[173] Dem Andersglänbigen

1.

Es hat die Welt um uns ein Netz geschlungen,
Ein dunkles Netz verwirrender Gestalten;
Jedweder glaubt die Wahrheit festzuhalten,
Und Gott allein nur weiß, wem es gelungen.
Was mit Begeist'rung dein Gemüth durchdrungen,
Im Hasse macht es meine Brust erkalten,
Was meines Hoffens freudigstes Entfalten
Scheint aus der Hölle dir emporgedrungen.
Doch ob auch in den blutgetränkten Schranken
Die Geister sich in wildem Kampf erhitzen,
Wir sind doch Waffenbrüder ohne Wanken.
[174]
Denn, wenn geschwungen uns're Schwerter blitzen,
So ist's, weil wir für innerste Gedanken
Freudig bereit, das Herzblut zu verspritzen.

[175] 2.

Es sind nur Meinungen, die uns entzweien,
Doch, kommt des Strebens letztes Ziel zur Sprache,
Sind wir Vertreter einer heil'gen Sache
Und Kampfgenossen in getrennten Reihen.
Von Schmerz und Noth die Menschheit zu befreien,
Daß, die jetzt unter nieder'm Kerkerdache
Aufstöhnend träumt, zu bess'rem Sein erwache,
Dieß ist der Dienst, dem wir uns Beide weihen.
Du suchst das Heil in den entschwund'nen Zeiten,
Den längst des Geistes frischem Hauch erleg'nen;
Ich in den Tagen, die sich jetzt bereiten.
[176]
Doch werden wir uns einst am Ziel begegnen,
Wenn die Walkyren über's Schlachtfeld gleiten,
Und die Gefall'nen beider Heere segnen! –
[177]

License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Paoli, Betty. Dem Andersglänbigen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6BED-0