2.

Ein Fenster hinter dichten Eisenstäben,
Das klein und schmal kaum einen Blick verstattet
Das nur ein wenig aufwärts zu erheben,
Geringelt Glas, darin das Licht ermattet.
Ein enger Raum wie eine Klosterzelle,
Der Wände Grau, die Farbe der Bedrängnis.
Verscheucht schon früh des kurzen Tages Helle,
Verdunkelt noch das einsame Gefängnis.
Ein bleicher Mann, versunken in Gedanken,
Lehnt an dem Fenster sucht des Himmels Bläue,
Denn auch in seines Kerkers enge Schranken
Schaut noch dies Blau! – die Farbe ewger Treue!
[146]
Und seines Mädchens, seiner Trauten Farbe!
Er denkt an sie, die ihm die einzig Eine,
Und wie er leide, wie er duld und darbe,
Er fühlt sich reich, denn sie bleibt doch die Seine!
Sie denkt wie er, sie weiß warum er leidet –
Vor einer Welt hat stolz sie's ausgesprochen:
Wer für den Glauben seiner Seele streitet
Hat nichts vor Gott, noch vor sich selbst verbrochen.
Ein Brieflein hält er zwischen seinen Händen,
Denn nicht verbannt ist solches Liebeszeichen,
Sie dürfen sich einander Grüße senden,
Wenn strenge Fristen auch dazwischen streichen.
Was kann sie andres ihm als Liebe schreiben,
Der keinen Trost bedarf um nicht zu wanken?
Sie meldet ihm, daß Myrt, und Lorber treiben
Und frisches Grün der Hoffnung Epheuranken!
Ein Seufzer, dann ein Lächeln – und aufs neue
Küßt er den Brief, der Wonne ihn bereitet,
Singt dazu leis' ein Lied von Lieb und Treue,
Von Gottes Hand, die sie, wie ihn geleitet.

Bruchsal, im August 1851.

Zwei Eisengitter scheiden Dich von mir! –
Dazwischen schreitet auf und ab der Wächter –
[147]
Die Liebe schwingt ihr heiliges Panier,
Ein Talisman für Dich und mich, ein echter!
Kein Händedruck, kein Kuß! – kein Gitter fällt
Und keine Hand kann durch die Stäbe langen,
Und selbst das Wort von Laurern rings umstellt,
Es bleibt im Bann, es ist wie Du gefangen. –
Die Ihr Euch liebt in Freiheit hoch beglückt:
Vermögt Ihr wohl ein solches Wiedersehen?
Euch auszumalen, Herz an Herz gedrückt,
Wie möchtet Ihr vor solchem Gitter stehen?
Wir standen so: Wir sahn uns Aug in Aug, –
Ein Siegeszeichen strahlt von unsren Stirnen.
So zieht im Sturm ein Sonnenaufgangshauch
Um ferner Alpen hochgetragne Firnen.
Und Sonnenaufgang war's und Lerchenruf
Und Hallelujahsang aus höhern Sphären!
Noch einmal Gott die schöne Welt erschuf –
Und es ward Licht; die Schöpfung zu verklären.
Und es ward Licht! die Augen wurden hell,
Das Seel' um Seele auf den Grund sich schauten
Und jubelnd flog das Herz zum Herzen schnell,
Daß sie sich so das Seligste vertrauten.
[148]
Zwei Eisengitter zwischen Dir und mir –
»Vorbei die Stunde!« mahnt der rauhe Wächter –
Die Liebe schwingt ihr heiliges Panier
Ein Talisman für Dich und mich, ein echter.

Zöblitz, im Mai 1853.


Ein Pfingsten kam – o welche Festesfeier!
Der schöne Mai im hellen Blütenkranz
Zerreist des Himmels düstern Wolkenschleier,
Und zeigte ihn in seinem blau'sten Glanz. –
Kann solche Wonne auch im Kerker wohnen?
Ist da auch Frühling, auch der holde Mai?
Glühn auf Gefangnenstirnen Flammenkronen,
Des heil'gen Geistes wunderbare Weih?
Und ist im Kerker holde Maienwonne,
Geoffenbart in Lenz- und Liebeslust?
Dreimal gesegnet hohe Pfingstensonne,
Die solche Stätte zu erhelln gewußt!
Der Riegel sprang und schloß er auch sich wieder
Ich war bei Dir, und bot Dir meinen Gruß –
Du neigtest lächelnd Dich zu mir hernieder
Die Worte starben im Verlobungskuß.
Der erste Kuß! – bei uns der Kerkermeister
Kein Augenblick nur trauter Einsamkeit;
[149]
Doch hemmte nichts die Wonne unsrer Geister –
Der Raum war enge, doch die Herzen weit.
Von Deiner Stirne sprach des Geistes Weihe
Und Deine Rede war von Gott entflammt –
Ich bat ihn nicht, daß er Dir Trost verleihe –
Er gab Dir mehr – sein hohes Priesteramt.
Ich hätte mögen vor Dir niederknieen,
»Mein hoher Herr!« Dich nennen demutvoll –
Und ließ mich doch in deine Arme ziehen,
Daß mir das Herz in süßer Wonne schwoll.
Und vor uns eines neuen Kerkers Schauer,
Und neuer Trennung unermeßnes Leid –
Die Liebe, im Bewußtsein ew'ger Dauer
Schwang doch sich siegreich über Raum und Zeit!
Die Liebe triumphiert ob aller Schranken,
Daran ein liebeleeres Herz zerschellt:
Du mein! ich Dein! – kein Zweifel mehr, kein Wanken!
Und siegreich überwunden ist die Welt!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Otto, Louise. Gedichte. Mein Lebensgang. Abteilung 2. Aus den Jahren 1850-1860. Aus der Gefängniszeit 1850-1856. Zwei Fenster. 2. [Ein Fenster hinter dichten Eisenstäben]. 2. [Ein Fenster hinter dichten Eisenstäben]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-66AD-C