[58] Bekenntniß

1.

Mag höhnend auch die Welt darüber richten,
Mein tiefstes Wünschen will ich nicht verhehlen:
Hätt' ich vom Schicksal eine Gunst zu wählen,
Ich wählte mir den Ruhm, den sonnenlichten!
O selig Loos, schon hier in Staubesschichten
Dem Glanz der Ewigkeit sich zu vermählen,
Zu jenen Ueberwindern mitzuzählen,
Die, götterstark, des Todes Bann vernichten!
Zu wissen, daß die tiefe Schmerzensklage,
Die Freudenhymnen, welche uns enthallen,
Ein köstlich Erbtheil für die spätsten Tage!
[59]
Daß unser Name wird auf Erden wallen,
Wenn auch schon längst im stillen Sarkophage
Des glüh'nden Herzens Aschenrest zerfallen!

[60] 2.

Doch eh' ich, um den Kranz mir zu erstreben,
Um heimzukehren mit dem gold'nen Vließe,
Von meinem Selbst herunter dingen ließe,
Und Lüge brächte in mein innres Leben.
Eh' ich die Stimme, die mir Gott gegeben,
Zu fremden Weisen sich bequemen hieße,
Kehrt' ich den Rücken jenem Paradiese
Und sähe stolz den Beifall mir entschweben.
Eh' wollt' ich einsam in der Wüste singen,
Eh' ließ ich träumend meines Liedes Laute,
Von allen Menschen ungehört verklingen!
[61]
Das einz'ge Ziel, nach dem mein Auge schaute,
Es wäre: unentweiht zurückzubringen
Das heil'ge Pfand, das Gott mir anvertraute! –
[62]

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Paoli, Betty. Bekenntniß. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6BC3-C