An den Vater meines Patchens

Der Knabe, der zehn Jahre später dir ein Freund
Und lange Zeit ein täglicher Genosse war,
Daheim noch lebt' er in des lieben Vaters Haus,
Mit blühenden Geschwistern selbst ein blühender:
Sieh, diesen Säbel zur Husarenuniform
Trug er durch Hof und Garten und Alleen der Stadt.
Das schöne Kleid (du sahst wohl noch ein Stück davon,
Scharlachen, fein, mit Silberschnörkelwerk besetzt),
Ist längst dahin samt alle seinem Zubehör,
Bis auf dies Eisen, dem getreu die Scheide blieb.
Wem laß ich nun die Waffe? Billig spart ich sie
Dem eignen Sohn; er bleibt nur gar zu lange aus!
Am Ende, fürcht ich ernstlich, kommt er nimmermehr;
Sah ich doch selbst die Mutter bis zur Stunde nicht!
Kurzum denn, Alter, deinem Erstgeborenen,
Dem deine Bruderliebe meinen Namen lieh,
Häng ich den Säbel, bis er ihn gebrauchen kann,
Am Nagel übers Bettchen, ihm zu Häupten, auf,
Unblutig Spielzeug, das von schöner Jugend weiß
Und deinem Knaben keine bösen Träume schafft.

Notes
Entstanden 1845, Erstdruck 1847.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Mörike, Eduard. An den Vater meines Patchens. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-429C-E