[150] Viertes Buch

[151] [153]Die Fackel

An Herrn Doctor Leß.


Als bange Finsterniß Egyptenland
Drey Tage lang auf Moses Wink bedeckte,
Gab Pharao Befehl, daß man am jähen Strand
Des Nils, wo seine Hofburg stand,
Auf einen Obelisk ein großes Windlicht steckte.
Kein Bürger war, wenn er die Straße zog
Und schauernd die Gefahr erwog,
Der den Monarchen nicht gesegnet hätte.
Der Fackelschein lockt aus der dicken Nacht
Auch einen Narrn herbey, der sich von seiner Kette
Mit wilder Stärke losgemacht.
Er gafft sie lachend an, klimmt auf die Pyramide
Und nimmt sie weg. Gleich einer Eumenide
Schwingt er sie durch die Luft, und steckt mit rascher Hand
Das ganze Schloßquartier in Brand.
Der Flamme falber Blitz durchstreift die schwarzen Nebel
Und füllt die Stadt mit Angst und Graus.
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Nur das noch brauchten wir, schrie der ergrimmte Pöbel,
Verdammte Fackel, löscht sie aus!
Ihr haben wir dieß Unglück zuzuschreiben!
Nein, rief ein weiser Greis, die Fackel ist nicht Schuld;
Euch schenkte sie des Königs Huld
Die Finsternisse zu vertreiben.
Wie manchen irren Fuß hat sie
Dem Strom entwarnt! Ward sie von einem Tollen
Mißbraucht, so bindet ihn, sie hätte nie
In solche Hände fallen sollen.
Freund Gottes und mein Freund, der die Religion
Und ihres Stifters Ehre rächte,
Wenn doch der Spötter Zunft, wie dieser Alte dächte!
Sie schreibt die Bluthochzeit, die Inquisition
Und ganze Myriaden Uebel,
Geburten des Betrugs, der Tyranney,
Der Dummheit und der Schwärmerey,
Dreist auf die Rechnung unsrer Bibel,
Die lauter Weisheit lehrt und jede That verdammt,
Die nicht aus Menschenliebe stammt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Erster Teil. Viertes Buch. Die Fackel. Die Fackel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-70F0-1