59. Die Gräfin Schack.

1.

Die Gräfin Anna Sophia Schack, Besitzerin der Güter Schackenburg und Gramm, war eine sehr hoffärtige, alte Dame. Sie war kurze Zeit mit einem Grafen Ranzau verheiratet und lebte auf ihrem Gute Gramm. Ihren einzigen Sohn, Graf Otto Ranzau, ließ sie heimlich enthaupten, als sie einmal mit ihm in Streit geriet. Da erschien ihr die Ahnfrau des Hauses und verkündigte ihr, daß sie keine Ruhe im Grabe finden, sondern unsichtbar neben ihrem kopflosen Sohn umgehen solle. Von Stunde an ward die Gräfin fromm und wollte mit Beten und Fasten ihre Sünden abbüßen. Aber bis auf den heutigen Tag erfüllt sich die Verkündigung. Der junge Graf soll wirklich kopflos in seinem Sarge liegen.

2.

Dieselbe Gräfin Schack ließ sich einmal, als sie einen Jagdzug zurückerwartete, von ihrer Kammerjungfer zum Empfang der Gäste putzen. Da dies nicht recht vorwärts gehen wollte, ward sie ungeduldig und schleuderte das Mädchen gegen das Kamingesimse, daß sie für tot da lag. Gleich nach der Tat hörte sie den Zug unten im Hofe ankommen, und um das Geschehene zu verbergen, schiebt sie die Ohnmächtige in den Kamin, legt [52] ein großes Feuer an, setzt die Tür vor und verbrennt sie. Die Bluttropfen am Gesimse blieben, bis man es in neuester Zeit ganz umgelegt hat.


Durch Herrn Advokat Storm.


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TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. 59. Die Gräfin Schack. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-4C6C-A