445. Die Unterirdischen.

1.

Unter der Erde, meist in alten Grabhügeln wohnen kleine Leute, die man in Holstein Dwarge oder Unnererske, auch auf Sylt Önnererske, aber aufFöhr und Amrum Önnerbänkissen nennt. Im dänischen Schleswig heißen sie Unnervœstöi oder Unnerborstöi, auch Biergfolk und Ellefolk.

Sie sind hier seit undenklichen Zeiten im Lande. Bei Heinkenborstel, im Amte Rendsburg, wohnten in dem großen Elsbag einmal solche Leute. Diese erzählten, daß sie schon vor der Erfindung des Bierbrauens gelebt hätten. Das ist ein ganz alter Berg, ein platter großer Stein liegt oben drauf und auf demselben steht eine Buche, deren Wurzeln erst über die Seiten des Steins in die Erde kommen. Darunter soll viel Geld liegen, früher hat hier auch oft ein Licht gebrannt.

Es ist aber ganz gewiß, daß es solche Unterirdische gibt. Eine alte Frau in Angeln hat es von ihrem Großvater gehört, daß er einmal, auf [298] seiner Koppel, wo ein Riesenberg war, pflügend, gesehen habe wie ein unterirdisches Weiblein in einem weißen Hemdchen herausgekommen sei ihr Wasser zu lassen. Als sie ihn aber erblickte, lief sie schnell davon.

Jedesmal fast, wenn im Pinnebergischen Hochzeit ist, so kann man merken, daß die Unterirdischen unsichtbar mit am Tische zwischen den Leuten sitzen; sie helfen ihnen essen und es wird an der Seite, wo sie sich aufhalten, noch einmal so viel verzehrt als auf der andern; die Speisen verschwinden nur so. Dasselbe tun sie auch im nördlichen Schleswig.

Auf Sötel zu Süden Horrsted wohnten sie früher auch. Der Schafhirte von Horrsted hat oft mit ihnen getanzt. Sie hatten dann viele goldene Ketten um sich und nötigten oft den Schafhirten in ihre unterirdischen Wohnungen zu kommen. Auf den Büschen in der Nähe hatten sie zuzeiten viel Leinenzeug ausgebreitet zum Bleichen oder zum Trocknen, auch viele goldene Gefäße zum Auswettern daran aufgehängt.

Sie können sehr bösartig sein. Einen Mann inSüderstapel, der mit den neuen Kolonisten ins Land zog, haben sie sein Leben lang verfolgt. Sie stahlen ihm einmal seinen Schimmel und brachten ihn erst wieder, als er lahmte.

Mündlich und nach verschiedenen Mitteilungen. Zu Absatz 5 vgl. Thiele, Danm. Folkes. II, 179. – Wenn ein Kind fällt und weint, so tröstet man es damit, es sei nicht schuld daran, die Unterirdischen hätten es bei den Beinen gefaßt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Lieder. Drittes Buch. 445. Die Unterirdischen. 1. [Unter der Erde, meist in alten Grabhügeln wohnen kleine Leute]. 1. [Unter der Erde, meist in alten Grabhügeln wohnen kleine Leute]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-4B87-7