Johann Nestroy
Das Mädl aus der Vorstadt
oder
Ehrlich währt am längsten
Posse in drei Aufzügen

[328]

Personen

Personen.

    • Kauz, ein Spekulant.

    • Frau von Erbsenstein, Kornhändlerswitwe, seine Nichte.

    • Herr von Gigl, ihr Bräutigam, entfernt mit Kauz verwandt.

    • Schnoferl, Agent.

    • Knöpfel, ein Pfaidler, Witwer.

    • Peppi, seine Tochter.

    • Madame Storch, Knöpfels Schwester, Witwe.

    • Rosalie,
    • Sabine, Nähterinnen und Verwandte von Knöpfels verstorbener Frau.

    • Thekla, eine Stickerin.

    • Ein Kommis.

    • Nanett, Stubenmädchen bei Frau von Erbsenstein.

    • Dominik, Bedienter des Herrn von Kauz.

    • Gäste. Krämer. Kommis.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Ein paar Krämer und Kommis, ein paar Putzmacherinnen. Dominik.

DOMINIK
steht an einem Stuhl und zahlt den Anwesenden ihre Kontos aus.
Nicht wahr, so eine Kundschaft ist was Seltenes, a Braut, die vor der Hochzeit schon alles bezahlt.
ALLE.
No i glaub's.
DOMINIK.
Jetzt bleiben s' die Ausstaffierung oft bis nach der Scheidung schuldig.
EIN KRÄMER.
Laß uns der Herr Dominik nur wieder rekommandiert sein, wenn die gnädige Frau was braucht.
DOMINIK.
Sie haben mir dasmal allerseits einen honetten Rabatt gegeben, und wenn sie ein andersmal ebenso –
KRÄMER.

Das versteht sich von selbst, wir wissen schon was sich g'hört, daß uns der Herr Dominik immer dran erinnert, is etwas schmutzig.

DOMINIK.

Konträr, das is sehr reinlich, denn ich halt' drauf, daß eine Hand die andere wascht. Jetzt b'hüt' Ihnen Gott allerseits.

ALLE.
Adieu, Herr Dominik! Mitteltür links ab.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Dominik, dann Frau von Erbsenstein und Nanett.

DOMINIK
allein.

Ja, die Frau von Erbsenstein, da muß man Respekt haben. Ich kann mir auch schmeicheln, ihr ganzes Vertrauen –


Frau von Erbsenstein mit Nanett aus der Seitentür rechts kommend.
[329]
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Entweder die Uhr geht zu früh, oder mein Bräutigam geht zu spät, wenn er bei mir erscheinen soll. – Dominik!

DOMINIK.
Befehl'n!
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Pack' Er sich hinaus!
DOMINIK.
Euer Gnaden wollen vielleicht –?
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Von einem neugierigen Tölpel nicht inkommodiert sein, ja das will ich.
DOMINIK
für sich im Abgehen.
Sonderbare Laune, die sie fast täglich kriegt. Mitteltür rechts ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Frau von Erbsenstein. Nanett.

FRAU VON ERBSENSTEIN
ärgerlich und unruhig.

Seit einer Glockenstunde erwart' ich ihn, und er – richt mir die Locken ordentlich – Nanett tut es. – vor anderthalb Stund schon wär' es seine Pflicht gewesen, – da schau den Ärmel an, steck doch das Schnürl hinein – Nanett tut es. 2 Stund läßt er mich passen. –

NANETT.
Ja, ja, seine Nachlässigkeit verdient allerdings einen kleinen Putzer.
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Was, einen kleinen Putzer nur verdient das, daß er mich im größten Putz vernegligiert? Für ihn glanzt dieser Atlas, für ihn schwingen sich diese Marabus, für ihn schlaft mir der Arm völlig ein unter dem Bracelettengewicht, und er lest derweil wo die Zeitung, oder spielt Billard, wenn nicht vielleicht gar – ha, welche Welt voll Plantierung liegt in diesen »Wenn nicht vielleicht gar!«

NANETT.

Quälen sich Euer Gnaden nicht mit solchen Gedanken, er wird gewiß bald kommen, und soll er dann Falten auf Ihrer Stirn erblicken?

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Wenn Sie von Falten red't, müßt ich Ihr eine glatte Grobheit sagen.
NANETT.
Ich mein' ja nur die Falten des Trübsinns.
FRAU VON ERBSENSTEIN.

In der gebildeten Welt gibt's keine [330] Falten, der Trübsinn wirft Schatten auf meine Züge, umwölkt kann meine Stirn sein, aber Falten bittet ich mir aus, mit 27 Jahr und 8 Monat, lächerlich! Sie ist wirklich ein albernes Ding ohnegleichen.

NANETT
beiseite.
An mir laßt s' den Zorn aus, das ist das Stubenmädllos auf Erden.
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Sie gibt überhaupt so vielfältige Beweise seit einiger Zeit von Einfältigkeit, daß ich – er kommt – der Gigl – nein, mein Herr Onkel ist's.


Nanett geht zur Seitentür rechts ab. Kauz tritt zur Mitteltür rechts auf.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Kauz. Frau von Erbsenstein.

KAUZ
auffallend dick, aber sehr elegant gekleidet.
Schön guten Morgen, Frau Nièce!
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Der Morgen kann gut und schön sein, ich bin aber bös und wild!
KAUZ.
Bös, das kann sein, aber wild –? Im Gegenteil, ich find', daß dieser Anzug –
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Ach, der Herr Onkel g'fällt mir; wenn ich per »wild« red', so werd'n Sie doch nicht glauben, daß ich mein Äußeres meine; an mir kann doch nur die Laune, die Gemütsstimmung wild sein.

KAUZ.

Ich weiß – ich weiß. Für sich. Wenn die Frau nur nicht gar so eitel wär'! Laut. Unter andern, Nièce, find'st du nicht, daß ich heut' etwas blaß ausseh'?

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Nein!
KAUZ.

O ja, es muß vom schlechten Schlaf sein, ich hab' in mein G'sicht so etwas Hergenommenes, und das macht mir so ein hingebendes Aussehen, so –

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Setz' sich der Herr Onkel nichts Traurig's in Kopf.
KAUZ.

O ich kränk' mich nicht drüber, im Gegenteil diese blassen Tage haben gar bunte Folgen, denn sie machen einen ohnedem interessanten Mann erst ganz unwiderstehlich.

[331]
FRAU VON ERBSENSTEIN
lachend.
Jetzt hör' der Herr Onkel auf.
KAUZ.
O ich weiß, du glaubst ich zähl' gar nichts mehr.
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Konträr, ich glaub' Sie müssen sehr viel zählen, sehr viel Geld aufzählen, wenn Sie was gelten wollen.

KAUZ.

Und was is weiter? gibt's denn eine Lieb', die ganz ohne Eigennutz is? der sentimentalste Jüngling muß oft sein schlankesten Gehrock versetzen, damit er die uneigennützige G'spusin auf'n Saal führen kann, warum soll ich, ein Mann, aus dem die Natur vier Jünglinge bilden könnte, nicht auch verhältnismäßig generos sein. Im weiblichen Herzen gibt's nie einen ganzen freien Eintritt, und daß ich splendid bin, setzt meine Liebenswürdigkeit noch nicht herab.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Es kommt halt alles auf eine Auslegung an.
KAUZ.
Übrigens, in meinem Alter –
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Wie alt ist denn der Herr Onkel?
KAUZ.
Erst soundso viel Jahre, das is ja noch kein Alter, bin dabei ein mordhafter Tänzer.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Gewiß mordhaft!
KAUZ.
Ich bin ein kecker, leichter Reiter.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Ihr Pferd wird anderer Meinung sein.
KAUZ.
Ich werd's doch besser verstehen, als a Roß!
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Statt sich selber zu loben, wär's g'scheiter, Sie täten über ein andern schimpfen, da könnt' ich doch einstimmen.

KAUZ.
Über wem soll ich denn schimpfen?
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Über meinen saubern Bräutigam, der am Verlobungstag auf sich warten laßt.
KAUZ.

No, es sind ja die Gäst auch noch nicht da, nun, dann sucht so ein junger Mensch sich dadurch interessant zu machen, daß er warten läßt auf sich, das is eine Taktik, die wir sehr häufig anwenden.

FRAU VON ERBSENSTEIN
sieht ihn nach der Seite an, unterdrückt was sie sagen wollte, und fährt fort.

Wenn ich denk', was der [332] Mensch getrieben hat vor 6 Jahren, wie ich den Erbsenstein geheirat hab', da war ja gar kein Tod, den er sich nicht hat antun woll'n.

KAUZ.
's hat a Weil gedauert bis er zur Vernunft kommen is.
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Ich hab'n damals nicht mögen, weil er gar so ein Tschappel war, er is es eigentlich noch, so übertrieben furchtsam und schüchtern. –

KAUZ.
Na ja, wenn man jung ist, wie lang is es denn her, daß ich so schüchtern war?
FRAU VON ERBSENSTEIN
sieht ihn an wie oben und fährt fort.

Kaum hört er, daß ich Witwe bin, stürzt er zu meinen Füßen, daß die Parketten krachen, ich laß mich erweichen, und jetzt –

KAUZ.

Jetzt bist du ihm gewiß, und wenn wir einmal wissen, die kommt uns nicht mehr aus, so werden wir nachlässig, das haben wir jungen Leut', das is schon so.

FRAU VON ERBSENSTEIN.

Herr Onkel, wenn Sie sich immer unter die jungen Leut rechnen, so werden S' mich vertreiben mit die jungen Leut.


Will fort.
KAUZ.
Na, na, sei nur g'scheit und bleib da.
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Mir fallt grad Verschiedenes ein, wegen meiner Abendtoilett, da muß ich – auch erwart' ich eine Stickerin, die mir meine Nanett rekommandiert hat.

KAUZ.
Stickerin? jung, hübsch?
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Das weiß ich nicht, übrigens was geht das Ihnen an, ob sie jung oder hübsch –?
KAUZ.

Ich hab' nur fragen wollen, ob sie geschickt ist, ich will mir seidene Schnupftücheln sticken lassen, in ein Eck meinen Namen, in die andern Amoretteln oder Tauberln oder so was. – Gott sei Dank, in der Lieb schwing' ich mich zu höhere Gegenstände auf und hab's nicht nötig mich zu Näherinnen oder Stickerinnen herabzulassen; auch hab ich ja die Einkäuf', die du gemacht hast, noch nicht g'sehn, du mußt also schon erlauben, daß ich dich in dein Zimmer begleit'.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Na, so komm' der Herr Onkel.
KAUZ
für sich.

Ich geh' ihr nicht vom Hals bis ich die Stickerin [333] seh', in meinem Herzen sind noch eine Menge vorrätige Dessins. Laut. Ich sollt' von Rechts wegen bös sein auf dich, wie kannst du glauben, ich werd' Ideen auf eine Stickerin –

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Na, von Ihnen hört man allerhand.
KAUZ.
Pfui, pfui! Mit Frau von Erbsenstein Seitentür rechts ab.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Schnoferl allein.
Tritt während dem Ritornel des folgenden Liedes zur Mitteltüre links ein.

Lied.

1

Mein G'schäft is nicht öffentlich, 's is nur privat,

Mein G'schäft könnt' stark gehn, wann's wollt', 's geht aber stad,

Ich g'hör' durchaus nicht zu die Kinder des Glücks,

Plag hab' ich a Menge, aber tragen tut's mir nix.

Leih' i wem was, so stirb 'r oder kommt auf'n Hund,

Hingeg'n meine Gläubiger bleib'n frisch und g'sund,

Mit der Lieb' ginget's prächtig bei mir, 's wär schon recht,

Aber nur mit der Gegenlieb' steht's allweil schlecht.

Neunundvierzig Jahr wart' i und 's will anders nit wer'n,

Na, der Mensch muß nit alles auf einmal begehr'n.


2

Schad' daß ich nit heiraten tu', das wär' schön,

Die Seligkeit soll schon ins Aschgraue gehn,

Wie schön, wenn man ein Aff'n mit hambringt auf d' Nacht;

Und 's Weib ei'm acht Tag drüber Vorwürfe macht,

Wie schön, wenn man z'erst in Kaffeehaus verliert,

Und z' Haus von Weib extra noch ausgemacht wird,

Wie schön, tut das Schicksal ein'n Freund gleich bescher'n,

Wie lieb, wenn die Kind'r in der Nacht unruhig wer'n,

Und wie überraschend tut sich oft d' Familie vermehr'n!

Na, der Mensch muß nit alles auf einmal begehr'n.


[334]

Nach dem Liede. Mein Räsonnieren übern Ehstand is etwas fabelhaft, denn es hat sehr viel Fuchs- und Weinbeerartiges an sich. Meine Junggesellenschaft ist nicht als staubige Distl auf der rohen Busta des Weiberhasses emporgeschossen, o nein, sie ist als düsteres Efeu dem Garten der Liebe entkeimt; für mich war die Liebe kein buntes Gemälde in heiterer Farbenpracht, sondern eine in der Druckerei des Schicksals verpatzte Lithographie, grau in grau, schwarz in schwarz, dunkel in schmutzig verwischt Die pragmatische Geschichte meines Herzens zerfällt in drei miserable Kapitl, zwecklose Träumereien, abbrennte Versuche, und wertlose Triumphe. Wenn der Mensch nie diejenige erringt, wo er eigentlich – wo es der Müh' wert, wo – ich kann mich nicht ausdrücken, mag mich eigentlich nicht ausdrücken – wenn der Mensch kein Baumkraxler genug war, um die wahren süßen Früchte am Lebensbaum zu erreichen, wenn – ich find' nicht die gehörigen Worte, das heißt, ich findet s', aber, grad die g'hörigen täten sich nicht g'hören – mit einem Wort, der Mensch verfallt nach einigen Desperations-Paroxysmen in eine ruhige Sarkasmus-Languissance, wo man über alles räsonniert, und anderseits wieder alles acceptable find't. Heut' wird eine Verlobung gefeiert in diesem Haus – diese Witwe – noch eh' sie zum erstenmal – und dann fast ununterbrochen – und jetzt, wo sie zum zweitenmal – und auch in Zukunft, immer – ich will das nicht verraten, was man ohnedies bald mit Händen greifen wird. Man kommt, ich glaub' sie selbst.

6. Auftritt
Sechster Auftritt
Kauz. Frau von Erbsenstein. Voriger.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Ah, Herr Schnoferl –
KAUZ.
Unser charmanter Agent.
SCHNOFERL.

A Diener, gnädige Frau, Zu Kauz. ebenfalls a Diener, ich komm' Ihnen das zu wünschen, was Sie nicht brauchen, nämlich Glück, das haben S' so schon, [335] Glück wünschen sollt' man einem Menschen, wenn's ihm schlecht geht, da hätt 's Gratulieren doch ein Sinn.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Oh, Freund, der Schritt, den ich jetzt tu', is so riskiert –
SCHNOFERL.

Wie können Sie das sagen, es is ja bei Ihnen nicht zum erstenmal, daß Sie heiraten, ein klarer Beweis, daß Sie den Ehestand überhaupt goutieren; und dann sind Sie, aufs gelindeste ausgedrückt, der Inbegriff aller Vollkommenheit, er is ein lieber guter Kerl, bei solchen Ingredienzen kann die Sache nur zum Glück –

KAUZ.

Ja, mit die Heiraten geht's oft wie beim Krapfenbachen, man nimmt alles mögliche dazu, und sie g'raten doch nicht.

SCHNOFERL.
Aha? und doch haben Sie mir oft Reprements wegen meiner langwierigen Jungg'sellenwirtschaft geben.
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Da hat der Onkel recht g'habt. Sie hätten sich schon lange eine Lebensgefährtin – und selbst jetzt noch, Sie sind immer noch ein Mann –

SCHNOFERL.

Ja, ein Mann bin ich freilich noch, aber was für einer, nicht der ich war, und da bin ich viel zu g'scheit, als daß ich mir einbild', es wird sich eine reißen um meine beaux restes. Wenn sich einmal rote Nasen und Platten vereinigen, der Schönheit den G'nackstreich zu versetzen –

KAUZ.
Nur nicht zu bescheiden, Sie können noch immer auf das Beiwort liebenswürdig –
SCHNOFERL.

Beiwort? geben Sie sich keine so grammatikalische Blöße, »liebenswürdig« ist im strengsten Sinn des Worts ein Zeitwort, weil es gänzlich der Abwandlung unterliegt, in der halbvergangenen Zeit heißt's passé, in der völligvergangenen schiech, und in der längstvergangenen grauslich.

KAUZ.
Na, es muß ja nicht grad eine Venus sein, Sie wer'n schon eine finden in Ihrer Par
SCHNOFERL.

G'horsamer Diener, wenn eine mir nur halbwegs g'fallen soll, so muß sie ohne Vergleich schöner sein, als ich.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Schau, schau, is der Schnoferl so heiklich.
[336]
KAUZ.

Dann müssen Sie auch bedenken, wenn Sie a Frau hätten, so wären Sie viel ein rangierterer Mann, denn Sie wären ein besserer Wirt.

SCHNOFERL.

Ich bin gar kein Wirt, denn ich zehr' von meinem Eigenen, und das tut kein Wirt, wenn ein Wirt was verzehren will, schaut er sich um was Besseres um.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Also kommen Sie nicht immer aus mit Ihrem Einkommen?
SCHNOFERL.

Wie man's nimmt, zwischen Auskommen und Einkommen is es schwer das gehörige Verhältnis herzustellen, denn 's Geld kommt auf schwerfälligen Podagrafüß herein, und fliegt auf leichten Zephyrflügeln hinaus. Übrigens geht mir just nix ab, außer dann und wann die 3000 fl., die ich in einem vorlauten Anflug von Kapitalistengefühl Zu Kauz. bei Ihnen angelegt hab', die ich schon öfters gebraucht hätt', die Sie mir aber nicht bezahlen können, seitdem Sie um 120000 Gulden b'stohlen worden sind.

KAUZ.
O erinnern Sie mich nicht daran, das war –
SCHNOFERL.

Ein harter Schlag, daß Ihnen bei dem Schlag nicht der Schlag troffen hat, das is der schönste Beweis, daß Sie, trotz Ihrer Korpulenz, gar kein Talent zur Apoplexie haben. 120000 Gulden auf einmal, wann eim s' so a Dieb noch ratenweis stehlet, tät's nit so weh, aber –

KAUZ.

's war grad, wie Sie wissen, der Anteil, den ich meinen Seitenverwandten von der in Empfang genommenen Erbschaft hab' auszahlen sollen, die muß ich jetzt so gut's geht nach und nach befriedigen, 's is eigentlich ein Glück für die Leut, daß sie 's Geld nicht auf einmal bekommen, so können sie's nicht auf einmal durchschlagen, Sie kommen aber schon auch noch dran! –

SCHNOFERL.

Ich bitt', ich hab's nicht deswegen g'sagt, Sie sind ja keiner von die, die sich durch eine Art Falliment bereichert haben.

KAUZ.
Im Gegenteil, ich hab' gar nichts, und leb' bloß von dem Überfluß meiner Nièce.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Na, na, Herr Onkel gar so arg –
[337]
SCHNOFERL.

Ich hab' den ganzen Gegenstand nur berührt, weil ich auf der Spur bin zu beweisen, daß damals unschuldigerweis' der Verdacht auf den armen Menschen – Ihren –

KAUZ
schnell unterbrechend, leise zu Schnoferl.

Da reden wir später davon, wenn wir allein. Laut. Schauen S' lieber, daß Sie meine Nièce a bisserl aufheitern.

SCHNOFERL.

Ja, ja, ich hab' früher schon bemerkt eine kleine Sonnenfinsternis an dem Himmel dieser Seraphszüge, dieser Cherubsphysiognomie.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Keine Schmeicheleien, lieber Schnoferl.
SCHNOFERL.

Von Schmeicheleien kann da nicht die Rede sein, wo die Wahrheit bei der knickrigen Sprache vergebens um Ausdrücke bettelt, ich wollt' der Adelung lebet noch, ich versprechet ihm ein Trinkgeld, daß er mir Worte erfindet, die dieser Reize würdig wären.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Gehn S', wern S' nicht fad.
SCHNOFERL
für sich.

Fad! diese Silbe enthalt 3000 Maß Wasser für den Krater des hier tobenden Vulkans! Aufs Herz deutend.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Nicht mit Worten, mit Taten sollen Sie mir Ihre Freundschaft beweisen!
SCHNOFERL.
Mit Taten? Ich bin bereit mit Gefahr meines Lebens –
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Nicht Ihr Leben, aber Ihre Freundschaft zu meinem Bräutigam wird in Gefahr kommen, Sie müssen ihn verraten, mir sagen, wo er steckt, was er tut, was er treibt?

SCHNOFERL.

Ich hab' gehofft ihn hier zu Ihren Füßen zu finden, denn Männer sind immer zu Füßen, wenn sie auf eine Hand spekulieren.

KAUZ
schmunzelnd.
Ja, ja, das ist so unsere Art.
SCHNOFERL.
Aber jetzt ist es akkurat ungefähr beiläufig ein Monat, daß ich ihn nicht zu G'sicht kriegt hab'.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Grad so lang is es, daß seine Besuche bei mir immer kürzer wer'n, immer –
[338]
SCHNOFERL.

Hm, bei Ihnen ist er also nicht, bei mir ist er auch nicht – dieses Zusammentreffen von Umständen, würde für einen Beweis gelten, daß er woanders is.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Dieses Anderswo zu ergründen ist Ihre Aufgab.
KAUZ.

Aber Nièce, sei doch g'scheit, wir Männer müssen ja alle a wenig austoben, zum Solidwerden is ja nachher Zeit.

FRAU VON ERBSENSTEIN
zu Schnoferl.
Sie müssen das Innerste seines Herzens erforschen.
KAUZ.
Ein Herz erforschen, is denn das a G'schäft für'n Herrn Schnoferl?
SCHNOFERL.

O ja, denn ich bin Winkelagent, und welcher Gegenstand in der Welt hat mehr Winkeln als das menschliche Herz!

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Sie können ihm gradheraus sagen, er braucht sich wegen meiner gar nicht zu genieren.
NANETT
zur Mitteltüre meldend.
Herr und Frau von Blümerl –
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Schon gut, ich komm' gleich!

Nanett ab.
FRAU VON ERBSENSTEIN
immer aufgeregter, fortfahrend zu Schnoferl.
Es kost ihm nur ein Wort, und er hat seine Freiheit wieder, und er soll ja nicht glauben –
DOMINIK
zur Mitteltüre meldend.
Frau von Stutzmann mit die Fräulein Töchter –
SCHNOFERL.
Die Stutzmannischen Töchter?
KAUZ.
Jetzt rucken s' ein, die Gäst. –
FRAU VON ERBSENSTEIN
ärgerlich zu Dominik.
Auf was wart't Er denn, ich komm' ja gleich!

Dominik ab.
FRAU VON ERBSENSTEIN
immer aufgeregter, zu Schnoferl fortfahrend.

Und er soll ja nicht glauben, daß sich eine Frau, wie ich, kränkt um einen Mann, der ihren Wert nicht zu schätzen weiß, nicht einmal ärgern kann sich so eine Frau wie ich –

KAUZ
für sich.
Das is schön von ihr, daß sie sich nicht ärgert!
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Denn, Gott sei Dank, eine Frau wie ich, hat nicht nötig –
NANETT
zur Mitteltüre meldend.
Die Bitzibergrische Familie!
[339]
FRAU VON ERBSENSTEIN
sehr ärgerlich.
Na, na, sag' ich, ich komm' schon.

Nanett ab.
SCHNOFERL.
Die Bitzibergrischen!
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Nein, wenn die Gäst' wüßten, wie z'wider sie einem oft sind, es ließ sich gar kein Mensch mehr einladen auf der Welt.


Mitteltüre ab.
SCHNOFERL
indem er gedankenvoll der Frau von Erbsenstein nachblickt.
Die Bitzibergrischen!
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Kauz. Schnoferl.

KAUZ.
Jetzt sind wir allein, jetzt können wir eher von einer odiosen Geschäftssache –
SCHNOFERL.

Na, Sie wissen, daß damals der Verdacht von dem Diebstahl auf Ihren Geschäftsleiter oder Kassier, was er war, auf'n Herrn Stimmer gekommen is.

KAUZ.

Er hat sich selbst diesem Verdacht preisgegeben, er is auf und davon, eh' eine Untersuchung – ich hab' damals die Sache zwar anzeigt, es ist mir aber gar nicht eing'fallen den Stimmer als verdächtig anzugeben.

SCHNOFERL.

Ich hab' ihn nicht genau gekannt, aber immer als einen braven rechtschaffenen Mann von ihm reden gehört, so daß ich durchaus nicht hab' glauben können, daß er einen Kassa-Einbruch – und wie ich mich schon um alles annehm', so hab' ich auch schon die ganze Zeit her immer laviert und sondiert, ob man nicht auf Umstände kommen könnt', die seine Unschuld beweisen.

KAUZ.

Was nehmen Sie sich aber um eine Sache so an, die Ihnen im Grund nichts angeht, und die auch ganz zwecklos – der Stimmer is durchgangen, man hat ihm nachgesetzt, aber sie haben ihn nicht kriegt, er is also in Sicherheit, was weiter?

SCHNOFERL.

Was weiter? Rechnen Sie die verlorne Ehr' für gar so ein klein Verlust? Freilich 's gibt Leut', denen die Ehr' nicht ganz zwei Groschen gilt –

[340]
KAUZ.
Ah, das wird wohl bei niemanden der Fall sein.
SCHNOFERL.

O ja! Vorgestern spielen zwei im Kaffeehaus miteinander Billard, d' Partie um a Sechserl, einer verliert etliche Partien, sagt: »Ah, das kommt mir z' hoch, wir spielen's jetzt bloß um die Ehr'«, ein Zeichen, daß der die Ehr' nicht ganz auf zwei Groschen taxiert.

KAUZ.
Sie Spaßvogel –
SCHNOFERL.

Gehn wir aber gleich wieder aufs Ernsthafte über, der Stimmer hat eine Tochter, die folglich auch unter der verlornen Reputation des Vaters leiden muß.

KAUZ.
Mir hat er nie was von einer Tochter g'sagt.
SCHNOFERL.

Weil er ein g'scheiter Mann war, und Ihnen, ohne lateinisch zu können, doch ang'sehn hat, daß Sie ein Vokativus sind.

KAUZ.
Oh, Sie – Sie sind heut' sehr spaßig aufg'legt!
SCHNOFERL.

Gehn wir gleich wieder aufs Ernsthafte über. Er hat diese Tochter, wie er Wittiber wor'n is, noch als klein's Mädl zu einer Verwandten geben, weiter hab' ich nix erfahren können, indessen bin ich doch hinter was anders gekommen.

KAUZ.
Sie haben den Namen Schnoferl nicht umsonst!
SCHNOFERL.

Ein g'wisser Käfer, mit dem Sie in G'schäftsverbindung waren, der damals auch kurz nach dem Diebstahl von hier fort is, soll Reden fallen haben lassen, als ob er mehr wüßte von der Sach'. –

KAUZ
etwas betroffen.
Käfer? –
SCHNOFERL.

Ich hätt' ihm schon lang gern geschrieben, aber dieser Käfer kriecht bald dort bald da herum, seine Geschäfte erlauben ihm keinen stabilen Aufenthalt.

KAUZ.

Es ist ein schlechter Mensch dieser Käfer, sollen sich in nichts einlassen, ihm gar nicht nachforschen!

SCHNOFERL.
Was fallt Ihnen ein? im Gegenteil –
KAUZ.

Lassen wir das jetzt, Sie glauben nicht, die Erinnerung an diesen Gegenstand greift mir völlig die Nerven an.

SCHNOFERL.

Das find' ich begreiflich, um also auf was Lustiges zu kommen, sagen Sie mir, Sie Spekulant, was haben denn Sie in der Bruckengasse herumzuspekulieren?

[341]
KAUZ.

In der Bruckengasse? das is ja da draußten – Sie werden doch nicht glauben, daß ich Amoretteln – in einer so entlegenen Vorstadt such'!

SCHNOFERL.
Das tun ganz andere Leut' als Sie!
KAUZ.
Gott sei Dank, mein feiner Geschmack –
SCHNOFERL.
Deßtwegen! Die feinsten Fasan- und Austernesser gehn dann und wann wohin auf Knödl und a G'selcht's!
KAUZ.

Der Stadtgraben bildet die Grenze von meinem Herzensrevier, und noch nie hab' ich meine Leidenschaften über die Glacis getragen.

SCHNOFERL.

Na, so hab' ich Ihnen verkennt, aber der Taille nach waren Sie's! Übrigens, Schönheit bleibt Schönheit, und wenn die Schönheit auch auf einen Grund wo draußt is, so is das noch kein Grund sie gering zu schätzen, auch unter die groben Tücheln schlagen die Herzen auf eine sehr beglückende Weise und auch die gemeine Welt hat ihre Reize.

KAUZ.
Wie der Herr Schnoferl das alles kennt! Ich kenne nur eine Sphäre, die noble, die elegante!
SCHNOFERL.
Geben S' acht, daß ich Ihnen nicht einmal in einer andern Sphäre erwisch'! –
KAUZ.
Da bin ich sicher, ich vergiß mich nie!
SCHNOFERL.

Insofern Sie Egoist sind, könnt' man das glauben, aber die Lieb' ist der Punkt, wo sich auch die Egoisten dann und wann vergessen. Unter andern aber, stark is das, daß der Gigl – Ah, da is er ja!

8. Auftritt
Achter Auftritt
Gigl. Vorige.

KAUZ
zu Gigl, welcher zur Mitteltüre links eintritt.
Aber Gigl, was machst denn für G'schichten?
GIGL.
Is sie bös?
SCHNOFERL.
Am Verlobungstag retardieren, was zeigt das für'n Eh'stand für ein tempo an?
GIGL.
Ist sie sehr bös?
[342]
KAUZ.
Welche Frau sieht sich gern vernachlässigt von uns?
GIGL.
Also ist sie ganz bös?
SCHNOFERL.
So bös is keine, daß sie nicht zum Gutmachen wär'.
KAUZ.
Ich hab' noch jede zu besänftigen gewußt.
GIGL.
Aber mit was?
KAUZ.
Mit Liebkosungen.
SCHNOFERL.
Warum nicht gar!
KAUZ.
Ich mach's wenigstens immer so, und wann ich zärtlich werd', da is jede weg!
SCHNOFERL.

Oder wünscht' wenigstens weg zu sein. Gigl, wenn man verstimmte Frauen, notabene, solche, die nicht auf Präsenten anstehen, umstimmen will, so g'hören zwei Stimmschlüsseln dazu, der eine heißt imponieren, der andere niederknien.

GIGL.
Imponieren, wie tut man das?
SCHNOFERL.

Da macht man ein finsters G'sicht, wirft einen strafenden Blick auf sie, und macht ihr Vorwürfe, für das, daß man gefehlt.

KAUZ.
So hab' ich's auch schon g'macht.
GIGL.
Nein, imponieren kann ich nicht.
SCHNOFERL
zu Gigl.

Wenn du das nicht kannst, so wandle den andern Weg, verkürze deine Gestalt um die Knie- und Fersendistanz, halt d' Händ z'samm, und stottre die Zerknirschungsfloskel »I werd's nimmer tun«.

GIGL.
Das bring' ich eher z'samm, aber ich trau' mich nicht.
KAUZ.

Ich will dir's erleichtern, ich red' vorläufig mit ihr, dann kommst du nachläufig dazu, und sie wird gut, nur auf mich verlassen, ich hab' ja ein' Art magische Gewalt über Weiberherzen, wirklich magisch! Eilt zur Mitteltüre rechts ab.

9. Auftritt
Neunter Auftritt
Gigl. Schnoferl.

GIGL
desperat.
Schnoferl rett mich vom Abgrund!
SCHNOFERL.
Was is denn g'schehn, Gigl, red!
GIGL.

Kennst du die Empfindung, die vor 500 Jahr die [343] Burgfräulein g'habt haben, wenn s' bei die Haar zur Trauung g'schleppt worden sind?

SCHNOFERL.
Nein, die kenn' ich nicht!
GIGL.
Ich hab' die Empfindung, wenn ich an meine Heirat denk'.
SCHNOFERL.

Kennst du die Empfindung, wenn man einen auf freien Fuß sieht, der alle Ansprüche auf ein Extrazimmer im Narrenturm hat?

GIGL.
Nein, die kenn' ich nicht!
SCHNOFERL.

Ich hab' diese Empfindung, wenn ich dein Diskurs anhör'! Du hast dich damals meucheln wollen, wie s' ein andrer kriegt hat.

GIGL.

Und jetzt kruselt Selbstmord in mir, weil ich s' krieg'. Schnoferl, rett mich vom Abgrund, sag ihr, daß ich s' nit mag!

SCHNOFERL.
Zu solchen Blasphemien laß ich mich nicht mißbrauchen, sag ihr's selber.
GIGL.

Das trau' ich mich nicht. Im Gegenteil, wie ich ihr in d' Näh' komm', bitt' ich s' um Verzeihn, dulde Verlobung, dulde Kopulation, alles duld' ich, und welk' dem Grabe zu, wenn ich nicht gar durch einen Gewaltstreich –

SCHNOFERL.
Hörst, darin liegt doch kein Quintel Verstand.
GIGL.

Aber ein zentnerschweres Gemüt. Schnoferl, rett mich vom Abgrund. Ich hab' einst geglaubt in der Frau von Erbsenstein mein Ideal zu erblicken, aber das war optische Täuschung.

SCHNOFERL.
Und jetzt erscheint dir eine andere idealisch?
GIGL.
So is es!
SCHNOFERL.
Und diese Täuschung wird erst recht optisch sein. Wer ist sie denn diejenige?
GIGL.
Ein Mädl!
SCHNOFERL.

Hör auf! Von der Natur mit jedem Reiz verschwenderisch begabt, mit holden Anmutszauber übergossen, doch hoch überragt die Schönheit ihrer Seele jeden körperlichen Vorzug, und weit über das alles hinüber strahlt noch ihr Herz in himmlischer Verklärungsmilde!

[344]
GIGL.
Du kennst sie?
SCHNOFERL.

Nein, aber die Ideal' schau'n ja alle so aus. Notabene durchs Liebhaberperspektiv betrachtet, dem unbewaffneten Auge erscheinen diese Meisterstücke als gewöhnliche Dutzend-Fabrikswar' in gefälliger Form. Und was is sie denn?

GIGL.
Sie hat allweil fleißig gestickt, und a Menge schmutzige Haub'n war'n im Quartier.
SCHNOFERL.
Also a Stickerin, a Haubenputzermadl. Wie heißt s' denn?
GIGL.
Thekla!
SCHNOFERL.
Und mit'n Zunam'?
GIGL.
Um den fragt die wahre Liebe nie!
SCHNOFERL.
Wo logiert s' denn?
GIGL.
Sie logiert gar nicht, wenigstens für mich nicht mehr, sie is ausgezog'n.
SCHNOFERL.
Wohin?
GIGL.
Sie is heimlich auszog'n, mit ihrer alten Mahm, oder wer sie war.
SCHNOFERL.
A Mahm hat s' auch? die G'schicht wird immer obskurer.
GIGL.

Es schwebt ein undurchdringliches, wahrscheinlich fürchterliches Geheimnis über ihre Person. Mit vieler Müh' nur hab' ich Zutritt erhalten, es muß s' aber wieder g'reut haben, drum is sie fort aus dem Logis, aber der Grund –

SCHNOFERL.
Is kein anderer, als daß s' dich nicht mag.
GIGL.
Schnoferl, glaubst wirklich –?
SCHNOFERL.

Die einen mögen, verschweigen ei'm nie 's Quartier, wenn s' ausziehn, im Gegenteil sie reden ei'm noch sehr häufig um'n Zins an.

GIGL
desperat.
Also verloren!
SCHNOFERL.

Sei froh und lamentier nicht wegen so einem Mädl, geh hin zu der Frau von Erbsenstein, mach sie wieder gut, und genieße ein unverdientes Glück in ihren Armen.

GIGL.
Is denn das wirklich a Glück mit der Erbsenstein?
[345]
SCHNOFERL.

Freund, wiederhol diese Frag' ja nicht, wennst bei ein Fleischhacker vorbeigehst, ich weiß nicht für was er dich anschaut, und was dir g'schicht. Sie is ja das Schönste, das Beste, das Himmlischste was die Erde tragt. Nur den Umstand, daß mein Alter um 10 Jahre über »liebenswürdig« und meine Schönheit um 20 Grad unter »liebenswürdig« steht, hast du's zu verdanken, daß ich dir diesen guten Rat gib, sonst hätt' ich von deiner Dummheit profitiert, und hätt' g'schaut, daß ich s' selber erschnapp', denn wisse Jüngling, ich glühe für die Erbsensteinin mit einer Glut, die ebenso intensiv als hoffnungslos is, und nur deswegen red' ich dir zu, weil ich dir sie eher als jedem andern vergönn'!

GIGL.

Also, wenn's möglich wär', fischest du mir s' ab, wie geht denn das mit deiner Freundschaft zu mir zusamm?

SCHNOFERL.

Freund, in dem Punkt gibt's keine Freundschaft, und nutzet auch nix. Is eine zum Abfischen, so wird sie auch abg'fischt, und da is es immer viel besser es fischt eim s' ein feindlicher Freund vor der Hochzeit, als es fischt eim s' ein freundlicher Feind nach der Hochzeit ab.

GIGL.
Also glaubst, ich soll s' heiraten?
SCHNOFERL.
Na ob!
GIGL
mit Resignation.
Meinetwegen, aber nur g'schwind, daß ich's bald überstanden hab'.
SCHNOFERL.
Sie kommt!
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Frau von Erbsenstein. Kauz. Vorige.

KAUZ
mit der Frau von Erbsenstein zur Mitte rechts eintretend.

Na, Gigl, da ist sie. Ich hab' Wunder gewirkt zu deinem Besten, du brauchst jetzt nur ihren Zorn zu besänftigen, und sie is versöhnt.

SCHNOFERL.

Ich hab' ihm g'sagt, er soll Ihnen gar nicht gut machen, gnädige Frau, denn wie kann man denn die gut machen, die ohnedies die Güte selber is. Übrigens kann ich versichern er war krank.

[346]
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Krank war er?
SCHNOFERL.
Ja so, Beklemmung mit Entzündung.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Da hätt' er wenigstens schreiben sollen.
SCHNOFERL
zu Frau von Erbsenstein.

Ich will ihn übrigens gar nicht verteidigen, denn vor einem so zarten Tribunal werden die Sachen nicht im Rechtsweg sondern im Gnadenweg entschieden.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Wenn er seinen Fehler einsieht, wenn er bereut.
SCHNOFERL.
Oh, Sie glauben gar nicht, was er schon alles bereut hat!
FRAU VON ERBSENSTEIN.
So bin ich nicht abgeneigt –
SCHNOFERL
zu Gigl.
So red was, oder küß wenigstens die Hand, du Gegensatz des Cicero.

Gigl küßt Frau von Erbsenstein die Hand.
SCHNOFERL.
Jetzt g'schwind die Kontraktssachen in Ordnung gebracht.
KAUZ.
Komm Gigl, daß ich dir die Beiständ' aufführ'.

Nimmt Gigl unter den Arm.
SCHNOFERL.
Und ich führ' die holde Braut?
FRAU VON ERBSENSTEIN
zu Kauz und Gigl.
Wir kommen gleich nach, Zu Schnoferl. ich hab' noch was zu sprechen mit Ihnen.
KAUZ
zu Gigl.
Nur g'schwind, sie warten schon. Das hast alles mir zu verdanken. Mit ihm durch die Mitte ab.
11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Schnoferl. Frau von Erbsenstein.

SCHNOFERL
für sich.

Sie hat allein mit mir zu sprechen, jetzt Schnoferl sei standhaft, für dich blüht diese Blume nicht, drum handle als Freund und leiste Verzicht auf das was du nicht erringen kannst. Zur Frau von Erbsenstein. Sie wünschen, Frau von Erbsenstein?

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Wahrheit wünsch' ich, Wahrheit aus Ihrem Mund, ich hab' bereits eine Ahnung.
SCHNOFERL.

Dann haben Sie auch alles, denn die größten [347] Gelehrten haben von der Wahrheit nie mehr als eine Ahnung g'habt. Übrigens, welche Ahnung können Sie haben? Seit Erfindung der elastischen Strumpfbänder hat das aufgehört, jetzt kann einen Frau'nzimmer nicht einmal mehr 's Strumpfbandl aufgehn.

FRAU VON ERBSENSTEIN
heftig.
Also is er mir untreu gewesen?
SCHNOFERL.
Wer sagt denn das? Die ganze Sache ist eigentlich nicht der Müh' wert.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Keine Ausflüchte, wenn Sie mein Freund sind, reden Sie!
SCHNOFERL.

Das will ich auch, Sie sind eine zu gescheite Frau, als daß man Ihnen Ixe für Ue vormachen könnt' – drum –

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Heraus mit der Sprach, was war's?
SCHNOFERL.

Kinderei, Dummheit, Irrtum. Er hat in der Zerstreuung sein Herz für a Haub'n ang'schaut und hat's im Vorbeigehn zu einer Haubenputzerin geben.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Also, ein Liebesverhältnis? Wart, du undankbarer Duckmauser – jetzt is es aus auf ewig!
SCHNOFERL.

Aber gnädige Frau, das is ja nicht so, wie Sie meinen, Sie legen viel zu viel Wert in die Sache. Es war eine Mamsell Thekla, sonst hat s' glaub' ich gar keinen Namen, wenn es sich um so Mädln, Haubenputzerinnen, Nähterinnen, Seidenwinderinnen etc. handelt, da heißt dieser chemische Herzensprozeß nicht einmal »Liebe«, da wird das Ding nur Bekanntschaft genannt, und mit dem veränderten Namen entsteht auch in der Sache ein himmelweiter Unterschied. Bei der Liebe nur wird man bezaubert, bei der Bekanntschaft da sieht man sich gern, bei der Liebe nur schwebt man in höheren Regionen, bei der Bekanntschaft geht man in einen irdischen Garten, wohin, wo 's Bier gut ist, und 's kälberne Bratl groß is, bei der Liebe nur heißt's: »Er ist treulos, meineidig, ein Verräter«, bei der Bekanntschaft heißt's bloß: »Jetzt hat er a neue Bekanntschaft gemacht.« Die Liebe nur hat so häufig einen Nachklang von Zettermordio-Geschrei der [348] Eltern, bei der Liebe nur krampeln sich Familienverzweigungen ein in alle Fasern unserer Existenz, so, daß oft kein Ausweg als Heirat bleibt, bei der Bekanntschaft wird bloß ein Zyklus von Sonntäg, maximum ein ganzer Fasching prätendiert, ewige Dauer is da terra incognita und lebenslängliche Folgen sind da gar nicht modern.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Sie sind also der Meinung, daß diese G'schicht nicht unverzeihlich? –
SCHNOFERL.
Ganz zur Milde geeignet.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Ja, – wenn ich wüßte, daß er einsieht –
SCHNOFERL.
Er sieht ein, daß er salva veni ein Esel war, und ich hoffe, er wird als wahrer Esel handeln.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Wie meinen Sie das?
SCHNOFERL.
Er wird nie mehr einen Fehltritt tun, denn bekanntlich geht der Esel nur einmal aufs Eis.
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Und im Grund – es is mancher, der noch ein viel ärgerer Hallodri war, nach der Hand doch ein recht guter Gatte und Vater geworden.

SCHNOFERL.

Gewiß. Übrigens muß man das nicht immer so paarweis aussprechen, denn guter Gatte und Vater das trifft sich in praxi nicht immer so paarweis als wie die Strümpfe oder die Ohrfeig'n beisamm. Es ist sehr leicht, ein guter Vater zu sein, guter Gatte, das is schon mit viel mehr Schwierigkeiten verbunden. Die eigenen Kinder sind dem Vater gewiß immer die liebsten, und wenn's wahre Affen sein, so g'fallen ei'm doch die eignen Affen besser, als fremde Engeln. Hingegen hat man als Gatte oft eine engelschöne Frau und momentan g'fallt ei'm a andre besser, die nicht viel hübscher ist, als ein Aff'. Das sind die psychologischen Quadrillierungen, die das Unterfutter unsers Charakters bilden. –

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Gut also, ich will großmütig sein, wiewohl die Männer es gar nicht verdienen, daß man –
SCHNOFERL.

Warum sollen wir keine Großmut verdienen? Es gibt Fälle, wo wir auch unverkennbare Züge von Großmut entwickeln. Wir haben zum Beispiel a sekkante [349] Frau, die uns nicht a Stund a Ruh' gibt, und wir wünschen ihr dafür die ewige Ruh', wenn das nicht großmütig ist, nachher weiß ich's nit?

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Auf diese Art allenfalls.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Nanett. Vorige.

NANETT.
Gnädige Frau, der Kommis vom Juwelier ist da.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Ich komm' gleich, er soll warten.
SCHNOFERL.
Und ich geh' gleich, denn er wird auch warten.

Frau von Erbsenstein spricht stille mit Nanett weiter.
SCHNOFERL
für sich.

Ich habe mit Selbstaufopferung zugunsten des Freundes gesprochen, tröste dich, Schnoferl, mit dem Bewußtsein, und denke, die edelste Nation unter allen Nationen ist die Resignation. Verneigt sich gegen Frau von Erbsenstein, und geht durch die Mitte ab.


Nanett geht gleichzeitig in die Seitentüre ab.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Frau von Erbsenstein allein.

FRAU VON ERBSENSTEIN.

Ja, ja, ich muß no lens volens nachsichtig sein, wär' ich lieber vorsichtig gewesen und hätt' mein Jawort nicht so g'schwind gegeben! Das is schon so unser Los. Tritt unsereins diesem vertrackten Geschlecht auch mit noch so vieler Vorsicht entgegen, das Fazit is immer, daß man sich zur Nachsicht bequemen muß.


Lied.

1

Wir sind vorsichtig, wenn sich ein Liebhaber zeigt,
Und verberg'n ihm's langmächtig, daß wir ihm geneigt,
Wir sein vorsichtig vor dem entscheidenden Schritt,
Und erkundigen uns genau um sein' Konduite;
Wir frag'n vorsichtig nach, dort und da in der Stadt,
[350] Ob er Liebschaften, Schuld'n od'r ein Dusel oft hat.
Da erfahrt m'r allerhand und sagt: »Freund, es is nix!«
»Ha«, schreit er. »Du magst mich nicht? – gut, augenblicks
Schieß' ich mir drei Kugeln in d' Herzgrub'n hinein!« –
Was bleibt ein da übrig, als nachsichtig sein.

2

Wir sind vorsichtig, wach'n üb'r d' Kassa als Frau'n,
Daß wir sehn, wenn er heimlich ein Geld tut verhau'n,
Wir sind vorsichtig, wenn wir ein Mann hab'n, und schau'n,
Wenn er ausgeht alleinig, ob ihm auch zu trau'n,
So kommt man ganz vorsichtig ihm auf die Schlich',
Und schreit dann: »Ha Elender, so täuschst du mich!«
Da wird er kasweis, verliert d' Fassung, und schwört,
Es wird nie mehr geschehn, kniet sich nieder auf d' Erd', –
Na jetzt 's eigne Gewiss'n is just auch nicht ganz rein,
Was bleibt ein da übrig, als nachsichtig sein.

3


Repetitionsstrophe.

Wir sind vorsichtig, wenn der Mann 's Podagra hat,
Damit er nicht in seine Launen h'nein g'rat't;
Wir schau'n vorsichtig, daß er sein Tee pünktlich kriegt,
Daß die Schlafhaub'n au'm nämlichen Platzl g'wiß liegt.
Wir sind vorsichtig, daß ka Speis' schlecht au'm Tisch kummt,
Weil er weg'n einer Einmachsoß vierzehn Tag brummt,
Man laufet gern vorsichtig auf und davon,
's is nix G'schenkts, wenn die Zeit anruckt, wo so ein Mann,
Statt der Zärtlichkeit kagetzt jahraus und jahrein,
Da bleibt wohl nix übrig, als nachsichtig sein.

Durch die Seitentüre rechts ab.

[351]
14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Gigl. Dann Schnoferl.

GIGL
zur Mitteltüre vorne hereineilend.

Sie war's, durch'n Hof is sie gegangen, sie war's, ich hab's vom Fenster g'sehn, das Mädl im perkallenen Kleid war sie, keine andere als sie. Jetzt kann s' auf der Stieg'n sein. Auf die Mitteltüre links deutend. Da muß sie hereinkommen, da stell' ich mich her.


Stellt sich an die Mitteltüre links.
SCHNOFERL
zur Mitteltüre vorne eintretend.
Was rennst denn wie ein B'sess'ner!
GIGL
für sich.
Da hat ihn der Teuxel! Laut. Dich hab' ich g'sucht.
SCHNOFERL.
Ich bin ja neben deiner g'standen.
GIGL.

Das hab' ich übersehen, du sollst g'schwind zum Herrn von Kauz kommen. Es hat mit'n Eh'kontrakt ein neues Nisi, die Beiständ' und der Notarius stecken die Köpf' z'samm.

SCHNOFERL.
Was kann denn das sein? ah, da muß ich gleich – Durch die Mitte ab.
15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt
Gigl. Dann Thekla und Nanett.

GIGL.

Den hätt' ich anbracht. Nach der Mitte links horchend. Ich hör s', – dieses zarte Zeberln, das is ihr Gang, sie is's. Stellt sich verbergend in eine Ecke des Zimmers.

NANETT
mit Thekla zur Mitte links eintretend.
Gedulden Sie sich da einen Augenblick, ich werd' schauen, ob die gnädige Frau –
THEKLA.
Oh, ich kann schon warten.

Nanett durch die Mitteltüre rechts ab.

[352]
16. Auftritt
Sechszehnter Auftritt
Gigl. Thekla.

GIGL
vortretend.
Thekla! –
THEKLA
erschrocken.
Ha, Sie sind da? –
GIGL.

Leider nicht als so ganzer, was der nagende Gram noch übrig lassen hat von mir, das is da. – Wodurch hab' ich das verdient?

THEKLA.
Was denn, Herr von Gigl?
GIGL.
War mein Betragen nicht artig? Bin ich nicht überhaupt still, bescheiden und eingezogen?
THEKLA.
Gewiß!
GIGL.
Und Sie sind ausgezogen und hinterlassen mir keine Adress'?
THEKLA.
Wenn Sie wüßten –
GIGL.

Wenn Sie lieber wüßten, was das für ein trostloser Zustand is, ein Liebhaber ohne Adress', – ein junger Spatz der aus'n Nest fallt, ein Hecht, den s' in ein Körb'l tragen, ein Pinsch, der ohne Halsband umlauft, das alles is noch Gold gegen einen Liebhaber ohne Adress'!

THEKLA.

Sie haben mir einen großen Dienst geleistet, wie Sie mich damals abends vor den Zudringlichkeiten eines kecken Menschen geschützt haben, Sie haben mich nach Haus g'führt, und aus Dankbarkeit hab' ich Ihnen erlaubt mich zu besuchen, Seufzend. es war unrecht, und ich darf Ihnen nicht wiedersehn, das war der Grund –

GIGL.
Lügen S' nit, Sie können mich nicht leiden, der Grund kommt mir viel gründlicher vor.
THEKLA
ihr Gefühl mühsam verbergend.
Glauben Sie, man darf nur die Leut' nicht wiedersehen, die man nicht leiden kann?
GIGL
entzückt.

Also, Sie sind mir gut? Thekla, göttliche Thekla! dann is's was anders, was Ihnen geniert. Haben S' vielleicht recht a schlecht's Quartier, was macht das? an Ihrem vorigen war ja auch nix dran, oder haben S' kein Extraeingang? ich laß durchbrechen, an welcher Seiten als Sie wollen, – oder haben S' keine Möbeln? ich stell' Ihnen Einrichtung hinein, daß S' Ihnen nicht mehr rühren können.

[353]
THEKLA.
Herr von Gigl, Sie beleidigen mich –
GIGL.

So war's nicht g'meint, ich weiß, Sie sind ohne Interesse, das is schön, aber ich bin ohne Adresse, das is nicht schön, das is schauderhaft.

THEKLA.

Denken Sie gar nicht mehr an mich, Sie müssen mich vergessen. Sehr ernsthaft. Wenn Sie alles wüßten –

GIGL
dringend.
Ich weiß gar nix. Wo logieren Sie? Thekla, wo wohnen Sie? Thekla, wo sind Sie zu finden?
THEKLA.
Das werden Sie nie erfahren!
GIGL
immer dringender.

Ich laß Ihnen nicht mehr aus, ich folg' Ihnen Schritt vor Schritt, ich werde zudringliche Kletten, mein Entschluß ist fest, eher den Tod, als ein Leben ohne Adress'! –

THEKLA.
Sie werden mich bös machen, schämen Sie sich, ein armes Mädel so –
GIGL.

Ich laß nicht nach, und wenn die Welt einstürzt – Erschrocken zurückweichend. muß der Teuxel grad jetzt –

17. Auftritt
Siebenzehnter Auftritt
Vorige. Kauz. Schnoferl.

KAUZ
mit Schnoferl aus der Mitteltüre rechts eintretend, Thekla bemerkend.
Schau, der junge Herr hat G'sellschaft?
SCHNOFERL
leise zu Gigl.
Du bist ein lieber Kerl, mir scheint deßtweg'n hast mich fortg'schummelt.
KAUZ
hat Thekla näher betrachtet.
Sie wollen mit jemand sprechen?
THEKLA.
Mit der Frau von Erbsenstein, wegen Chemisetten.
KAUZ
für sich.
Sie kennt mich nicht, das is g'scheit.
SCHNOFERL.
Übrigens unterhalt'st du dich recht gut?
GIGL
verlegen.

Ich kenn' die Mamsell – von – von dazumal – wie – vor a vier bis fünf Wochen war's einmal hübsch dunkel abends, und da hat sich einer ang'macht an sie, und war zudringlich, keck – ich geh' hintendrein – seh' ihre Angst.

SCHNOFERL.
Also, eine Rettungshistorie?
GIGL.
Und 's war ein alter, schiecher Ding –
KAUZ
beleidigt, für sich.
Strohkopf. Laut zu Gigl. In der Finster kann man so was nicht beurteilen.
[354]
GIGL.

Ich werd' giftig, lauf' hin und gib dem verliebten alten Kater ein Renner, daß er auf ja und nein vis-à-vis auf'n Eckstein g'sessen is.

KAUZ
sich vergessend.
Also, du warst das?
GIGL.
Wie meinen der Herr von Kauz –?
KAUZ
sich korrigierend.

Ich will nur sagen, du warst so ein Held? Abbrechend. Unter andern aber, was laßt denn du mir durch'n Herrn Schnoferl sagen, im Eh'kontrakt hätt' sich ein Nisi ergeben? –

GIGL
verlegen.
Ich – ich hab' nur –
KAUZ.

Es is ja nicht wahr, 's is ja alles in der schönsten Ordnung, und deiner Heirat steht gar kein Hindernis im Weg.

THEKLA
zu Gigl.
Sie heiraten?
GIGL
in der peinlichsten Verlegenheit, leise zu Thekla.
Glauben Sie's nicht, es is nicht dem so –
SCHNOFERL
zu Gigl, leise.

Also, komm Gigl, mach ein G'scheiten, schlag dir dein dalkets Ideal aus'n Sinn, betracht zum Beispiel nur die, Auf Thekla deutend. da kannst dir ein Muster nehmen, was es für Mädln gibt auf der Welt, da parier' ich doch ung'schauter, deine Thekla is nicht halb'n Teil so sauber, als diese Putzerin.

GIGL.
Die Parie tätst verlier'n.
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Nanett. Vorige.

NANETT
aus der Seitentüre kommend.
Mamsell Thekla, die gnädige Frau erwart't Ihnen.
THEKLA.
Ich bin zu Befehl. Geht zur Seitentüre mit Nanett ab.
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt
Gigl. Kauz. Schnoferl.

SCHNOFERL.
Thekla heißt die? Mir geht ein Licht auf –
KAUZ.
Ein hübscher Name, Thekla!
GIGL
nimmt rasch seinen Hut, zu Kauz.
Sie verzeih'n, ich hab' einen notwendigen Gang! Will durch die Mitteltüre links ab.
[355]
SCHNOFERL
ihn zurückhaltend, spricht, daß es Kauz nicht hören kann.
Halt, das also is diese Thekla? –
GIGL
sich losmachen wollend.
Geht's dich was an?
SCHNOFERL.
Dageblieben! Du willst jetzt auf der Gassen unt' passen auf sie –
GIGL.
Geht's dich was an?
SCHNOFERL.

Nicht von der Stell', deine unverdiente herrliche Braut willst du so blamieren vor der ganzen Gesellschaft?

GIGL
wie oben.
Geht's dich was an?
KAUZ
für sich.
Was streiten denn die miteinand?
SCHNOFERL
noch immer Gigl am Rockschoß haltend.
Wenn du nicht Räson annimmst, so zieh' ich meine Hand ab von dir.
GIGL.
So tu's nur einmal!
SCHNOFERL
wie oben.
Renn in dein Verderben!
GIGL.
Das will ich, aber du laßt mich nicht aus.
KAUZ.
Gigl! Deine Braut kommt.
20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt
Frau von Erbsenstein. Vorige.

FRAU VON ERBSENSTEIN
aus der Seitentüre vorne kommend.
Gottlob, daß ich diese Leut' einmal vom Hals hab'.
KAUZ.
Ja, ja, die Gesellschaft wart't auf dich.
SCHNOFERL.
Is die Stickerin fort – die bei Ihnen? –
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Das is eine verruckte Person, ich will ihr neue Arbeit geben, und sie nimmt's nicht an, sagt, sie hat ihre Wohnung verändert, und muß ihre neue Adress' durchaus verschweigen.

KAUZ.
Is sie noch in dein'n Zimmer, Nièce?
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Nein, sie hat gebeten, ich sollt' s' nur g'schwind über die andere Stiege hinunterlassen.
GIGL
halb für sich.
Fort, da muß ich nach!
SCHNOFERL
ihn zurückhaltend.
Halt, dageblieben!
FRAU VON ERBSENSTEIN
über Gigls Benehmen befremdet, zu Kauz.
Was hat er denn?
KAUZ.
Ich weiß nicht, der Mensch is ordentlich damisch seitdem er diese Mamsell Thekla da g'sehn hat.
[356]
FRAU VON ERBSENSTEIN
auffahrend.
Thekla heißt sie? Diese Stickerin is diese Thekla?
KAUZ.

Der Name Thekla hat eine eigene Wirkung – jetzt keine Dalkereien gemacht – der Herr Notarius glaubt sonst, wir halten ihn für einen Narren, g'schwind zur Unterschrift!

GIGL.

Unterschrift? – hier Aufs Herz deutend. is eine Inschrift, die keine Unterschrift duldet, der Name Thekla is hier mit unauslöschlicher Merktinten geschrieben. – Mir wird kurios – mich wandelt was an – ich lös' mich auf – ich fall' um – Sinkt in einen Stuhl links.

SCHNOFERL.
Da liegt er!
KAUZ
auf Frau von Erbsenstein deutend.
Da steht sie, wie versteinert.
SCHNOFERL
hat nach der Mitteltüre rechst gesehen.
Und da kommt Notarius und Gesellschaft.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Nein, die Schand'! Ich sink' in die Erd'!
SCHNOFERL.
Das is nur in ein' Zauberstück möglich, hier is keine Red' davon.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Eine Braut hat das Recht in Ohnmacht z' fall'n, aber ein Bräutigam –
KAUZ.
's is infam! –
SCHNOFERL
zur Frau von Erbsenstein.
's bleibt nichts übrig, als Sie fall'n in der G'schwindigkeit auch um! Führt sie zum Stuhl rechts.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Sie hab'n recht, Schnoferl, mir wird ohnedem –

Sie sinkt in den Stuhl.
SCHNOFERL.
Jetzt kann man den Leuten doch sagen –
FRAU VON ERBSENSTEIN
aufspringend.
Daß ich zuerst umg'fall'n bin!
SCHNOFERL.
Freilich! Freilich! Legen S' Ihnen nur nieder, sie sind schon da!

Frau von Erbsenstein sinkt schnell wieder in einen Stuhl.

[357]
21. Auftritt
Einundzwanzigster Auftritt
Gesellschaft. Notar. Vorige.

CHOR DER GESELLSCHAFT.
Das Brautpaar nicht zu sehn,
Was ist denn da geschehn?
SCHNOFERL.
Die Braut is in Ohnmacht g'fall'n, die Nerven sind schwach!
Über das trifft den Bräutigam völlig der Schlag!
CHOR DER GESELLSCHAFT.
Ah das is ein Malheur,
Nur schnelle Hilfe her.

Ein Teil der Gesellschaft drängt sich um den Stuhl, in welchem Frau von Erbsenstein in Ohnmacht liegt, ein anderer um den Stuhl, in welchem sich Gigl zu erholen anfängt, unter allgemeiner Verwirrung fällt der Vorhang.

Ende des ersten Aufzuges.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Knöpfel. Madame Storch. Rosalie. Sabine. Peppi.
Rosalie, Sabine, Peppi sitzen an dem Tisch rechts und sind mit Nähterei beschäftigt. Madame Storch steht beim Tische links, und ist beschäftigt, fertige Arbeit zu ordnen. Knöpfel sitzt an demselben Tisch und schreibt in einem großen Buch.

ROSALIE, SABINE, PEPPI lachen. Ha ha ha ha!

KNÖPFEL.
So hört doch zu lachen auf, seht ihr denn nicht, ich mach' grad mein' Inventur oder was?

Schreibt emsig fort.
MADAME STORCH.
Lacht's weniger und arbeit's mehr.
ROSALIE.
Wir lachen und arbeiten zugleich.
SABINE.
Wenn man sich nicht einmal aufheitern dürft' –
ROSALIE.

A Nähterin is eh' ein traurig's G'schäft, 's ganze [358] Jahr an Ausstaffierungen arbeiten, mit dem Gefühl selbst nie in die Lag zu kommen, wo man eine Ausstaffierung braucht.

SABINE.
Wer sagt denn das, ich glaub', wir machen Eroberungen g'nug!
PEPPI.
Gott sei Dank!
ROSALIE
zu Peppi.
Du gar, du eroberst alles z'samm.
MADAME STORCH.
An Eroberungen ist freilich kein Mangel.
ROSALIE
zu Sabine.
Aha, fangt schon wieder an die Eitle.
KNÖPFEL
rechnend.
38 und 3 is 41 oder wie.
ROSALIE
Sabine zuwinkend, zu Madame Storch.
Haben Sie schon lang' keine Eroberung gemacht, Madame?
MADAME STORCH.
Die Tag erst is mir einer nachgangen, ein gesetzter, bejahrter Mann.
SABINE.
Ein Alter!
KNÖPFEL
rechnend.
59 und 7 is 66 oder was.
MADAME STORCH.
Das gibt der Sache einen Wert, von jungen G'schwufen red' ich gar nix.
ROSALIE
spöttisch für sich.
Ich glaub's. Zu Madame Storch. Hat sich aber nicht wieder gezeigt der gesetzte Herr?
MADAME STORCH.
Ich hab' ihn abgetrumpft, ich bin nicht so, daß ich mich gleich in Diskurs einlaß.
KNÖPFEL.
Oder was.
MADAME STORCH.
Ich bin aber überzeugt, er paßt mir wieder auf.
SABINE.
Freilich.
ROSALIE.
Wenn sich so ein g'setzter Mann einmal was in Kopf setzt. –
MADAME STORCH.
Unter andern, wißt ihr, mit wem ich heut' g'sprochen hab?
SABINE.
Wie können wir das wissen.
ROSALIE.
Wir kommen ja den ganzen Tag nicht von der Arbeit weg.
KNÖPFEL
aufstehend.
Schwester? Das intressiert mich, mit wem hast denn g'redt, oder was?
MADAME STORCH.
Mit unserer Nachbarin, mit dem Mädl, die die Tag erst eingezogen is.
[359]
ROSALIE.
Mit der Langweiligen von der rückwärtigen Stieg'n?
KNÖPFEL
sehr neugierig.
Na, und was hast du herauskriegt aus ihr?
MADAME STORCH.

Sie bleibt ein'm nie stehen, ich hab' s' aber dasmal festg'halten beim Fürtuch, so hat s' reden müssen, ich hab' s' eing'laden, daß s' uns besuchen möcht', sie sagt aber, sie geht nirgends hin, sie will weder Leut' sehen, noch g'sehn werden von d' Leut.

SABINE
spöttisch lachend.
Jetzt will die keine Leut sehn.
ROSALIE.
Da wird weiter den Leuten nicht leid sein drum!
KNÖPFEL.
's Ganze is auf'n Schein oder wie?
MADAME STORCH.
Na, es scheint doch, daß eine innere Kränkung –
KNÖPFEL.
Oder was.
MADAME STORCH.

Wie ich s' aber wieder begegn', führ' ich s' herein, und sie muß uns ihr ganzes Schicksal haarklein erzählen.

ROSALIE.
Da wird halt ein ganz gewöhnliches Schicksal herauskommen.
SABINE.
Man weiß ja wie die Schicksale sind.
KNÖPFEL.

Natürlich. Jetzt muß ich aber nochmal ins G'wölb hinunter, muß mir ein paar Belege zur Inventur holen und das zwar gleich oder wann.

2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Vorige. Schnoferl tritt zur Mitte ein.

ALLE.
Der Herr Schnoferl!
KNÖPFEL.
Servus, Freund, Servus oder was.
MADAME STORCH.
Was? Sie sein auch noch auf der Welt?
SABINE.
Ich wär' lieber gar nicht mehr kommen.
ROSALIE.
Er hat wichtige Geschäfte.
SABINE.
Und kommt viel in noble Häuser –
MADAME STORCH.
Ordinäre Leut', wie wir, sind ihm zu wenig.
KNÖPFEL
zu Schnoferl.
Sie nehmen's nicht übel, ich hab' noch ein Augenblick z' tun im G'wölb, oder wo.
[360]
SCHNOFERL.
Ich hab' schon später noch das Vergnügen.
KNÖPFEL.
Denn i muß jetzt die Inventur machen oder was.

Eilt zur Mitte ab.
SABINE.
Wir werden jetzt gleich hören, was er für Entschuldigung hat. Zu Schnoferl. Reden Sie!
SCHNOFERL.
Wie befinden Sie sich?
SABINE.
Glauben Sie vielleicht, wir härmen uns ab über Ihr Ausbleiben?
SCHNOFERL.
Wie befinden Sie sich?
ROSALIE.
Es is nur die Red' von der Unart. –
SCHNOFERL
mit noch mehr Nachdruck.
Wie befinden Sie sich also?
MADAME STORCH, ROSALIE, SABINE, PEPPI.
Gut, sehr gut!
SCHNOFERL.
Das is schön, um so mehr Teilnahme sind Sie dem schuldig, der sich nicht gut befindet.
ROSALIE.
Wer befindet sich denn schlecht?
SCHNOFERL.
Ein meiniger Freund.
MADAME STORCH, ROSALIE, SABINE, PEPPI.
Ein Freund?
SCHNOFERL.

Ich hab' einen Freund, Sie werden wissen was Freundschaft ist, denn Sie haben ja auch jede einen Freund. – Mein Freund ist unglücklich, er leidet sehr.

SABINE.
Wer hat ihm denn was getan?
SCHNOFERL.
Ein Mädl.
MADAME STORCH.
Also eine Liebesgeschicht, was geht das uns an?
SCHNOFERL.

Kritische Fälle pflegt man immer Sachverständigen vorzutragen. Mein Freund is wahnsinnig, will sich umbringen aus Liebesgram.

SABINE.
's gibt halt doch noch Leut', die eine Bildung haben.
PEPPI.
Is diejenige also spröd'?
SCHNOFERL.
Gegen meinen Freund ist sie's.
ROSALIE.
Und gegen andere ist sie's vielleicht nicht?
SCHNOFERL.

Darüber schweigt der Historiker, mein Freund hat an dem, daß sie ihn nicht mag, hinlänglichen Verzweiflungsstoff.

ROSALIE.
Is er vielleicht recht schiech?
SCHNOFERL.
Unendlich schiech über sein Schicksal.
SABINE.
Wir meinen sein Äußeres, is das schön?
[361]
SCHNOFERL.

Schön, unendlich schön, wenn eine halbwegs glühende Phantasie das ruhige Anschau'n unterstützt. Übrigens will ich gar nix davon sagen, daß er reich is.

ROSALIE, PEPPI, SABINE. Reich?

SCHNOFERL.
Ich weiß, das intressiert euch Mädln gar nicht, aber er ist sehr reich.
ROSALIE
mitleidsvoll.
Der arme Mensch.
SABINE.
Bedauert mich vom Herzen.
PEPPI.
Wirklich jammerschad!
SCHNOFERL.

Wie g'schwind sich 's Mitgefühl zeigt, wenn so ein armer Mensch reich is. Sie allein können helfen, meine Aimablesten.

ROSALIE, PEPPI, SABINE. Wie?

SCHNOFERL.
Reißen Sie diese Lieb' aus seinem Herzen heraus, wer verstünd' das besser als Sie!
PEPPI.
Hörn S' auf!
SABINE.
Was können wir da machen?
ROSALIE.
Ich wüßt' gar nicht –
SCHNOFERL.
Mein Freund is krank, herzenskrank durch ein Mädl, ich will diesen Zustand durch Mädln vertreiben.
ROSALIE
geziert.
Warum nicht gar.
SABINE
ebenso.
Was fallt Ihnen ein.
SCHNOFERL.
Ich setz' einen Preis auf sein Herz, die ihn auf andre Gedanken bringt, erhält –
MADAME STORCH.

Das wär' überflüssig, das Herz eines schönen reichen Menschen is ja ohnehin Preis genug. Ich hab' jetzt nur so ein wichtigen Gang.Nimmt ein Paket vom Tische links. In jedem Fall aber, Herr Schnoferl, hab' ich noch das Vergnügen, Ihnen samt Freund zu sehn. Eilt zur Mitte ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Die Vorigen, ohne Madame Storch.

SCHNOFERL.

Der Unglückliche sitzt da neben im Kaffeehaus, und starrt mit düsterm Blick in seinen Schwarzen hinein, ich hol' ihn herauf. Eilt zur Mitte ab.

[362]
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Die Vorigen, ohne Schnoferl.

ROSALIE.
's is eigentlich eine rechte Verlegenheit für uns.
SABINE.
Wenigstens müssen wir so tun, als ob's eine wäre.
PEPPI.
Sollt' ich wirklich mein'n Eduard kränken?
ROSALIE.
Ich bin gar nicht recht in der Stimmung, eine Falschheit zu begehn.
SABINE.
Und was geht uns im Grund der ganze Mensch an?
ROSALIE.
Nehmen wir gar keine Notiz von ihm.
PEPPI.
's wird 's G'scheiteste sein.
SABINE
zu Peppi.
Du schau, das Tüchel schlieft mir so herauf, richt mir's.

Peppi ordnet ihr das Halstuch.
ROSALIE.
Mir halten heut wieder die Locken nicht.

Richtet sich am Spiegel die Frisur.
PEPPI.
Sali! find'st du nicht, daß ich heut' so trübe Augen hab'?
ROSALIE.
Warum lest immer d' halbe Nacht. Zu Sabine. Du, Sabin', schau ob mir da nicht 's Mieder vorgeht.
SABINE
ordnet an Rosaliens Anzug.
Nein, nein, bist schon schön!
ROSALIE.
Grad heut' hab' ich mich so nachlässig ang'legt.
PEPPI
hat nach der Mitteltüre gehorcht.
Ich glaub' er kommt.
ROSALIE.
Setzen wir uns zur Arbeit.
SABINE.
Sonst schaut das Ding aus, als ob wir g'wart't hätten auf ihn.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Schnoferl. Gigl. Vorige.

SCHNOFERL
Gigl vorstellend.
Hier, meine Charmantesten, hab' ich die Ehre, Ihnen meinen Freund vorzustellen.
PEPPI.
Sie verzeihen!
ROSALIE.
Bei uns is alles so in Unordnung, wir war'n gar nicht gefaßt.
SABINE.
Wir erhalten nie Besuche.
SCHNOFERL
zu Gigl.
Is das was Liebes – diese gänzlich unbesuchten Geschöpfe. So red doch was.
[363]
ROSALIE.
Wir haben gar keine Zeit, Bekanntschaften zu machen.
SABINE.
Sind immer so mit Arbeit überhäuft.
SCHNOFERL
leise zu Gigl.

Siehst, sie haben gar keine Zeit, diese guten überhäuften Geschöpfe. Red doch was, sag eine Galanterie.

GIGL.
Ich bin so frei –
SCHNOFERL
zu den Mädchen.

Sehn Sie, Sie haben glaubt, er is so schüchtern, und jetzt sagt er's selber, daß er so frei is, o 's is ein lustiger Ding, jetzt noch nicht, aber später vielleicht.

PEPPI
Gigl einen Stuhl anbietend.
Is es gefällig Platz zu nehmen?
GIGL.
Ich bin so frei.
ROSALIE
zu Sabine.
Die hat nit warten können, bis wir ihm einen Sessel offerieren.
SABINE.
Sie will die Zuvorkommende spielen.
SCHNOFERL
leise zu Gigl.

Sag jetzt was vom »Schlaf nicht austragen« oder »Platz an Ihrer grünen Seite«, oder sonst was, was doch den Mann von Welt charaktrisiert.

GIGL.
Ich bin so frei.
SABINE.
Das sind Sie nicht, im Gegenteil, Sie sind bescheiden.
ROSALIE.
Und das is das, was wir schätzen an einem Mann.
SABINE.
Wenn man Männer mit Blumen vergleichen dürft' –
ROSALIE.
So könnt' man Ihnen mit dem bescheidenen Veilchen vergleichen.
SABINE
ärgerlich beiseite.
Das is stark, die schnappt mir 's Wort vom Maul weg und der klassische Gedanken is von mir.
SCHNOFERL.

Erlauben Sie, daß ich gegen das unverdiente Renommee dieser Blume einen Einspruch tu'. Das Veilchen dringt sich z' allererst hervor, kann's kaum erwarten, bis 's Frühjahr wird, überflügelt sogar das Gras, damit's nur ja früher als alle andern Blumen da is auf'n Platz, wo steckt da die Bescheidenheit? Aber 's geht schon so, so kommt auch mancher Mensch zu einem Renommee, er weiß nicht wie. Weltlauf!

PEPPI
hat Gigl betrachtet, für sich.
Ich find' er sieht ganz mein Eduard gleich. –
[364]
ROSALIE
ebenso.
Augen hat er, wie der Subjekt, der immer aus der Offizin da drüben auf mich herüberschaut.
SABINE
ebenso.
Den Wuchs hat er ganz von dem herrschaftlichen Laufer, der mir so nachsetzt.
GIGL
leise zu Schnoferl.
Sag mir nur, wegen was d' mich herg'führt hast?
SCHNOFERL
leise zu Gigl.

Undankbarer, um dir zu zeigen, daß außer deiner Thekla die schöne Welt noch nicht mit Brettern verschlagen ist.

GIGL
leise zu Schnoferl.
Ich soll also einer die Cour machen?
SCHNOFERL
leise.
Freilich.
GIGL
wie oben.
Welcher denn?
SCHNOFERL.

Egal, die Sabin is schön wie ein Engel, die Rosalie und Peppi sind schön wie die Engeln, also is es ein Teufel die welche du nimmst.

GIGL.
Nein, du, es geht nicht!
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Vorige. Madame Storch.

MADAME STORCH
in großer Aufregung zur Mitte eintretend.
Mir wird übel!
ALLE
außer Gigl, der wenig Anteil nimmt.
Die Madam!
MADAME STORCH.
Mir wird übel!
SCHNOFERL.
Was is denn da gut dafür?
MADAME STORCH.
Ein Sessel!
SCHNOFERL
zu Gigl.
Gigl, steh auf!
MADAME STORCH.
Ah, is das Ihr Freund? freut mich, die Ehre zu haben.
GIGL.
Ich bin so frei.
MADAME STORCH
für sich.
Recht ein artiger Mann!
SCHNOFERL
Madame Storch den Stuhl präsentierend.
Is Ihnen vielleicht noch gefällig unwohl zu sein?
MADAME STORCH.
Es wird bereits besser.
SCHNOFERL.
Was is Ihnen denn passiert?
MADAME STORCH.
Eine Keckheit, eine Verwegenheit. Wenn nur mein Bruder da wär', ein Herr is mir nachgegangen.
[365]
SCHNOFERL.
Und das hat Ihnen aus der Fassung gebracht?
ROSALIE
zu Peppi und Sabine.
's g'schieht ihr halt nicht gar oft.
SABINE
zu beiden.
Da müßten wir alle Tag' ohnmächtig nach Haus kommen.
MADAME STORCH
zu Schnoferl und Gigl.
Und stellen Sie sich vor, bis ins Haus herein verfolgt er mich.
SCHNOFERL.
Ja, die jungen Leut' haben eine Effronterie.
MADAME STORCH.
Oh, der war nicht jung.
SCHNOFERL.
Aber die Effronterie wird er noch von der Zeit her haben, wie er jung war.
MADAME STORCH
affektiert ängstlich.
Ich hör' was an der Tür, wenn er etwa gar – oh, meine Herren, schützen Sie mich!
ROSALIE
zu Sabine.
Die braucht ein'n Schutz!
SABINE.
Jetzt wird gleich mir übel werd'n.
SCHNOFERL
zu Madame Storch.
Sein Sie ruhig, den woll'n wir – Gigl, geh her!
GIGL.
Was soll denn g'schehn, niederschlag'n oder hinauswerfen?
SCHNOFERL.

Keins von beiden, wir müssen ihm was tun, was ihn geistig demütigt, ohne ihn körperlich zu verletzen.

GIGL.
Wie tut man das?
SCHNOFERL.

Was im Mittelalter ein Schlag mit der flachen Klinge auf den Rücken war, das is in der neuern Zeit ein Schlag mit der flachen Hand auf den Hut. Stell dich daher.


Gigl und Schnoferl stellen sich zu beiden Seiten dicht an die Tür.
MADAME STORCH.
Wie glücklich ist man, wenn man unter Männerschutz –
SCHNOFERL
mit gedämpfter Stimme.
Still!
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Kauz. Vorige. Später Knöpfel.

KAUZ
öffnet leise die Mitteltür und spricht noch außerhalb.

Da muß es sein! Er schleicht herein, a tempo schlagen ihn Gigl und Schnoferl zugleich auf den Hut, daß er ihm übers Gesicht herab bis auf die Schultern zu sitzen kommt.


Die Mädchen lachen.
[366]
KAUZ.
Zu Hilfe! zu Hilfe!

Bemüht sich, den Hut wieder in die Höhe zu ziehen.
SCHNOFERL.
Sie ist vollbracht die kühne Tat!
GIGL
Kauz von allen Seiten betrachtend.
Das is ja –
KAUZ
hat endlich den Hut wieder hinaufgebracht.
Verdammt, ich wär' bald erstickt!
SCHNOFERL
ihn erkennend.
Was Teuxel!! seh' ich recht!?
GIGL.
Der Herr von Kauz!
KAUZ
äußerst betroffen.
Schnoferl, Gigl!?
MADAME STORCH, PEPPI, SABINE, ROSALIE
für sich.
Sie kennen sich.
KAUZ
aufgebracht zu Gigl.
Und du hast dich unterstanden –
GIGL.

Ich bitt' um Verzeih'n, ich hab' Ihnen nicht aus eigenem Antrieb den Hut angetrieben, Auf Schnoferl deutend. von dem is diese Idee.

SCHNOFERL.

Oh, ich bitt', diese Idee ist nicht neu, und wahrscheinlich mit der Erfindung der Hüte selbst von gleichem Alter. Übrigens haben wir in Sachen geänstigter Tugend kontra unbekannten Verfolger gehandelt, das adelt unsere Tat, und überhebt uns jeder Entschuldigung.

MADAME STORCH
zu Kauz.
Mir is unendlich leid, ich hab' nicht gewußt, daß Sie ein Bekannter von diesen Herren –
SCHNOFERL
Kauz präsentierend.

Ein, das abgerechnet, äußerst respektabler Mann, Herr von Kauz, ein, das abgerechnet, charmanter Partikulier.

MADAME STORCH
sehr höflich zu Kauz.
O ich bitte, gefälligst Platz zu nehmen.
KAUZ.
O ich dank', die Füß' tun mir nicht weh, eher der Kopf.
SCHNOFERL.
G'schieht Ihnen recht, warum haben Sie diesen Kopf in ein Haus g'steckt, wo Sie nix zu suchen haben.
KAUZ.

Ich hab' hier was zu suchen. Auf Gigl zeigend. Den jungen Herrn da hab' ich gesucht, meine Nièce hat mir den Auftrag gegeben, seine Schritte zu beobachten.

SCHNOFERL.
Und deßtwegen –?
KAUZ.
Ja, deßtwegen.
MADAME STORCH
für sich.
Der alte Herr is ein Pfiffikus.
[367]
SCHNOFERL
zu Kauz.
Was g'schieht mir denn, wenn ich's nicht glaub'?
KAUZ
erbost.

Und überhaupt is das Ganze kein Grund, einen distinguierten Mann, der doch kein Schulbub mehr is, auf eine so normalmäßige Weise zu behandeln.

SCHNOFERL.

Trösten Sie sich, kurz war der Schmerz, und wenn auch die Freude nicht ewig is, so soll sie doch den ganzen Abend dauern. Ihm die Anwesenden aufführend. Hier die aimable Pfaidlerin, Waschfabrikantin und Hemdhandlerin Madame Storch, und hier ihre Nichte und Verwandten.

KNÖPFEL
eintretend.
Ich hör' ein' Lärm oder was!
SCHNOFERL
Knöpfel präsentierend.
Und hier, vor allen, Herr Knöpfel, der Herr vom Haus, und Bruder der Madam Storch.
KAUZ.
Bitte es nicht ungütig zu nehmen.
SCHNOFERL
zu Knöpfel, Gigl und Kauz vorstellend.
Meine intimsten Freunde, Gigl und Kauz.
KNÖPFEL
komplimentierend.
Dero Besuch ist mir unendliche Ehre, oder was?
KAUZ.

Nur damit ich auf den jungen Menschen ein wachsames Auge haben kann, wage ich es, von Ihrer gütigen Erlaubnis zu profitieren. Für sich. Diese Mädeln – diese Madam, das wird ein deliziöser Abend, ich bin in die Heimat der Grazien gedrungen, ich bin doch ein Teufelskerl, ich.

KNÖPFEL
für sich.

Die Herren suchen meine Bekanntschaft, oder was? da muß ich mich zeigen, und ein nobles Traktament – wenn ich nur bei Kassa wär', jetzt, oder wann! Zu Kauz und Gigl. Sie entschuldigen einen Augenblick! – I muß geschwind rückständige Gelder eintreiben, oder was?


Nimmt seinen Hut und eilt zur Mitte ab.
SCHNOFERL.
Und jetzt wollen wir bloß auf Unterhaltungen denken.
KAUZ
fidel.
Das is recht.
SCHNOFERL.
Ein großes Souper aus dem Stegreif arrangieren.
[368]
KAUZ
immer fröhlicher werdend.
Das is recht!
SCHNOFERL
zu Madame Storch.
Nur geschwind nachg'schaut, was von Alimenten im Haus is, und was fehlt.
KAUZ.
Ich schaff' alles her, nur sagen, was abgeht!
ALLE.
Charmant!
SCHNOFERL.
Also in die Kuchel, Speiszetteln gemacht, und z'sammg'holfen von allen Seiten, Gigl rühr dich!
GIGL.
Was soll ich denn tun?
SCHNOFERL.
Feuer machen, und als Kucheljung die weitern Befehle dieser reizenden Köchinnen er warten.
DIE MÄDCHEN.
Das wird prächtig werd'n!
MADAME STORCH.
Also, vorwärts.

Mit Gigl, Rosalie, Peppi und Sabine zur Seitentüre rechts ab.
KAUZ
ihnen folgen wollend.
Bitte mich auch als Kuchelmädel zu betrachten.
SCHNOFERL.
Herr von Kauz, auf ein Wort!
8. Auftritt
Achter Auftritt
Kauz. Schnoferl.

KAUZ.
Was denn? nur geschwind!
SCHNOFERL.
Sie gehn mir unter andern a bissel stark in Füßen herum.
KAUZ.
Ich hab' Ihnen schon g'sagt, warum ich da bin.
SCHNOFERL
ihn messend.

Sie nobler Mann, der so viel Glück macht in der eleganten Welt, der seine Leidenschaften noch nie über a Glacis getragen, ich hab' halt doch recht g'habt mit der Bruckengassen, Sie steigen der Madam Storch nach.

KAUZ
verlegen.
Das heißt –
SCHNOFERL.
Was es heißt, das brauchen Sie mir nicht zu erklären.
KAUZ.

Sie is wirklich nit übel, diese Madam Storch, und auch ihre Arbeiterinnen, aber wie kommt's denn, daß Sie den Gigl –?

SCHNOFERL.

Das will ich Ihnen sagen. Er glaubt an einem solchen Mädl sein Ideal gefunden zu haben, nun will ich [369] ihm diese ganze Mädlgattung näher zu kennen geben, damit er dann einsieht, wie Ihre Nièce, die er plantieren will, hoch erhaben ist im Vergleich mit diesem Wesen-Genre.

KAUZ.

Das is vernünftig. Oh, über diese rätselhafte Thekla werden wir bald Näheres – Meine Nièce weiß schon was, und is heut' ausgegangen, um mehr von ihr zu erfahren, ich weiß nicht was sie vorhat, aber so in Zorn hab' ich die Frau nicht gesehn, seit ihr Mann tot is. Übrigens müssen Sie ihr nichts sagen, daß Sie mich da gefunden haben.

SCHNOFERL.
Schon recht.
KAUZ.
Wissen Sie, man könnte mir das auslegen –
SCHNOFERL.
Na ja, sag' ich, 's is schon recht.
KAUZ.
Und ich bin doch ein Mann, der –
SCHNOFERL.
Ich weiß schon, was Sie für ein Mann sein.
KAUZ.
Aber sonst braucht's niemand z' wissen.
SCHNOFERL.

Parol. Unter andern wissen Sie, daß es sehr gut is, daß wir ungefähr da zusammentreffen, ich hätt' sonst heut' noch zu Ihnen müssen. Wir haben heut vormittag von dem gewissen Käfer gesprochen.

KAUZ
stutzend.
Nun?
SCHNOFERL.
Der is da.
KAUZ
etwas betroffen.
Was, der Käfer is hier?
SCHNOFERL.

Nicht in dem Haus, ankommen is er hier, ein guter Freund hat mir schon seine Adresse verschafft. Einen Zettel hervorziehend. Morgen vormittag geh ich hin, und heiz' ihm ein.

KAUZ
die Adresse besehend.
Gehn S' ja nicht hin, is ein schlechter Mensch der Käfer.
SCHNOFERL.
Nicht hingehen? was fallt Ihnen ein?
KAUZ
sich korrigierend.
Das heißt, Sie sollen hingehn, hab' ich sagen wollen.
SCHNOFERL.

Mir scheint, Sie wissen vor lauter Madam Storch nicht was S' reden. Jüngling, Jüngling, dich hat's kurios packt.

KAUZ.
Morgen vormittag gehn Sie hin! versäumen S' das ja nicht.
[370]
SCHNOFERL
den Brief nehmend und einsteckend.
Na ob!
KAUZ
beiseite.
Ich werd' aber schon in aller Fruh dort sein, ein Glück, daß ich jetzt die Wohnung weiß.
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Madame Storch. Rosalie. Vorige.

MADAME STORCH
zu Rosalie.
Brav, da diskuriert er, und drin schreit alles um ihn.
SCHNOFERL.
Hat die Speiszettel-Sitzung schon einen Beschluß gefißt?
MADAME STORCH.
Vorderhand is man über einen Gugelhupf einig.
SCHNOFERL.
Und ich werde diesen Gugelhupf ins Leben treten lassen.
MADAME STORCH.
Schön, Sie haben darin eine eigene Geschicklichkeit.
SCHNOFERL.

Dauerhaft mach' ich's wenigstens, nach 3 Tagen muß man's noch g'spüren, wenn man von mir einen Gugelhupf gessen hat. Zur Seite rechts ab.

10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Vorige, ohne Schnoferl.

KAUZ.
Und für mich haben Sie gar kein Geschäft?
MADAME STORCH.
Wär nicht übel, so einen Herrn wird man belästigen.
ROSALIE.
Schicket sich gar nicht.
KAUZ.
Warum nicht? im Dienste der Damen schickt sich alles.
MADAME STORCH UND ROSALIE.
Oh, zu gütig!
KAUZ
vertraulich.
Das einzige, was mich ein wenig geniert, ist der Schnoferl.
MADAME STORCH.
Ich hab' geglaubt, er is Ihr Freund?
KAUZ.

Ja, ja, ein guter lieber Freund, aber dabei ein äußerst mokanter Kerl, wir unterhalteten uns viel besser, wenn er nicht da wär'.

ROSALIE.
Das wird sich für heut' nicht ändern lassen.
[371]
KAUZ.

Ja, heut' nicht, aber für morgen. Ich hab' ein sehr schönes Landhaus in Weichselberg, einen prächtigen Garten mit Hutschen, Kegelstatt, Saletteln, Bosketteln und allem möglichen, da geben Sie mir morgen die Ehr', Frau von Storch, mit dem Herrn Bruder, und der ganzen werten Familie, laden noch ein paar ein, wenn S' woll'n, ich liebe Gesellschaft, vorzüglich weibliche Gesellschaft, bin ein jovialer Mann, da wird dann getafelt, gescherzt, geneckt, wir werden uns prächtig divertieren. Aber nur dem Schnoferl nix sagen.

MADAME STORCH.
Also, so ein schön Garten haben der Herr von Kauz?
KAUZ.
Das prächtigste Obst!
ROSALIE.
Da darf man aber nix abreißen davon.
KAUZ.

Alles steht zu Befehl, ich sollt' es eigentlich verbieten, denn Sie reißeten's deswegen doch ab, und verbotene Frucht schmeckt am süßesten.

11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Vorige. Schnoferl.

SCHNOFERL
auf einem Teller aus Ei einen sogenannten Schnee schlagend, kommt aus der Seitentüre rechts.
Madam Storch, wo is Mehl und Butter?
MADAME STORCH
nach der Seitentüre links zeigend.
Da drin im Speiskasten finden Sie alles.
SCHNOFERL.
Hören S' auf, alles, ja 's fehlt überall hint' und vorn.
KAUZ.
Was fehlt denn? nur sagen, ich schaff' alles her.
SCHNOFERL
zu Kauz.

Das is einmal a vernünftige Red', gehn S' einkaufen. Zu Madame Storch. hab'n S' kein Korb? g'schwind her damit.

ROSALIE
in die Türe links ablaufend.
Gleich!
KAUZ.
Ich bring' also –
SCHNOFERL.

Schunken, Zungen, Kälbernes, kalte Pasteten, alle Punsch-Ingredienzen, Zucker, Rum, Lemoni, g'selchte Würsteln.

[372]
KAUZ.
Schön, ich werd' mich auszeichnen.
ROSALIE
aus der Türe links zurückkommend.
Da is der Korb. Bringt einen Einkaufkorb.
SCHNOFERL.
Der is viel zu klein, haben S' nicht noch ein?
ROSALIE.
O ja.

Geht wieder links ab.
KAUZ
den einen Korb nehmend.
's halt't auch 's Gleichg'wicht besser, wenn man zwei Körb tragt.
MADAME STORCH.

Ich geh' zu der Brotsitzerin ein Service ausleihn, und die Rosalie muß den Bürstenbinder um Trinkgläser anreden.

ROSALIE
aus der Türe links zurückkommend, einen großen Einkaufkorb bringend.
Der wird doch groß genug sein!
KAUZ.
Nur her damit.

Nimmt auch den zweiten Korb.
SCHNOFERL.
So, jetzt kaufen S' recht ein, dann sind Sie ein lieber Mann.
MADAME STORCH.
Komm, Sali!
ROSALIE
leise zu Kauz.
Aber sehn S', er is ja gar nicht mokant, der Schnoferl.
KAUZ
leise zu Rosalie, indem er abgeht.

O ich sag' Ihnen, wenn er anfangt, ein infamer Kerl, mein Freund! Kauz geht mit Madame Storch zur Mitteltüre ab. Rosalie geht bis an die Türe mit, dann kehrt sie rasch zu Schnoferl zurück.

12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Rosalie. Schnoferl.

ROSALIE.
Sie sind allein, Herr Schnoferl?
SCHNOFERL.
Gegenwärtig nicht, denn Sie sind bei mir!
ROSALIE
ohne auf Schnoferls Worte zu achten.
Das sollen Sie nicht leiden.
SCHNOFERL.
Ich kann Ihnen doch nicht fortschaffen.
ROSALIE.

Was reden S' denn zusammen! Sie sollen nicht leiden, daß sich die Sabine Ihrem Freund so aufdringt. Er zeigt offenbare Absichten auf mich und diese Sabin – Sie sollten ihr das verbieten als ihr quasi Verehrer.

SCHNOFERL.
Jawohl diese Verehrung ist immer nur äußerst quasi gewesen.
[373]
ROSALIE.
Schad', daß auf meiner Gitarre keine Saiten sind; wenn ich ihm was singet –
SCHNOFERL.

Ja, jemand durch Gesang erobern ist schwer, wenn man seinen Geschmack nicht weiß, denn der Gesang ist ein Proteus, der in gar vielerlei Gestalten erscheint.

ROSALIE.
Freilich! freilich! dem einen gefallt das, dem andern das –
SCHNOFERL.

Jetzt denken Sie sich erst, wenn man was singen will was allen g'fallen soll, hören S', das muß eine Aufgabe sein.


Quodlibet.
ROSALIE.
Singen kann der Mensch auf unzählige Arten,
Lieblich, grimmig, piano und wieder mit Kraft.
SCHNOFERL.
Modern, od'r altmodisch, stürmischen G'sang oder zarten,
Ernsthaft, g'spaßig, kurzum wie man's nur schafft.
Urteil bedächtig
Von dem Verräter,
Denk er bereuet,
Bereuet die Tat.
ROSALIE.
Das is nix, jetzt muß man singen,
Daß die Brust ei'm möcht' zerspringen
Jetzt heißt's wie ein Wachter schrei'n
SCHNOFERL.
Ich sah dich zornerbleichen,
Und zagst die Hand zu reichen,
Kann Mitleid dich beschleichen,
Mit unsrer Dränger Schar.
Doch wenn sie frech es wagen,
In Bande uns zu schlagen,
Dann darf die Rache tagen,
Dann trotzt man der Gefahr,
Dann darf die Rache tagen,
Dann trotzt man der Gefahr.
[374]
ROSALIE.
Da ich's mit dieser Force nicht kann,
So stimm' ich lieber Flinsern an.
Mein Herzerl is treu.
's is a Gschlösserl dabei,
Und a einziger Bua
Hat's Schlüsserl dazu,
Und a einziger Bua,
Hat's Schlüsserl dazu.
BEIDE.
Erhabne Melodien
Hab'n gar ein' schönen Klang,
Alle Gattung Phantasien
Druckt aus ein solcher G'sang,
Es dringt tief in die Seelen
Die Einfachheit nur ein,
Drum darf bei diesen Stellen
Kein Giegesgages sein,
Giegesgages sein, Giegesgages sein.
Darf kein Giegesgages sein.
SCHNOFERL.
Giegesgages sein.
SIE.
Giegesgages sein.
ER.
Giegesgages sein.
SIE.
Giegesgages sein.
BEIDE.
Kein Giegesgages sein.
ER.
Der G'schmack ist verschieden,
Viele sind nicht zufrieden,
Wenn s' nicht tausend Noten
Herabgurgeln hör'n.
Du hast mich verblendet,
Mein Herz ist umgewendet,
[375] So sei es denn vollendet,
Verbleib in deinem Wahn;
So sei es denn vollendet,
Verbleib in deinem Wahn.
SIE.
Nur muß ich hier bemerken,
Auch in den ältern Werken,
Gibt's schöne Kol'ratur la la.
ER.
Da is von Lärm gar keine Spur,
's Orchester deckt den G'sang nicht zur.
BEIDE.
Andern g'fallt's wieder,
Wenn's drunter und drüber geht nur.
ER.
O Nacht voll Schrecken und Qualen.
SIE.
O Nacht voll Schrecken und Qualen.
ER.
Gräßlich die Blitze strahlen.
SIE.
Gräßlich die Blitze strahlen.
ER.
Mein Herz bebt,
SIE.
Im Herzen –
ER.
Es bebt, es bebt vor Wut.
SIE.
Mir stocket,
ER.
Mein Herz bebt.
SIE.
Im Herzen stockt das Blut.
ER.
O Nacht voll Qualen.
[376]
SIE.
O Nacht voll Qualen.
BEIDE.
Der Himmel droht Verderben.
SIE.
Im Herzen stockt das Blut.
ER
zugleich.
Es bebt mein Herz vor Wut.
BEIDE.
Da g'fallt's mir in d' Wirtshäuser, wenn s' musizieren,
Und allerhand Jux mit ein G'sangl aufführen.
Nur lustige Lieder tun s' dort produzier'n,
D' Harfenisten die lassen ka Traurigkeit g'spür'n.
BEIDE.
Schön macht sich auch der Liebessang,
Mit Wonne, Lust und Angst und Bang, Angst und Bang,
Wenn zwei überfüllte Herzen
Luft sich machen tun in Terzen;
Duide – – – und a Fermat,
Zwei Ellen lang, zwei Ellen lang.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Madame Storch. Rosalie. Thekla.

MADAME STORCH
viele Teller tragend, noch unter der Tür mit Thekla sprechend.
Nein, ich tu's nit anders, Sie müssen herein zu uns.
ROSALIE
Eßzeug tragend, im Eintreten zu Thekla.
Wie kann man denn gar so wildfremd tun gegen Nachbarinnen?
MADAME STORCH
hat die Teller auf einen Stuhl gestellt.
Wissen Sie, daß uns das kränkt?
THEKLA.
Ich will ja niemand kränken, aber Sie dürfen's mir glauben, ich hab' keine Zeit.
MADAME STORCH.
Was, keine Zeit! zum Arbeiten is es zu spät.
ROSALIE.
's hilft Ihnen nix, den heutigen Abend müssen S' bei uns zubringen.
THEKLA.
Aber, liebe Mamsell – liebe Madam –
[377]
MADAME STORCH.
Ich müßt' nur sonst glauben, daß wir Ihnen zu schlecht sind.
ROSALIE.
Daß Sie aus Stolz –
THEKLA.
Du lieber Himmel, auf was sollt' ich stolz sein?
MADAME STORCH.
Also geben Sie uns den Beweis.
THEKLA.
Nun gut, ich bleibe!
MADAME STORCH.
So is recht.
ROSALIE.

Sie müssen ja Leut' nicht zurückstoßen, die's herzensgut meinen mit Ihnen. Leise zu Madame Storch. Wenn die ein Glas Extrawein trinkt, bringen wir ihr ein Geheimnis nach'n andern heraus.

MADAME STORCH
zu Thekla.

Wir haben also Ihr Wort. Zu Rosalie. Rosalie, leih von der Konduktansagerin unten 's Gugelhupfbeck aus.


Rosalie geht zur Mitte ab.
MADAME STORCH
zu Thekla.

Sie nehmen's nicht übel, daß wir Ihnen einen Augenblick allein lassen, häusliche Geschäfte – wir haben heute G'sellschaft, Sie werden sich gewiß gut unterhalten. Geht rechts ab.

14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Thekla, dann Gigl.

THEKLA
allein.

Also Gesellschaft is hier? – Dann kann ich nicht bleiben. – Heiterkeit und Schmerz tun nicht gut unter einem Dach, es muß eins das andere verletzen. Ich hab' zwar versprochen – ich werd' mich morgen entschuldigen, aber fort muß ich! Will zur Mitte ab.

GIGL
kommt traurig aus der Seitentüre rechts mit einer Kaffeemühle im Arm.
Ich halt's nicht aus bei die Mädln, mir g'schicht leichter, wenn ich allein bin!
THEKLA
Gigl erblickend.
Seh' ich recht!?
GIGL.
Thekla! Läßt die Kaffeemühle fallen, daß die Kaffeebohnen herumrollen. Da haben wir den Kaffee!
THEKLA.
Sie sind hier?
GIGL.
Und Sie sind da?
[378]
THEKLA.
Nicht mit Willen, meine Nachbarinnen haben mich völlig gezwungen!
GIGL.
Nachbarinnen? Triumph, jetzt hab' ich so viel als die Adreß!
THEKLA.
Was kann Ihnen das helfen? Sie haben eine Braut!
GIGL.
Ich habe keine mehr, ich hab' sie feierlich verschmäht!
THEKLA.
Dann werden Sie gewiß unter den vielen Mädln hier eine nach Ihrem Sinn finden!
GIGL.

Glauben Sie, ich bin wegen die Mädln da? Mein Freund hat mich hergezaxelt, daß ich mich zerstreuen soll, ich kann mich aber nicht zerstreuen, sein Sie versichert, ich hab' hier nichts getan als Kaffee g'rieben, das ist doch g'wiß eine unschuldige Sach'! Thekla, ich bin jetzt frei, bin unabhängig, hab' Geld, Sie müssen mich heiraten, es kann kein Hindernis mehr sein! –

THEKLA.
O ja, es ist eines!
GIGL.
Sie müßten nur einen heimlichen Mann haben, von dem ich nix weiß, Thekla, reden Sie!
THEKLA.
Sie verdienen mein Vertrauen, so will ich Ihnen also offen alles sagen. –
15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt
Schnoferl. Vorige.

SCHNOFERL
kommt mit Küchenvortuch, ein großes Geschirr, in welchem er Teig abrührt, tragend aus der Türe links, ohne die beiden zu bemerken.

Der Teig muß nur noch ein wenig abgeschlagen werden, und es wird sich ein Gugelhupf bilden, über den die Nachwelt stau – Erblickt Gigl und Thekla. Was is denn das!? – Mamsell.

GIGL.
Sie logiert im Haus.
THEKLA.
Nur ein Zufall hat mich grad heut' hiehergebracht.
SCHNOFERL.

Ich führ' ihn her, daß er s' vergißt, und der Zufall führt sie her, daß s' ihm wieder einfallt? Ah, ich sag's, der Zufall muß ein b'soffener Kutscher sein, wie der die Leut' z'sammführt, 's is stark!

GIGL.
Ich laß nicht mehr von ihr!
[379]
SCHNOFERL.

Ob's stad bist. Zu Thekla. Und dann is noch sehr die Frag', ob das auch wirklich ein Zufall war, mir scheint, Sie steigen dem jungen Mann nach und delektieren sich an der sukzessiven Abnahme seiner Vernunft.

THEKLA
beleidigt.
Mein Herr!
GIGL
böse werdend.
Schnoferl, ich sag' dir's –
SCHNOFERL
zu Gigl.

Ruhig. Zu Thekla. Glauben Sie, ich genier' mich vor Ihnen? Ich sag' Ihnen offen, daß ich Sie für eine Versteckte halt', warum zeigen Sie sich nicht in Ihrer wahren Gestalt?

GIGL
zu Schnoferl.
Hörst, jetzt wird's mir z' arg.
SCHNOFERL
zu Gigl.

Ruhig! Zu Thekla. Sie sind ein Frauenzimmer, die Fuß fassen will in die Herzen der Männer, indem sie ihnen die Köpf verrückt, durch melancholischen Anstrich und scheinheilige Kokettur!

THEKLA
zu Schnoferl.
Was hab' ich Ihnen getan, daß –
GIGL
drohend.
Schnoferl, zum letztenmal –
SCHNOFERL
zu Gigl.

Ruhig! Zu Thekla. Sie werden um kein Haar anders sein, als wie die, die um kein Haar anders sind, als wie Sie, spielen aber die Überspannte, die Reine, die Verklärte, als wie die Jungfrau von Orleans, bevor s' zum Militär gangen is.

THEKLA.
Das is zu viel!

Bricht in Tränen aus und sinkt in einen Stuhl.
GIGL.

Jetzt muß ich zu einem verzweifelten Mittel schreiten, Schnoferl, wie du noch ein Wort red'st.Reißt den Kochlöffel mit einer Portion Teig aus dem Geschirr, welches Schnoferl hält. Ich papp' dir die Lästerschul zu. Da haben wir's, sie weint. Wirft den Löffel in das Geschirr.

SCHNOFERL.

Richtig, sie weint, ohne mir dabei ein Maul anzuhängen, das kann kein gewöhnliches Wesen sein! – Mamsell – sie tut sich völlig verschluchzen – Mamsell – Sie müssen meine Worte nicht als Beleidigung nehmen. –

GIGL.
Als was soll sie s' denn nehmen, du Grobian du?
SCHNOFERL
zu Thekla.

Ich hab' dadurch nur – es is reine Freundschaft für meinen Freund, er paßt nicht für Ihnen, er hat eine höhere Bestimmung, drum meiden Sie ihn!

[380]
THEKLA.
Das hab' ich ja so getan, ich bin deswegen ausgezogen.
SCHNOFERL.
Mit'n Ausziehen allein is es nicht abgetan.
THEKLA.
Ich hab' ihm g'sagt, daß er keine Hoffnung hat.
SCHNOFERL.
Das glaubt er nicht, bis Sie nicht einen andern Liebhaber nehmen.

Thekla schüttelt traurig den Kopf.
SCHNOFERL.
Sollt' denn das gar so schwer sein.
THEKLA.

So schwer, daß ich's nicht übers Herz bring', ich entsag' ihm, ich muß ihm entsagen, aber auch kein anderer soll –

SCHNOFERL.

Ja, dann nutzt's nix, und wenn Sie ihn auch bei der Tür hinauswerfen, da bleibt er unt' auf der Gassen stehn, und schmacht Ihnen die Fenster an, und was kommt am End' heraus? Ein zweiter Ritter Toggenburg wird aus ihm, das war der große Liebesmathematiker, der das Fensterln auf die höchste Potenz erhoben hat, – der hat auch immer hinüberg'schaut und g'schaut und so saß er, eine Leiche, eines Morgens da. – Sie werden g'hört haben von der G'schicht.

GIGL.
Ich heirat s', ich seh' nicht ein –
SCHNOFERL.

Eben weil du nichts einsiehst, willst du s' heiraten; und eine andere aufopfern, die so hoch über dieser steht, wie die Zeder über'n Petersil, wie die Giraff' über der Schopfmeise, wie der Himalaja über der Türkenschanz! Zu Thekla. Ich sag' Ihnen –

16. Auftritt
Sechszehnter Auftritt
Rosalie, dann Madame Storch, Sabine, Peppi. Vorige.

ROSALIE
zur Mitteltüre eintretend, ein kupfernes Gugelhupf-Model bringend.
Da is 's Gugelhupfbeck!
SCHNOFERL.
Nur her damit.

Stell sich zum Tisch links und füllt während dem Folgenden den Teig in das Becken.
MADAME STORCH
kommt, Tischtuch und Servietten tragend, mit Peppi und Sabine aus der Türe rechts.
Jetzt g'schwind den Tisch gedeckt! Sabine, die Gläser sind noch beim Hausmeister drunt.
[381]
SABINE.
Gleich!

Läuft zur Mitte ab.
THEKLA
für sich.
O Gott! wenn ich nur fortgangen wär'.
MADAM STORCH
zu Schnoferl.
Schnoferl, helfen S' den Tisch tragen.
SCHNOFERL
beschäftigt mit'n Gugelhupf.
Stören Sie mich nicht – Sie sehen ja –
MADAME STORCH.
Sie werden doch nicht wollen, daß wir Frauenzimmer –
SCHNOFERL
läßt ärgerlich seine Arbeit stehen, und läuft zu einem im Hintergrunde stehenden Tisch.
So komm, Gigl! Er tragt mit Gigl den Tisch vor.
MADAME STORCH
zu Schnoferl.
Sie sind doch manchmal recht ein ungalanter Mensch.
SCHNOFERL.

Na ja, es is ärgerlich. Eilt zu seiner frühern Beschäftigung am Gugelhupfbecken zurück. Wenn man bei so einem Werk aus der Begeisterung herausgerissen wird, man find't sich nicht wieder drein. Arbeitet fort.

MADAME STORCH
zu Thekla.
Was is denn das? die trüben Augen?
THEKLA
die mit Gigl den Tisch deckt.
Ich hab's Ihnen ja g'sagt, daß ich in keine fröhliche Gesellschaft paß.
SCHNOFERL
für sich bei seiner Arbeit.

Er ist der Vollendung nah! Laut. Mamsell Peppi! Ihr das gefüllte Gugelhupfbecken übergebend. Hier übergeb' ich Ihnen diesen Gugelhupf, behandeln Sie ihn mit Sorgfalt, stellen Sie ihn in einen warmen Backofen, geben Sie oben Glut, unten brennendes Feuer und rundherum wieder Glut, auf daß er Farb und Festigkeit gewinnen, und recht bald wieder im Kreise teilnehmender Freunde erscheinen möge.


Peppi geht in die Türe rechts ab.
MADAME STORCH.
Mit was werden wir beim Souper den Anfang machen?
SCHNOFERL.
Wir müssen erst sehen, was der Herr von Kauz alles bringt.
GIGL
zärtlich.
Thekla!

Thekla seufzt.
MADAME STORCH
Gigl und Thekla betrachtend.
Mir scheint, die zwei kennen einander.
[382]
17. Auftritt
Siebenzehnter Auftritt
Kauz. Vorige, später Knöpfel.

KAUZ
ruft noch unter der Tür.
Proviant! Proviant!Kommt mit überall von Eßwaren bepackten Körben keuchend herein.
MADAME STORCH UND ROSALIE.
Der Herr von Kauz kommt!
SCHNOFERL.
Na, hat hübsch eingekauft!
MADAME STORCH
zu Kauz.
Aber, wie können Sie so schwer tragen?
KAUZ
keuchend die Körbe niedersetzend.

Jugendkraft, meine Aimableste, nichts als Jugendkraft!Thekla erblickend. Was ist das? die Mamsell Thekla?

THEKLA.
Ein Zufall! –
ROSALIE
für sich.
Der kennt s' auch? Das is gut, ein jeder kennt sie? und sie tut so unbekannt.
KNÖPFEL.
Was seh' ich; man hat ein Souper bereitet? man überrascht mich, oder wem?
SCHNOFERL.
Nur auspacken nacheinand, und auf die Flaschen Obacht geben!

Rosalie und Madame Storch packen mit Kauz die Körbe aus.
KNÖPFEL.
Ah, die herrliche Westfälinger, oder was?
KAUZ.
Daß nur der kalten Pasteten nichts g'schicht! Und die prachtvollen Zungen!
SCHNOFERL.
Ah, die muß sehr gut sein, das is gewiß keine böse Zunge.
KNÖPFEL
Bouteillen aus dem Korbe besehend.
Ah, das is gar Champagner, oder was!
KAUZ.
Daß nur der kalten Pasteten nix g'schieht.
SCHNOFERL.
Hör'n S' auf mit Ihrer kalten Pasteten.
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Peppi. Vorige.
Peppi kommt a tempo aus der Türe rechts.

SCHNOFERL
auf sie zueilend.
Was macht mein warmer Gugelhupf? wie geht es ihm?
PEPPI.
Mir scheint, er wird, was man sagt, ein Dalk bleiben –
[383]
SCHNOFERL.

Wie unzart, wenn einer einen Dalken erzeugt hat, muß man es ihm nicht ins G'sicht sagen, das tut weh!

KAUZ.
Jetzt g'schwind die Sesseln gestellt.

Wirft einen Frauenzimmerhut von einem Stuhl herab, und stellt ihn zum Tisch.
ROSALIE.
Aber was treiben S' denn? Sie ruinieren mein' Hut!
KAUZ.
Absichtlich, um ihn morgen durch einen andern neuen zu ersetzen.
ROSALIE.
Oh, zu gütig!

Thekla und Gigl stellen ebenfalls Stühle zum Tisch.
SCHNOFERL.
Also Platz genommen und niedergesetzt.

Alle setzen sich, der Platz für Sabine bleibt leer.
KAUZ.

Die kalte Pastete soll den Anfang machen mit'n Kaviar. Unterdessen schneiden wir die Schunken auf, dann kommt der g'sulzte Fisch.

SCHNOFERL.
Und gleich einen Champagnerstoppel in die Luft spediert. Öffnet eine Bouteille.
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt
Vorige. Sabine zur Mitte hereineilend.

SABINE.
Eine noble Dame kommt, eine vornehme Frau.
ALLE.
Eine vornehme Frau?
SABINE.

Sie hat bei der Hausmeisterin um die Mamsell Thekla g'fragt, dann hat ihr die Hausmeisterin g'sagt, daß sie da heroben is, und was für Herrn da sein.

SCHNOFERL.
Wie kann denn die Hausmeisterin das wissen?
SABINE.
Wahrscheinlich hat ihr's eine von uns plauscht.
KAUZ, SCHNOFERL, MADAME STORCH. Was kann das für eine Dame sein?
SABINE
zur Mitteltüre hinaussehend.
Sie kommt – sie is ganz rabiat hinter mir nach auf der Stiege.
[384]
20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt
Frau von Erbsenstein. Vorige.

FRAU VON ERBSENSTEIN
zur Mitte eintretend.
Verzeih'n, wenn ich ungelegen komme!
SCHNOFERL UND GIGL
betroffen.
Die Frau von Erbsenstein!
KAUZ
zugleich – ebenso.
Meine Nièce!
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Das is ja recht eine charmante Gesellschaft!
SCHNOFERL
zu ihr.
Es is im Grund, keineswegs, weil eben –
KAUZ
zu ihr.
Ich bin bloß des Gigls wegen da –
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Wahrscheinlich um seine Verlobung mit dieser Mamsell Auf Thekla zeigend. zu feiern.
KAUZ
verlegen.
Wer sagt denn so was?
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Von mir aus ist keine Einwendung zu befürchten, ich will nur Herrn Gigl seine Zukünftige zu erkennen geben.

THEKLA
erschrocken.
Himmel, sie weiß etwa –
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Sie ist die Tochter des durchgegangenen Herrn Stimmer, der Sie, Herr Onkel, um die ungeheure Summe bestohlen hat.

SCHNOFERL
äußerst überrascht und gerührt.
Die Stimmerische!
MADAME STORCH, PEPPI, ROSALIE, SABINE
untereinander.
Sie is die Tochter von ein Dieb!
THEKLA
will aufstehen, sinkt aber Schnoferl in den Arm.
Ich kann nicht mehr!
SCHNOFERL.
Sein S' g'scheit, Herzerl, Stimmerische!
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Jetzt wünsch' ich allerseits die beste Unterhaltung!

Durch die Mitte ab.
SCHNOFERL.
Wasser! Wasser!
KAUZ.
's is kein Tropfen da, nix als Wein!
GIGL
zur Ohnmächtigen eilend.
Sie stirbt!
SCHNOFERL.
Stimmerische, gib einen Laut von dir!
KAUZ.
Und ich werde ihre Gesundheit trinken; vielleicht wird ihr besser drauf!

Während der allgemeinen Verwirrung fällt der Vorhang.

Ende des zweiten Aufzuges.

[385]

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Madame Storch. Rosalie. Sabine. Peppi. Knöpfel.
Madame Storch ißt Obst, Rosalie und Peppi pflücken Blumen, Sabine steht bei der Schaukel, Knöpfel raucht eine Zigarre.

MADAME STORCH.
Mädln, reißt's nicht so viel Blumen ab!
KNÖPFEL.
Seid's nur nicht unbescheiden, oder was.
SABINE.
Nehmt euch ein Beispiel an der Madame Storch.
ROSALIE.
Der ihre Lieblingsblumen sind die Plutzerbirn.
SABINE.

Ich glaub' immer, der Blumen- und Obstverlust wird heut' den Herrn von Kauz sein geringster Verdruß sein.

PEPPI.
Warum aber der Schnoferl auch das Mädl, die Thekla, herausb'stellt hat.
SABINE.
Um die nimmt er sich auf einmal gar so heiß an?
ROSALIE.
Und erst seit er g'hört hat, daß ihr Vater g'stohlen hat, das muß einen eigenen Reiz für ihn haben.
MADAME STORCH.
Sie kann deßtwegen die ehrlichste Person sein.
ROSALIE.
Kinder sind ja oft ihren Vätern ganz unähnlich, da hat man ja Beispiele.
SABINE.
Wenn jed's die Fehler seiner Eltern und Anverwandten haben müßt' –
ROSALIE.
Ich hab' einen Vettern, der halt's nirgends aus, der geht alle Jahr drei-, viermal auf und davon.
SABINE.
Und du wirst vielleicht zeitlebens sitzenbleiben.
MADAME STORCH.
Still, still, niemand ausrichten.
KNÖPFEL.
Wär' nicht übel, in so einem Haus die Schicklichkeit verletzen, oder was?
ROSALIE.
Die Schicklichkeit verletzt der Herr vom Haus selbst am allermeisten.
[386]
SABINE.
Jawohl, Damen einladen und nicht zu Haus sein, das ist etwas arg.
MADAME STORCH.

Mir hat der Bediente g'sagt, er ist in der Früh um 5 Uhr zu einem wichtigen G'schäft und er erwart' ihn alle Minuten.

SABINE.
Wann die Minuten einmal in die Stunden ausarten –
ROSALIE.
Plündern wir ihm zur Straf' dort Nach rechts in die Szene zeigend. das ganze Rosenboskett.
SABINE UND PEPPI.
Ja, das tun wir.

Rosalie, Peppi, Sabine laufen rechts ab.
MADAME STORCH
ihnen nacheilend.
Aber Mädln! treibt's nur nicht gar zu arg, er könnt' doch bös werden!
KNÖPFEL
allein.

Die Madln treib'n's, wann s' nur an Buschen hab'n, oder was; so sein s' schon glücklich, oder wie; i erstaune, die Blumen mit, mi intressiert nur die Blume von Wein, oder was; i geh' jetzt in Keller von Herrn von Kauz, oder wem; und wann i auffa kumm bin ich gewiß recht lustig, oder was! Geht ins Haus ab.

2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Kauz, dann Dominik.

KAUZ
allein durchs Gittertor kommend, sehr echauffiert.

Glücklich abgemacht, mir is ein Stein vom Herzen. Spitzbub, der Käfer, wie er gemerkt hat, mir liegt so viel an seiner augenblicklichen Abreis', verlangt er 200 Stück Dukaten Reisegeld von mir. Weil er nur fort is, wenn er getrunken hat, der Schlingel, red't er gar unvorsichtig in den Tag hinein. Und den damaligen Brief hat er richtig auch noch aufbewahrt, daß ich den wieder hab', geht mir über alles. Der interessierte Schuft war obendrein noch dumm, ich hätt' ja nicht um 1000 Dukaten den Brief in seinen Händen gelassen. Hat mich echauffiert die G'schicht, sehr echauffiert! Zieht den Rock aus und hängt ihn über den Gartenstuhl links. Dominik! – Dominik!

DOMINIK
aus dem Hause kommend.
Was schaffen Euer Gnaden?
KAUZ.
Sind die Frauenzimmer schon da?
[387]
DOMINIK.
Schon über zwei Stund!
KAUZ.
Werden viel Langweil g'habt haben?
DOMINIK.
Nein, sie unterhalten sich recht gut.
KAUZ.
Bring mir meinen Spenser!
DOMINIK.
Gleich!

Geht zum Stuhl und will den Rock mitnehmen.
KAUZ.
Nichts, den Rock laß da!

Dominik geht ins Haus ab.
KAUZ
allein.

Wenn so ein Dummrian was herausfallen ließ'. Rollt den Rock sorgfältig zusammen. 's steckt die Brieftaschen drin, und in der Brieftaschen der Brief – wär' nicht übel!

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Madame Storch. Rosalie. Sabine. Peppi. Voriger.
Die Mädchen tragen alle große Rosenbuketts in der Hand.

MADAME STORCH.
Ah, endlich einmal!
ROSALIE, SABINE, PEPPI. So spät? g'hört sich das?
KAUZ
läßt den Rock auf den Stuhl fallen, neben welchem er stand.

Meine Damen – Geschäftsüberhäufung – Pardon! und in Hemdärmeln, Pardon! Dominik, mein Spenser – Pardon!

MADAME STORCH.
Genieren Sie sich nicht!
KAUZ.
Sie werden sich ennuyiert haben?
MADAME STORCH.
Wir haben uns indessen im Garten alles ang'sehn.
KAUZ.
Jetzt heißt's das Versäumte nachholen.
ROSALIE.
Spielen wir was!
KAUZ.
Recht, mein Engel, was wollen Sie spielen?
SABINE.
Verstecken.
KAUZ.

Gut, spiel'n wir Verstecken, dazu is mein Garten wie gemacht. O das ist ein schönes Spiel, man versteckt, man sucht sich, man find't sich – ja, ja, spiel'n wir Verstecken.

MADAME STORCH.
Nein, das is nichts, Blindekuh is viel hübscher.
KAUZ.
Blindekuh, is auch nicht schlecht. Wer ist die blinde Kuh?
SABINE.
Dem Herrn vom Haus gebührt das Vorrecht.
[388]
KAUZ.

Gut, nur g'schwind verbunden. Zu Madame Storch. Madame, verwandeln Sie mich in den blinden Liebesgott.

ROSALIE.
Das wär' ein Moment für einen Maler! jetzt könnt' er den Amor in Hemdärmeln malen.
SABINE
für sich.
Den Witz hätt' ich auch noch z'sammbracht.
KAUZ
indem er verbunden wird.

Nehmen Sie sich in acht, meine Damen, die ich erwisch', laß ich sobald nicht mehr aus. Mit verbundenen Augen. Also achtgeben, wir werden gleich eine haben. Fängt an nach den Mädchen zu haschen, alle ziehen sich nach der Kulisse links, er verfolgt sie, plötzlich ziehen sich alle sehr schnell gegen den Hintergrund. Kauz vermutet sie noch immer links und geht haschend in die Kulisse ab.

4. Auftritt
Vierter Auftritt
Vorige, ohne Kauz.

SABINE.
Jetzt sucht er uns dort!
ALLE
lachen.
Ha ha ha ha!
SABINE.
Still!
MADAME STORCH.
Wenn er nur nicht ins Bassin fällt. –
SABINE.
Die armen Goldfisch'! a paar hundert erdruckt er als wie nix.
ROSALIE.
Wißt's, was wir ihm tun? verstecken wir ihm seinen Rock.
SABINE.
Oder ziehen wir ihn einer Statue an.
PEPPI.
Hängen wir'n dort auf einen Baum.
MADAME STORCH.
Aber zuerst die Säck' durchsuchen, ob nichts drin is, was verdorben werden könnt'.

Die Mädchen durchsuchen die Taschen.
PEPPI.
Ein ostindisches Schnupftuch.
SABINE.
Das wird keinen Sprung kriegen, wenn der Rock vom Baum herunterfallt.
ROSALIE.
Eine Tabakdose!
SABINE
in der Seitentasche suchend.
O je, die Brieftaschen.
MADAME STORCH.
Da gebt gut acht darauf.
ROSALIE
zu Sabine, den Rock nehmend.
Steck sie indessen ein.
[389]
SABINE
die Brieftasche nehmend.
Wo soll denn ich die großmächtige Brieftaschen –?
ROSALIE, PEPPI. Da kommt er!
MADAME STORCH.
G'schwind fort!
ROSALIE, SABINE, PEPPI. Geschwind fort!

Alle laufen zur Seite rechts ab.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Kauz allein. Dann Frau von Erbsenstein.

KAUZ
von der Seite links zurückkommend mit verbundenen Augen haschend.

Hätt' mir's nicht gedacht, daß die Mädln so schwer zu bekommen sind, hab' eine! Umfängt einen Baum. Nein, das is wieder ein Baum!


Geht haschend nach dem Hintergrund.
FRAU VON ERBSENSTEIN
von links hinter dem Gitter kommend, noch von außen zu einem Bedienten, welcher sie begleitet.
Der Wagen soll zurück ins Gasthaus fahren.

Der Bediente geht zurück, Frau von Erbsenstein tritt zum Gittertor ein.
KAUZ
erhascht Frau von Erbsenstein, in der Meinung es sei eine von den Mädchen.
Erwischt! Erwischt!
FRAU VON ERBSENSTEIN
erschrocken.
Was soll denn –!?
KAUZ
triumphierend, noch mit verbundenen Augen.
Meine Nièce –
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Was treibt denn der Herr Onkel für Faxen?
KAUZ
sehr verlegen.
Ich spiele ein Gesellschaftsspiel.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Also haben Sie Gesellschaft?
KAUZ.

Nein! Beiseite. Gott sei Dank, sie sind nicht da. Laut. Ich bin allein, wie du siehst, mutterseelenallein, und spiel' blinde Mäuserl.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Da tappen Sie so allein herum?
KAUZ.

Ich spiel' den ganzen Tag nichts als blinde Mäusl. Aber wie kommt's denn, Nièce, daß du zu mir aufs Land heraus –? das is dir schon ein paar Jahr nicht eingefallen.

FRAU VON ERBSENSTEIN.

Na, es is hier sehr hübsch und der Schnoferl hat mir heut' früh ein Billet geschrieben, worin er mich ersucht, hier mit ihm zusammenzutreffen, meine [390] Gegenwart wäre äußerst notwendig, und da ich ohnedem noch eine Abrechnung mit ihm hab' –

KAUZ.

Der Schnoferl –? hm – hm – Das is ein Mißverständnis. – Der Schnoferl is nicht da, ich erwart' ihn auch gar nicht, dann hast du auch den Tag nicht gut gewählt, es is ein Donnerwetter im Anzug, du fürchst dich davor, und auf'n Land schlagt's gar so leicht ein, solltest wirklich lieber, so g'schwind als möglich, in die Stadt zurück. –

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Ich muß doch erst hier im Garten ein wenig ausruhen!
KAUZ.

Hat zu wenig Schatten der Garten, Frau Nièce, dein weißer Teint ging z'grund, geh lieber ins Zimmer hinein, aber ins vordere Zimmer, wo die schöne Aussicht is, da steht ein Kanapee.


Führt sie gegen das Haus.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Der Herr Onkel is ja heut' voller Aufmerksamkeit.
KAUZ.
Nicht mehr als Schuldigkeit.
FRAU VON ERBSENSTEIN
für sich.

Mir kommt die ganze Sach' nicht recht richtig vor. Geht in das Haus ab. Kauz hat sie bis an die Türe begleitet, und kommt zurück.

6. Auftritt
Sechster Auftritt
Kauz, dann Gigl.

KAUZ
allein.

Lebensphilosophie verlaß mich nicht! Was tu' ich jetzt mit die Madln? Ich muß schauen, daß sie nicht daherkommen. – Ich schwitz' vor Verlegenheit, und jetzt auf einmal die kühle Luft. Ruft gegen das Haus. Dominik, mein Spenser! er kommt nicht – Will den Rock vom Stuhle nehmen. Wo ist denn mein Rock? – Den haben g'wiß die Mädln – wär' nicht übel! Da muß ich gleich! Will rechts ab.

GIGL
zum Gittertore eintretend.
Grüß Ihnen Gott, Herr von Kauz.
KAUZ
betroffen.
Der Gigl!?
GIGL.
Wie lang soll ich denn dem Fiaker sagen, daß er warten soll?
KAUZ.
Wie kommst denn du her?
GIGL.
Mit'n Fiaker!
[391]
KAUZ
wie oben.
Ich will wissen, wer dich auf die Idee gebracht hat –
GIGL.
Weil's der Schnoferl so wollen hat.
KAUZ.
Der Schnoferl?
GIGL.

Hat mir ein Billet geschrieben, worin er mich ersucht, hier mit ihm zusammenzutreffen, meine Gegenwart wäre äußerst notwendig!

KAUZ
für sich.

Ich weiß nimmer, bin ich Herr in meinem Hause oder der Schnoferl – ich muß'n fortbringen – halt, so geht's. Zu Gigl. Weißt du, was der Schnoferl für eine Absicht hat?

GIGL.
Ja, er will hier mit mir zusammentreffen.
KAUZ.
Aber weißt du warum?
GIGL.
Das hat er mir nicht g'schrieben, also kann es nicht seine Absicht sein.
KAUZ.
Er will hier zwischen dir und meiner Nièce eine Versöhnung –
GIGL.

Vor Versöhnung bin ich sicher, der beleidigte Stolz eines Weibes versöhnt sich nie, ich wollt' ich wär' ebenso sicher vor ihrer Rache, denn die Rache des Stolzes eines beleidigten Weibes ist fürchterlich.

KAUZ.
Das is es eben; sie is da!

Man hört in der Szene rechts die Mädchen lachen.
GIGL.
Da lacht was in Ihrer Einsamkeit.
KAUZ.
Lachen? ich hab' nichts g'hört, tummel dich nur.

Man hört wieder lachen.
GIGL.
Sie haben Gesellschaft?
KAUZ.

Was fallt dir ein! es müßten nur Leut' in den Garten – es sind mehrere Ausgänge und Eingänge, die öfters offen – und da kommen einem öfters –

7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Madame Storch. Rosalie. Sabine. Peppi. Vorige.

DIE MÄDCHEN.
Ah, der Herr von Gigl hier?
GIGL.
Aufzuwarten!
DIE MÄDCHEN.
Das is charmant.
[392]
GIGL.
Muß aber gleich wieder fort!
MADAME STORCH.
Was fällt Ihnen ein!
SABINE
zu Rosalie.

Nimm die Brieftaschen, ich kann mich nicht immer damit herumschleppen.Gibt ihr die Brieftasche und tritt dann zu Gigl. Nein, nein. Sie müssen dableiben, wir lassen Ihnen nicht fort.

ROSALIE
leise zu Gigl, ihn beiseite ziehend.
Wenn ich Ihnen sag', daß jemand in der Näh' ist!
GIGL
hastig.
Wer?
ROSALIE
leise.
Die Thekla!
GIGL
freudig.
Is möglich –? wo?
ROSALIE
leise.

Der Schnoferl hat sie herausb'stellt, er hat ihr Aufschlüsse über ihre Familienangelegenheiten Macht die Pantomime des Stehlens. versprochen, sie will aber nicht eher her, bis der Schnoferl da is, sie wart't mit ihrer alten Mahm in einem Bauerngarten; und stecken S' derweil die Brieftaschen ein, ich hab s' von der Sabine – 's is wegen ein Spaß – ich hol' Ihnen die Thekla.


Eilt zum Gittertore ab.
GIGL.
Oh, Sie Engel!

Die Brieftasche einsteckend.
KAUZ.
Gigl, verplausch dich nicht, es is höchste Zeit, daß du gehst.
GIGL.
Nein, jetzt is es höchste Zeit, daß ich bleib'.
KAUZ.
Fürchtst du denn nicht die Rache des Zorns eines –
GIGL.

Nein, ich fürcht' nix, ich bin Mann, und wenn mir die Mädln hier alle beistehn, was kann mir die Erbsenstein tun?

KAUZ
für sich.
Da soll doch der Teufel –
8. Auftritt
Achter Auftritt
Schnoferl. Vorige, ohne Rosalie.

SCHNOFERL
zum Gittertore eintretend.
Schaut's, der Herr von Kauz!
ALLE.
Der Schnoferl.
SCHNOFERL.

Schaut's da is er ja, mein lieber Freund Kauz zugleich in einem buchstäblichen und in einem metaphorischen Rosengarten.

[393]
KAUZ
verdrüßlich.
G'horsamer Diener, sehr verbunden.
SCHNOFERL.
Schaut's, der Herr von Kauz.
KAUZ
leise und ärgerlich zu Schnoferl.
Sie haben mir meine Nièce und den Gigl herausg'schickt.
SCHNOFERL.

Hab' ich Ihnen eine Freud g'macht? na mich freut's, mein lieber Herr von Kauz. Ich hab' zufällig g'hört, daß Sie heraußen sind. Denk' ich mir: machst ihm die Freud' und besuchst ihn, den Herrn von Kauz, da fallt mir ein, daß ich mit der Frau Nièce und mit'n Gigl Verschiedenes abzumachen hab', denk' ich mir, das sind Angehörige von Herrn von Kauz, der Herr von Kauz is gern im Kreis seiner Angehörigen, b'stellst ihm die Angehörigen alle heraus, dem Herrn von Kauz, na mich g'freut's, mein lieber Herr von Kauz.

KAUZ.
Obligiert!
SCHNOFERL
zu den Frauenzimmern.
Aber meine Charmantesten, Sie müssen dem Herrn von Kauz kurios eingeheizt haben.
MADAME STORCH, SABINE, PEPPI.
Wieso?
KAUZ.
Die Damen haben mir den Rock versteckt.
SCHNOFERL.
So?
SABINE.
Jetzt heißt's suchen.
KAUZ.
Wo hab'n Sie meinen Rock?
SABINE.
Das werden Sie erfahren, aber nur unter der Bedingung, daß Sie sich zuerst hutschen mit uns.
KAUZ.
Nein zuerst muß ich – ich kaprizier' mich auf mein'n Rock.
SABINE.
Und wir kaprizieren uns aufs Hutschen.
SCHNOFERL
zu Kauz.

Und da die Damen, was die Kapricen anbelangt, hoch erhaben sind über uns, so werden Sie sich nicht muxen, und sich einsetzen.

KAUZ.
Ja, wenn aber –
SCHNOFERL.
Also Herr von Kauz, einen kühnen Hupfer und einen sanften Niedersetzer, daß kein Strick reißt. –
KAUZ.
Aber Sie Teufelsmensch, meine Nièce is ja da drin.

Aufs Haus deutend.
SCHNOFERL.
Die umgarn' ich mit einer Diskursverwicklung, daß sie unter zwei Stunden nicht –
[394]
KAUZ.
Schnoferl, wenn ich mich verlassen könnt' –
SCHNOFERL.
Nur einsteigen nacheinand!

Hilft ihm mit Dominik in die Schaukel.
KAUZ.
Ich werd' schwindlich.
SCHNOFERL.
Üblichkeiten werden an diesem Orte verbeten.
KAUZ.
Das sag' ich aber gleich, nur zweimal hin und her und dann erfahr' ich, wo Sie –
PEPPI.
Nur vorwärts einmal!
SCHNOFERL
nachdem Kauz vis-à-vis von Madame Storch Platz genommen.
Gigl, da is der Strick, du hutscht jetzt das edle Paar. –

Ab in das Haus.
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Die Vorigen, ohne Schnoferl.
Gigl schaukelt.

KAUZ.
Nur langsam, Gigl, langsam!
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Vorige. Schnoferl, Frau von Erbsenstein.

SCHNOFERL, FRAU VON ERBSENSTEIN treten rasch aus dem Hause heraus, Frau von Erbsenstein lorgnettiert Kauz spöttisch, beide sagen. Schaut's, der Herr von Kauz!

KAUZ
für sich.
Ich sink' in die Erd'!
SCHNOFERL
nähertretend.
Kann nicht sein, Sie schweben in der Luft.
KAUZ
leise zu Schnoferl.
Sie Höllenschnoferl!
SCHNOFERL
leise zu Kauz, indem er ihm mit Dominik aus der Schaukel hilft.
Sie war nicht abzuhalten, unter der Tür schon is sie mir unaufhaltsam entgegengestürzt!
KAUZ.

Das is ein eigener Spaß, Frau Nièce, du überraschst mich heut' bei einem Konversationsspiel nach'n andern.

FRAU VON ERBSENSTEIN.

Nur wär' ich der Meinung, daß ein Mann, der so viel Phantasie besitzt, um mit sich selbst Blindemäusel zu spielen, beim Hutschen noch viel leichter Gesellschaft entbehren könnt'!


[395] Madame Storch ist mittlerweile ebenfalls abgestiegen.
SABINE
zu Schnoferl.
Das is ja die Souper-Zerstörerin von gestern.
PEPPI.
Die Bissige –
KAUZ
zu Frau von Erbsenstein.
Mein Garten ist allen anständigen Personen geöffnet.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Und da Ihnen alle Personen anständig sind, so is es ein vollkommen öffentlicher Garten.
KAUZ.

Nièce, du verletz'st mich! Laut. Und dann hab' ich früher im ganzen Garten herumg'schrien: »Wo is mein Rock!« mir is nämlich mein Gehrock verlorengegangen – und da sind diese Damen herbeigestürzt und haben mir gesagt, daß – daß –

MADAME STORCH.
Daß dort ein Rock auf einem Baum hängt.
KAUZ.
Das hat mir ohne Zweifel jemand zum Schabernack –
MADAME STORCH
zu Kauz.
Ist es gefällig mit uns zu spazieren –
FRAU VON ERBSENSTEIN
zu Kauz.
Na, warum gehn S' denn nicht, Sie werden doch die Damen nicht warten lassen?
KAUZ.

Aber Nièce, du verletz'st mich – das is nicht schön von der Nièce, wenn einem die Nièce allweil verletzen tut. Geht verlegen schmollend ab, wo die Mädchen abgegangen sind.

11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Frau von Erbsenstein. Gigl. Schnoferl.

FRAU VON ERBSENSTEIN
gespannt zu Schnoferl.
Darf ich jetzt bitten, mir in Kürze zu sagen, warum Sie mich hieher beschieden?
SCHNOFERL.

Der eine Grund Auf Gigl deutend. steht hier, der andere kommt nach. In diesem großen Augenblick möcht' ich diese kleine Hand Ihre Hand nehmend. in diese etwas größere Gigls Hand nehmend. legen.

FRAU VON ERBSENSTEIN
die Hand zurückziehend.
Mir scheint, Sie sind verrückt!
SCHNOFERL.
Nicht zum Ehebund, nur zum Freundschaftsbund!
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Beides ganz überflüssig.
[396]
SCHNOFERL.

O tun Sie's, es is so edel, wenn man seine Hand einem Menschen in die Hand legt, dem man s' von Rechts wegen ins Gesicht legen sollt'.


Macht die Pantomime des Ohrfeigengebens.
GIGL
etwas sagen wollend.
Gewiß –
SCHNOFERL
wie oben.

Ich hab' Ihnen gestern noch um eine ganz andere Art Verzeihung für ihn gebeten, davon is heut keine Red' mehr.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Ich glaub's.
SCHNOFERL.

Ich war gestern noch gegen 's Mädl, heut Gerührt. bin ich fürs Mädl, denn ich hab' Mitleiden mit'n Mädl, seit ich weiß, wer ihr Vater is. Aber mir liegt alles dran, daß wir alle in Güte und Freundschaft – daß Sie keinen Verschmach, weder auf diesen Jüngling noch auf mich werfen. Sie stehn ja auf'n Gigl nicht an.

GIGL
wie oben.
Gewiß –
SCHNOFERL.

In vielen Jahren, wenn Sie sich einmal die Liebenswürdigkeit ganz abg'wöhnt werden haben, kriegen Sie noch einen solchen, wie der Gigl is; aber bedenken Sie, das Mädl, die arme Närrin, wär' ja ein armer Narr, wenn man ihr den Gigl entreißt.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Ich steh' dem beiderseitigen Glück nicht im Weg.
SCHNOFERL.

Na ja, aber wozu dieser kalte Groll!? Sie müssen ja den Gigl nicht verkennen, müssen ihn ja nicht als ein denkendes Wesen beurteilen.

GIGL
wie oben.
Gewiß –
SCHNOFERL.

Daß er Ihnen verschmäht, zeigt ja deutlich genug von einer Unpäßlichkeit der Verstandeskräfte, es is eine Heiserkeit des Gehirns, ein Katarrh der Vernunft, und dann ist die Sach' eine Herzenssach' –

FRAU VON ERBSENSTEIN.
So? und in Herzenssachen ist alles verzeihlich?
SCHNOFERL.
Beinah!
GIGL
wie oben.
Gewiß –
SCHNOFERL
leise zu Gigl.

Halt 's Maul. Laut zu Frau von Erbsenstein. Die Anatomen schon lehren uns, daß das menschliche [397] Herz Ohren hat, und zwar verhältnismäßig sehr große Ohren, dadurch allein schon ist jede Eselei, wo das Herz im Spiel is, zur Vergebung qualifiziert.

FRAU VON ERBSENSTEIN.

Der Herr Schnoferl find't also das ganz leicht, wenn man beleidigt, gekränkt ist, zu vergeben. Haben Sie's schon versucht?

SCHNOFERL.
O ja, ich hab' einmal einem Kater vergeben, der hat mir drei Kanarienvögel g'fressen.
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Jedes Gemüt is halt nicht so aus Versöhnungsstoff gewebt. Bei mir kommt alles hauptsächlich auf einen Fürsprecher an, wenn das aber ein Mensch ist, den man in gewissen Gesellschaften findet.

SCHNOFERL.

Verzeihen Sie, ich bin ein ausgebreiteter Geschäftsmann, unsereins kommt mit allen Nuancen der Menschheit in Konflikt.

FRAU VON ERBSENSTEIN
immer pikierter.
Wenn aber der, der den Schuldigen auf Gaudee führt –
SCHNOFERL.
Lassen Sie sich dienen –
FRAU VON ERBSENSTEIN
wie oben.
Wenn der die Keckheit hat, sich zum Fürsprecher aufwerfen zu wollen –
SCHNOFERL.
Erlauben Sie, daß ich Ihnen dien' –
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Still, Sie haben ausgedient bei mir –
SCHNOFERL.
Lassen Sie sich dienen.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Schweigen Sie!
SCHNOFERL
kleinlaut.
Und ich dienet Ihnen so gern –
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Sie haben in meiner Achtung einen Purzler gemacht.
GIGL
wie oben.
Gewiß –
SCHNOFERL
leise zu ihm.
Halt 's Maul.
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Einen Purzler –
SCHNOFERL.
Gnädige Frau Für sich. ich muß eine mildere Stimmung erzwecken.
FRAU VON ERBSENSTEIN
zu Gigl.
Mit Ihnen habe ich noch ein paar Wort' zu sprechen, folgen Sie mir! Geht ins Haus ab.
GIGL
erschrocken, für sich.

Ich fürcht' mich – aber ich muß ihr folgen, denn wenn ich unfolgsam wär', da wär's gar aus. Folgt ihr nach.

[398]
SCHNOFERL
allein.

Diese himmlische Frau hat den höllischen Gusto mir Pfeile ins Herz zu bohren, – na laßt man ihr die Freud'. Überhaupt 's is 's beste, man laßt ein' jedem seine Freud', denn die Freuden der Menschen sind meistens so, daß es sich nicht auszahlt – wenn man Ihnen neidig wär' drum.


Lied.

1

»Meine Frau dieser Engel«, sagt einer, »die war
Wie ich s' g'heirat hab' schon über sechsundzwanz'g Jahr.
In dem Alter da hätt' man doch glaub'n soll'n, sie wüßt'
Was die Lieb is, und wie man sich herzt, druckt und küßt.
Aber nein, sie hat mir's oft g'schwor'n nach der Hand,
Sie hat bis auf mich gar kein Mannsbild gekannt.
So a Glück is a Seltenheit jetzt bei der Zeit –
Na, laßt ma ein' jeden sein' Freud'.«

2

s' Madl tanzt mit ein' Fremden, und weil s' zu freundlich war,
Führt s' der Liebhaber auf d' Seiten und gibt ihr a paar.
Er schimpft und sie flennt: »Glaubst i könnt' so schlecht sein«,
Das rührt'n, er versöhnt sich, drauf kehrn s' nochmal ein.
Er b'sauft sich, fangt Streit an, und weil sie sich dreinmischt,
Hat s' von d' Wix, die er kriegt, ihr'n Teil auch erwischt
So unterhalt'n alle Sonntäge sich die zwei Leut',
Na, laßt ma ein' jeden sein' Freud'.

3

's hat ein Kapitalist, um zugrund z' gehn bestimmt,
d' Passion, daß 'r auf all's, was 's gibt, Aktien nimmt.
So a Aktie tut sich nix, macht s' auch ein Fall,
's blaue Aug' das kriegt nur der Aktionär allemal.
[399] Sein Freund warnt ihn: »Jetzt is der Zeitpunkt vor all'n,
Wo d' Aktien öfter, als die klein' Kinder fall'n.«
»Laßt ma s' fall'n«, sagt er, »wern schon noch steig'n mit der Zeit.«
Na, laßt ma ein' jeden sein' Freud'.

4

Ein Modeherr mit ein' enorm faden G'sicht,
Von gar nix als Rassepferd und Hühnerhund spricht.
Doch hat bei ihm nie einen Hund gesehn wer,
Denn den Hund, auf den er is, den zeigt er nit her.
Ein Rassepferd is jed's für ihn, denn jedes Roß,
Wenn er's zahl'n soll, is ihm zu raß; doch er tut groß.
Und glaubt fest, fürs Junge von ein Lord halt'n ihn d' Leut',
Na, laßt ma ein' jeden sein' Freud'.

5

's wart't einer in ein Vorzimmer bei ein'm reichen Herrn,
Auf die Gnad, daß er einmal wird vorg'lassen wer'n.
Nach drei Wochen kommt d' Reih' an ihn und er darf's wag'n,
In Demut seine Bitt' um ein Dienstl vorz'trag'n.
Man hört ihn in Gnaden und antwort't ihm dann:
»Wir woll'n sehn was sich tun läßt. Adieu lieber Mann!«
Der jubelt jetzt froh: »Ich hab' mein Glück gemacht heut'!«
Na, laßt ma ein' jeden sein' Freud'.

Ab.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Thekla. Rosalie.

THEKLA
tritt, von Rosalien geführt, schüchtern zum Gittertore ein.
Ich hab' eine Bangigkeit in mir, ich trau' mich gar nicht herein.
ROSALIE.

Courage, warten S' einen Augenblick, mir scheint [400] sie sind dort. Nach rechts in die Szene sehend. Ich bring' Ihnen den Schnoferl, oder wenn ich den nicht find', jemand andern, der – Eilt rechts ab.

THEKLA
ihr nachrufend.
O nein, nur niemand andern als den Schnoferl.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Thekla allein.

THEKLA.

Der gute Mensch nimmt sich so herzlich an um mich, und er hat mir wichtige Aufschlüsse versprochen, sollt' er etwa gar ein Mittel gefunden haben, die Rechtfertigung meines Vaters – –?! – O Gott, ich trau' mich gar nicht zu hoffen auf so ein Glück.

14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Die Vorige. Gigl. Dann Schnoferl. Dann Frau von Erbsenstein.

GIGL
eilig aus dem Haus kommend.
Unglückliche, du rennst in dein Verderben, die Furie is da!
THEKLA
erschrocken.
Wer?
GIGL.
Laufen wir auf und davon, das is das Gescheiteste – zu spät, da is sie!
SCHNOFERL
eilig aus dem Hause kommend.
Sie ist in der schrecklichsten Stimmung, aber ich schütz' Ihnen gegen den ersten Anfall ihrer Wut.
THEKLA.
Himmel, was wird –
FRAU VON ERBSENSTEIN
zu Thekla.

Mamsell, ich hab' mich in der Aufwallung des Zorns zu Äußerungen hinreißen lassen, die ich von ganzen Herzen bereue.

THEKLA
Frau von Erbsenstein die Hand küssen wollend, was diese jedoch nicht geschehen läßt.
Gnädige Frau!
SCHNOFERL
ganz verblüfft.
Gigl!
GIGL
ebenso.
Schnoferl!
FRAU VON ERBSENSTEIN
zu Thekla.

Ich hab' mich genau um Sie erkundigt, und gesehen, wie sehr ich Ihnen Unrecht [401] getan, lassen Sie mich jetzt, um es gutzumachen, Ihre aufrichtigste Freundin, Ihre eifrigste Beschützerin sein. Schließt sie in ihre Arme.

SCHNOFERL
für sich.

Ha, das Weib ist ein Stern erster Größe, und ich Stockfisch hab' sie einer kleinlichen Rachsucht fähig gehalten, die mit ihr einen Kontrast bildet, wie der Olymp mit'n Naschmarkt.Zur Frau von Erbsenstein. Heraus muß es jetzt, gnädige Frau, was seit, ich weiß gar nicht wie viel Jahren, in mir wogt, Sie sind das Götzenbild im heiligen Hain meiner Gefühle; Sie sind das Omlett, was ich unsichtbar um den Hals getragen und so mich stärkte in jeglicher Gefahr!

FRAU VON ERBSENSTEIN
welche bisher immer mit Thekla gesprochen.
Zu was strapazieren Sie sich da! Arrangieren S' lieber wieder wo eine Abendunterhaltung.
SCHNOFERL
niedergedonnert, für sich.
Die vermudelt mich schön!
GIGL.
Thekla, liebe Thekla.
FRAU VON ERBSENSTEIN
zu Thekla.
Erzählen Sie weiter.
THEKLA.

So hab' ich also meinen Vater an dem verhängnisvollen Abend besucht, auf einmal sagt er: »Ich hab' was vergessen in der Schreibstube, ich komm' gleich wieder zurück«, und geht fort. Nach einer Viertelstund' kommt er wieder, totenblaß und sinkt mit den Worten: »Thekla, ich bin verloren!« in einen Sessel. Wie er sich erholt hat, sagt er: »Die Kassa vom Herrn von Kauz ist erbrochen und ausgeraubt, auf niemand kann der Verdacht kommen, als auf mich, man wird mich einziehen, ich komm' in Untersuchung, und hab' nichts was mich rechtfertigen kann, mir bleibt kein Ausweg als Flucht.« Auf das is er fort, und erst nach einiger Zeit hat er mir geschrieben unter welchen Namen, und wo er verborgen lebt, – wie er lebt, das können Sie sich denken, denn er hat nichts als das wenige, was ich ihm schicken kann.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Armes Kind!
SCHNOFERL
gerührt zur Frau von Erbsenstein.

Hab' ich mich nicht für ein gutes Geschöpf interessiert! ich bin so fest überzeugt, daß ihr Vater unschuldig is.

[402]
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Wie aber der Welt es beweisen?
GIGL.

Ich brauche keine Welt, ich heirate sie, und wenn auch ihr Vater nicht unschuldig wär', ihr Vater is ja majorenn, und kann folglich schnipfen, was er will.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Sie reden wieder in den Tag hinein.
GIGL.
Wenn auch der Vater lange Finger hat, was geht das die Hand der Tochter an?
THEKLA.
Der Herr Schnoferl hat mir versprochen, heut' wichtige Entdeckungen –
FRAU VON ERBSENSTEIN
zu Schnoferl.
Haben Sie was getan in der Sach'? Das könnt' Ihnen wieder heben in meiner Freundschaft.
SCHNOFERL.

Ich war heut' vormittag bei dem Mann, der Näheres um die Sache wissen muß, bin aber zu spät gekommen. Ein ältlicher Mann war heut' in der Früh dort, hat zwei Stunden mit ihm gesprochen, auf das is er abg'reist, kein Mensch weiß wohin!

FRAU VON ERBSENSTEIN
Schnoferl verächtlich messend.

Also zu spät gekommen? natürlich, früher hat halt der ausgebreitete Geschäftsmann wichtigere Sachen zu tun gehabt. Adieu, Herr Schnoferl, das war Ihr Gnadenstoß. Zu Thekla. Kommen Sie mit mir, meine Liebe. Zu Gigl. Gigl, schau'n S', daß mein Wagen vorfahrt, Zu Thekla im Abgehen. wir werden schon Leute finden, die sich um Ihre Sache tätiger annehmen sollen. Mit Thekla ins Haus ab.

15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt
Schnoferl. Gigl.

SCHNOFERL
ganz niedergeschmettert.

Ah, wie diese Frau mich in den Schlamm der Vernichtung schleudert, und umtritt auf mir – das is arg. Da is ja jedes Wort ein moralischer Vitriol, mein Inneres zerfällt wie Zunder, ich trag' meine Seel' im Schnupftüchel hinaus. So verkannt zu werden, ich, der ich alles so gern in Güte ausgleichen möcht', der ich gegen die ganze Welt so dienstwillig, so hilfleistig bin –

[403]
GIGL
für sich.

Sie fahrt mit der Erbsenstein, und ich mit'n Fiaker, da fahr' ich alle Augenblick vor, und kokettier' hinein in Wagen – Zu Schnoferl. Du, Schnoferl, da nimm die Brieftaschen, ich hab s' von der Rosalie zum Aufheben, eigentlich g'hört s' glaub' ich der Sabine.


Gibt sie ihm.
SCHNOFERL.
Die Brieftaschen der Sabin?
GIGL.

Na ja, verstehst denn nicht Deutsch, jetzt muß ich wegen die Wägen schau'n. Geht durchs Gittertor ab.

16. Auftritt
Sechszehnter Auftritt
Schnoferl allein, die Brieftasche besehend.

SCHNOFERL.

Die Brieftaschen is von der Sabin? – Das ist doch kein Damenportifölie, diese Brieftaschen is offenbar männlichen Geschlechts. – Hm – wie kommt sie dazu? – Eigentlich geht's mich nichts an, – Öffnet die Brieftasche. Aber den Namen des Eigentümers möcht' ich vor allem – Die Papiere durchblätternd. ah, da is ein offener Brief – da werden wir die Adreß – Liest. »An Herrn Kä – Käfer –« is es möglich?! – »An Herrn Käfer!« und die Unterschrift? Entfaltet den Brief. Keine da. – Macht nix, da muß die Sabin Auskunft wissen. – Was steht denn im Brief –? Liest murmelnd den Brief. Was? – – Was wäre das –!? – – Teufel hinein! – – Triumph! Triumph! Gigl! Mamsell Thekla! Frau von Erbsenstein! Triumph! Frau von Erbsenstein! Mamsell Gigl! Mussi Thekla! Triumph!

17. Auftritt
Siebenzehnter Auftritt
Vorige. Frau von Erbsenstein. Gigl und Thekla.

GIGL
durchs Gittertor zurückkommend.
Die Wagen sind bestellt.
SCHNOFERL.
Triumph! schrei Triumph, Gigl, ich bitt' dich!
GIGL
schreit.
Triumph! – aber du, wegen was denn?
FRAU VON ERBSENSTEIN
mit Thekla aus dem Hause.
Was is denn g'schehn?
SCHNOFERL.

Gnädige Frau! Mamsell Thekla, ich bitt' Sie um alles in der Welt, schreien Sie Triumph! aber aus vollem [404] Hals, Sie haben gar nix zu tun als Triumph zu schreien, all's andere hab' ich schon getan.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Werden S' jetzt g'scheit werden oder nicht?
SCHNOFERL
zu Thekla.
Die Ehre Ihres Vaters ist gerettet!
THEKLA.
Wär's möglich!?
SCHNOFERL.

Ich hab' einen Brief entdeckt, der seine Unschuld sonnenklar beweist. Hören Sie nur.Liest. »Lieber Käfer! Heut' muß noch die Sach' geschehen, ich bin auf ein paar Tage aufs Land, um jede Idee von mir abzulenken. Der alte Stimmer geht täglich um 7 Uhr aus der Schreibstube, halb 8 Uhr is also die beste Stund. Die Schlüssel zu Vortür und Zimmer hast du, du brichst die Kassa auf, wie verabredet, bringst mir heute noch den Inhalt derselben, nachdem du dir deine Belohnung per 200 Dukaten abgezogen, und die Komödie is in Ordnung.« – Das is ein Einbruch durch die dritte Hand, und er nennt das eine Komödie!

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Ja, von wem ist denn der Brief?
SCHNOFERL.

Keine Unterschrift, aber wir kommen schon drauf. Offenbar is der Käfer der Helfershelfer, und der, der den Brief geschrieben hat, is der Täter.

FRAU VON ERBSENSTEIN
einen Blick auf den Brief werfend, welchen Schnoferl noch in Händen hat.

Wenn man nur die Schrift erkennen könnt' –Heftig erschreckend, beiseite. Um Gottes willen, das is mein Onkel seine Schrift –

SCHNOFERL
welcher gegen Thekla gewendet war, sich zu Frau von Erbsenstein kehrend.
Was sagen Sie?
FRAU VON ERBSENSTEIN
sich zu fassen suchend.
Nichts, ich – kenn' die Schrift nicht –
SCHNOFERL.

Na, freilich, wie sollen Ew. Gnaden einem jeden Halunken seine Schrift kennen, ich kenn s' auch nicht. Aber nur Geduld, wir kommen schon auf den Grund.

[405]
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Vorige. Madame Storch. Rosalie. Peppi. Kauz. Sabine.

KAUZ
tritt mit den Frauenzimmern zankend von der Seite rechts auf.
Erlauben Sie mir, das is keine Sach' um einen Spaß z' machen.
MADAME STORCH, PEPPI, ROSALIE.
So sein Sie nur nicht so kindisch.
KAUZ.
Was kindisch, eine Brieftasche is kein Gegenstand zu einem Jux.
SABINE.
Sie werden Ihre Brieftasche gleich wiederkriegen.
SCHNOFERL
für sich.
Ihm g'hört die Brieftaschen? – Ha Stearin- – Milly- – Apollo-Licht, was mir aufgeht! –
SABINE
zu Kauz.
Wie ich Ihnen sag', ich hab s' der Rosalie geben.
KAUZ.
Und die Rosalie –?
ROSALIE.
Ich hab s' dem Herrn von Gigl gegeben.
KAUZ.
Also Gigl, heraus damit!
GIGL.
Ich hab s' dem Schnoferl aufz'heben geb'n.
KAUZ
erschreckend.
Dem Schnoferl? Mit erzwungener Fassung. Herr Schnoferl, hab'n S' die Güte, meine Brieftaschen –
SCHNOFERL.

Gleich, gleich, 's pressiert ja nicht. Wissen Sie, Herr von Kauz, daß Ihr Landhaus wirklich eine charmante Lage hat?

KAUZ
sehr unruhig.
Ja, ja, aber –
SCHNOFERL.

Diese herrliche Luft, mitten im Sommer so kühl, gar nicht schwül, ich begreif' nicht, warum Sie so schwitzen?

KAUZ
seine Unruhe verbergen wollend.
Begreif's selbst nicht – aber geben Sie jetzt –
SCHNOFERL.
Sehen Sie, wohl verwahrt.
KAUZ
ihn beiseite ziehend.
Herr Schnoferl!
SCHNOFERL
leise zu ihm, indem er ihm den Brief zeigt.
Die Handschrift ist Ihnen ohne Zweifel bekannt?
KAUZ
ganz kleinlaut.
Herr Schnoferl, Sie werden doch nicht –
SCHNOFERL
leise, ihn stark fixierend.

Sie haben sich durch die dritte Hand selbst beraubt, um einen Vorwand zu haben, [406] sich arm zu stellen, und Ihren Seitenverwandten den Erbschaftsanteil nur zizerlweis hinauszuzahlen.

KAUZ
leise zu Schnoferl.
Eine unglückliche Spekulation!
SCHNOFERL
wie oben.

Schaut's der Herr von Kauz. Laut. Mir sehr angenehm, daß Zeugen vorhanden sind, Zeugen, die die Sach' gewiß in alle Weltgegenden verbreiten werden.

KAUZ
leise bittend.
Schnoferl!
SCHNOFERL
laut.

Der Vater von diesem armen Mädl hier war unschuldig in Verdacht, seine Ehre is unbefleckt, wie der Tag, niemand kann daran zweifeln, denn der Herr von Kauz is gar nicht bestohlen worden.

THEKLA.
Ich bin überglücklich!
GIGL.
Thekla!
FRAU VON ERBSENSTEIN
in größter Angst, leise zu Schnoferl.
Ums Himmels willen tun S' unserm Haus die Schand' nicht an – ich bin seine Nichte!
SCHNOFERL
leise zu Frau von Erbsenstein.
Gerechtigkeit is das erste, strenge Gerechtigkeit. Laut. Das Geld nämlich hat der Herr von Kauz –
KAUZ
in Desperation, leise zu Schnoferl.
Wollen Sie mich unglücklich machen?
SCHNOFERL.
Das Geld hat der Herr von Kauz nur verlegt.
ALLE.
Verlegt?
SCHNOFERL.

Sehn Sie, an seinem verlegnen G'sicht sieht man's, daß das Ganze nur verlegt war. Soeben hat er mir angezeigt, daß er in dieser Brieftaschen alles wiedergefunden. Zu Kauz, ihm die Brieftaschen gebend, nachdem er vorher den Brief herausgenommen. Da haben Sie s'. Leise. Den Brief behalt' ich aber noch!

SABINE.
Kurios, wir haben sie doch durchsucht –
SCHNOFERL.
Ja, es muß ganz ein verborgenes Fach sein –
KAUZ.
Ich fang' an Atem zu schöpfen, aber noch nicht recht.
FRAU VON ERBSENSTEIN
leise zu Schnoferl.
Sie sind ein Engel!
SCHNOFERL
leise zu Kauz.

Jetzt kommen aber erst die Bedingungen, unter denen ich schweigen, und Ihnen auch den Brief zurückgeben will. Laut. Schön, Herr von Kauz, schön, das macht Ihnen Ehre. Sich zu den andern wendend. [407] Der Herr von Kauz versichert mich soeben, daß er seinen Seitenverwandten ihren ganzen Erbschaftsanteil sogleich, samt sechsprozentigen Interessen für die Zeit, als das Geld verlegt war, hinauszahlen wird. Mir zahlt er ebenfalls meine 3000 Gulden, na, das versteht sich von selbst, übrigens das is alles nur Schuldigkeit! jetzt aber erst das Edle –

KAUZ
beiseite.
Was denn noch?
SCHNOFERL
laut zu allen.
Der Tochter des Mannes, der unschuldig im Verdacht war, schenkt er zehntausend Gulden zur Aussteuer.
KAUZ
beiseite.
Verdammt!
SCHNOFERL
wie oben.

Ihrem Vater aber, der am meisten bei der G'schicht gelitten, fünfzehntausend Gulden als Entschädigung für ausgestandenes Ungemach.

KAUZ
wie oben.
Verfluchter Kerl!
SCHNOFERL
wie oben.
Das is schön, Herr von Kauz, wirklich schön, und extra noch –
KAUZ
leise zu Schnoferl.
Ja, ist's denn noch nicht genug?
SCHNOFERL
wie oben.

Extra noch, weil sich die Sach' so glücklich ausgestaltet hat, schenkt er zehntausend Gulden an die Armen.

KAUZ
desperat, leise zu Schnoferl.
Mensch – Hyäne, du ruinierst mich! –
SCHNOFERL
Kauz umarmend.

Edler Mann, du rührst mich. Zu den Anwesenden. Das is großartig, er sagt, zehntausend Gulden sind zu wenig, er will durchaus 12000 Gulden an die Armen geben.

KAUZ
für sich.

Ich fahr' aus der Haut, Leise zu Schnoferl. Satansschnoferl, ausgezeichneter Folterknecht von der Seelentortur.

SCHNOFERL
zu Kauz, leise.

Wie S' ein Wort reden, sag' ich fünfzehntausend Gulden, ich hab' Ihnen ja in der Hand. Zeigt den Brief, laut. Über alles dieses wird der Herr von Kauz noch in dieser Stund mir die nötigen Dokumente ausstellen. Leise zu Kauz. Dann kriegen S' Ihren Brief.

SABINE.

Ich bin neugierig, weil der Herr von Kauz heut' [408] seinen großmütigen Tag hat, wie er sich bei seine Freundinnen einstellen wird.


Die Mädchen und Madame Storch nähern sich.
KAUZ
sehr ärgerlich.
Gehn Sie zum – ihr seid's schuld an allem!
DIE MÄDCHEN UND MADAME STORCH.
Was!?
ROSALIE, SABINE. Was wäre das?
MADAME STORCH
böse zu Kauz.
So eine Aufnahme sind wir nicht g'wohnt. Kommt's, Mädln!
SABINE.
Wir verbieten uns aber alle ferneren Besuche.
MADAME STORCH UND DIE MÄDCHEN
im Abgehen.
Schaut's den impertinenten Menschen an!Durch das Gittertor ab.
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt
Vorige, ohne Madame Storch und den Mädchen.

FRAU VON ERBSENSTEIN.
Lieber Schnoferl, wie soll ich Sie für Ihr schonendes Benehmen lohnen?
SCHNOFERL.
Durch einen gnädigen Blick, wenn S' einen bei der Hand haben.
FRAU VON ERBSENSTEIN.

Ich hab' einen, wie ich glaub' Ihnen angenehmeren Lohn bei der Hand, – die Hand selbst, wenn Sie s' wollen. –

SCHNOFERL
aufs höchste überrascht.
Ja, ist das Ihr Ernst?
FRAU VON ERBSENSTEIN.
Mein völliger Ernst.
SCHNOFERL
in Ekstase.

Ha, so zerschmettert, ihr Kniescheiben! stürz nieder, Winkelagent! so eine Seligkeit kann der Mensch nicht als so stehender ertragen! Stürzt der Frau von Erbsenstein zu Füßen, und küßt ihr die Hand.

KAUZ
grimmig, beiseite.
Jetzt kommt der Kerl noch in meine Familie hinein!
SCHNOFERL
aufstehend.

Also hier Auf Thekla und Gigl zeigend. steht ein glückliches Paar; hier Auf sich und Frau von Erbsenstein zeigend. ein gar enorm glückliches; und Sie Herr von Kauz, suchen sich unter die Sprichwörter: »Der Krug geht so lang zum Brunnen bis er bricht«, oder »Tue recht[409] und scheue niemand«, oder »Nichts ist so fein gesponnen, es kommt dennoch an die Sonnen«, oder »Ehrlich währt am längsten« – unter diesen Sprichwörtern suchen Sie sich das passendste als Moral heraus.


Ende.


Notes
Entstanden 1841. Erstdruck: Wien 1845. Uraufführung am 24.11.1841 in Wien.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Nestroy, Johann. Das Mädl aus der Vorstadt. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5FB1-4