Canzonen

[13][15]

I.

In meines ersten Alters süßen Tagen,
Die jene wilde Gier im Keim noch sahen,
So mir zum Weh sich fort und fort entfaltet,
Als Amor es verschmähte, mir zu nahen,
Wie da ich lebt' ein Freyer, will ich sagen,
Weil Schmerzens Gluth im Singen oft erkaltet;
Erzählen dann, wie zornig sich gestaltet
Sein Wesen drob und was daraus entsprungen,
Wodurch ich ward ein Beyspiel vielen Leuten;
Obwohl zu andern Zeiten
Ich meine bittre Schmach so viel besungen,
Daß tausend Federn ich schon stumpf geklaget
Und rings durch Thäler meine Seufzer tönen,
Die meines Lebens Ungemach erzählen. –
Und läßt mich treulos mein Gedächtniß fehlen,
Mir sonst so treu, mag euch mein Schmerz versöhnen
Und ein Gedanke, der mich so bethöret,
Daß jeder andre ihm den Rücken kehret,
Der so gewaltsam mich mir selbst genommen,
Daß Rind' ich nur, er meinen Kern bekommen.
Seit jenem Tag', als mich zuerst die Liebe
Bekrieget, waren viel der Jahr' entflogen;
Schon war der Jugend Blüthenzeit vergangen;
Ein starrer Frost war mir an's Herz gezogen;
Den Eingang sperrend jedem wilden Triebe
Hielt er's mit einer Demantrind' umfangen,
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Noch badeten nicht Thränen mir die Wangen
Und raubten mir den Schlaf; der Andern Streben,
Mir unbekannt, mußt' ich als Wunder deuten.
Weh mir! so war's vor Zeiten!
Der Abend lobt den Tag, der Tod das Leben.
Denn, als er, den ich meyne, wahrgenommen
Wie bis dahin durch des Gewandes Mitten
Kein Pfeil gedrungen war zu meinem Leibe,
Verband er sich mit einem mächt'gen Weibe,
Vor der Verstand und Stärk' und reuig Bitten
So jetzt, als ehe, nimmer aufgekommen.
Durch beyde ward mein Wesen mir genommen:
Sonst Mensch, ward ich ein Lorbeer, grün belaubet,
Dem seine Blätter auch der Frost nicht raubet.
Wie ward mir da, als ich zuerst erkannte,
Wie so mein Wesen allzumahl geschwunden,
Als ich die Locken werden sah zu Zweigen,
Die ich im Geist zum Kranz mir schon gewunden,
Den Fuß, auf dem ich stand und ging und rannte,
(Weil nach dem Herzen sich die Glieder neigen,)
Als Wurzel sah zu Fluthen niedersteigen,
Nicht des Peneus, zu weit stolzern Wogen,
Und als zwey Aeste sich die Arme strecken.
Bald, zu nicht minderm Schrecken,
Sah ich mit weißen Federn mich umzogen,
Als meine Hoffnung, wie vom Blitz geschlagen,
Erstarb, weil allzuhoch sie sich geschwungen.
Denn ich, unwissend, wo und wann sie wieder
Zu finden, wankte weinend auf und nieder,
Bey Tag und Nacht, wo sie mir ward entrungen,
Um sie im Strom', am Ufer zu erfragen.
Da ließ nie ab die Zunge, zu beklagen
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So lang' sie konnte, was sie ach! verloren.
Drum ward mir Schwanes Farb' und Stimm' erkoren.
So hab' ich längs dem theuren Strand gesungen,
Und wollt' ich reden, sang ich dennoch immer,
Erflehend Gnade mir mit fremdem Munde;
Doch in so holden Lauten tönte nimmer,
Daß sie das rauhe wilde Herz bezwungen,
Der heißen Liebe schmerzensvolle Kunde.
Noch brennt bey dem Gedanken mir die Wunde!
Jedoch viel mehr bey dem noch, was des Weitern
Von meiner Feindinn bitter-süßem Walten
Ich ferner muß entfalten,
Wiewohl der Rede Künst' all' daran scheitern. –
Sie, der beym ersten Blick die Herzen dienen,
Mir aus verschloßner Brust das Herz entwandte,
Gebiethend mir, davon kein Wort zu sagen.
Drauf kehrte sie so anders im Betragen,
Daß ich – o Menschensinn! – sie nicht erkannte,
Bis ich ihr Wahrheit both mit scheuen Mienen.
Und zornig da, wie sonst sie mir erschienen,
Kehrt schnell sie um, und wandelt – weh mir Armen! –
Zu Steine mich, den kaum noch Lebenswarmen.
So finstern Blicks erhob sie drauf die Rede,
Daß ich erzitterte in meinem Steine:
»Nicht bin ich, was dir lügen deine Sinnen!«
Drauf ich zu mir: »Befrey'te mich die Eine,
Wär' mir kein Leben traurig mehr und öde;
O Herr, laß wieder meine Thränen rinnen!« –
Wie, weiß ich nicht – genug ich ging von hinnen,
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Mich nur, sonst Niemand weiter anzuklagen;
Den halben Tag rang mit dem Tod mein Leben.
Was weiter sich begeben,
Kann nimmer Alles meine Feder sagen;
Drum will ich vieles Andere verschweigen,
So mir im Herzen lebt, und wenig künden,
Was Jeglichem Bewund'rung abgezwungen.
Mir hatte sich der Tod um's Herz geschlungen,
Nicht konnt' ich's schweigend seiner Hand entwinden,
Noch Beystand der bedrängten Tugend reichen,
Verbothen war mir lauten Wortes Zeichen;
Drum mit Papier und Tint' hab' ich geschrieen:
»Nicht bin ich mein! sterb' ich, habt ihr die Mühen!«
So glaubt' ich, ihre Huld mir zu bewahren,
Und mich Unwürd'gen Lohnes werth zu machen,
Und in der Hoffnung hatt' ich Muth gefunden;
Doch Demuth pfleget Zorn bald anzufachen,
Bald löscht sie ihn. Das Erst' hab' ich erfahren
Darauf in jenen langen finstern Stunden,
Als mir mein Licht bey meinem Flehn entschwunden. –
Da ihren Schatten nicht, noch Fußes Spuren
Ich rings erspähte, sank, dem zu vergleichen,
Den Träum' am Weg' beschleichen,
Entkräftet eines Tag's ich auf die Fluren,
Und, klagend ob des flücht'gen Strahles Schnelle,
Begann der Thränen Zügel ich zu lösen,
Und ließ sie fallen, wie es ihnen däuchte;
Und nimmer so im Sonnenstrahl erweichte
Der Schnee, wie da zerrann mein ganzes Wesen.
An einer Buche Fuß ward ich zur Quelle,
Und lange hielt befeuchtet ich die Stelle.
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Wer sah aus Menschen Quellen je entspringen?
Ich aber rede von bekannten Dingen.
Die Seele, die nur Gott so reich erhöhet,
(Denn solche Anmuth kann kein Andrer leihen)
Dem Schöpfer huldigt jeder ihrer Schritte;
Drum wird sie niemahls satt, dem zu verzeihen,
Der, Reu' in Herz und Mienen, zu ihr flehet,
Daß nach der Sünd' er ihre Gnad' erbitte.
Wenn aber länger gegen ihre Sitte
Sie flehen läßt, und streng' in's Aug' ihm blicket:
Thut sie's, weil sie der Sünde Fortgang scheuet;
Denn ernstlich nicht bereuet
Ein Uebel, wer zu anderm an sich schicket.
Und als nun voll Erbarmen mich die Reine
In's Auge faßt' und meines Jammers Weise
Im Gleichgewicht ersah mit meinen Sünden,
Ließ hold mein Wesen sie mich wiederfinden.
Doch keinem Dinge traue ganz der Weise;
Als ich von neuem bath, schuf mein Gebeine
Und meine Nerven sie zum Kieselsteine.
Von alter Last war Stimme nur geblieben,
Die Tod und nur den Nahmen rief der Lieben.
Ein finstrer Geist zog irr ich hin und wieder,
Und fand' durch öde Kluft und Felsenwände
Viel Jahre lang mein ungezähmt Verlangen;
Doch endlich fand ich meines Leidens Ende,
Und kehrte heim in die verlaßnen Glieder,
Drin größre Schmerzen, glaub' ich, zu empfangen.
Und so bin meiner Lust ich nachgegangen,
Daß, als ich einst nach meiner Weise jagte,
Das schöne, scheue Wild ich nackend sahe
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In einem Quell ganz nahe,
Als glühend über mir die Sonne tagte.
Und weil an nichts so gern mein Blick sich weidet,
Stand ich und sah verschämt ihr Auge sinken,
Und, sich zu rächen oder sich zu schützen,
In's Antlitz ihre Hand mir Wasser spritzen.
Wahr ist es – mag es Lüg' auch andern dünken –
Ich fühlte mich vom eignen Leib' entkleidet,
Und ward ein Hirsch, der von der Welt sich scheidet,
Irrend, unstet von Wald zu Wald zu ziehen,
Und muß noch jetzt vor'm Schwarm der Hunde fliehen.
Canzone, nicht der Wolke glich mein Walten,
Die golden einst herabsank durch die Lüfte,
Und Jovis Feuerglanz zum Theil gelindet;
Doch Flamme war ich, die ein Blick entzündet,
Ein Aar mit ihr ich durch den Aether schiffte,
Zu deren Preis sich meine Wort' entfalten,
Und ließ bey allem Wechsel der Gestalten
Den Lorbeer nicht, deß freundlich-süße Schatten
Mich jeder kleinern Lust entfremdet hatten.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Petrarca, Francesco. Lyrik. Canzoniere. Canzonen. 1. [In meines ersten Alters süßen Tagen]. 1. [In meines ersten Alters süßen Tagen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6FBE-B