Nänie

Lugete, Veneres Cupidinesque.

Catull.


Medor starb! Amandas Thränen rinnen!
Ach! ihr Staar, ihr Liebling ist dahin!
Weint, ihr Amorn und ihr Huldgöttinnen!
Anadyomene, wein' um ihn!
Medor starb, ein Raub der Morgenröthe!
Kurz war seines Daseyns leichter Traum;
Ach! den Zweig, der seine Wieg' umwehte,
Malte des Novembers Purpur kaum.
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Seid' und Gold war seiner Tage Faden,
Einer Göttin Liebe zog ihn groß;
Wie den Trauten ihre Thränen baden!
Thränen wie einst Lesbia vergoß.
Unbekränzt ergießt um sein Gefieder
Sich das Haar der schönen Dulderin;
Traurig tönt der Harfe Nachhall wieder:
Medor, mein Entzücken, ist dahin!
Phantasie! mit deinem Rosenglanze
Helle zauberisch der Wehmuth Flor,
Und am nächtlichen Zypressenkranze
Sproß' ein blühend Mirthenreis empor.
Schlummr', o Medor, im Platanenhaine
Wo der Wiesenbach vom Felsen schäumt;
Dein gedenk' Amanda noch und weine
Wann der Gruft schon dunkles Moos entkeimt.
Die so früh zu Lethes Ufern schweben
Sahn die Flur nie öd' und blumenleer:
Glücklicher! im Lenz begann dein Leben,
Da der Winter naht bist du nicht mehr.

Notes
Entstanden 1789-1790. Erstdruck: Zürich 1791.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Matthisson, Friedrich von. Nänie. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2BF9-7