84. Die keusche Sylterin.

Auf der südlichen Halbinsel Sylts, die Hörnum heißt, erhebt sich eine gewaltige Düne, von mehr als 100 Fuß Höhe und einer halben Stunde im Umfang. Sie heißt der Buder, weil ehemals da in einer Meeresbucht Fischerbuden standen, die die Fischer von Sylt im Frühjahr und Herbst benutzten, welche aber auch wohl Seeräubern zum Schlupfwinkel dienten.

Hier in dem versteckten Ankerplatz landeten einst schwedische Seeräuber. Zwei Jungfrauen waren eben in jenen Hütten mit dem Reinigen und Einsalzen gefangener Fische beschäftigt; die Männer waren alle draußen auf der See und fischten. Sobald sie darum die Ankunft der Schweden bemerkten, flohen sie, nichts Gutes ahnend, nordwärts längs dem Ufer dem nächsten Dorfe zu. Glücklich erreichte die eine das Dorf Nieblum, das weiland südwestlich von dem jetzigen Rantum lag; die andre aber, [75] nicht so schnellfüßig, ermüdete bald auf dem anderthalb Meilen langen Wege und sah die lüsternen Räuber ihr immer näher kommen. Am Ende mußte sie erkennen, daß ihr nichts mehr übrig blieb als entweder sich ins Meer zu stürzen oder ihre jungfräuliche Ehre hinzugeben. Eben glaubten die Räuber ihre Beute sicher in den Händen zu haben, als das Mädchen der See zueilte und vor ihren Augen in der Tiefe verschwand.

Hansen auf Sylt im Volksbuch 1844.


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TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. 84. Die keusche Sylterin. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-48A3-0