Friedrich Müller
Der Satyr Mopsus
Eine Idylle in drei Gesängen

[Widmung]

[1373] Meinem Freund

dem Herrn Hofkammerrat Jacobi;

in Düsseldorf gewidmet

Erster Gesang

Am schattigten Ufer des Moosquells saßen die Hirten versammlet und berateten sich, wie und wo sie ihren verlornen Satyr Mopsus suchen wollten, der noch verwichenen Abend so fröhlich mit ihnen gezecht. »Ach!« spricht einer, »liebe Brüder, was ist zu tun? – Hat ihn ein Zentaur uns gestohlen oder Pan vielleicht selbsten, daß er sich in seiner grünen Grotte an ihm belustige? – Laßt uns alle klagen; er ist fort – fort, ach! und wir sind alle verloren und in diesem Leben seh ich nun keine Lust weiter.«

Und die Knaben heulen alle von neuem, laufen hin und her – suchen immer noch, ob sie ihren lieben Satyr nicht wiederfänden, als ferne an einem dichten Brombeerstrauche ein milchhörnigtes Fäunchen schreit; – – »Funden, funden, ihr Brüder! hieher!« – – Mitten aus dem Gesträuche hervor ragte ein großer zottigter Bocksfuß, der auf moosigte Klippen seinen Schatten warf; den sah von ferne der kleine Weinsäufer, klettert nach und guckt, und hält ihn und schreit von neuem: »Funden, funden, ihr Brüder! hieher!« – – Alle Knaben kommen nun herunter, erstaunen, sehen, wie ihr lieber alter Mopsus im dichtsten Brombeerstrauche ohnmächtig verwickelt liegt; mit Tränen ziehen sie ihn hervor, schlagen ihre felligte Mäntel um seine zerkratzten Schultern und tragen ihn auf ihren Armen in seine Behausung ein. – Neben Feuer legen sie ihn dort auf weiches Moos, waschen sein Angesicht mit feuchtem Schwamme und träuflen ihm Essig in seine Nase. Da beginnt er wieder zu atmen; kaum aber schlägt er die Augen auf, schauet er umher, heulet: – »Leb ich denn noch?« – Dann betrachtet er seine zerrissene Hände – und blutige Brust und heulet von neuem.

»Wie ist dir's, lieber Mopsus?« fragt nun der Knabe Myron, hockt sich vor den Ziegenfüßler hin und hält ihm den sinkenden Kopf. – »Sag um Pans willen, wie kamstu nur in den verfluchten [1373] Strauch, aus dem dich die Knaben erst gezogen?« – »Erzähl's doch!« »Ja, ja – will euch alles erzählen«, seufzt der Satyr – – »gebt mir nur vor ein wenig Brot und Wein, mein mattes Herz zu erlaben.« – – Sie gaben's ihm, und als er gessen und getrunken hatte, fing er also zu erzählen an: »Wie ich in den verfluchten Strauch kommen, darin ihr mich gefunden, habt ihr wohl Ursach, euch zu wundern. Hört nur! – – Aber eh ich noch ein Wörtchen weiter erzähle, helft mir vor auf alle Weiber schmälen. – – Oh! das ist das garstigste Gezücht, das Jupiter unter der Sonne geschaffen. – – Oh! das ist – – – –« »Warum guter Mopsus!« sagt der nußbraune Myron, »du sprachst doch sonst anders; wie kommt das?«

Mopsus: »Ja, ja! da kannt ich sie nicht; jetzt da ich's besser weiß, was Weibertücke brütet, will ich immer, immer schelten und ihnen gram sein – – setzt euch nur um mich her; – – – mein Treu! 's lohnt sich der Mühe, mir zuzuhören. – – – Ihr sollt's deutlich vernehmen, warum ich nun allen Weibsen so spinnefeind bin und was diese gottlose Quellennymphe Persina an mir verübet. – Ihr wißt's doch, daß ich in dies garstige Wassermädchen verliebt war, he? – – Was ich ihrentwegen vor Schmerzen und Kummer ausgestanden, mich vor Liebe abgehärmt, nicht geruht und geschlafen, wenn ich nachts auf nassen Felsen ihrer Höhle gegenübersaß und im kühlen Mondscheine ihr meinen Jammer vorgepfiffen; wißt ihr's?«

Myron: »Freilich – freilich wissen wir's – – haben dich ja oft drüber ausgelacht.«

Mopsus: »Gut! – – – Wie ihr alle heunt schlieft, ich ganz allein noch bei meinem Schlauche wachte, fiel mir's ein: – – was hilft all Weinen, du mußt einmal recht Wein trinken, lachen und fröhlichen Muts sein; wer weiß, gefällt das vielleicht dem Nymphchen besser. – – – Nun stand ich leise auf, nahm meinen Weinkrug und schlich zu des stolzen Mädchens Grotte hin, lachte und hüpfte im Mondschein, schrie und schwenkte den vollen Becher; – – mir war's in der Seele wohl; ich sang aus munterm Herzen: – – – ›Komm doch hervor Quellenmädchen, oder laß mich zu dir ein.‹ – – Dann trank ich wieder und rief weiter:

›Komm! tue mir eins Bescheid. – Ei, du Närrchen! kennst noch viel Süßes nicht.‹ Nun ward mir immer wohler und kecker ums Herz. – – ›Ei, Nymphchen!‹ rief ich, ›gib Antwort oder wo du länger schweigst, tue mir einer dies und das, wo ich nicht in deine Höhle krieche und mich gar spaßig zu dir lege.‹ – – – Nun [1374] lacht's hinter mir aus'm Gesträuche hervor. Ei! dacht ich, das ist gut Zeichen; jetzt will ich einmal aus ganzem Herzen meinen Gesang anbringen, den ich auf meine Liebe gedichtet, und worin ich ihr gar fein gefuchsschwänzet, mehr als der Nickel wert war. Setzte mich dann auf einen abgerissenen Eichenstrunk, ihrer Höhle gegenüber, und fing also an – – – Will's euch nur grad hinsingen, eh ich weiter auserzähle, damit ihr's nur selbst hört, ob das nicht ein schön Lied ist und was für ein schändliches Mensch diese Quellennymphe Persina ist, mich nicht zu lieben und mir so übel zu begegnen, als ihr hernach erfahren sollet. – – Hem!

›Laß dich belauschen, laß dich ertappen, Quellenmädchen! Du weißt nicht, wie gut das tut. – – Die Frühlingssonne wärmet; aber schmelzender ist ein Kuß, saftiger als weicher Käs und Kukumern. – – Meine Treu! Du glaubst nicht, wie süß 's Lieben ist; süßer als Honigfladen! – Ach! wenn ich dich nur in meinen Armen hätt, du Süße! hingst süßer dann an meiner Schulter, als Honigseim an eines Bären Schnauze – – – Oh! dein liebes Haar ist doch so licht wellicht, dein Busen wie weißer Schwamm; ach! wenn du Helle! auf meinem Schoße säßest, und dich an meine schwarze zottige Brust lehntest, dann müßtest erst recht hervorblinken: denn weiß auf schwarz sticht gar gut voneinander ab.

Soll ich denn immer jammern und leiden, und mein's doch so herzlich treu! – – – Oh! Nymphchen, Nymphchen! bedenk dich wohl. – Ich will mit dir scherzen und spielen, wenn du mich liebst; dich sollen alle Jungfrauen neiden, so gütlich will ich dir tun; – dich im Grünen jagen, dir die Kleider vom Leibe reißen und hetzen und kitzeln, daß einem behagt; – – – dann dich herum werfen auf den Bauch und deine Schenkel so lange pletschen, daß sie dir funklen sollen, wie eine zeitige Granate.

Ach! das wär doch eine Fröhlichkeit, dergleichen nichts über der Sonne gibt! Denk an das gut Leben und sei nicht so stolz! Ach, ach! kein Baum wär mir zu hoch, auf den ich nicht klimmen wollte, die Mandlen abzuschlagen, oder der Nüsse viel; der Rebe wollt ich nachkriechen an Felsen herabhangen, dir die schönsten Trauben zu schneiden, wenn du nur sagen wolltest, du seiest mein – – Ach! dies wär ein hell Wörtlein, wie ein Licht in der Nacht – – Ach! dies wär ein süß Wörtlein! ich stünde früh auf, es zu hören – ich stünde drum Ohrfeigen aus; so lieb bistu mir, meine Herzenskrone!

[1375] Gewiß bin ich deiner wert! – – Wenn ich singe, horcht mir alles auf. – Was die Wachtel gegen den Guckguck ist, sind alle übrige Stimmen gegen mir: Denn keine hat soviel Gewalt, als meine. Ergreif ich die Flöte, hüpft alles um mich her; sogar meine unverständige Böcke lachen und tanzen um mich; sogar meine Kürbisflaschen klotzen mich an und paußen sich auf, als wollten sie mich loben. – – – Habe dir schon gepfiffen, daß einer nicht glauben sollte. – Mein Treu! der hungrige Wolf stand im Würgen still und horchte mir zu.

Und das sind meiner Tugenden nicht all. Mein Stier ist groß und stark, groß seine buschigte Stirne und stark sein spitziges Horn. – Voll mutigen Unwillens entwurzelt er Wälder; – sein eherner Fuß zermalmet den Kiesel und trübet die Luft; – Weit auf reißt er seine dampfende Nase und brüllt, daß Anger und Tal erschrickt; aber kaum schelt ich ihn aus – solltest's nur selbst sehen, steht er furchtsam wie ein Kind, vor mir – drehet sein großes Auge seitwärts, ähnlich dem sinkenden Monde; brummt hinab; – dann zieh ich ihn am Horne zur Mittagssonn auf, und gebiete. – – Er steht still, und ich schlummre geruhig in seinem Schatten.

Auch bin ich kein häßlicher Kerl nicht. – Mein Treu! das sagen doch alle Mädchen zu mir. – Mein Gesicht ist glatt wie ein Kuheuter; mein Bart kohlrabenschwarz; meine Hörner stehen aus meiner graulichten Locke heraus, wie zwei Tannen aus einem Schneehügel; und meine Wangen? – – Ach! die sind angespannt und voll, daß ohne mich zu rühmen, ich dem König Boreas gleiche, den Bacchidon, mit der Krone auf dem Haupte, an eine dicke Eiche geschnitzelt, wie er einsmals neun Täge und neun Nächte allen Wind untergeschluckt, um beim nächsten Feste, des Ozeans schlanken Töchterchen gar lieblich die Röcke von den Beinchen zu wehen. Du solltest's nur selbst sehen, wie wohl das geschnitzelt ist und wie groß und herrlich seine windvolle Backen hervorhangen, daß sie einer in die Ferne vor zwei Dudelsäcke nimmt. – – – Ja, du Liebes! du, betrachte mich recht, was lustigen Ansehens ich bin. – Mein Treu! du findst mein Näschen nicht in meinem dicken Gesicht: – – – Das sieht doch so lustig possierlich aus, daß ich oft selbst, wenn ich mich so von ohngefähr in einer Quelle ersah, mir hätte darüber einen Buckel lachen mögen.

Und das alles, alles will ich dir gönnen. – – Ach! wenn du nur wolltest – – Aber was hilft's? Dir allein will ich gefallen; dir zu [1376] Ehren tu ich doch alles, spiel mir fast die Finger krumm, und du merkst nicht drauf – Ach! schönhaariges Nymphchen, warum muß ich nur so gar sehr in dich vernarrt sein, daß kein Rat noch Ende mehr ist? – Oft wenn ich dir Täge lang nachschleiche, dich endlich hinter einer Dorne erhasche, schlüpfst du spottend aus meinen Armen weg, lachst noch, wenn du mich die leere Luft oder stachlichte Sträuche begierig an mein Herz reißen siehst. – Oh! du Grausame, du; – Oh! was hilft da klagen? Nichts – Wenn ich's überdenke, und mein Elend, und die Pein, und wie ich dich nicht haben soll, und gerne hätt; das alles macht mir die Seele ganz schwarz, daß ich mich hoch betrübe und mir vor Trübsal das Herz im Leibe wackelt, wie ein Lämmerschwänzchen. Ach! – – – denk ich doch oft: Lägst du nur wo kein Windlein dich mehr träf; daß des Jammers einmal ein Ende wär, und ich zu Frieden käme in kühler Erd. – Ja, so denk ich oft; – dann laufen mir Tränen wie junge Eicheln dick, über die Nase. Ach! ach! – – Ja du wirst mich noch hinrichten; denn alles ist umsonst. – Oft, wenn ich Tag und Nacht deine Spur verfolget, dich nirgends finde, treibet mich die Angst zu deiner Quelle hin; brünstig stürz ich dann bis über den Nabel darein; aber auch dann fliehestu in dein kristallenes Zimmer, lässest mich jammernden Gast allein.

Sieh doch! der Winter verheeret die Flur – – alle Faunen und Satyren, meine Brüder, verlassen dann Anger und Feld, verschließen sich tief in ihre Grotten und höhnen beim Weinmahl Wintersturms Toben, singen und geben draußen alles preis. Ach! die Glücklichen! sie freuen sich und spielen und sind daheim vergnügt. Mich allein treibt die Liebe von warmen Fellen hervor – – – Ach! was brauch ich dir's zu sagen! hast oft mein schnatternd Gewinsel gehöret, wenn ich am blumenleeren Rande deines beeisten Bordes saß – Ach! da saß ich und spielte in einer Kälte, die Wölfe zum Schreien bewegt und mir fast Mark und Bein verzehret, dir meinen Jammer vor; die Tränen, die von meinen Wangen fielen, rasselten zwar auf meiner Flöte, aber du bliebest doch ungerühret; unter deiner gläsernen Decke lagstu dann geruhig auf dem Rücken, daß ich dich ganz eigentlich sehen konnte. – Oh! du Gottlose bemerktest dann wohl mein Verlangen und wie ich lüstern hinsah auf deinen nackten Busen und alle meine Glieder sich gewaltig bewegten, dich zu fassen. Oh! du Gottlose! bäumtest dich dann noch artiger, und watscheltest mit deinen runden Füßchen, und winktest mir; und wehe! – Halbtrunken stürzt ich dann nach dir aufs Eis hin, streckte die Arme weit [1377] auseinander und schmelzte leider mit meinem dampfenden Busen den Schnee.

Tu was dir gefällt! der Frühling ist nun wieder da – Alles genießet der Freude; es paaret sich alles im Grünen und auf der Erde; mein Lämmchen, in meinem Schoß auferzogen, springt fort und sucht sich einen andern Freund; – das Rind springt mutig zum Bullen, und die ganze Herde brüllt ihm froh entgegen, da er stolz zur Weide kehrt; – mein Widder, gebadet im Quell, stellt sich am Buchstamm auf. Trocknet sich in der Sonne. Ei, sieh doch! da fallen zwei buhlende Täubchen aus der Luft, sitzen nieder auf seine verschlungene Hörner – Der lieblichen Tierchen gewohnt, achtet's mein höflicher Widder nicht; sie spielen und schnäbeln auf seinem Haupte fort, stolz auf seine artige Last, geht er und trägt sie, so kosend, unter seine wollichte Frauen.

Sag, soll einem nicht das Herz im Leibe zerspringen, dem allem zuzusehen, ohn ein gleiches zu tun? – – Eß deine Milch allein wenn dir's schmeckt; aber hab's mein Tag gehört, wo mehr sein, wohnt Segen. – Hab auch lange gedacht; schmeckt nichts besser, als was man selbst ißt, und wo viel in eine Schüssel fahren, gibt's schmale Brocken; aber ich wollte mir's absparen am Mund – siehstu! dir wollt ich's geben unter den Zähnen hervor. – – Was nur Gutes gäb an Äpfel, und Trauben und Nüssen und Beeren, wär alles dein. – – Oh! wie wollten wir leben! – – wie wollten wir leben! Dich füttern wollt ich am Tage und mästen, daß du feist würdest und dickbackigt und einen Kragen von Speck bekämst, wie ein fettes Ferkel. Ach, Amor und ihr Grazien! wie süß war das! – So lebten wir am Tage, und nachts schleiftestu mich, wenn ich etwa trunken im Feld läg, an den Beinen ganz liebreich in meine Wohnung ein. Ach! ach! – – dann solltestu mir jährlich Zwillinge bringen; davor steh ich dir! – Buben wie die Kälber, dickköpfigt und feueraugigt – Ach! ich kann's nicht mehr aushalten, wenn ich daran gedenke, wie das artig sein müßte, wenn du mir so auf dem Rücken hingest, an jeder Zitze ein zottigter Knabe mit aufgesperrtem Maul und jungen schwellenden Hörnger: – – Jawohl! mir steigen die Tränen ins Auge, wenn ich nur an die väterliche Freude gedenke; wenn ich dann ausginge zur Weide, oder am Abend wiederkäme, und du lägst dann unter unsern Knaben vor meiner Höhle, freundlich, wie eine Bache unter ihren Frischlingen. O du mein Liebes du! – – – Ach dann spräng ich wie ein Narr, zu dir hin, und du hingst, wie eine Närrin, an meinem Halse und unsre kleine [1378] Närrchen hüpften um uns herum. Oh! oh! Mag dich Pan aufs grimmigste davor strafen, wenn du mir 's Herzenleid antust und mich mit deiner Hartnäckigkeit um eine so schöne Nachkommenschaft bringst.

Hab so halber meinen Brüdern was von unserer Hochzeit gesagt. – – – Das soll einen Tanz geben! ha ha ha! Sie mögen sich rüsten und ihre Mädchen kränzen mit Myrten und Violen; ich will dich auch kränzen, schöner, als sie alle, solltu hervorprangen, meine Sonne! Einen halben Wald will ich um deine Stirne zäunen, der Tannenzapfen, Erdschwämme und Fichtenlaub unvergessen; einen ganzen Birkenast steck ich selbst zwischen meine Hörner, damit ich auch vor allen heraussteche und wir schmuck nebeneinandergehen, wie Braut und Bräutigam sollen. – – Dann müssen uns die Knaben Maien tragen, an deren Gipfel ich Kränzchen von Violen hängen will. – – – O du Liebliche! sollt dann sehen wie wohl alles gehen soll, und wir wollen herzlich lustig sein, tanzen und springen, fressen auf beiden Backen, daß 's pufft – – aus Küblen Wein saufen, und die liebe Sonne soll's sehen und überm hellen Himmel, mit uns vor Freude jauchzen.‹

Seht, so hab ich gesungen! – – Ist das nicht schön? Mit solch einem herzbrechenden Liede hätt ich wollen Tiger auf ihren Jungen zähmen und Steine zum Greinen bewegen. – – Aber ihr sollt's hören, wie übel einem in dieser Welt gelohnt wird. – – Kaum war ich mit Singen fertig, flog mir seitwärts ein Holzapfel wider die Nase; schnell dreh ich den Kopf um und sag: Ei! – – da stand euch die Nymphe Persina in ihrer Quelle und lachte; setzte dann ihren Fuß aufs Blumenbord; lachte wieder und rief: ›Mopsus! dein Lied hat mich gar sehr gerühret.‹ – – Aha! dacht ich, hab ich einmal das rechte Fleckchen troffen? spring flink auf; lauf hinzu und will sie haschen; aber, wutsch ist sie mir die Finger durch, steht oben auf dem Felsen, aus dem ihr Wasser springt – – ruft: ›Herauf! Mopsus! du Fauler!‹ Ich ließ mich das nicht zweimal heißen, klettert wie ein Blitz hinauf; aber kaum bin ich droben, wutsch ist sie wieder unten in ihrer Quelle, und winkt mir herab. Ich hinunter. Aber was soll ich lang sagen – So trieb sie's bis zwanzigmal, daß sie mich auf- und abspringen machte. Ihr mögt's leicht denken, so artig auch das Spiel war, verdroß mich's doch zuletzt. ›Ei!‹ rief ich, ›Nymphchen! du bist nun drunten, ich oben; warum bleibstu nicht? Oder wenn dir's drum ist, komm zu mir herauf!‹ – – ›Ei, komm doch‹, rief sie, und ließ sich die Länge nach ins Wasser plumsen: [1379] ›Komm doch. Möpselchen, mein Böckchen! Geh! spring herunter auf meinen Rücken, wenn du 's Herz hast! – Sieh, will dir so liegen bleiben!‹ – Und indem sie mir so zurief, hebt sie ihren milchweißen runden Rücken aus dem Wasser hervor und watschelt euch mit ihrem lieben Hinterchen so artlich herum, daß mir's ganz fromm ums Herz lief und mir die Seele im Leib herumtanzte, wie eine Goldmücke. – – Wie der Blitz werf ich mein Mantel hin, spei in die Hände und tu einen gewaltigen Satz. – – Aber, o die verfluchte Hexe! die mich so gewaltig verblendet! – – Statt auf ihren milchweißen zarten Rücken zu fallen, liebe Brüder, wohin ich so meisterlich gezielt, fall ich über Hals und Kopf in einen stachlichten Brombeerstrauch, so tief, daß sich über mir der gestirnte Himmel verschloß. – O mir Armen! da stand euch noch die verfluchte Zauberin – – – daß sie die Pestilenz! – – daß sie im Orkus, noch davor gepeiniget werde! denn mein Treu, ich liebe sie jetzt gar nicht mehr – stand euch noch, ruft höhnend, indes ich mit tausend Schmerzen in ein so stachelicht Netz verwickelt lieg: – ›Zu mir in Busch herein! – Komm doch, Möpselchen! will dir einen Schmatz geben, hast gar meisterlich gesungen!‹ ›Ei! daß du im Styx lägst du abscheuliche Brut! – – – hätt ich dich nur! – – –‹ rief ich halb rasend, und langte mit der Hand nach ihr – – – Aber sie sprang lustig davon, ohne sich mein nur zu erbarmen. Und ich wäre gewiß vor Kummer und Elend verschmachtet, hättet ihr liebe Brüder! euch nicht mein treulich erbarmet und mich herausgezogen.

Aber will sie nun fahrenlassen. – – Fahre hin, du stolzes Herz! – – Hört ihr's? – – Jetzt soll mir jeder von euch schimpfliche Lieder auf diese höllische Nymphe machen. – – All will ich sie dann auswendig lernen, und sie abends und morgens und den ganzen Tag – – auf jenen Felsen dort, ihrer Grotte gegenüber, absingen, und schimpfen, und schmähen, und schreien, daß es das ganze Tal hört.«

Zweiter Gesang

Also der Satyr Mopsus, sein Herzenleid erzählend! Und nun heult er von neuem, indem er das Blut von seinen zerkratzten Armen streicht. – – Die Hälfte seiner Zuhörer heulen vor Mitleid herzlich mit ihm; die andere lachen überlaut über die gräßliche Gesichter, die der Satyr im Heulen schneidt; – doch alle entbrennen im Zorn gegen die Nymphe, die so grausam ihrem [1380] lieben Mopsus mitgespielet. Auf fahren sie, und schwören, und lärmen, wollen in der ersten Hitze, ihre Grotte verstören, und ihre Urne versenken; und ergrimmt fahren alle zur Höhle hinaus; – ähnlich einem aufgereizten Schwarme Hornessen, denen von ohngefähr ein junges Rind zwischen moosigten Wurzeln das Nest zertritt. – Die dann hervorbrummen in dichter Zahl; für Wut pfeifen sie, giftig schwellen ihre Leiber, und ihre Schwänze stacheln die Luft. – Zum Zerfleischen versammlet fahren sie schwarz daher; Hund und Herde fliehen darob, und die erschrockene Hirtin eilt und rettet ihren schlummernden Säugling. – Also wütig stürmen mit Stäben und Steinen bewaffnet die Knaben, und Mopsus voraus. Und gewiß hätten sie die Torheit begangen, die unverstörbare Grotte bestürmt, die von Jupiters Winke, auf Priareus' Nacken gegründet, mit Vulkans undurchdringbaren Erzte umschmolzen ist – – und hätten sich neue Schande und Strafe dadurch erworben; hätte nicht Myron, der schlausten und gescheidesten Hirten einer, sie mit diesen Worten zurückgehalten:

»Wohin, Vater Mopsus? – – – Ihr Jungens wohin? – Seid ihr rasend, oder habt ihr nicht mehr Nachsinnens als die dummen Tiere, die Jupiter alles Verstandes beraubt? – – – Was wollt ihr Narren anfangen? Meint ihr's mit Göttern aufzunehmen? He? Und wenn die Nymphe ihre Felstüre verriegelt, die schwerlich Neptun aus den Angeln reißt – sagt was wollt ihr Ohnmächtige dann? – – – Zurück! sag ich. – – Schämt euch! Und du? alter Bursch! Steckt in deinen Hörnern und Barte nicht mehr Verstand? – Sei nicht töricht und hör meinen Rat an, der gewiß aus treuem Herzen fleußt. – – Was nutzt Schimpfen und Toben hier? – – Nichts! – Du behältst deine Wunden, und je mehr du lärmst, je mehr wird man über dich lachen: denn ein getroffener Hund, sagt man, bellt immer am ärgsten. – – Das gescheidste ist, wir schweigen ganz stille; der Abend ist bald da. Verweilen wir hier, bis es ein wenig dunkler wird, und lauschen dann der Nymphe auf. – Jetzo sitzt sie noch wie gewöhnlich, bei ihren Schwestern im Tale; unter dicken Kastanien, die einen kleinen See umschatten, kommen sie dort zusammen spielen, und baden, wenn der Tag heiß wird; – oder würken und umsticken goldne Gewänder mit Florens holder Nachkommenschaft; indes die eine goldne Fäden zwirnt, die andere bemüht ist, die Nadel zu führen, singt die dritte, oder flechtet sich ein Band in die Haare; – andere sitzen und horchen auf Märchen und wunderbare Abenteuer[1381] der Götter – oder lassen sich die gute Wahrheit sagen, und befragen sich wie lang die eine oder andere noch Jungfrau zu bleiben gedächte, und was diese oder jene für einen Gemahl bekäme? was Alter, Farbe und Haar? – Lachen und scherzen da untereinander. – Wenn sie nun beim Abendstern voneinander gegangen, Persina in ihre Grotte heimgekehrt, wollen wir uns dort unter Büsche und Wurzeln verstecken, bis sie ihre goldne Arbeit aufgehangen, zum Nachtmahl ihren Tisch bereitet, das halb aus Früchten und Milch, und halb aus Ambrosia bestehet, soviel die Nymphe Göttliches an sich hat. Dann trittstu Mopsus, hervor, sitzest wieder auf den nämlichen Platz, wo du heunt gesessen, und singst, und spottest recht schimpflich über die Nymphe, daß sie dann etwa auch scheltend aus ihrer Höhle tritt; – dann wollen wir im Dunklen über sie herfallen, sie an ihren fliegenden Locken festhalten. Anders sie zu bändigen ist keinem Gotte möglich, geschweige uns. – – Dann wollen wir sie an einen Baum festbinden und sie so lange da aufhalten, bis du dich nach Herzenslust an ihr gerächt hast. – – Sagt, wie gefällt euch dies?« –

Dieser Rat gefiel nun allen und Mopsus absonderlich. – – »Guter Myron!« sprach er –, »will alles tun; aber das sag ich dir zum voraus, und keiner red mir ein Wort dagegen, oder ihn soll Zerberus beißen – – haben wir die listige Nymphe einmal, dann wollen wir sie rechtschaffen anbinden. – – – Hab nur noch ein Tröpfchen Kräfte; aber will's gerne dran strecken, mich an der gottlosen Hexe zu rächen.«

Also Mopsus! – Und die Knaben bringen nun große Humpen herbei, füllen sie aus vollen Schläuchen; dann gießen sie in schön geschnitzte Pokale ein und lassen die herumgehen; sprechen dem alten Satyr Mut zu, und suchen durch mancherlei lustige Gesundheiten sein trauriges Herz zu erfreuen. – – – Zuerst nimmt der wollhaarigte Cebes den Becher und spricht: »Beim Amor, der auf diesen Henkel den Bogen spannend, geschnitzt ist – Mopsus! vergiß allen Kummer – laß deine starrköpfige Nymphe Persina mit all ihrer Schelmerei – es gibt ja der Dirnen noch viel. – – Glück zu! alter Freund! – Ich wollte du müßtest des alten Ozeans silberfüßige Töchter alle beschlafen; versteht sich eine um die andere.« – Und Mopsus spitzte die Ohren und schmunzelte drob. – – »Ja«, spricht ein anderer, »und daß du eine Horde Buben mit ihnen erzeugtest, alle groß und stark, wie die jungen Esel.« – – Und der Satyr nickt und bedankt sich gar freundlich.[1382] – – – »Gefallen dir die Nereiden nicht mehr«, ruft ein dritter, »Vater Mopsus, so wünsch ich dir gerne König Atlas' goldfreundliche Töchterchen, die mit goldnen Kämmen sich kämmen, und über Rosen tripplend, goldne Äpfel schaukeln; – kannst sie nehmen, wenn sie dir gefallen.« Und Mopsus spricht: – – »Ja hätt ich sie nur!« – – Und nun ergreift Myron den Becher und spricht lächlend: – »Beim süßen Augenblick Mopsus, da du in den Strauch fielst! – – Närrchen! wem 's Glück wohlwill, zu dem kommt's im Schlafe. – Traun! du bist dazu ausersehen noch ein berühmter Liebesheld zu werden. – Betrübe dich nicht! die Sonne geht auf und unter; man muß das Böse mit dem Guten genießen. Siehstu! – – Heunt lagstu in Dornen, wer weiß, ob du morgen nicht – –« Und nun trinkt der Knabe. – – Aber der Satyr ruft: »Red aus Myron! denn das Beste kommt nach.« – – »Freilich!« ruft Molon; »heunt lagstu in Dornen, wer weiß ob du nicht morgen auf Distlen liegst! – Trink, du Alter! – Mein Treu! ich gäb, ich weiß nicht was drum, wenn ich dich noch einmal so im Dornbusch liegen sähe – versteht sich, selbander; – du merkst's doch? – – So mit einer – – – tausendjährigen runzelreichen Sibylle! – Was denkstu? He? – und ein schöner Schwarm Wespen summsten dir ein Brautlied auf! – – Ha ha ha!« – Alle Knaben lachen nun herzlich; und Mopsus, unwillig, wollt eben dem Wünscher einen Becher ins Gesicht schmeißen; – als Myron ruft: »Der Abendstern ist da – Mopsus! ihr Knaben! laßt uns eilen!«

Und nun brechen alle auf. – Wie ein gescheider Rabe von ohngefähr, mit einem Trupp Staren vergesellschaftet, über einen Weinberg fliegt – sie alle die kleinen Vögel fallen sorglos gierig herab, die süße Ätzung zu suchen –, er allein sitzt erst auf einen hohen Pfahl, und drehet sich, und guckt überall herum, daß ihn keine Gefahr befalle. So schauet sich Mopsus auf einem Felsen um, da alle Knaben schon versteckt sind. – – Eben war die Nymphe Persina in ihre Höhle zurück: Am Eingang ihrer grün beschatteten Wohnung legt sie ihre Arbeit wieder auseinander und beschauet noch einmal, was sie den Tag über Schönes gemacht; froh und erfreut über ihre Geschicklichkeit, steht sie davor und wählet in ihrem Herzen, welcher Göttin sie ein Geschenk damit machen wolle. – – Ein schöner Purpurmantel war's, auf den sie gar artig Amorn gestickt, wie er in der Blumengöttin Schoße liegt, und wie nun Flore einen neben ihr knieenden Zephir, der ihr das Blumenkörbchen hält, tauvolle Hyazinthen abnimmt, sie mutwillig über den nackten Schlummerer sprengt, daß [1383] er erschrocken mit beiden Ärmchen auffährt, und darob seine kleine gauklende Brüder lachen; und so schön hatte sie Amors Furcht und die Freudigkeit seiner kleinen Gesellen ausgedrücket, daß man geschworen hätte, man höre den artigen Amor hell auffahren, als ihm ein kühles Tautröpfchen in den Nabel fiel. – Auch die Nymphe sprang, da sie von ohngefähr ihre Augen drauf wandt, selbst, »hei!« schreiend zuruck, und lachte hernach aus vollem Munde.

Und nun als sie ihren Mantel lange genug betrachtet, hängt sie denselben an einen kostbaren Haken auf, schwenkt dann silberne Schalen und bereitet aus himmlischen Urnen ihr Nachtmahl. Als sie nun so sitzt und genossen, und eben im Begriff ist, von ihrem schimmernden Gürtel die Syster zu knüpfen, um in die goldenen Saiten zum Zeitvertreibe ein Lied zu singen – gaben die Knaben dem hinten wartenden Satyr das Zeichen. Langsam hinkt er nun hervor, setzt sich auf einen Eichenstrunk nieder, und fängt also über die Nymphe schimpflich zu brüllen an: »Die Katz maust gerne. – – Ei! gewiß, du magst mir eine feine Jungfrau sein – Quellennymphe Persina du! – – – Mit dem Hesper schleicht ein Jüngling in deine Grotte; wo liegt er bis der Phosphor kommt? – – Auf Steinen gewiß nicht! Das glaub ich wohl. Wollt's einem gleich sagen, wo? – Wollte mich nur jemand drum befragen. – – Will doch nur sehen, wo das all hinauswill, o du gottlose schändliche Nymphe du! – Du Igel, die sticht und beißt und mich so gewaltig in dein Netz verstrickt? – – Ja, du bist mir ein keusches Mensch! – Eine keusche Nymphe du! – Aber lieg du nur wacker bei deinem Knaben drinnen; wenn die Nuß zeitig ist, fällt sie von selbsten, was braucht's da Schüttlens? – Lieg du nur wacker zu! sag ich dir; will dir hernach auch den Reihen bringen. – – – Meinstu, das soll mich verdrießen? – Ei, was liegt mir dran, lägen auch ihrer zwanzig bei dir! – Aber, hab einmal meine Freude dran, hier zu sitzen. – – – Heisa! wie gut ist's doch hier bei meinem Schlauche!«

Nun hält Mopsus ein wenig inne und fragt ganz leise: »Hab ich gut gebrüllt?« Und die Knaben zischen aus dem Gesträuche hervor: – »Besser noch! Mehr noch! Sie hört's.« – Da räuspert sich der Satyr, und fängt wieder von neuem an: »Wahrhaftig! jetzt hör ich gar pispern, küssen, daß's schmatzt. – Ja, ja, so ist's mit den verschämten Quellenmädchen; am Tage tun sie so keusch, so keusch wie wankendes Schilf, das auch vor dem geringsten Windhauche sich zurückbiegt; aber nachts – [1384] nachts fallen sie, wie reißende Wölfe in eine Herde, auf die Jünglinge los und schleppen sie mit in ihre Höhlen.

Pfui tausend! wie mag man sich so aufführen! – – Pfui tausend! wie mag man nur einen Mund küssen, wie dieser garstigen Nymphe Persina ihren! Die ist das häßlichste Ding das unter der Sonne lebt. – – Pfui, um alles, alles nicht! – – – Ja da käme mir einer recht, der mir so was zumuten wollte; mich peitschen lassen aufs Blut wollt ich lieber, mein Seel! als diese Quellennymphe Persina nur einmal küssen. Lieber wollt ich des Zerberus Rachen ablecken, als ihren abscheulichen Mund. – – Heißt wohl: Küßchen glitschen so süß von Mund zu Mund, wie Honigtautröpfchen in einer Rose von Blatt zu Blatt; – aber bei so einer! – Ei! ich wollte die Knotteln an meinem Ziegenfuß nicht einmal drum kämmen, ließ' sie mir auch von ihren Küßmäulern tausendweis, wie Feigen in einem Sack zukommen. Ja! ich kann andere Mädchen haben, – andere, als ein so gelbhautiges Ding! Mädchen, wie die Kürbsen; mit lichten Augen, wie die Gemsen! Mit denen will ich mich ergötzen; die sollen Freude haben; – – ja, ja, die dörfen sich an des alten Mopsus Schulter hängen, ihre weißen Arme um meinen Hals schlingen, mir im Bart krabblen, meine Nase zwicken und mich herzen und küssen soviel ihnen lüstet. – – Hörstu's drinnen? Merkstu's? Meine Hörner sollen sie mir dann mit Blumen behangen, ha ha ha! – mir die Wangen streicheln, ha ha ha! – mich kitzlen, eine da, die andere da, und ich will sie wieder dafür mit Rosen peitschen, ha ha ha! und im Krabbeln meine Backen aufblasen, ha ha ha! Die Beine auseinanderstrecken, und meinen Bauch herausdrücken, ha ha ha! die Augen verdrehen und mit Fleiß lachen, als ob mir's wunder gefiele; ha ha ha! – Und du sollt dann in deiner Höhle allein sitzen; ha ha ha! all dem Wohlleben zusehen und vor Herzenleid dich tothärmen, ha ha ha! und ich will noch drüber lachen, ha ha ha! mich von Herzen darüber freuen, ha ha ha! – ha ha ha!«

So schmähte der alte Mopsus und lacht' immer länger und mehr. Aushalten kann es die Nymphe nicht länger; – sachte schleicht sie herbei und gießet dem Satyr ein großes Becken mit kaltem Wasser über den Rücken. Erbärmlich heult er darob; und die Knaben rauschen hervor. Zurück will die Nymphe in ihre Höhle; aber an ihren langen schwebenden Locken erhaschen sie die Knaben und befestigen sie damit um die knotigten Äste einer Eiche.

[1385]

Dritter Gesang

Noch singen die Knaben, frohlocken um die angebundene Nymphe, spotten und ängstigen sie, indem sie sich untereinander befragen, wie und was sie mit der Nymphe jetzt anfangen wollen; als Mopsus, das Wasser vom Rücken schüttlend, ihr also zuschreit: – – – »Haben wir dich? – Bestie! haben wir dich nun? Wie steht's nun, he? Wie ist's nun? Meinstu daß mir warm war im Dornenbusch, wie du mein gelacht, als ich mein jung frisch Blut vergoß, und ich vor Schmerzen dir zugeheult, dich um Erbarmnis bat? – Und du lachtest mein und riefst: ›Lieg warm!‹ – – wart, wart! – will dich bewarmen, will dir's nun eintreiben! Geht, ihr Knaben! hört ihr's? – Eilet alle! – Bleib keiner zurück! Holt Fackeln herbei! weckt alles! – Wir müssen ein Tänzlein halten. – – Will indessen hier im Gesträuche etliche Gerten dazu schneiden: Denn abgefangen muß sie sein nach aller Ordnung! – – So was ist nicht mehr, als billig!«

Also der Satyr! Und die Knaben laufen alle davon, einer hie, der andere dort hinaus. – – Als nun die Nymphe den alten Satyr allein sieht, fängt sie ganz bitterlich zu weinen an – um etwa sein Herz zum Mitleid zu bewegen. – – – »Pfeifstu nun so, Vögelchen!« spricht Mopsus, indem er eine Gerte ablaubte; »pfeif stu nun so? – – – Wart, wart, will dich – – – Nein! gehauen mußtu mir werden; – – ei, was! das kann nicht anders sein!« – Dann tritt er vor sie hin, zerret ihr den Schleier vom Busen, reißt ihren schönen Gürtel los, befiehlt ihr sich herumzudrehen, damit er sie rechtschaffen treffe. – – »He?« schreit er – – – »gelt, meinst soll dein schonen? Dein schonen, he? Dein schonen, du? – – – daß du hernach meiner Treuherzigkeit bei andern lachen könntest. – Hol dich – – – Nichts, Jungfer! Du liebst mich nicht – wohl, wohl! – Darum solltu mir auch gehauen werden; – davon soll dich Jupiter selbst und dein Großvater der blaubärtige Neptun, nicht befreien. – – Gelt! meinst nicht, daß ich auch Fleisch und Blut habe, gelt!« – Indem er noch so scheltend der weinenden Nymphe gegenüberstehet, tritt aus finstrer Wolke der Mond hervor, beleuchtet mit seinen Strahlen die weinende Göttin. – – Erschrocken sieht sie der Satyr; sieht das Wallen des Busens, der ängstlich steigend sich hebt; und an ihrer verschämten Wange blinken helle Tränen, die sanft aus ihrem halbgeschlossenen Auge herabschmelzen. – – Verstört blickt der Langohrigte umher; da ihn das Mädchen also flehentlich um Mitleid beschwört: – »Oh, [1386] beim Jupiter, Mopsus! habe Mitleiden mit mir armen Mädchen! verzeih meiner Jugend! – Knüpfe mich los, daß ich vor dir niederfalle und flehentlich deine Knie umfasse! – – O bei meiner Mutter beschwör ich dich, die, den eifersüchtigen Zorn eines Gottes fliehend, mich, kaum Geborne, in dieser Höhle wilden Tieren zum Erbarmen hinterließ, die mitleidig vor meiner Unschuld ihren Grimm vergaßen, und mich nährten, und zärtlich meine Ammen wurden. – Oh, sei du nicht grausamer, als sie! – Höre mich! – – Sieh mich an! – Sieh meine Tränen! – Ach ich verzweifle! Ach! ich sterbe vor Scham, wo du mich nicht lösest und mich so entblößt, die vielen mutwilligen Knaben hier finden!« – – So sprach das Mädchen. Und ihre Stimme bewegte des alten Satyrs Herz. Vor Mitleid fällt ihm die Gerte aus der Hand, da er des Mädchens zartes Streichlen unter seinem borstigen Kinn fühlt. – Steif und stumm steht er; und indem ihm gleichfalls die Augen tropfen, zieht er ein krummes Maul und heult von Herzen mit. – – – »So geht's, gottlose Hexe! Gelt! – – Warum hastu mich nur so grausamlich martern müssen? – – Gelt! wenn ich dich losließe! – – Geh, geh, 's wäre kein Wunder, zög dir 's Fellchen vom Hintern ab! – Betrügliches Kind, du! – – Ja; loslassen will ich dich wohl, meinetwegen! Aber dann kommen mir die Knaben auf 'n Hals? – – Verfluchte Bestie du! – – Sieh, hättest du mich nur liebgehabt, mein Lämmchen! so wäre jetzt alles gut! – – Sag? willtu mich denn liebhaben? versprichstu mir's? He? Komm! schwör mir herzhaft drauf, daß du mich künftig liebhaben willt; ich bind dich dann los, mögen auch die Knaben mit mir anfangen, was sie wollen, mögen sie mich auch totschlagen! – – Beschwör's nur recht kräftig, daß es künftig immer wahr bleibt, daß du mich recht herzlieb haben willt. Willtu? sag! willtu?« – »Ei, gerne!« rief die Nymphe, »herzlich gerne!« Und beschwor's bei allen Göttern des Himmels und der Hölle, bei allen Flußgöttern und den Göttern der Luft, daß sie ihn künftig recht herzlieb haben wolle. – – Dann gab sie dem darob schmollenden Ziegenfüßler einen Schmatz, daß er vor herzlicher Freude darüber das linke Bein aufhebt, abscheulich sein Maul auseinanderreißt und überlaut brüllet. – Nun bindet er sie los. – Aber die Knaben kommen und schreien: « Was machstu. Warum läßtu sie los?« Dringen herbei und umringen den Felsen, auf den sich das Nymphchen gerettet, und wollen sie von neuem fangen.

Aber Mopsus schreit gewaltig, und hebt beide Hände in die Höhe – – – »Wollt ihr ruhen? – He! ruht doch! Wir sind wieder [1387] gute Freunde; sie ist meine Braut, und ich ihr Liebchen. – Ich kann ihr ja alle Dornstiche verzeihen. Geltu mein Knöttelchen!« – – Zugleich löset die Nymphe ihre Goldsyster vom Gürtel und verspricht den Knaben einen Gesang. – Da werden alle fröhlich, stoßen ihre Fackeln aus und lassen sich um den Felsen herum im Mondglanze nieder.

Und nun die Göttin! – Die goldne Saiten erklangen – prächtig erhaben nun; – – bald schauernd wild, wie des Waldgipfels Murren, wenn ihm Stürme die Locken zerreißen, gepeitscht vom riesigten Donner; – bald schwer, wie der Mitternacht Getön, deren melancholischen Laut einzusaugen, Gespenster auffahren und Verstorbene erwachen aus modernden Träumen; – bald zärtlich süß klagend, dem Gegurgel der Nachtigall ähnlich, die von Quellen den Frühling lockt, wenn er zu lange verweilet und Flora hyazinthengekrönt, nun unter Mandeln seiner erwartet.

Zuerst sang sie die Grotte, wo der greise Saturnus nickt, mit ihren Hütern, Geburt und Tod; – im Morgen- und Abendrot dämmern und schlummern beide und der lichte Fluß des Lebens schlägt an ihre eherne Sohlen.

Dann den Drachen Chaos, wie der gewaltige Zeus über ihm lag; – siegjauchzend umflicht er des Fürchterlichen Schuppenhals, daß er umsonst stürmende Flügel schlägt; sie sinken und steigen, bis überwunden der Scheußliche kreischt und nun aus seinem schwarzen Rachen ausspeit die lichte Sonne, und von des kräftigen Gottes Armen niedertropfen die Sterne des Himmels und Orion und der Wagen. – – Dann die Geburt der Welten, und wie Prometheus Menschen gebildt, und wie aufschwollen zum ersten Strahle neugeschaffen die Hügel, grottenreiche Gebirge und grüne Klippen der Fichten und der Tannen. – – Dann die Grotte der Sirenen und ihren himmlischen Gesang; auch den taumlenden Bacchus, der siegreich um Indiens schneckenreiches Ufer hinzog; das Geklapper der Muscheln und Hörnerschall ins Jubeln der Meernymphen auf Walrosse gebunden und umschlungen vom rasenden Chor. – – – Dann der Zentauren würgendes Lied, und Gejauchz der streitenden und sinkenden Schall. – Und nun vom zärtlichen Orpheus, der, ach! von Liebe geleitet, stygische Nächte durchdrang. – Hingesunken am glühenden Ufer strömt sein kläglich Lied, erschröcklich schön klang's ins Geheul der Verzweiflung; – eine Musik, Sterbliche zu entsinnen und Seelen im Schauer aufzulösen; die Götter selbst haben noch keine widereinander streitendere Harmonie gehört; bis allgemach sein sanfter [1388] Ton die Verzweiflung ganz bezwang, hingesunken zu seinen Füßen der wedlende Zerberus entschlief, stille steht im roten Ufer der flammenwälzende Acheron, und Geheul und die Angst sich legen, und innehalten alle Räder der Verdammnis, der Wut; – daß mitleidig sich küssen die Schlangen auf der Erinnys schröcklichem Haupte – – – und sich vergessen und all ihren Jammer die Verdammten, und all ihre nagende, nagende Qual. – Herab rinnen nun allen die Tränen, als der göttliche Sänger sie also um Mitleid fleht: – »Gebt mir sie, ach gebt mir sie zurück meine Eurydice! – Oh, wenn ihr auf jener Welt je geliebt, je die Angst, die zärtliche Angst getrennter Liebe empfunden, o so erinnert euch, durch all eure Marter hindurch erinnert euch – bejammert mich, wie ich euch bejammre! – Möchten sich, ach möchten sich die Götter eurer so erbarmen! Denn lange ist die Ewigkeit!« – – – Gerührt stehen nun alle, denken zurück an die Oberwelt, die sie verlassen und an ihre Freunde und Geliebten; – und wie sie sonst im grünen Tale und Sonnenschimmer, und an Quellen und Silberströmen sich ergötzet und gelebt, und geliebt und glücklich waren. – Und die Tränen stürzen ihnen schneller. – – – Dann ihren jetzigen grausamen Zustand, wie sie nun hoffnungslos ewig, ewig dulden und leiden – und nimmer, nimmer ein Ende sehen. Und mit Blutblicken – – knirschend emporgerissener Brust, heulen nun all im fürchterlichen Chor auf: – – »Ja! lange lange, o Ewigkeit! – – Oh, ihr Götter, erbarmet euch unser!«

Dann von Neptuns väterlicher Liebe, als er die schönste Götter und Göttinnen beschwor, sein geliebtes Söhnchen, den artig gezogenen Polyphem zu besuchen. – Auf glänzenden Muscheln getragen fuhr der schöne Himmel über Ozeans spieglenden Rücken dahin und es klangen und sangen die Wogen, als am goldnen Gestade sich die schöne Schar gelagert. – – Von Klippen herab springt nun der Riese der väterlichen Stimme entgegen; wohlgezogen reckt er zum Gruße gegen den Vater die Zunge und zupft ihn bei der Nase; dann säuft er in einem Zuge einen ungeheuren Weinbecher aus, stellt ihn vor sich nieder und zieht aus seinem Ranzen einen jungen Büffel, den er mit einem Faustschlag niederwirft und mit Haut und Knochen auffrißt. Also mit Blut beschmiert tanzt er und schäkert, die Göttinnen zu küssen, und indem er sich seitwärts bücket, die geschmeidige Venus zu haschen – dreht sie sich lächlend weg – – – und der Ungeheure schlägt nieder, daß von seinem Fall das ganze Gebürg erschallt, und Silens Esel schreiend mit den Vorderfüßen in den ungeheuren [1389] Weinbecher setzt und seinen dickbäuchigten Reuter in Kot wirft.

Dann von der klagenden Meernymphe Cymodoce, die vergeblich in den blaubartigen Proteus verliebt. Hülfe suchend, zu Amors lieblicher Grotte kam. Mit zerstreuten Haaren und nackten Füßen trat sie in die düftende Wohnung ein, wo der kindische Gott an seiner schönlockigten Mutter Busen lag. – Tränend sitzt sie nun zur Erde nieder, verhüllt mit ihren Händen ihr Angesicht und weinet überlaut. – Umsonst daß sie Venus bittet, ihr Herz zu erleichtern und ihren Kummer vor ihr auszuschütten: Denn es schien, daß die Nymphe viel Trübsal in ihrer Seele verschlösse, und Tränen rannen durch ihre kleine Finger die weißen Arme herab; – – bis die freundliche Göttin beim Styx und bei ihres machtvollen Sohnes Bogen schwur, ihr zu helfen und ihr beizustehen wider jedes Gottes Gewalt. Da erhebt sie sich und trocknet mit ihren Haaren ihr nasses Angesicht und, indem sie den schönen Amor schmeichlend mit der Linken umschlungen auf ihr Knie hinsetzt und mit der Rechten des Ozeans süß'ste Früchten und farbigte Muscheln zum Spielwerk in seinen kleinen Schoß aufhäuft, lehnt sie schamhaftig ihre Stirne an seine Schulter und fängt oft von Seufzern unterbrochen, ihm also bitterlich zu klagen an: – – – »Soll ich nicht weinen trautes Kind! da ich durch die Grausamkeit des unbarmherzigsten Gottes, der, ach! meiner getreuen Liebe so zuwider ist, sowohl dich selbst, als deine unvergleichliche Mutter, die dich schönen Knaben zur Welt bracht, so tief verachten sehe! – – Ach mein Herz blutet! – Oh, wüßtestu, wie lange ich schon der Liebe wegen erdulde! Denn wie soll ich dir schönen Knaben, der du ein Gott bist und mir allein nur helfen kannst, länger meine Liebe zum alten Proteus verbergen? – – Ach! ach! Mit der Morgenröte steig ich vom blauen Meer auf und sitze an seiner Grotte den ganzen Tag über, bis die schwarze Nacht vom Himmel sinkt; schmachte und schaue nur nach ihm. Ach! und so unempfindlich ist er – O es durchschneidet mir das Herz, wenn ich nur daran gedenke! Denn was tut einem jungen Mädchen leider, als verachtete Liebe? – So unempfindlich ist er, daß er mich nicht einmal anblickt; – den ganzen Tag läßt er mich einsam sitzen, ohne nur einmal zu fragen: ›Woher?‹ oder ›Nymphe! warum weilstu so lange?‹ Oder sonst durch eine holdselige Rede meiner Blödigkeit zu Hülfe käme, das mein schmachtendes Herz erquickte. – Nein; das tut der Grausame nicht! – Herum gehet er lieber, singt und [1390] freuet sich seiner Künsten, die tausendfach sind; verwandelt sich nach seinem Gefallen in was er will. – Bald ziehet er als eine Schlange mit seinem Schweife ein goldnes Rad in den Sand, indem er die glitzriche Brust zur Sonne sträubt und mit geschwinder Zunge ihre scharfe Strahlen spaltet; – oder er hängt als ein grauer Meerrabe, an schroffer Klippe und schreit herab ins Tal. – Wenn ich ihn dann so verwandelt sehe, geh ich, mich weniger schämend, herzu; – – rede daß er alles vernehmen kann, von meiner unglücklichen Liebe zum alten Proteus, und wie und wo ich ihn zuerst gesehen und geliebet, beim Tanz der Nymphe Galatee, wo er, als einer der flinksten Jünglinge mir mein Herze stahl. – Aber, o mein trautes Kind! das alles, alles beweget ihn nicht; kaum vernimmt er nur meinen Seufzer, so flieht er sichtbar oder unsichtbar davon. – – Dann seh ich ihn nicht wieder, bis er abends unter seiner Herde sitzt und melkt. – – – Mit seinem schön gefleckten Meerochsen spielt er dann: – Denn unter allen seinen Meertieren liebt er nur den vorzüglich. Bei ihm in der Sonne zu sitzen, seine blaue glänzende Mähne zu strieglen und seinen fetten Wampen zu streichlen – denk nur –, gefällt ihm besser, als süße goldne Liebe, und sein scheußlich Gebrüll rührt ihn mehr, als alle meine zärtlichste Seufzer. – – Drum mache dich auf, mein streitbares Kind! Räche du meine Schmach an diesem grausamen Manne! Oh, sei mir gnädig und schieße ihn mitten ins Herz, damit er mich liebgewinne und auch fühle, wie wehe verschmähte Liebe tut: Und wenn er dann so ein Weilchen gelitten, denn lange Böses wollt ich ihm nicht gerne wünschen; oh, so schenke ihn mir! – – Dadurch daß du einer Bedrängten beistehst, verherrlichstu dein Ansehen und das Ansehen deiner glorwürdigen Mutter, der himmelreinen Venus, die Jupiters erhabene Tochter und gewiß die schönste unter allen Frauen ist.« – – Also die Nymphe! Und nun hebt sie auf ihrer Hand Amorn zur freundlichen Mutter empor; aber Venus schlägt ihr, holdselig lächlend, auf die Schulter und spricht: »Betrübe dich nicht Cymodoce! Du hast ein Wörtchen gesprochen, das mir gefällt; deine Bitte sei dir gewähret!« – – Dann langt sie von der Wand Amors goldne Geschosse und bewaffnet ihn. – Siegfreudig jauchzt der Kleine, da ihm der pfeilvolle Köcher am Nacken klingt; – hüpfend zettelt er die goldne Spielwerke vom Schoße und erhaschet rüstig den Bogen und leicht wie ein rucksendes Goldtäubchen, das vom Lilienbusch auffliegt, worin sich die traute Buhle verstecket, schwingt sich der goldbefiederte Knabe [1391] lachend von der Nymphe Hand auf, davon, durch die säuslenden Lüfte.

Und letztlich, wie Amor, Proteus nun zu überwinden ging. – Lange schlich er dem blaubärtigen Alten nach, und zielet und schießet oft; – aber immer vergebens: Denn ehe die sprühende Spitze noch trifft, verwandelt sich der schlaue Gott in Wasser und löschet die giftige Glut. – – Zur List greift nun Amor, der verschämte Schütze; steigt als ein schön geflecktes Meerkalb über die blaue Welle empor; springt dann unter den Meerungeheuren her, die in der Mittagsglut um die Grotte herumlagen und den schläfrigen Alten in Schlummer brüllten. Süßblökend tanzt er in muschelreichem Sande, springt auf und ab und die ganze Herde springt verliebt ihm nach. – – – Ängstlich fährt nun Proteus, von ungewohnter Stille erweckt, im Schlummer auf; – und wie er nun staunend alles stille findt, entriegelt er schnell die feste Grotte, läuft mit schwachen Füßen hervor; – im brennenden Sand keucht und pfeift er und schreit zu spät seine Herde zurück: – – – »O ihr Unsinnigen! wo lauft ihr hin? Ach! kennt ihr eures alten Herrn Stimme nicht mehr? Wollt ihr mich verlassen, verlassen meine Grotte, wo so guter Meerfenchel wächst? – Und du, mein blaumähnichter Stier! der du vorangehest – o mein Sohn! –, dessen strahlende Locken alle Tage die Meernymphe Cymodoce gestriegelt und mit bunten Muscheln, mir zuliebe, behangen, dich geküsset und glücklich gepriesen, weil ich dich so hochschätze! – Ach! deinetwegen wollt ich sie ja nicht lieben, weil du mir werter bist als alles in der Welt! – Kehre doch wieder! – – Ach! kennstu den Verräter Amor nicht, der dich mir verführet, der dich mir raubt!« So schrie der Gott, keuchend am krummen Stabe; und Amor schießt den sich Vergessenden ins Herz. Heftig schreiend fährt er auf, als er die sprühende Spitze nun im Herzen fühlt. – – Aber sogleich verschmilzt auch in ihm des blaumähnigten Stiers Bild – und der strahlenhaarigen Cymodoce Lächlen stehet hell in seiner lohen Seele; seiner Herde vergessend, wirft er den krummen Stab in Sand hin; eilet, von Amorn überwunden, zu Ozeans Klippen; schnell spaltet er dort die silberne Woge und schießt verliebt hinab zu Cymodocens muschelreichem Palast.

Also sang die Quellennymphe Persina. Die Morgenröte klimmt schon herauf und Mopsus und die Knaben stehen nun erfreut auf. »Oh!« schreit Mopsus, »komm herunter, komm herunter, hast gut gesungen mein Täubchen, komm herunter will dir's lohnen, [1392] dir einen herrlichen Schmatz geben. – Ei daß dich der Guckuck du liebes Närrchen du! sag wenn wollen wir denn Hochzeit machen? Kann's nicht gleich den Augenblick sein? Sieh bin dir so verliebt und ist mir so drum ums Hochzeitmachen. – Geh, sag doch: Soll's morgen oder übermorgen sein?« – – »Ja übermorgen Mopsus, übermorgen« – spricht die Nymphe, »rüste dich drauf.« Aber vergnügt, daß sie so dem Satyr entrunnen, eilet die Nymphe lautlachend in ihre Wohnung zurück; und Mopsus und die erfreute Schäfer begleiten sie und klatschen in die Hände.

[1393]

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TextGrid Repository (2012). Müller, Friedrich (Maler Müller). Idyllen. Der Satyr Mopsus. Der Satyr Mopsus. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-51C0-3