Heinrich Mühlpfort
Gedichte aus Neukirchs Anthologie

[Mein Damon / laß die reinen flammen]

[390]
Mein Damon / laß die reinen flammen
Nicht laulicht und getheilet seyn.
Nichts bessers schicket sich zusammen /
Als guter grunf und gleicher schein.
[390]
Was ist das lieben?
Ein Spiel der zeit /
Wo man soll üben /
Bey noth und leyd /
Beständigkeit.
Nicht zürne / daß ich so gesungen /
Ein hertze / das von liebe qvill't /
Wird leichtlich mit verdacht beschwungen /
Und mit der bleichen furcht erfüll't.
Bey lichten steinen
Liegt kein verdacht;
Bey ungemeinen
Wird tag und nacht
Mit fleiß gewacht.
Hielt Aetna nicht so lange feuer /
Es kenn't ihn nicht die gantze welt;
Der säulen schönes ungeheuer /
So Rom in ihrem schoßß erhält /
Wird itzt geehret /
Weil keine macht
Es hat zerstöret /
Und dessen pracht
Nicht umgebracht.
Mein Damon / wilt du mich nicht hören /
So schau auff säulen / berg und stein /
Laß dich durch ihre wercke lehren /
Laß sie die stummen meister seyn.
Blick / wort und schertzen
Erbauet nicht /
[391]
Wenn unsern hertzen
Das gleiche licht /
Bestand / gebricht.
Die blumen werden zwar gepriesen /
Doch würd' ihr name höher gehn /
Wenn sie in gärten und auff wiesen
Dem winter könten widerstehn.
Glaß und crystallen
Ehrt iedes land /
Doch ziert vor allen
Der grossen hand
Ein Diamant.
Der zierrath / den die liebe träget /
Ist reuer geist / und gleicher sinn /
Den purpur / den sie um sich leget /
Sticht keine heisse sonne hin.
Wer gleiche liebet
In freud und noth /
Und zeichen giebet
Bis in den tod /
Ist fast ein gott.

[ASterie / ich bin gebunden /]

[392][399]
ASterie / ich bin gebunden /
Und zwar durch nichts als einen kuß /
Den kuß der macht mir seelen-wunden /
So / daß ich tödtlich krancken muß.
Ich werd entzücket
Durch einen mund /
Und auch berücket /
Daß von der stund
Ich nicht gesund.
[399]
Entdecke mir doch / was das küssen
In seinem rechten ursprung sey;
Wenn sich die geister in sich schliessen
Durch so verliebte zauberey /
Und sich verschrenken
In schneller eil?
Wer kan gedencken /
Was vor ein theil
Der küsse pfeil?
Dein mund der ist mein wollust-keller /
Worinn sich offt berauscht die seel;
Ich achte nicht den muscateller /
Wann nur in der corallen-höl
Die seele weidet
Nebst deinem geist /
Der nicht eh' scheidet
Und von mir reist /
Biß ich gespeist.
Asterie / laß deine lippen
Mir nur nicht harte felsen seyn;
Ein schiffer flieh't sonst hohe klippen /
Bey dir lauff ich im hafen ein.
Dein kuß der bleibet
Mein lust-magnet /
Zu dem mich treibet /
Die treu / so steht /
Und nicht vergeht.
Hastu von mir was mehr empfunden /
Als den verschrenckten lippen-rausch?
Hat lieb und treu ein garn gewunden /
So schöner als der rosen-strauch;
So magstu glauben /
Daß ich kein schnee /
Und daß mit schrauben
Im hertzen steh
Asterie.
[400]

[HIer müssen frische myrthen stehn /]

[401][446]
HIer müssen frische myrthen stehn /
Mein fuß soll itzt auff rosen gehn /
Das glücke soll mir selber betten /
[446]
Denn die / so meine seele liebt /
Und der mein hertze sich ergeibt /
Bindt mich mit allzu-schönen ketten.
Sie zeigt die schätze ihrer gunst
In gleicher glut / in gleicher brunst /
Ihr blut entdecket die gedancken /
Hier leg ich meine freyheit hin /
Weil ich ihr leibs-gefangner bin /
Ihr will sey mein ziel in schrancken.
Der frühling ihrer besten zeit /
Voll anmuth / voller lieblichkeit /
Giebt meinen geistern neues leben /
Ich seh' auff ihrem wangen-rund /
Und dem so schönen zucker-mund
Die Gratien leibhafftig schweben.
Komm / schönste / meiner seelen licht /
Laß mich aus deinem angesicht
Des hertzens wahre meynung lesen:
Ich weiß von deiner edlen treu /
Daß ihr nichts vorzuziehen sey /
Nich iemahls etwas gleich gewesen.
Laß und / weil es der himmel schafft /
Und wir noch voll blut und safft /
Der liebe nectar-strohm geniessen;
Den bund / der uns zusammen fügt /
Und beyder hertz und sinn vergnügt /
Besiegelt ein empfindlich küssen.
Du bist mein stern / mein paradeiß /
Und was ich nicht zu nennen weiß /
[447]
Der kern und ausbund meiner seelen /
Es soll in diesem leib und blut
Stets brennen meiner liebe glut /
Bis zu den finstern grabes-hölen.
Alleine hör / was Venus spricht /
Mein engel / und mein augen-licht /
Sie will nicht bloß mit worten spielen;
Sie ladet uns zun wercken ein /
Und heißt uns da geschäfftig seyn /
Die heissen flammen auszukühlen.
[448]

Notes
Erstdruck in »Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte«. Erster Theil. Herausgegeben von Benjamin Neukirch, Leipzig (Thomas Fritsch) 1697.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Mühlpfort, Heinrich. Neukirchs Anthologie. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-43BC-F