158. Die Wünschelruthe.

Es ist bekannt, sonderlich auf den Bergstädten, daß gewisse Leute gefunden werden, welche durch die Glücksruthe Metalle suchen und anzeigen können. Es ist zwar eine geheimnißvolle Sache, welche von Vielen für ein Traumbild gehalten wird, zumal die Probe sich nicht immer bewährt, auch nicht von Jedermann bewerkstelligt werden kann; aber ich will kürzlich an einige Dinge erinnern, welche bei diesem Handel nöthig erachtet werden. Es giebt Einige, die 1) keinen Unterschied des Holzes annehmen, es gilt ihnen gleich, von welchem Baume die Glücksruthe gebrochen wird; 2) nicht Tag und Stunde und Zeit im Jahre in [102] Acht nehmen, wann sie gebrochen werden soll; 3) auf die Art und Weise nicht sehen, wie sie zu brechen und 4) keinen Unterschied in der Person beachten. Dieses Alles aber, wenn es nicht genau in Acht genommen wird, macht, daß die Ruthe entweder gar nicht oder falsch weiset. Auf das Erste: Keine Glücksruthe unter allen andern ist besser, als die vom Haselbaum gebrochene, zumal bekannt ist, daß dieser eine sonderbare Gemeinschaft, Zuneigung und Sympathie zu den Metallen und deren Spiritus hat, kraft welcher er sich gleichsam zu dem Orte der Erde neiget, und die Stelle anzeiget, wo sein Freund verborgen lieget. Auf das Andere: Die Glücksruthe soll gebrochen werden, wann die Sonne im Löwen gehet, weil sie alsdann ihre völlige Kraft hat, und an dem Tage des Planeten, unter dem das Erz stehet, welches man suchen will; nämlich um Gold zu suchen am Sonntag, Silber am Montag etc., des Morgens früh vor Sonnenaufgang. Denn die weisende Kraft des Baumes verbreitet sich durch das angenehme Temperament der Nacht bis in die äußersten Spitzen der Reiser, während dieselbe bei Tage durch die Sonne zerstreut und zurückgetrieben wird. Drittens soll sie mit einem geschwinden Riß auf einmal abgerissen werden, denn in dem Augenblicke, da die Natur des Baumes die Verletzung spüret, ruft sie jene geheimnißvolle Kraft aus den kleineren Zweigen zurück, die Ruthe wird also dieser Eigenschaft beraubt und zu dem Werke untüchtig gemacht. Sie soll mit der Hand abgerissen werden, weil durch der Hände warmes Temperament ihre Eigenschaft eben recht conservirt und befördert wird, und nicht mit einem Eisen, weil solches ein Gestirn bei sich hat, wie oft und viel bekannt, die Eigenschaft der Ruthe zu zerstören. Zum Vierten und Letzten sind alle Menschen nicht tüchtig, auf alle Erze mit der Ruthe zu gehen, daher denn dem Einen die Ruthe gar nicht, dem Andern auf dieses, dem Dritten auf jenes Erz schlägt. Die auf Gold [103] gehen, müssen solarische, auf Silber lunarische und so fortan, Kinder sein.


Kalender v. 1663 1.

Fußnoten

1 Diese Nachricht über die Wünschelruthe ist zwar nicht aus einer hessischen, aber doch deutschen, gewiß nur Wenigen zugänglichen Quelle geschöpft, nämlich aus einem zu Goslar gedruckten Kalender auf das Jahr 1663 von Theophilus Merkurius, dem Herzog Christian Ludwig v. Braunschweig und dem Landgrafen Wilhelm v. Hessen gewidmet, mit dem Titel: Ephemeris, das ist: Bergwerk-, Tag- und Zeiten-Uhr etc.

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TextGrid Repository (2012). Lyncker, Karl. Sagen. Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. 158. Die Wünschelruthe. 158. Die Wünschelruthe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2795-5