieß nicht, einen kanonischen Fürbehalt zu allen unsern Werken setzen, und alles unser Thun und Trachten dem Rathschluß Seines heiligen Willens unterwerfen im Himmel wie auf Erden? Seinen hochgelobten Namen in Wahrheit heiligen? Mein Freund, ihr werdet nicht Hahnrey werden, wenn Gott will. Seinen Willen aber hierinn zu wissen braucht ihr noch nicht zu verzweifeln, gleich als ob es ein ganz Verborgnes wär, derhalb man Seinen geheimen Rath müßt fragen, oder in das Stüblein seiner heiligsten Entschlüß dringen. Der gute Gott hat uns die Gnad erwiesen, daß er uns in der heiligen Schrift Seinen Willen offenbaret, verkündiget, deutlich angezeigt und beschrieben hat. Da werd ihr finden daß ihr nimmer Hahnrey seyn werdet, ist zu sagen, daß euer Weib nicht lüderlich seyn wird, wenn ihr braver Eltern Kind dazu erwählt, in Sittsamkeit und Tugend erzogen, die nichts weiß von bösem Umgang noch Gemeinschaft, Gott liebt und fürchtet, Ihm fröhlig dient im Glauben und Beobachtung Seiner heiligen Gebot; sich scheut ihn zu erzürnen oder Seine Gunst durch Mangel im Glauben zu verscherzen, durch Übertretung Seines göttlichen Gesetzes, in welchem Ehebruch streng verboten; darinn es heißt: du sollst deinem Mann allein anhangen, ihn ehren, ihm in allem dienstlich seyn, ihn lieben nächst [444] Gott selbst. In solcher Zucht sie zu bestärken, müßt auch ihr dann eures Orts mit ehelicher Freundschaft sie hegen und pflegen, treulich bey ihr verharren, ihr ein gut Beyspiel sehen lassen, keusch, sittsam, ehrlich in euerm Hausstand leben, wie ihr von ihr an ihrem Theil begehrt. Denn, wie man auch den Spiegel nicht für den besten und vollkommensten hält, der am meisten mit Gold und Steinen verziert ist, sondern vielmehr den, der die Gestalten wahrhaft zeigt, so istdas Weib nicht am höchsten zu schätzen, das reich, schön, zierlich, von hohem Haus stammt, sondern die sich vor Gott zumeist der guten Zucht befleissiget und ihres Mannes Art bequemt. Sehet nur wie die Mondenscheib ihr Licht nicht vom Mercurius, noch Jupiter, noch Mars, noch sonst einem andern Planeten oder Stern nimmt, so viel ihrer am Himmel sind; sondern sie empfängts allein vom Sonnenball ihrem Ehgemal, und empfängt nicht mehr davon, als er durch seinen Aspekt und Einfluß ihr mittheilt. Also sollt auch ihr euerm Weib ein Muster und Fürbild aller Tugend und Ehrbarkeit seyn, und auch die Gnad des Herrn dabey allzeit zu eurem Beystand erbitten.

Daß heißt, sprach Panurg, (und spann an den Zipfeln seines Schnautzbarts) ich soll das vollkommene Weib freyn, das Salomo beschrieben hat? Die ist todt, maustodt, ich wenigstens hab sie noch nicht gesehen, daß ich wüßt, verzeih mirs Gott. Doch, großen Dank mein frommer Vater. Eßt dieß Schnittlein Marzipan, es wird euch die Verdauung schärfen: und trinkt ein Glas rothen Hippokras drauf; er ist gesund und stomachal. Itzt weiter im Text!

Ein und Dreyssigstes Kapitel
Ein und Dreyssigstes Kapitel.

Wie Rundibilis der Arzt Panurgen berathet.


Das erste Wort, fuhr Panurg fort, das Der sprach, der die Layen-Mönch zu Saussignac entgeilt', nachdem er den [445] Bruder Wahrmohr entgeilet, war: Itzt an die Andern! Ich sag gleichfalls: Itzt an die Andern! Also frisch! mein lieber Meister Rundibilis, machts kurz, sprecht: soll ich freyn oder nicht? – Bey meines Mauls Paßgang! antwortet Rundibilis, ich weiß nicht was ich sagen soll auf dieß Problema. Ihr bezeugt daß ihr die Stacheln der Sinnlichkeit scharf in euch spüret. Ich befind in unsrer ärztlichen Facultät, und habens aus der altplatonischen Schul entlehnt, daß die Fleischeslust durch fünferley Mittel gebändiget wird.

Durch den Wein – das will ich glauben, sprach Bruder Jahn, wann ich sternvoll bin, verlangt mich nach weiter nichts als Schlaf. – Ich mein, durch Wein im Uebermaas genossen, sprach Rundibilis. Denn des Weines Uebermaas im menschlichen Körper, wirkt Erkältung des Geblüts, Erschlappung der Nerven, Verdünnung des erzeugenden Saamens, Stumpfung der Sinnen, Unterdrückung der Functiones; welches alles den Beyschlaf hindert. Wie ihr denn auch Bacchum, den Gott der Trunkenbold unbärtig und in Frauentracht, gleichsam ganz weibisch als Eunuchen und Hämling abgebildet sehet. Ein andres ist es mit dem Wein, wenn man ihn mässig trinkt. Besagts der alte Spruch, daß Venus frier ohn die Gemeinschaft Bacchus und Ceres. Und war auch nach des Diodorus von Sizilien Bericht, die Meinung der Alten, insonderheit der Lampsacener, wie der grosse Pausanias zeugt, daß Herr Priap des Bacchus und der Venus Sohn gewesen sey.

Zweytens durch allerley Medicament und Kräuter, wodurch der Mensch zur Zeugung kalt, ungeschickt und schier verhext wird. Wie zu ersehen ist an Nymphäa Heraclia, an Amerina, Weiden, Hanf, Periklimenos, Tamarisken, Mandragora, Vitex, Cicuta, an der kleinen Orchis, der Haut des Hippopotamus und andern, die in des Menschen Leib, sowohl durch elementarische Tugend als durch specifische Eigenschaft den Fruchtkeim coaguliren und tödten, oder die Geister, die ihn zu den von Natur bestimmten Orten leiten, zerstreuen; oder die Gäng und Weg durch die er[446] abgehn soll, verstopfen. Wie wir auch gegentheils andre haben, die zu dem Liebeswerk erhitzen, den Menschen spornen und tauglich machen. – Die thun mir, Gott sey Dank! nicht noth, versetzt' Panurg; Euch etwann, Meister? doch nichts für ungut, ich hab die Frag nicht bös gemeint.

Zum dritten, sprach Rundibilis, durch anhaltende Arbeit, als welche den Leib dermaasen erschöpft, daß das zur Erhaltung der einzelnen Glieder durch denselben vertriebene Blut nicht Zeit, Weil noch Vermögen findet, jene spermatische Feuchtigkeit und Ersparniß von der dritten Dauung mehr auszuscheiden. Die Natur behält es für sich selbst zurück, denn es ist ihr weit nöthiger zu ihres Individui Erhaltung, als zur Fortpflanzung der Species des Menschengeschlechtes. So heißt Diana die Züchtige, weil sie stets Jagd und Wildzucht übt. So hieß man weiland die Feldläger castra, gleichsam casta, darin die Söldner und Athleten in steter Arbeit und Uebung waren. Also schreibt Hippokrates, Lib. de Aëre, Aqua et Locis, von etlichen Völkern in Scythien, die seiner Zeit zum Venus-Spiel untauglicher als die Verschnittenen waren, weil sie beständig zu Pferd und in Arbeit waren. Wie gegentheils, nach der Weisen Ausspruch, die Faulheit der Wollust Mutter ist. Als man Ovidium befrug, warum ward Aegisthus zum Ehebrecher? sprach er: aus keinem andern Grund, als weil er müssig ging. Und wenn man den Müssiggang von der Welt vertilgt', Cupido's Kunst hätt bald ein End: sein Bogen, Pfeil und Köcher wär ihm ein unnütze Last, er würd damit niemanden mehr ein Leids anthun, denn er ist nicht der Schütz darnach, daß er den Kranich in der Luft, den fliehenden Hirsch im Wald sollt treffen, wie wohl die Parther, das will sagen, die rührigen, emsigen Menschen, thäten. Er verlangt sein Wild in Ruh, stillsitzend, liegend, faul und müssig. Derhalb auch Theophrast einmal, als man von ihm zu wissen begehrt' für was für Dinger oder Thier er die Liebesgötter hielt, erwiedert': es wären Passionen müssiger Geister. Deßgleichen sprach Diogenes, Hurerey wär das Thun und Treiben solcher Leut die sonst nichts weiter zu treiben wüßten. Dieserhalb stellt' auch der Bildhauer Kanachus von Sicyon, als er lehren wollte, daß Trägheit, Faulenz und Müssigang [447] der Ueppigkeit Säugammen wären, das Bild der Venus nicht stehend für, wie Alle vor ihm, sondern sitzend.

Viertens, durch emsig eifrigs Studiren. Denn solches erschlappet die Geister unglaublich; also daß ihnen die Kraft entgeht, die generativische Feuchtigkeit an die bestimmten Oerter zu führen und den gehöhleten Nervus zu schwellen, deß Amt ist, sie zur Fortpflanzung der Menschen-Raß herfürzustossen. Und zum Beweis daß ihm so sey, habt einmal Acht auf einen Menschen der fleissig über ein Studium nachdenkt. Alle Adern des Hirns an ihm werd ihr gleich einer Armbrust-Sennen gespannet sehn, um ihm behend die nöthigen Geister zuzuführen zu Füllung der Kammern des Menschenverstandes, der Empfindung und Einbildung, der Schluß- und Urtheilskraft, Gedächtniß und Erinnerung sowohl, als zu geläufigem Uebergang vom einen zum andern durch die Weg am End des Wundernetzes, wo, wie aus der Anatomie ersichtlich, die Adern ihre Mündung finden, die in dem linken Herzventrikul entsprangen, und die Lebensgeister in langen Bogen und Windungen zu thierischen läuterten. Dergestalt daß ihr an einem so vertieften Menschen alle Natur-Functiones wie aufgehoben sehen werdet, all seine äussern Sinnen stocken, kurz ihn für leblos, für entzückt aus seinem Leib erachten werdet, un sagen daß Sokrates nicht unziemlich das Wort gebraucht hab als er sprach: Philosophi sey weiter nichts als Todesbetrachtung. Dieß war wohl auch der Grund warum sich Demokritus selbst blenden thät, denn minder wichtig bedünkt' ihm des Gesichtes Verlust als die Verminderung seiner Gedanken, die durch der Augen Zerstreuung ihm oft unterbrochen wurden. So heißt Pallas die Göttin der Weisheit, die Schützerin der Studirenden, Jungfrau. So sind die Musen Jungfraun, so beharren auch die Charitinnen in ewiger Keuschheit; und entsinn mich gelesen zu haben daß einst Cupido, den seine Mutter Venus frug, warum er nicht die Musen anfiel, zur Antwort gab, er fänd sie so schön, rein, ehrbar, sittsam und stets beschäftigt: die eine mit Betrachtung der Stern, die andre mit Berechnung der Zahlen, die dritte mit geometrischen Maasen, die vierte mit rednerischer Erfindung, die fünfte mit poetitischen Künsten, die sechste mit Musiksetzung etc., daß er, wenn er zu ihnen käm, seinen Bogen abspannt', den Köcher [448] zuschlöß, die Fackel verlöscht' aus Scham und Scheu ihnen weh zu thun. Drauf nähm er sich die Bind von den Augen, sie offnen Angesichts zu schauen, ihre artigen Lieder und Oden zu hören: dieß wär ihm die größte Lust der Welt, daß er sich öfters schier verzückt fühlt' in ihrer Anmut und Lieblichkeit, ja in der Harmonie entschlief, geschweige daß er sie überfallen oder von ihren Studien sollt abziehn.

Unter diesem Stück begreif ich auch mit was Hippokrates im ernannten Buch von den Scythen schreibt, was auch im Buch de Genitura: daß jeder Mensch untauglich zur Erzeugung sey, dem man einmal die parotischen Adern zerschnitten, die neben den Ohren belegen sind; aus dem zuvor gedachten Grund, wo ich von Schwächung der Geister sprach und des geistigen Blutes, dessen Behälter die Adern sind: wie er dann auch behauptet daß ein grosser Theil des Saamens im Hirn und Rückgrat entspring.

Fünftens: durch den venerischen Actum. – Da hab ich, fiel Panurg ihm ein, nur drauf gelauert, und nehms für mich. Hol sich das andere zu wer Lust hat. – Dieß ist, sprach Bruder Jahn, was Ehrn Scyllino Prior zu Sankt Victor bey Marseille, Ertödtung des Fleisches nennt. Und halt dafür (wie auch die Meinung des Klausner zu Sanct Radegunden über Chinon war): daß die Thebaischen Klausner nicht füglicher ihren Leib kasteyen, dieß Hurengelüst mortifizieren, den Aufruhr des Fleisches ersticken mögen, als wenn sie's des Tages fünfundzwanzig bis dreyssig Mal thun. – Ich seh Panurg ist, sprach Rundibilis, von guter Leibesproportion, wohl temperirter Säft; die Geister sind wohl complexionirt in ihm, sein Alter paßlich, die Zeit gelegen; er hat den redlichen Willen zu freyn: find er ein Weib von gleichem Schlag, werden sie Kinder mitsamen zeugen, transpontinischer Thronen werth. Er thu dazu je eher je lieber, wenn er die Kinder noch will versorgt sehn.

Ich werds auch, Meister, sprach Panurg, und nächster Tag; da zweifelt nicht. Während eures gelahrten Sermons hat mich mein Floh im Ohr hie mehr als je gezwickt. Ihr [449] seyd mein Gast: und hoch solls hergehn, aberhoch! verlaß euch drauf. Bringt euer Weib mit, wenns euch beliebt, auch ihre Basen und Nachbarinnen, das versteht sich. Alles mit Züchten.

Zwey und Dreyssigstes Kapitel
Zwey und Dreyssigstes Kapitel.

Wie Rundibilis Hahnreyschaft für ein natürlich Zubehör des Ehestands erkläret.


Bleibt, fuhr Panurg fort, nur noch ein kleiner Punkt zu erörtern: (ihr wißt was auf der Römer-Fahn stand: S. P. Q. R. S'ist purer Ouark:) Werd ich auch nicht zum Hahnrey werden? – Potz Erdrich! rief Rundibilis, was fragt ihr mich? Ob ihr ein Hahnrey seyn werdet? Mein Freund, Ich bin ein Ehemann, ihr werdet mir folgen und einer werden; aber mit ehernem Griffel schreibt euch dieß Wort ins Hirn: Jedweder Ehmann schwebt in Gefahr ein Hahnrey zu werden. Die Hahnreyschaft ist ein natürlich Zubehör des Ehestandes. Der Schatten folgt dem Leibe nicht natürlicher als Hahnreyschaft den Eheleuten. Und wo ihr Einen die drey Wot: Er ist beweibt, aussprechen höret, und ihr entgegnet: Ergo ist er entweder, war, wird oder kann ein Hahnrey seyn, werdet ihr traun kein schlechter Grobschmidt natürlicher Schlüß gescholten werden.

Potz Hypochonder und tausend Teufel! schrie Panurg, was sagt ihr mir? – Mein Freund! versetzt' Rundibilis: Hippokrates, als er einmal von Lango gen Polistillo ging den weisen Demokrit zu besuchen, schrieb einen Brief an seinen alten Freund Dionysius, darinn er ihn bat sein Weib in seinem Abseyn zu ihren Eltern zu geleiten, welches ehrbare [450] Leut und wohl berufen waren, weil er nicht möcht daß sie in seinem Haus allein blieb. Nichts destoweniger sollt er aber sie sorgsam hüthen, wohl Achtung geben was sie mit ihrer Mutter für Weg ging, und was für Leut bey ihren Eltern zu ihr kämen. Nicht, schrieb er, daß ich in ihre Tugend und Sittsamkeit ein Mistraun setzt', die ich zeither ganz wohl erprobt und bewährt erfunden, sondern nur weil sie ein Weib ist. – Da habt ihrs gleich mit eins, mein Freund. Der Weiber Art stellt uns der Mond für, sowohl in vielen andern Stücken, als darinn daß sie in Gegenwart und unter den Augen ihrer Männer sich ducken, verstellen und Zwang anthun. Sobald die aber den Rücken wenden, nehmen sie ihres Vortheils wahr, machen sich gute Zeit, vagiren, wandern, schlenzen, ziehn die Larv ab und declariren sich: wie der Mond, in Conjunction mit der Sonnen, weder am Himmel noch auf Erden scheinet, wohl aber Gegenschein zu ihr, wann er der Sonn am fernsten steht, vollkommen rund und glänzend strahlt, zumal bey Nacht; so auch die Weiber allzumal.

Denn, sag ich: Weib, so mein ich ein so veränderlich, gebrechlich, unbeständig, wandelbar und unvollkommenes Geschlecht, daß die Natur mir (mit Respekt und aller schuldigen Ehrfurcht zu reden) von jenem richtigen Verstand, womit sie alles formirt und erschaffen, sich gar verirrt zu haben scheint, als sie das Weib erfand. Und wenn ichs auch hundert und hundert Mal bedenk, komm ich auf keinen andern Schluß, als daß sie mit Erschaffung des Weibes mehr auf des Mannes gesellige Lust und Mehrung des Geschlechtes bedacht war, denn auf Vollkommenheit des Weibes in sich selbst. Fürwahr, auch Plato weiß nicht zu welcher Class er sie zählen soll, ob zu den vernünftigen Wesen, oder zu dem blöden Vieh. Denn ihnen hat die Natur an einen geheimen und innerlichen Theil ihres Leibes ein Thier, ein Glied gesetzt, das nicht beym Mann ist, darinn sich unterweilen allerhand salzige, nitrose, borachalische, baitzende, ätzendscharfe, prickelnde und bitterkitzelnde Säft erzeugen, durch deren Stich und schmerzhaft Krabeln (zumal dieß Glied voll Nerven und lebendiger Empfindung ist) ihr ganzer Leib erschüttert wird, all ihre Sinnen ausser sich, all ihre Affecten in Verwirrung, und die Gedanken [451] in Aufruhr gerathen. Dergestalt daß, wenn die Natur ihnen nicht noch mit ein wenig Schaam die Stirn besprengt hätt, ihr sie würdet wie rasend Nestellaufen sehen, abscheulicher als nimmermehr die Proetiden, Mimalloniden und die Bacchantischen Thyaden an ihrem Bacchanalienfest: weil dieses schreckliche Thier mit allen fürnehmsten Theilen ihres Leibes zusammenhangt, wie aus der Anatomi ersichtlich.

Thier nenn ich es sowohl nach akademischen, als peripatetischem Lehrbegriff. Denn wenn eigne Bewegung ein sicheres Merkmal jedes lebendigen Wesens ist, wie Aristoteles schreibt, und alles was sich von selbst beweget Thier heißt, so nennt es Plato mit gutem Fug ein Thier, weil er in ihm die eigenen Bewegungen der Suffocation, der Corrugation, Indignation und Präcipitation bemerket, und zwar so heftig, daß durch sie den Weibern oft jeder andre Sinn und Bewegung benommen wird, gleich als wie durch Synkope, Lipothymi, Epilepsi, Apoplexi und wahre Todes-Aehnlichkeit. Ausserdem sehn wir in diesem Glied auch eine deutliche Unterscheidung der Gerüch, und merken die Frauen, daß es die stinkenden flieht, die Gewürzigen aufsucht. Zwar weiß ich wohl daß sich Galen zu erweisen bemühet als wären dieß keine selbsteigne Bewegungen, sondern durch Zufall; und daß auch Andre seiner Sekt zu zeigen trachten, es sey kein unterscheidender Sinn der Gerüch in ihm, vielmehr nichts weiter als eine verschiedene Wirksamkeit, herrührend von der Verschiedenheit der ruchbaren Ding. Wenn ihr jedoch ihre Gründ und Reden treulich prüfen und auf des Critolai Wagschaal abwägen wollt, werd ihr wohl finden daß sie sowohl in diesem Stück als viele andere mehr, zum Scherz und aus Begier geschrieben haben ihren [452] Meistern zu widersprechen, denn um Erforschung der Wahrheit willen.

In diesen Streit laß ich mich itzt nicht weiter ein, und sag nur dieß noch: daß das Verdienst der züchtigen Frauen nicht klein ist, die keusch und untadlich gelebt und so viel Tugend besessen haben dieß unbändige Thier im Zaum der Vernunft zu erhalten. Und schließlich sey hinzugefügt: daß, wenn dieß Thier ersättigt ist (wofern es anders je satt kann werden) durch die ihm von der Natur im Mann bereite Nahrung; daß alsdann all seine eignen Bewegungen zur Ruh gebracht, all seine Trieb erfüllt, all seine Furien beschwichtigt sind. Drum laßt es euch nicht wundern wenn wir in steter Gefahr sind Hahnreys zu werden, die wir doch nicht zu allen Stunden mit baarer Münz zu gnüglicher Zahlung beschlagen sind.

Ey daß mich doch was anders biß! versetzt' Panurg; wißt ihr dawider denn gar kein Mittel in eurer Kunst? – Gar wohl, mein Freund, sprach Rundibilis, und ein sehr gutes; ich brauchs selbst. Es steht in einem berühmten Author schon über achtzehnhundert Jahr. Vernehmt. – Nun, rief Panurg, ihr seyd doch beym Kreuz Gottes! ein Ehrenmann: ich hab euch wahrlich zum Fressen lieb. Da, nehmt von dieser Quitten-Pastet; sie constringiren gar geschickt das Orificium Ventriculi mittelst einer ergötzlichen Stypticität die ihnen beywohnt, und helfen zu der ersten Dauung. Doch was! ich red wohl gar Latein vor den Gelahrten? Wartet, daß ich euch diesen Nestorischen Stauffen füll! Wollt ihr noch einen Schluck weissen Hippokras? Ihr braucht euch nicht vor der Squinanthi zu fürchten, bei Leib! ist kein Squinanthum drinn, noch Ingwer, noch Paradiskörnlein: nur edler auserlesner Zimmet, der feinste Zucker, und guter Weiß-Wein vom Gewächs der Devinier' im Garten zum grossen Speyerling gleich oben überm Wallnußbaum.

Drey und Dreyssigstes Kapitel
[453] Drey und Dreyssigstes Kapitel.

Wie der Arzt Rundibilis ein Mittel wider Hahnreyschaft giebt.


Zu der Zeit, sprach Rundibilis, als Jupiter seinen Olympischen Hofhalt und Staatskalender aller Götter und Göttinnen macht' auch einem Jeden Tag und Jahreszeit seines Festes anberaumt und die Orakel- und Wallfahrtsörter auserkohren, ihre Opfer schon regulirt hätt – (Macht' ers etwann, fiel Panurg ihm in die Red, wie der Bischof Tinteville von Auxerre? Der edle Prälat hielt grosse Stück auf guten Wein, wie jeder Ehrenmann drauf hält und halten muß. Daher er dann auch besondre Lieb und Sorgfalt für den Rebenstock trug, des Herren Bacchus Eltervater. Nun aber sah er manch liebes Jahr die Weinblüth elend zu Schanden gehen durch Nachtfröst, Reif, Schnee, Glatteis, Hagel, scharfen Wind und Calamitäten um die Zeit der Fest Sanct Görgen, Marci, Vitalis, Eutropii, Philippi, Kreuzfindung, Himmelfahrt und andere die um die Zeit fallen wann die Sonn in das Zeichen des Stiers tritt. Daraus er schloß, ernannte Heilige wären nur Schnee- und Hagels-Heilige und Verderber der Rebenbluth. Derhalb nun wollt er ihre Fest in den Winter verlegen zwischen Weihnacht und Typhani (wie er nämlich die Mutter der drey König hieß): da stellt' er ihnen bescheidentlich und allerunterthänigst frey zu schneyn und zu hageln so lang sie wollten, weil da der Schnee den Blüthen nicht schädlich, sondern vielmehr im Gegentheil gedeihlich und ersprießlich wär. An ihre Statt wollt er die Fest Sanct Christoph, Sanct Johanns Enthauptung, Magdalenen, Annä, Dominik, Laurenz, ja die Hundstag in den Mayen legen; zu welchen Zeiten man nicht allein vor Frösten sicher, sondern so weit vom Frieren entfernt wär, daß man kein Handwerk auf der Welt so nöthig hätt als Eisverkäufer, Rahmschneepeitscher, Laubenschmücker und Weinabkühler. –)

Da vergaß, fuhr Rundibilis weiter fort, Jupiter die arme Teufelin Hahnreyschaft, die zu der Zeit abhanden war: denn [454] sie war eben auf dem Rathhaus zu Paris, allwo sie einen Hurenprozeß eines ihrer Lehensleut und Cossäten betrieb. Nach etlichen Tagen bald darauf erfuhr Hahnreyschaft was man ihr für einen Streich gespielt hätt, ließ ihre Sach fahren, aus neuer Sorg ihres Hofamts verlustig zu gehen, und erschien vor dem grossen Jupiter in Person; berief sich da auf ihre vorigen Merita, wie viel gute ersprießliche Dienst sie ihm vorlängst geleistet hätt, innständig bittend sie nicht ohn Fest, ohn Opfer und Ehrenbezeugung zu lassen. Jupiter excusirt' sich, entgegnet', daß all seine Würden vergeben wären, sein Hof bereits geschlossen wär: aber Frau Hahnreyschaft bestürmt ihn so lang bis er sie in die List und Haushalt endlich doch noch setzen und ihr auf Erden Opfer, Fest und Ehren bewilligen mußte.

Ihr Fest fiel und concurrirt' (weil im ganzen Kalender kein Platz mehr frey noch ledig war) auf den Tag der Göttinn Eifersucht: ihre Herrschaft war über die Ehemänner, insonders die schöne Weiber hätten, und ihre Opfer: Argwohn, Mistraun, Griesgram, Bewachen, Spioniren, Belauern der Männer ihrer Weiber, nebst strengem Befehl an jeden Mann, ihr Dienst und Ehrfurcht zu erweisen, ihr Fest gedoppelt zu begehn, und ihr ernannte Opfer zu bringen bey Straf und Drohung daß Hahnreyschaft allen Denen die sie nicht nach solcher Fürschrift ehren würden, auch nicht wollt hülfreich, günstig noch gewärtig seyn, nach ihnen nicht fragen, nie in ihr Haus gehn, nimmer Umgang mit ihnen pflegen, wie sehr sie sie auch darum anflehn möchten, sondern sie mit ihren Weibern ganz allein ohn Nebenbuhler auf alle Zeiten versauern lassen und sie als Ketzer und Gottesleugner ewiglich fliehen; wie gleichfalls auch die andern Götter ihre Verächter zu strafen pflegen, Bacchus die Winzer, Ceres die Bauern, Pomona die Oebster, Neptun die Schiffer, Vulkan die Schmiede, und andre mehr. Wobey sie hinwiederum heilig gelobt', daß denen die, wie vorgedacht, ihren Feyertag heiligen, Handel und Wandel einstellen, ihre eigne Handirung versäumen, nichts andres thun noch treiben würden, als ihre Weiber mit Eifersucht quälen, einsperren und belauern wie es der Opferbrauch von ihnen erheischt', denen wollt sie allzeit hold seyn, sie lieben, besuchen, bey Tag und Nacht [455] ihr Haus bewohnen, zu keiner Zeit ihr Antlitz ihnen entziehen. Dixi.

Ha, ha ha sprach Karpalim lachend, das ist noch ein curjoser Mittel als Carvels Ring. Der Teufel hol mich wo ichs nicht glaub. Der Weiber Art ist einmal so: Gleichwie der Blitz nur solche Ding die hart und fest sind und Widerstand thun verbrennt und zerschmettert, die weichen, schlappen, geschmeidigen vorbeyfährt – denn er schmilzt den stählernen Degen, verschont die sammtene Scheid; verzehrt die Knochen im Leib, und läßt das Fleisch dran ganz – so spannen auch die Weiber ihres Geistes Kraft, Verschlagenheit und Widerstand allzeit nur gegen das was sie sich untersagt und verboten wissen. – In Wahrheit, sprach Hippothadäus, Etliche unsrer Doctores lehren daß auch das erste Weib auf Erden, so die Ebräer Heva heissen, schwerlich vom Baum der Erkenntniß zu essen versucht wär worden, wenn er ihr nicht wär verboten gewesen. Welches ihr schon daraus sehet, wie der listige Versucher gleich beym ersten Wort ihr das Verbot derhalb zu Gemüth führt', als wollt er sagen: es ist dir verboten, also mußt du davon essen, oder du wärest ja kein Weib.

Vier und Dreyssigstes Kapitel
Vier und Dreyssigstes Kapitel.

Wie die Weiber gewöhnlicherweis nach verbotenen Dingen trachten.


Zu der Zeit, sprach Karpalim, als ich noch Kuppler in Orleans war, hatt ich kein triftiger Argument, keinen verführerischern Scheingrund der Rhetorik die Damen aufs Stroh und zu dem Liebesspiel zu beschwatzen, als wenn ich ihnen fein bündig, kräftig und recht abscheulich demonstrirt' daß ihre Männer jaloux auf sie wären. Ich hatts mit nichten etwann erfunden; es steht geschrieben und sind derhalb Gesetz, Exempel, tägliche Fäll und Erfahrungen genug vorhanden. Steckt ihnen dieser Glauben nur erst einmal im Kragen, dann machen sie euch beym grossen Pott! (daß [456] ich nit schwör) ihre Männer ohnfehlbar zu Hahnreys, und wenn sie's gleich anstellen müßten wie Semiramis, wie Egesta, Pasiphaë oder wie die Weiber der Insel Mandez in Aegypten, durch Herodot und Strabo belobt, und andre mehr dergleichen Betzen. – In der That, sprach Pantagruel, ich hört' einmal vom Papst Johann dem Zweyundzwanzigsten erzählen, daß, als er einst durch Fonthevrault kam, ihn die Aebtissin und frommen Mütter um einen Indult gebeten hätten, kraft dessen sie unter einander sich selbst Beicht hören dürften, in Betracht die Ordensfrauen allerhand kleine heimliche Schwachheiten an sich hätten, die ihnen aus Schaam unleidlich viel einem männlichen Beichtiger zu verrathen. Weit freyer und vertraulicher würden sie sichs einander selbst unter dem Siegel der Beicht bekennen. – Es ist nichts in der Welt, versetzt' der Papst das ich nicht gern euch gönnte; find aber hiebey nur Ein Bedenken: daß nämlich die Beicht verschwiegen muß bleiben. Ihr andern Frauen bewahrtet sie schwerlich. – Gar leicht, und besser denn ein Mann! versetzten sie. – An dem bestimmten Tag gab ihnen der heilige Vater ein Schächtlein aufzuheben, in welches er einen kleinen Hänfling stecken lassen; bat sie gar glimpflich dieß sein Schächtlein an einem geheimen und sichern Ort zu verschliessen: dabey sprach er ihnen auf sein päpstlich Ehrenwort ihre Bitt zu gewähren, wenn sie's verborgen hielten; legt' aber zugleich ein scharf Verbot drauf, daß sie's bey Straf der Kirchen-Censur und ewiger Excommunication in keiner Weis zu öffnen hätten. Kaum war itzt das Verbot ergangen, so jückt' es ihnen schon in den Fingern zu sehn was drinn wär, und währt' ihnen lang bis nur einmal der Papst erst weg wär, daß sie darüber herfallen möchten. Der heilige Vater, nachdem [457] er ihnen den Segen ertheilt, begab sich wieder in sein Quartier. Er war noch nicht drey Schritt von der Abtey entfernt, da rannten schon die guten Schwestern haufenweis nach dem verbotnen Schächtlein hin, es aufzuthun, zu sehn was drinn wär. Des andern Tags besucht' sie der Papst, wie sie wähnten in der Absicht ihnen ihren Indult zu spedieren. Eh er jedoch ein weitres Wort sprach, befahl er, ihm das Schächtlein zu bringen. Es ward gebracht, das Vöglein aber war nicht mehr drinn. Da bedeutet' er sie dann freundlich, daß es doch wohl ein allzuschwer Stuck für sie seyn dürft die Beicht zu verschweigen, in Betracht sie dieß ihnen so theuer befohlene Schächtlein auch nicht ein Weilchen zu hüthen vermocht. – Herr Doctor, seyd mir schönstens willkommen; ich hab euch mit grossem Vergnügen gehört. Dem Herrn sey Lob und Dank für alles. Hab euch nun seit der Zeit nicht g'sehen, da ihr mit unsern alten Freunden Ant. Saporta, Guido Bouguier, Balthasar Noyer, Tollet, Hans Quentin, Franz Robinet, Hans Perdrier und Franz Rabelais, zu Montpellier die moralische Comödi vom Mann der ein stumm Weib hätt, agirtet. – Da war ich auch bey, sprach Epistemon. Der gute Mann wollt sie sollt sprechen. Sie sprach durch Kunst des Arzts und Wundarzts, die ihr ein Fröschlein operirten, so sie unter der Zungen hätt. Als sie die Sprach nun wieder erlangt, parlirt' sie so in einem fort, daß der Mann wieder zum Arzt mußt laufen, damit er sie wieder zum Schweigen brächt. Der Arzt antwortet', in seiner Kunst hätt er wohl Mittel ein Weib zum Reden, aber nimmer zum Schweigen zu bringen. Die einzige Hülf wär Taubheit des Mannes wider solch ewiges Weiber-Geträtsch. Der Fratz ward taub, durch Gott weiß was für einen Zauber, den sie ihm machten. Wie nun das Weib sah daß er taub war, ihr nichts verstund, sie vergebens schwätzt', ward sie wüthig. Darauf begehrt' der Arzt seinen Lohn; der Mann antwortet', er wär taub und könnt nicht hören was er haben wollt. Da streut' [458] der Arzt ihm, ich weiß nicht was für ein Pulver in den Rücken, davon er toll ward. Itzt machten der tolle Mann und die wüthige Frau gemeine Sach und draschen den Arzt und Wundarzt so lang, bis sie halb todt auf dem Platze blieben. Hab all mein Lebtag nicht so viel wie über den Patelins-Spuk gelacht.

Wieder auf unsre Hammel zu kommen, sprach Panurg, so heißt euer Spruch aus dem Rothwelsch französisch verdolmetscht: ich soll nur immer keck drauf zu freyn, und mich an keine Hörner stossen. Das heiss ich mir mächtig schön getroffen, wie mit der Nas auf den Aermel! Meister, ich denk, auf meinen Hochzeittag werd ihr wohl anderwärts mehr zu thun han mit euern Kunden, werdet schwerlich erscheinen können? Ich excusir euch.


Stercus et urina medici sunt prandia prima.
Ex aliis paleas, ex istis collige grana.

Ihr habts nicht wohl behalten, sprach Rundibilis, der zweyte Vers heißt:

Nobis sunt signa, vobis sunt prandia digna.


Wär mein Weib unpaß, würd ich ihr den Puls befühlen, das Wasser beschaun, auch den Verhalt des Unterleibs und der Nabelgegend untersuchen nach Anweisung Hippokratis 2 Aphorism. 35., eh ich weiter schritt. – Nichts, nichts, antwort Panurg, dieß zieht nicht; dieß gehört für uns Legisten, die wir den Titelde ventre inspiciendo haben. Ich setz ihr ein Rapunzel-Klystir. Versäumt nicht eure pressanteren Sachen. Ich schick euch vom Abhub in euer Haus, und bleiben allzeit gute Freund. Drauf macht' er sich sacht zu ihm hin, und steckt ihm ohn ein Wort zu sagen, vier Rosenobel in die Hand. Rundibilis faßt' sie sehr gut; dann sprach er wie erschrocken, ganz entrüstet zu ihm: He he he! das [459] brauchts just nicht, Herr: doch grossen Dank, wenns ja seyn muß. Von schlechten Leuten nehm ich nie nix; von braven Menschen schlag ich nix aus. Ich steh euch allzeit zu Befehl. – Für gute Zahlung? frug Panurg. – Versteht sich, antwort Rundibilis.

Fünf und Dreyssigstes Kapitel
Fünf und Dreyssigstes Kapitel.

Wie Stülphändsch der Philosophus die Ehestandsbedenken tractiret.


Nach diesen Worten sprach Pantagruel zu dem Philosophen Stülphändsch: Nun, lieber Getreuer, ist die Lamp aus Hand in Hand zu euch gekommen. An euch ist nun die Reih zu reden. Soll Panurg freyen oder nicht? – Beydes, sprach Stülphändsch. – Was sagt ihr da? frug Panurg. – Was ihr gehört habt, antwortet Stülphändsch. – Was hab ich gehört? frug Panurg. – Was ich gesagt hab, antwortetet Stülphändsch. – Ha, ha ha! rief Panurg, sind wir itzt so weit? Ich pass ohn Trumpf. Heraus damit! Muß ich heyrathen oder nicht? – Keins von beyden, antwortet Stülphändsch. – Der Teufel hol mich, sprach Panurg, wo ich nicht rapplich werd, und hol mich noch einmal, wo ich euch capir. Wart, daß ich meine Brill hie ein wenig aufs linke Ohr ruck, ich hör so besser. –

In diesem nämlichen Augenblick sah Pantagruel an der Saalthür den kleinen Hund des Gargantua, den er mit Namen Kyne hieß, wie des Tobiä Schooshündlein. Da sprach er zu der ganzen Gesellschaft: unser König ist nicht weit, lasset uns aufstehn. Er hätt dieß Wort noch nicht ausgesprochen, als Gargantua zu ihnen in den Speisse-Saal trat, und Jeder aufstund ihm Reverenz zu machen. Nachdem Gargantua die ganze Versammlung liebreich begrüsset, [460] sprach er zu ihnen: ich bitt euch, meine guten Freund, thut mir die Lieb, behaltet Platz, und laßt euch in euern Gesprächen nicht stören! Hie einen Stuhl mir an dieß Tisch-End, und gebt mir einen Becher, daß ich aufs Wohlseyn der ganzen Gesellschaft trink. Seyd schön willkommen. Nun saget an, wovon sprachet ihr? – Pantagruel erzählt ihm, wie, als der Nachtisch kommen wär, Panurg ein Problema fürgebracht hätt, nämlich ob er freyen sollt oder nicht; und hätten ihm auch schon Ehrn Hippothadäus und Meister Rundibilis Bescheid darauf gethan: itzt aber eben als er erschienen wär, hätt der getreue Stülphändsch geredet, und zwar erstens wie ihn Panurg frug: soll ich freyn oder nicht? ihm geantwortet: Beydes zugleich. Zum andern Mal aber: Keins von beyden. Panurg beschwert' sich nun über so verschiedene Reden und Widersprüch, und schwür daß er daraus nicht klug würd. – Ich merk wohl, sprach Gargantua, die Antwort lautet fast wie die, so einst ein alter Weiser gab, als er befragt ward ob er ein Weib hätt das man ihm nannte. Ich hab sie, sagt' er, an mir; sie aber hat mir nix an: ich besitz sie, bin nicht von ihr besessen. – Gleichen Bescheid, sprach Pantagruel, gab auch eine Dirn in Sparta. Man frug sie, ob sie mit Männern zu schaffen gehabt hätt. Niemals, sprach sie, wennschon zuweilen die Männer mit mir. – So lasset uns, sprach Rundibilis, stets neutral in Medicis und in Philosophi zumittelst bleiben durch Theilnehmung an beyden Extremen, wie durch Verneinung beyder Extrem, und durch Theilung der Zeit bald in das ein' und andre Extrem. – Der heilige Apostel, sprach Hippothadäus, scheint mirs noch klärer gesagt zu haben, wenn er spricht: wer ein Ehemann ist, der sey als wär er kein Ehemann: wer ein Weib hat, der sey als wenn er kein Weib hätt. – Ich leg, sprach Pantagruel, ein Weib haben und nicht haben,so aus: es haben heißt, es brauchen wozu die Natur es schuf, daß ist zu des Mannes Gemeinschaft, Hülf und Ergötzlichkeit. Kein Weib haben, heißt: sich nicht bey ihr verzärteln, ihrenthalben nicht die einige höchste Lieb beflecken so der Mann Gott zu widmen[461] hat, nicht vergessen was für Dienst er von Natur seinem Vaterland, gemeinem Wesen und Freunden schuldet, noch sein Gewerb und Studien einzig seinem Weib zu Gefallen versäumen. Versteht man also ein Weib haben und nicht haben, seh ich keinen Streit noch Widerspruch in den Redensarten.

Sechs und Dreyssigstes Kapitel
Sechs und Dreyssigstes Kapitel.

Des ephektischen Philosophen und Pyrrhonianers Stülphändsch fernere Antworten.


Ihr redet Perlen, sprach Panurg, aber mir ist als wenn ich unten in dem finstern Brunnen säß, darinn, wie Heraklitus spricht, die Wahrheit steckt. Ich seh keinen Stich, ich versteh nix, ich fühl mich in allen Sinnen wie zerschlagen und fürcht mich sehr, man hat mich behext. Will aber nun einen andern Ton probiren. Holla, lieber Getreuer! haltet Stich: verschluckt nichts. Andre Karten her! und laßt uns ohn Disjunctiva reden; diese übel verbundenen Glieder verdriessen euch nur, das merk ich wohl. Wohlan dann, in des Herren Namen! soll ich freyn?

Stülphändsch. Es hat den Anschein.

Panurg. Und wenn ich nicht frey?

Stülphändsch. Seh ich dawider kein Bedenken.

Panurg. Seht ihr keins?

Stülphändsch. Keins, oder mein Gesicht betrügt mich.

Panurg. Und ich seh ihrer mehr denn fünfhundert.

Stülphändsch. Zählt sie.

[462] Panurg. Ich red uneigentlich, setz das Gewisse fürs Ungewisse, benannte Zahl für unbenannte, will sagen viel.

Stülphändsch. Ich hör.

Panurg. Ich kann ohn Weib nicht seyn, bey allen Teufeln!

Stülphändsch. Laßt diese garstigen Bestien weg.

Panurg. Nu meinethalben dann, bey Gott! denn meine Salmigundier sagen: allein, ohn Weib schlafen, heiß wie das liebe Vieh gelebt; und so meints auch Dido in ihrem Klaglied.

Stülphändsch. Euch zu Befehl.

Panurg. Ey bhuetis Gott! oiz komm ich schön an. So soll ich freyn?

Stülphändsch. Vielleicht.

Panurg. Und wird mir auch wohl gerathen?

Stülphändsch. Nachdem es fällt.

Panurg. Und wenn mirs gut fällt, wie ich verhoff, werd ich dann glücklich sein?

Stülphändsch. Genugsam.

Panurg. Itzt anders 'rum: und wenn es schlimm fällt?

Stülphändsch. Kann ich nix zu.

Panurg. Allein, um Gott! gebt mir doch Rath. Was soll ich thun?

Stülphändsch. Was ihr wollt.

Panurg. Potz Donner und Wetter!

Stülphändsch. Ich bitt euch, ruft nichts an.

Panurg. In Gottes Namen. Nur gebt mir Rath. Was rathet ihr mir?

Stülphändsch. Nichts.

Panurg. Soll ich freyn?

Stülphändsch. Ich dacht' nicht dran.

Panurg. Ich werd also nicht freyn.

Stülphändsch. Ich kanns nicht hindern.

Panurg. Und frey ich nicht, kann ich kein Hahnrey werden?

Stülphändsch. Das erwog ich eben.

Panurg. Setzt den Fall, ich hätt gefreyt.

Stülphändsch. Wohin soll ich ihn setzen?

Panurg. Ich sag, nehmt an, ich hätt gefreyt.

[463] Stülphändsch. Hab mehr zu thun.

Panurg. Ey so scheiß mir doch auf die Nas! Hui, wer itzt nur ein kleineswenig unterm Käppel fluchen dürft! das sollt mich letzen. Nun, Geduld. – Und also, frey ich, so werd ich Hahnrey?

Stülphändsch. Man dächt es.

Panurg. Wenn mein Weib fromm und keusch ist, werd ich auch nimmer Hahnrey werden?

Stülphändsch. Mir scheint daß ihr ganz bündig sprecht.

Panurg. Hört an.

Stülphändsch. So lang ihr wollt.

Panurg. Wird sie auch fromm und keusch seyn? denn da sitzts.

Stülphändsch. Ich bezweifels.

Panurg. Ihr habt sie nie gesehen?

Stülphändsch. Das ich wüßt.

Panurg. Warum also bezweifelt ihr was ihr nicht kennt?

Stülphändsch. Aus Ursach.

Panurg. Und wenn ihr sie kenntet?

Stülphändsch. Noch mehr.

Panurg. He, Bub! mein Schatz, da nimm mein Mütz, ich gebs dir; nimm die Brill in Acht, spring in den Hof und fluch für mich ein halbes Stündel. Will auch für dich mal wieder fluchen soviel du wilt. – Wer aber wird mich zum Hahnrey machen?

Stülphändsch. Jemand.

Panurg. Nun, potz Schock Schurian! euch will ich fenstern, mein Herr Jemand.

Stülphändsch. Ihr sagts.

Panurg. Der Teufel und Der kein Weisses im Aug hat, hol mich mitsamen, wo ich nicht meinem Weib ein Bergamasker-Schloß fürleg so oft ich von meinem Taubenschlag geh.

Stülphändsch. Bessert eure Reden.

Panurg. Ey was! Ich scheiss aufs Reden, kommt zum Schluß.

Stülphändsch. Hab nix dagegen.

Panurg. Halt! weil ich auf dem Fleck kein Blut von [464] euch erzwack, will ich ein andre Ader probiren. Seyd ihr beweibt, oder seyd ihrs nicht?

Stülphändsch. Keins von beyden, und dennoch beydes.

Panurg. Gott steh uns bey! Zum Sackerdamm, ich schwitz vor Plag, und spür in mir die Verdauung stocken. All meine Phrenes, Metaphrenes und Diaphragmen strecken sich und spannen sich an, um eure Wort in mein Verstandesränzel zu beuteln.

Stülphändsch. Geht mich nix an.

Panurg. Marsch vorwärts, hussa! lieber Getreuer! seyd ihr beweibt?

Stülphändsch. Mich wills bedünken.

Panurg. War't ihrs schon vorhin einmal?

Stülphändsch. Wohl möglich.

Panurg. Bekams euch wohl, das erste Mal?

Stülphändsch. Ist nicht unmöglich.

Panurg. Und itzunder, wie bekommts euch zum andern Mal?

Stülphändsch. Wie mein beschieden Loos verhängt.

Panurg. Nicht doch! Im Ernst, bekommts euch wohl?

Stülphändsch. Es ist wahrscheinlich.

Panurg. Nun helf mir Gott und Sanct Christoffels heilige Bürd! so wollt ich doch eh einem todten Esel einen Furz entlocken, denn euch ein' Antwort. Jetzt aber fang ich euch dennoch. Lieber Getreuer, dem höllischen Feind zum Possen, bekennt die Wahrheit: war't ihr je Hahnrey? ich meint ihr hie, nicht ihr da drunten beym Ballenspiel.

Stülphändsch. Nicht, wenn es nicht prädestiniret war.

Panurg. Beym Fleisch, ich entsag; beym Blut, ich vernoig; bey des Herrn Leichnam, ich renunzir. Er geht mir durch.

Bey diesen Worten erhub sich Gargantua, und sprach: dem guten Gott sey Lob für alles. Die Welt ist, seh ich wohl, ein feines Bürschlein worden, seit ich sie jung gekannt hab. Sind wir so weit? Also gehn heutzutag die klügsten, gelahrtesten Philosophi ins Schulhaus und Phrontisterium [465] des Pyrrho, der Aporrhetiker, Ephektiker und Skeptiker! Lob sey dem guten Gott. Fürwahr, hinfort wird man den Leuen wohl bey der Mähn, das Roß beym Haar, den Stier beym Horn, den Büffel bey der Schnauz, den Wolf beym Schwanz, die Geiß beym Bart, den Vogel bey den Beinen greifen, doch nimmer solche Philosophos bey ihren Worten und Redensarten. Gott sey mit euch, ihr guten Freund. – Mit diesen Worten begab er sich aus der Gesellschaft weg. Es wollten Pantagruel und die Andern ihm folgen, aber er ließ es ihnen nicht zu.

Nachdem Gargantua aus dem Saal war, sprach Pantagruel zu den Gästen: Timäus im Plato zählt die Gäst zu Anfang des Gastmals: wir wollens umdrehn, und sie zum Schluß zählen. Eins, Zwey, Drey: wo ist der Viert? war es nicht Gänszaum unser Freund? – Darauf erwiedert' Epistemon, daß er ihn zu invitiren in sein Haus gegangen wär aber nicht gefunden hätt, weil ihn eben ein Gerichtsbot von dem Myrlings-Parlament zu Myrelinguen vorgeladen, daselbst persönlich zu erscheinen und vor den Rathsherrn Rechenschaft von einem Urthel abzulegen, so er gefällt hätt. Derhalb wär er Tages zuvor verreist, weil er auf den Termin hätt pünktlich dort seyn und nicht in Straf und Contumaz verfallen wollen. – Ich muß doch hören, sprach Pantagruel, was dieß ist. Seit länger denn vierzig Jahren ist er nun Richter in Fonsbeton. Die Zeit her hat er mehr denn viertausend Urthel diffinitivisch erlassen: zweytausend dreyhundertneun der von ihm gefällten Urthel sind von den condemnirten Parteyen bey dem Oberhofgericht des Myrelinguischen Parlamentes angefochten, aber all durch Spruch desselben ratifiziret, approbirt und bestätiget worden, die Appellationen umgestossen, für nichtig erklärt: daß man ihn itzt nun auf seine alten Tag persönlich vorlädt, ihn, der die ganze Zeit so heilig in seinem Beruf gelebt hat, kann nicht mit rechten Dingen zugehn. Ich will ihm aus aller meiner Macht nach Billigkeit beystehn: ich weiß wohl, die Bosheit [466] der Welt ist heutzutag so mächtig daß das beste Recht des Beystands braucht. Und will alsbald darzuthun, daß man uns nicht zuvorkomm. – Da ward die Tafel aufgehoben, Pantagruel verehrt' den Gästen viel kostbare Ehrengeschenk an Ringen, Juwelen, Tischgeschirr sowohl in Gold als Silber, und begab sich, nachdem er ihnen freundlich gedanket, in sein Gemach.

Sieben und Dreyssigstes Kapitel
Sieben und Dreyssigstes Kapitel.

Wie Pantagruel Panurgen beredet sein Heil mit einem Narren zu versuchen.


Auf dem Weg dahin in der Galleri sah Pantagruel Panurgen, der sich ganz dämlich wie im Traum gebährdet' und mit dem Kopfe wackelt'; und sprach zu ihm: Ihr kommt mir für wie eine Maus im Pech: je mehr sie sich draus zu sitzen strebt, je tiefer verkleibt sie drinn. Also auch ihr, der ihr euch aus den Zweifelsknoten zu befreyn strebt, versinket nur tiefer denn zuvor darinn; und weiß kein Mittel mehr ausser einem. Hört an. Ich hab wohl öfters schon im gemeinen Leben sagen hören, ein Narr könnt einen Weisen lehren. Weil euch nun der Weisen Bescheid nicht aus dem Grund zufrieden stellt, berathet euch mit einem Narren. Vielleicht, so ihr dieß thut, daß ihr nach Wunsch erbauet und befriediget werdet. Durch Narren-Rathschlag, -Eingebung und Phrophezeyung wißt ihr wohl, wie viele Fürsten, Könige und Staaten schon erhalten, wie viele Schlachten gewonnen, wie viele Zweifel erlediget worden. Ich brauch euch nicht erst lang der Beyspiel zu gemahnen; ihr nehmt mit diesem Grund fürlieb: Wie nämlich ihr den Menschen, der sein häuslich und Privat-Wohl fleissig in Obacht nimmt, attent und wachsam auf seine Wirthschaft ist, die Gedanken zusamenhält, keinen Vortheil Geld und Gut zu erwerben und aufzuhäufen verabsäumt, mit Bedacht den Uebeln der Armuth vorzubauen weiß; wie ihr den zeitlich weise nennt, wie thörig er auch nach dem Urtheil der himmlischen Geister[467] immer seyn mag: so muß man, um vor diesen weise, das ist wissend und fürwissend durch göttliche Inspiration, und fähig der Gab der Weissagung zu werden, sich selbst vergessen, aus sich herausgehn, die Sinnen von allen irdischen Trieben läutern, den Geist befreyn von aller Menschen-Sorg, alles gerad seyn lassen. Welches man der Narrheit gemeinlich zuschreibt. So ward Faunus, der grosse Prophet und Sohn des Lateinerkönigs Picus, vom rohen ungelehrten Haufen Fatuellus zubenannt.

So sehen wir auch bei den Gauklern, wann sie ihre Rollen vertheilen, wie die Person des Dummen und Gecken allzeit vom Kleinsten und Fertigsten in der Gesellschaft agiret wird. So sagen die Mathematici, die Könige und Narren hätten einerley Horoskop, und führen das Beyspiel des Aeneas und Choröbus an, von dem Euphorion sagt daß er ein Narr gewesen, als unter Einem Zeichen geboren. Ich werd mich nicht weit vom Zweck verirren, wenn ich euch erzähl was Jo. André über einen Canon eines gewissen päpstlichen Rescriptes an den Rocheller Stadtrath und Bürgerschaft, nach ihm Panormus zum selbigen Canon, Barbatias zu den Pandekten, und letzthin Jason in seinen Consilien, vom Alt-Jahn schreiben. Er war ein berühmter Narr zu Paris, und des Caillette Eltervater. Der Fall ist dieser:

Zu Paris, in der Garküch zum kleinen Schlössel verzehrt' ein Rauhknecht am Heerd des Garkochs sein Brod beim Bratenrauch, und fand es, also durchräuchert, gar lecker. Der Garkoch ließ ihn gewähren. Zuletzt, als er sein Brod nun aufgespeißt, erwischt' der Koch den Rauhknecht beym Kragen, verlangt' die Zahlung für seinen Rauch. Der Rauhknecht [468] sprach, er hätt ihm keinen Schaden gethan an seinem Fleisch, ihm von dem Seinen nichts entwendet, sey ihm nichts schuldig.

Der Rauch um den er stritt, flög auf, er ging verloren so oder so; nie hätt man noch in Paris erhört daß Bratenrauch wär verhökert worden. Der Koch entgegnet', er wär nicht gehalten, mit seinem Rauch die Rauhknecht zu füttern, und schwur, wo ers ihm nicht bezahlt', ihm sein Räff zu nehmen. Der Rauhknecht zieht seinen Knüppel und setzt sich zur Wehr.

Der Zank ward hitzig, das Pariser Maulaffenvolk drängt' sich von allen Enden zu dem Streit herbey, und auch Alt-Jahn, der Narr und Bürger von Paris, kam wie gerufen, mit dazu. Wie den der Koch sah, frug er den Rauhknecht: Wilt du hie diesen edeln Meister Alt-Jahn unsern Zwist schlichten lassen? – Beim Antlitz Gottes, sprach der Rauhknecht, dieß will ich. – Alt-Jahn, als er nun den Handel vernommen, befahl dem Rauhknecht aus seinem Gurt ihm ein Stück Geld zu langen. Der Rauhknecht behändigt' ihm einen Philipps-Tornosen. Alt-Jahn nahm ihn, legt' ihn sich auf die linke Schulter, als wollt er proben ob ers Gewicht hätt; drauf klingt' er ihn mit der rechten Hand auf die flache Link', als wollt er sehen ob er die richtige Währung hätt; drauf hielt er ihn dicht an seinen rechten Augapfel, ob er auch wohl geprägt wär. Allem diesen schauet' das Maulaffenvolk in tiefstem Schweigen, der Koch mit fester Zuversicht, der Rauhknecht voll Verzweiflung zu. Zuletzt ließ er das Geldstück mehrmals auf den Heerd aufklingen. Jetzo, mit Präsidenten-Majestät, die Narrenkolb in der Faust, als wenn es ein Zepter wär, und seine Gogel von Affenpelz übers Haupt gezogen mit Oehrlein dran von gereiftem Papier wie die Orgelpfeifen, räuspert' er sich vorläufig zwey bis dreymal laut, dann sprach er mit vernehmlicher Stimm: der Hof entbeut euch, daß der Rauhknecht, der sein Brod bey dem Rauch des Bratens verzehret hat, den Koch zu Recht bezahlt hab mit dem Klang des Geldes. Und ist sothanen [469] Hofs Befehl, ein jeder geh in sein vier Pfähl. Ohn Kosten. Aus Ursach.

Dieß Urthel des Pariser Narren hat den ernannten Doctoren so gerecht und billig, ja so erstaunenswerth bedünket, daß sie, im Fall auch der Handel selbst im Parlament gedachten Ortes, oder vor der Römischen Rota, ja vor dem Areopagus entschieden worden wär, bezweifeln ob sie darinn gerechter hätten erkennen mögen. Dieserhalb bedenket euch, ob ihr nicht auch von einem Narren Rath wollt nehmen.

Acht und Dreyssigstes Kapitel
Acht und Dreyssigstes Kapitel.

Wie Pantagruel und Panurg dem Triboullet Ehrentitel geben.


Bey meiner höchsten Seel! ich will es, antwort Panurg: ich spür, itzt geht mein Darm mir auf; er war zeither ganz constipirt und zusammengezogen. Aber, wie wir erst den feinsten Milchrahm der Weisheit zu Rath erwählt, möcht ich nun auch daß Einer, der Narr im höchsten Grad wär, in unsrer Synod das Präsidium führte. – Triboullet, sprach Pantagruel, scheint mir genugsam Narr zu seyn. – Mit Haut und Haar, antwort Panurg.


Pantagruel. Panurg.


Fatal-Narr.Dreymal gestrichener Narr.

Natur-N.B dur und B mol-N.

Himmels-N.Erd-N.

Jovial-N.Lust und Schwank-N.

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Mercurial-Narr.Sang und Klang-Narr.

Lunatischer N.Bussen-N.

Erratischer N.Pfeifen-N.

Excentrischer N.Schellen-N.

Aetherischer und Juno's-N.Lachender und Venus-N.

Arktischer N.Grundsuppen-N.

Heroischer N.Vorlauf-N.

Genial-N.Ausbruch-N.

Prädestinat-N.Moussir-N.

August-N.Original-N.

Cäsarin-N.Papal-N.

Imperial-N.Consistorial-N.

Regal-N.Conclavisten-N.

Patriarchal-N.Bullisten-N.

Original-N.Synodal-N.

Legal-N.Episkopal-N.

Ducal-N.Doctoral-N.

Standart-N.Monachal-N.

Reichsfrey-N.Fiskal-N.

Palatin-N.Extravagant-N.

Principal-N.Bourlet-N.

Prätorial-N.Simpel-Tonsur-N.

Total-N.Cotal-N.

Wahl-N.Graduirter promovirter N.

Curial-N.Commensal-N.

Primipilar-N.Seiner Zunft oberältester N.

Triumph-N.Caudatar-N.

Vulgar-N.Supererogativ-N.

Haus-N.Collateral-N.

Exemplar-N.A latere alter durstiger Nr.

Rar- und seltener N.Nasweisser N.

Hof-N.Zug und Strich-N.

[471]

Civil-Narr.Aesling-Narr.

Popular-N.Wasser-N.

Familiar-N.Edel-N.