Sagen vom Riefensbeek und Kamschlacken.

Nr. 178. Der Schimmel von Kamschlacken.

Etwa eine Viertelstunde von Kamschlacken im alten Riefensbeeke liegt merkwürdiger Weise ein alter verfallener Backofen mitten im Walde; er muß sehr alt sein, denn Fichten von beträchtlicher Höhe und Stärke zieren seinen Rücken.

Vor vielen Jahren war beim Meier in Kamschlacken einmal Spinnstube, wozu sich die Knechte und Mägde von beiden Höfen, Kamschlacken und Riefensbeek, eingefunden hatten. Es ging bis tief in die Nacht recht vergnügt her. Unter anderem wurden auch Pfänderspiele gespielet. Da traf es sich, daß einem jungen Mädchen als Pfandlösung aufgegeben wurde, einen Barnstein vom alten Backofen zu holen. Das junge Mädchen ist ein tüchtiger Bruckert gewesen, darum besann es sich nicht lange, sondern eilte in nächtlicher Weile am Schwarzenberge vorbei, im hellen Mondscheine dem Backofen entgegen. Beim Backofen angelangt, versuchte sie einen Stein loszubrechen, aber das wollte ihr nicht gelingen. Da entschloß sie sich in den Backofen zu kriechen, um im Innern desselben einen Stein [175] abzulösen. Kaum war sie im Backofen, als sie den Hufschlag eines Pferdes vernahm. Sie nahete sich der Mündung, um zu lauschen, was es da gebe. Da gewahrete sie in kurzer Entfernung einen Reiter, welcher eine Dame vor sich auf dem Pferde hielt. Die Dame flehte ängstlich um Gnade. Auf einmal sprang der Reiter vom Pferde, band dasselbe an den nächsten Baum, riß auch die Dame herunter und schleppte so das schreiende Weib mit sich fort. Andere erzählen, daß er eben dabei gewesen sei, sie zu ermorden. Schnell verließ die Pfandlöserin den Backofen, band den Schimmel los, schwang sich auf denselben und wollte davonsprengen, aber das ging nicht so schnell, denn es war Nacht und der Weg schlecht. Zwischen den Hecken und Steinen ging's oft im schnellsten Laufe. Bald hörte sie den Eigentümer des Pferdes hinter sich. Da bemerkte das Mädchen zwei Pistolen am Sattel, schnell faßte es eine derselben und feuerte sie nach dem Verfolger ab, da ward es ruhig und das Mädchen langte wohlbehalten in Kamschlacken an. Die Herrschaft kaufte dem Mädchen den Schimmel ab und der ist lange Zeit mit den anderen Pferden angespannt gewesen. Als er endlich starb, sind dem Meier immer die Pferde gefallen, bis er wieder einen Schimmel im Stalle gehabt hat. Das Mädchen ist bald nach jenem Vorfalle gestorben.

Ein anderer Bericht möge hier noch folgen. Als das Mädchen eben vom Backofen wieder fort will und den Stein bereits außen gebrochen hat, höret es in der Ferne, trapp! trapp! trapp! zwei Pferde, welche gerade auf den Backofen loskommen. Daß bei so später Zeit zwei Reiter gerade hierher reiten, das kömmt ihr nicht richtig vor. Wer weiß, was dahinter stecket, denket sie, finden die Kerle dich hier allein, so könnt's dir übel gehen. Darum kriechet sie in den Backofen hinein, und will sich in demselben verhohlen halten, bis die Reiter weit genug vorbei sind. Kaum ist sie drin, so kommen auch die Reiter bei dem Backofen an und halten vor dem Ofenloche. Es ist ein Kerl und eine Frau gewesen. Jener ist abgestiegen und hat sein Pferd an dem Ofen angebunden. Darauf nimmet er das Pferd der Frau an dem Zügel und führet es nach der Schlucht. Das Mädchen strecket sachte den [176] Kopf zum Ofenloche heraus, da sieht es, wie der Mensch der Frau vom Pferde hilft und sie in die Schlucht hineinführet. Das Pferd aber, wie es das Mädchen siehet, fängt an zu schnauben und zu niesen und der Kerl sagt: Na, was hast du vor? Darauf wird ein trauriges Gestöhne in der Schlucht, und das Mädchen kann sich ungefähr denken, was da vorgehet. Aber das Mädchen ist doch zu neugierig und gucket nochmals zum Ofenloche heraus. Das Pferd schnaubet wieder. Da kömmt der Kerl wieder aus der Schlucht hervor mit einem langen Messer in der Hand und spricht: Na, was hast du denn vor? Ist wer Fremdes da? Das Pferd niest wieder. Da hat das Mädchen deutlich sehen können, wie der Kerl sich umsiehet; und es denket, kömmt er auf den Backofen zu, so murxt er dich auch ab. Darum springt's schnell aus demselben heraus, macht das Pferd, welches daran gebunden ist, los, ist drauf wie der Blitz und stachelt's mit dem Messer, das es bei sich gehabt hat, um den Stein loszubrechen, an und flieget davon wie aus der Büchse gejaget. Der Kerl auf seinem Pferde hinter ihr drein. Wie es so nahe dem Hause ist, daß man es hören kann, schreiet es aus allen Kräften: Machet auf! machet auf! Das hören die Leute in der Stube, springen gleich hinaus und eben wie das Thorweg aufgehet, sprenget auch das Mädchen herein. Der Kerl aber nicht. Der bleibet vor dem Hause noch eine Zeitlang halten und fordert sein Pferd. Aber das Mädchen saget: Nein, es ist ein Spitzbube, ein Mörder. Da kehret der Räuber um und saget, wenn er binnen drei Tagen sein Pferd und so und so viel Geld nicht wieder hätte, so stecke er ihnen den roten Hahn aufs Dach, und damit ziehet er ab. Aber der Kerl hat sich nachher nie wieder sehen lassen und auch aus seiner Drohung ist nichts geworden. Das Pferd, welches das Mädchen auf die Weise erbeutet hat, ist ein Schimmel gewesen, und hinten auf ist ein Mantelsack geschnallt gewesen, ganz voll Geld und Ringe und Edelsteine. Das Mädchen ist auf diese Weise reich worden. – Die Meierei in Kamschlacken, wo solches geschah, ist jetzt das Forst- und Wirtshaus. Die weit verbreiteste Sage scheint in der That hier zu Hause zu sein.

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TextGrid Repository (2012). Pröhle, Heinrich. Sagen. Harzsagen. Sagen vom Riefensbeek und Kamschlacken. 178. Der Schimmel von Kamschlacken. 178. Der Schimmel von Kamschlacken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8386-9